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Als Wahrsagen Wahrsagung oder Mantik werden zahlreiche Praktiken und Methoden zusammengefasst die dazu dienen sollen zukunftige Ereignisse vorherzusagen oder anderweitig verborgenes Wissen zu erlangen das den gewohnlichen Sinneswahrnehmungen nicht zuganglich sei Inhaltsverzeichnis 1 Fruhzeit 2 Griechische Antike 3 Romische Antike 4 Mittelalter 5 Neuzeit 5 1 Zeit der Renaissance 5 2 17 Jahrhundert 5 3 Aufklarung 5 4 20 Jahrhundert 6 Literatur 7 EinzelnachweiseFruhzeit BearbeitenWahrsagen ist historisch in allen Gesellschaften und Zeitaltern nachgewiesen aus denen es Schriftzeugnisse gibt Nach den altesten schriftlichen Dokumenten die man im Nahen Osten fand kam ihm in jener Zeit eine grundlegende soziale Rolle zu Im 3 vorchristlichen Jahrtausend wird bereits eine Fulle einschlagiger Praktiken genannt darunter die Weissagung mit einer Schale Wasser oder Ol Vorhersagen anhand von Missbildungen Teratomantie und die Anwendung der aus der Traumdeutung gewonnenen Erkenntnisse Die ausgefeilteste Technik war damals die Vorhersage anhand der Betrachtung der Eingeweide speziell dafur geschlachteter Opfertiere Haruspizium Die dabei streng befolgten Verfahren waren derart verfeinert dass daraus auf eine noch sehr viel weiter zuruckreichende Vorgeschichte geschlossen werden konnte und sie erforderten eine sehr prazise morphologische und anatomische Beobachtung 1 Von Anfang an wurde nur gottlichen Wesen eine Kenntnis der Zukunft zugeschrieben Die Gotter so meinte man sendeten aber Zeichen deren Deutung es dem Menschen erlaubte die Zukunft immerhin zu erahnen Dem lag ein Glaube an die Existenz von Entsprechungen zugrunde Entsprechungen zwischen dem Makrokosmos und dem Mikrokosmos Astrologie und Entsprechungen zwischen der gottlichen und der menschlichen Welt Die Spezialisten der mantischen Disziplinen machten Aufzeichnungen uber beobachtete Zusammenhange von Ereignissen werteten diese aus und sammelten so ein immer komplexeres Wissen an Darin kommt ein deterministisches Weltbild und eine fatalistische Haltung zum Ausdruck Es konnte jedoch durchaus ein Glaube an die Wirksamkeit von Magie damit verbunden sein der Zeichendeuter konnte dank seiner Kenntnisse zugleich ein Zauberer sein zumal die Wahrsagungen zumeist nur Tendenzen angaben 2 In Palastina war das Wahrsagen im 2 vorchristlichen Jahrtausend sehr verbreitet wie nach der modernen Exegese zahlreiche Stellen im Alten Testament belegen Und das gilt fur die Hebraer ebenso wie fur die anderen dortigen Volker Erst ab der Wende zum letzten vorchristlichen Jahrtausend versuchten die religiosen Autoren die Wahrsager auszurotten oder zu vertreiben was aber trotz erheblicher Anstrengungen nur massigen Erfolg hatte 3 Von grosser Bedeutung war das Wahrsagen auch bei den Germanen und bei den Kelten die ebenfalls vielfaltige Verfahren anwendeten darunter die Weissagung aus Tierstimmen oder aus dem Flug der Vogel Bei den Kelten hatten die Spezialisten des Wahrsagens die Druiden erheblichen Einfluss auf die Politik in die sie sich mitunter sogar aktiv einmischten 4 Die Alektryomantie anhand des Verhaltens eines Hahnes war in Afrika aber auch in Griechenland verbreitet Bei den meisten archaischen Volkern findet sich ausserdem eine Proto Astrologie die im Unterschied zur eigentlichen Astrologie kaum mathematische Kenntnisse erfordert Gut bekannt ist ihre Auspragung im alten Babylonien gut tausend Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung Hier wurde das Himmelsgewolbe in konkreter Entsprechung zur irdischen Welt gedacht Einzelne Sternbilder wurden bestimmten Stadten zugeordnet die beweglichen Planeten bestimmten Personen oder auch Staaten Man beobachtete die Bewegungen der Himmelslichter und die Veranderungen ihrer Leuchtkraft und deutete diese als Vorboten wichtiger Ereignisse die zumeist die Politik und das sonstige Schicksal der gesamten Gesellschaft betrafen Damit verbunden war ein hochgradiger Determinismus der in Formulierungen zum Ausdruck kommt wie Wenn der Mond den Planeten Jupiter verdunkelt dann wird in diesem Jahr ein Konig sterben 5 Eine weitere Form der Weissagung die schon in archaischer Zeit bei allen Volkern bekannt war ist die Prophetie Propheten verkunden die Worte von Gottern und werden daher nicht zu den Wahrsagern gerechnet welche aussere Zeichen deuten 6 Griechische Antike Bearbeiten nbsp Ornithomantie Wahrsagen aus dem VogelflugIm antiken Griechenland wurde das Wahrsagen ursprunglich als eine Gabe betrachtet die auserwahlten Personen durch die Gotter verliehen wird Dadurch sollten diese Heroen in der Lage sein die Zeichen der Gotter zu verstehen wobei diese jedoch so menschlich vorgestellt wurden dass sie ihre Botschaften oft absichtlich kompliziert und verwirrend gestalteten Spater wurde das Wahrsagen zu einer erlernbaren Wissenschaft entwickelt in der soweit uberliefert an die 230 verschiedene Methoden gebrauchlich waren Die Griechen lassen kein Mittel ausser acht um sich uber die Zukunft zu informieren Georges Minois Einen bevorzugten Platz nahm dabei die Traumdeutung ein weil Traume als unmittelbare gottliche Mitteilungen angesehen wurden die allerdings vielfach allegorisch seien und daher einer Auslegung bedurften Der Glaube an diese Bedeutung der Traume war allgemein verbreitet selbst unter den grossten Skeptikern zweifelten nur wenige daran Minois bezeichnet die damaligen Experten der Oneiromantie als ausgezeichnete Psychologen die Klugheit mit Kenntnis der menschlichen Seele verbinden 7 Eine weitere Spezialitat der alten Griechen war die intuitive oder inspirierte Divination mit der Sonderform des Orakels Auch hierbei handelt es sich um Mitteilungen der Gotter die jedoch oft in Ekstase von Propheten ausgesprochen wurden Im Fall der Orakel war die gottliche Botschaft zunachst dunkel und ratselhaft weshalb es neben den zahlreichen Orakelstatten selbst noch wesentlich zahlreichere Exegeten gab deren Aufgabe darin bestand die Bedeutung der ubermittelten Botschaften zu entziffern Die bedeutendste Orakelstatte in Delphi die von Priestern des Gottes Apollon verwaltet wurde bestand uber tausend Jahre lang und das trotz der immer wieder erhobenen Kritik an der kolossalen Bereicherung der profitierenden Priesterschaft und an der Unzuverlassigkeit ja sogar Kauflichkeit der Vorhersagen Wegen der Dunkelheit der Formulierungen konnte das Nichteintreffen einer Prophezeiung immer damit erklart werden dass der Orakelspruch schlecht gedeutet worden war und auch dass Apollon aus irgendwelchen Grunden einmal absichtlich eine falsche Auskunft gegeben haben konnte wurde in solchen Fallen in Erwagung gezogen Der Einfluss der Orakel auf die Politik war enorm und offenbar vielfach stark von den eigenen Interessen bestimmt Minois spricht sogar von einer Futurokratie also einer Herrschaft der angeblichen Zukunft 8 Als die Orakelstatten immer mehr an Glaubwurdigkeit einbussten und das allgemeine Interesse sich von Weissagungen kollektiver Schicksale ab und dem Individuum zuwandte trat die Astrologie auf den Plan die Kunst das individuelle Schicksal aufgrund der Konstellation der Planeten am Tag der Geburt vorherzusagen Die erste Astrologieschule der hellenistischen Welt grundete der Babylonier Berossos gegen Ende des vierten vorchristlichen Jahrhunderts auf der Insel Kos Seine Vorhersagen machten ihn bald sehr beruhmt und seine Lehren fanden vor allem bei der geistigen Elite Anklang wahrend das gemeine Volk weitgehend an der herkommlichen Wahrsagung festhielt Die Astrologie kam dem zunehmenden Streben nach Rationalitat und gedanklicher Strenge entgegen sie wurde als Wissenschaft betrachtet Das Meisterwerk der hellenistischen Astrologie die Tetrabiblos des Ptolemaios Mitte des 2 Jh n Chr baut auf dessen astronomischem Grundwerk Almagest auf welches fur den Autor nur eine notwendige Vorarbeit fur das wesentliche Ziel war mit Hilfe der Astrologie die Zukunft zu kennen Die zugrundeliegende Weltsicht war bei Berossos streng deterministisch und mit der Uberzeugung verbunden dass alle Ereignisse sich nach 432 000 Jahren wiederholen Ptolemaios dagegen und mit ihm die meisten spateren Astrologen vertrat den abgemilderten Determinismus der stoischen Philosophie aus dessen Sicht die Astrologie sogar zu einem Instrument der Befreiung wurde Weiss ich was wahrscheinlich eintreten wird dann kann ich versuchen es zu vermeiden 9 nbsp Orest und das delphische Orakel auf einem von Python verzierten paestanisch rotfigurigen Kelchkrater um 350 v Chr Der einflussreichste Befurworter des Wahrsagens war Platon der sogar angab welches Organ diese Fahigkeit ermogliche namlich die Leber Timaios 72 Die Seherkraft sei uns von den Gottern verliehen worden um die Unzulanglichkeit des Verstandes zu mildern und sie konne am ehesten dann zum Zuge kommen wenn letzterer geschwacht ist oder schlaft Daher habe z B das Orakel zu Delphi im Wahnsinn viel Hilfreiches von sich gegeben bei Verstande aber Kummerliches oder gar nichts Phaidros Platons Ansichten die wie bei Berossos eine ewige Wiederkehr in sehr langen Zeitabstanden zugrunde legten wurden bis in die ersten nachchristlichen Jahrhunderte hinein von heidnischen Philosophen fortentwickelt so durch Plotin Iamblichos und Porphyrios Ahnlich war auch die Auffassung des Aristoteles und der Pythagoreer sowie einflussreicher Dichter wie Hesiod Homer Sophokles und Aischylos wobei Aristoteles allerdings ebenso wie Platon die meisten Seher als Scharlatane bezeichnete und nur bei besonders begabten Personen eine echte Wahrsagung anerkannte Platon forderte aus diesem Grund ubrigens dass der Staat das Sehertum monopolistisch kontrollieren solle Grundsatzliche Befurworter des Wahrsagens waren ausserdem die Stoiker 10 Dem standen jedoch zahlreiche Gegner gegenuber von denen die Kyniker und die Skeptiker die entschiedensten waren Da sie schon eine wirkliche Kenntnis der Gegenwart nicht fur moglich hielten war fur sie die Behauptung die Zukunft zu kennen erst recht lacherlicher Wahnsinn und fur die Dummen die sich auf diese Weise manipulieren liessen hatten sie nur Sarkasmen ubrig So argumentierte der Skeptiker Karneades im 2 Jh v Chr das menschliche Handeln sei nicht vorhersehbar und daher konnten diesbezugliche Voraussagen allenfalls zufallig stimmen Ware die Zukunft hingegen notwendig vorherbestimmt dann ware die Voraussage unnutz ja sogar schadlich Insbesondere die Astrologie bezeichnete Karneades als Betrug denn Zwillinge haben identische Horoskope und doch ganz verschiedene Schicksale wahrend umgekehrt bei einer Schlacht viele Menschen gleichzeitig sterben obwohl sie ganz verschiedene Horoskope haben Noch weiter ging der Kyniker Oinomaos von Gadara in seiner Streitschrift Die Gaukelei der Scharlatane wo er das Orakel von Delphi fur den Tod zahlloser Menschen verantwortlich machte die durch das arglistige Gehabe der delphischen Magier mit falschen Ratschlagen ins Verderben geschickt worden seien Ahnlich hatte schon im spaten 5 Jh v Chr der Historiker Thukydides in Der peloponnesische Krieg aufgezeigt wie die Wahrsagung in der Politik anstelle rationaler Argumente als Werkzeug zur Manipulation der leichtglaubigen Offentlichkeit eingesetzt wurde und deshalb grundsatzlich davor gewarnt aus Aberglaube auf derartigen Betrug hereinzufallen Grundsatzliche Gegner der Wahrsagung waren neben den Skeptikern und Kynikern auch die Epikureer In den damaligen Komodien machte man sich uber die Seher lustig wobei sich Aristophanes durch besonders bissige Karikaturen hervortat und die Handbucher der Rhetorik empfahlen Beweisfuhrungen stets mit ein paar geeigneten Orakeln zu untermauern 11 In der griechischen Kultur wurde erstmals uberhaupt ernsthaft uber den Begriff und die Problematik der Vorhersage nachgedacht und alle nur denkbaren Antworten auf damit zusammenhangende Fragen wurden so jedenfalls Minois bereits in jener Zeit formuliert Als Ersatz fur die zunehmend zweifelhaft werdenden Orakel und sonstigen Prophezeiungen trat spatestens im 5 vorchristlichen Jahrhundert eine neue Form der Vorhersage auf die Utopie 12 Romische Antike BearbeitenIm Unterschied zu den Griechen kummerten sich die Latiner nur um die Gegenwart und die unmittelbare Zukunft und im Hinblick auf letztere ging es ihnen nicht um Erkenntnis sondern um die rein praktische Frage wie sie sich fur ihre Vorhaben des guten Willens der Gotter versichern konnten Es gab unter ihnen nur wenige Propheten und Seher und sehr wenige Orakel Man war nicht primar daran interessiert die Meinung der Gotter in Erfahrung zu bringen sondern diese wenn notig zu beeinflussen Selbst wenn die Gotter durch drastische Vorzeichen wie Sonnenfinsternisse oder Blitze aus heiterem Himmel offenbar ihren Zorn zum Ausdruck brachten versuchten die Romer nicht diese zu deuten sondern konzentrierten sich darauf die der Situation entsprechende Suhnezeremonie procuratio zu finden und durch diese den gottlichen Zorn zu annullieren ein Vorgang von juristischer Strenge und Verbindlichkeit auch fur den beteiligten Gott Daher hatte das Wahrsagen im antiken Rom traditionell einen magischen Charakter und lief darauf hinaus die Gotter auszuschalten und den Menschen allein uber seine Zukunft entscheiden zu lassen 13 nbsp Etruskische Bronzeleber Modell fur die EingeweideschauNach dem Kontakt mit den griechischen Orakeln verbreitete sich jedoch auch unter den Romern ein Interesse an der wirklichen Weissagung Eine besondere Bedeutung erlangten dabei die Haruspizes Spezialisten der Eingeweideschau unter den benachbarten Etruskern die man schon in fruheren Zeiten gelegentlich zu Rate gezogen aber grundsatzlich mit Argwohn betrachtet hatte Nun hielt sich bald jeder reiche und machtige Romer seinen eigenen Haruspex wobei jedoch die prinzipielle magische Ausrichtung erhalten blieb Da in Etrurien selbst die einst hochentwickelte Wahrsagekunst nach der Eingliederung in das romische Reich verfiel stand das Haruspizium schliesslich ganz in den Diensten der romischen Aristokratie wahrend das Volk die zahlreichen neuen Divinationsmethoden aus den eroberten Gebieten fur sich entdeckte Der Senat war durch diese Entwicklung beunruhigt und begann gegen Ende des 3 Jahrhunderts v Chr die Wahrsagerei zu bekampfen bzw sie in seine eigenen Dienste zu stellen 14 Der sich verbreitende Glaube an das Wahrsagen machte dieses zu einem aussergewohnlichen Machtinstrument So war es folgerichtig dass Augustus der Begrunder des romischen Kaisertums sie unter seine Kontrolle zu bringen versuchte und ihre Ausubung in privatem Interesse weitgehend verbot Alle in Rom auffindbaren Orakelbucher wurden verbrannt oder fur des Kaisers personlichen Gebrauch verwahrt 12 n Chr Wegen der grossen Popularitat der Seher erhielten jedoch einige von ihnen eine offizielle Zulassung verbunden mit den Auflagen nur noch offentlich tatig zu werden und keine Todesfalle mehr vorherzusagen Unter Tiberius wurde unerlaubtes Wahrsagen zu einem schweren Verstoss der mit dem Tod geahndet werden konnte Alle Astrologen wurden aus Italien verbannt oder hingerichtet Einen weiteren bedeutenden Schritt machte Kaiser Claudius im Jahre 47 n Chr indem er die noch verbliebenen Haruspizes zu einem offiziellen staatlichen Kollegium zusammenfasste Diese Bemuhungen jegliche Divination in den Dienst des Kaisers zu stellen und ihre private Ausubung zu unterbinden blieben eine Konstante kaiserlicher Politik Tatsachlich war der Aufschwung des Wahrsagens in jenen ersten nachchristlichen Jahrhunderten jedoch unaufhaltsam trotz aller Verbote und drakonischen Strafen zumal die Kaiser selbst den Weissagungen eine grosse Bedeutung beimassen und lediglich sicherstellen wollten dass nur sie selbst davon profitieren konnten 15 Wahrend sich im einfachen Volk der Glaube an alle Arten des Wahrsagens verbreitete standen ihm die Philosophen und Dichter eher abweisend gegenuber Der fatalistische Determinismus dem die meisten von ihnen anhingen liess zwar eine Vorhersage kunftiger Ereignisse prinzipiell moglich erscheinen aber einen praktischen Nutzen sahen sie darin nicht Lediglich als Instrument der Politik und zur Manipulation der Moral der grosstenteils aberglaubischen Legionare wurde unter strenger Kontrolle stehendes Wahrsagen als sinnvoll angesehen Die umfassendste Zusammenstellung aller Kritikpunkte gegen die Wahrsagung legte Mitte des letzten vorchristlichen Jahrhunderts Marcus Tullius Cicero in seinem Spatwerk De Divinatione vor worin er samtliche Argumente fur die Wahrsagung auffuhrte und diese dann widerlegte Ein grundsatzlicher Einwand den Cicero vorbrachte war dass es fur jeden Lebensbereich Fachleute gibt die besser Bescheid wissen als die Seher und dass die Wahrsager nichts von den Ursachen der Ereignisse wissen also in diesem Sinne nichts voraussagen konnen Hinsichtlich der zahlreichen Naturerscheinungen die als Vorzeichen gedeutet wurden machte Cicero geltend dass man uber sie nur staunen konne so lange man ihre Ursachen nicht kenne Ebenso lacherlich sei die Vorstellung die Gotter gaben den Eingeweiden eines Opfertiers zum Zeitpunkt der Opferung ein bestimmtes Aussehen um den Menschen dadurch etwas mitzuteilen oder sie wurden uns im Traum undeutliche Botschaften schicken anstatt sich deutlich auszusprechen Uberhaupt sei es eine unbewiesene Behauptung dass es Gotter gibt welche die Zukunft kennen und uns an diesem Wissen teilhaben lassen Die Voraussagen der Astrologen wurden taglich so offenkundig von der Wirklichkeit widerlegt dass das Vertrauen das so viele ihnen immer noch entgegenbrachten hochst merkwurdig sei Und grundsatzlich sei die Wahrsagung mit dem Widerspruch behaftet dass man nur vorherbestimmte Ereignisse vorhersagen konne dass aber die Vorhersage nur dann nutzlich sei wenn das Ereignis nicht vorherbestimmt ware Daher sei die Unkenntnis kunftigen Unheils gewiss von grosserem Nutzen als ein entsprechendes Wissen Cicero kam zu dem unwiderruflichen Schluss dass Wahrsagung nichts als Betrug und Aberglaube ist 16 Mit der Bekehrung der ersten Kaiser zum Christentum blieb schliesslich die christliche Prophetie die direkte Inspiration durch den einen Gott als einzige legitime Sicht der Zukunft ubrig alles andere wurde nun als Aberglaube und Betrug verdammt Da aus dieser Sicht die rein irdische Zukunft keine Bedeutung mehr hatte und diese Welt ohnehin nicht mehr lange bestehen wurde verschob sich der Schwerpunkt der Ankundigungen von politischen und militarischen Ereignissen auf solche globalen ja kosmischen Ausmasses den Antichrist die Wiederkehr Christi und das Ende der Welt Vor diesem Hintergrund nahm der Kampf gegen weltliches Wahrsagen an deren Wirksamkeit auch die ersten christlichen Kaiser durchaus noch glaubten eine neue Dimension an sie gehorte nun zu den Resten heidnischen Aberglaubens die es auszurotten galt Die Orakelstatten wurden zerstort Bucher mit heidnischen Prophezeiungen wurden verbrannt das Haruspizium wurde mit Folter und Tod bestraft Die alten Gotter sollten zum Schweigen gebracht werden Und an die Stelle des Kaisers der bislang die Kontrolle uber die Weissagung fur sich beansprucht hatte trat schliesslich die Kirche 17 Naher betrachtet war die Auseinandersetzung der Kirchenvater mit heidnischem Wahrsagen komplex und nicht frei von Widerspruchen Die Schwierigkeiten bestanden vor allem darin dass sie Gott eine Kenntnis der Zukunft zusprachen aber zugleich den traditionellen Schicksalsglauben ablehnten und dass sie ihren eigenen Glauben auf Prophetie grundeten aber zugleich jede heidnische Vorhersage verwarfen Das erste dieser beiden Probleme loste Justin im 2 Jahrhundert indem er die Unterscheidung zwischen Vorherwissen und Verhangnis einfuhrte Obwohl Gott die Zukunft kenne und durch die Propheten verkunde seien diese Verkundigungen darauf angelegt die Menschen zur Besinnung aufzurufen und nicht einem unabanderlichen Schicksal zu unterwerfen Bezuglich des zweiten Problems fuhrte Gregor von Nyssa im 4 Jahrhundert das entscheidende Argument ein dass heidnische Seher und Astrologen nicht nur Scharlatane und Betruger seien sondern manchmal auch vom Teufel inspiriert seien und dann zutreffende Vorhersagen machen konnten wodurch sie die Menschen jedoch ins Verderben fuhrten Aus diesem Grund wurde namentlich die Astrologie verurteilt denn sie enthullte die Zukunft deren Kenntnis nur Gott zustand 18 Mittelalter BearbeitenAls prophetische Religion die ein baldiges Ende der Welt verkundete entfachte das Christentum ein verstarktes Interesse am Jenseits und an der Zukunft und daher stieg die Nachfrage nach Sehern Astrologen Wahrsagern und Propheten ungeachtet der Verbote In der Merowingerzeit waren wie Gregor von Tours in seiner Frankischen Geschichte Ende des 6 Jahrhunderts schilderte Weissagungen allgegenwartig und man unternahm nichts Wichtiges ohne sich zuvor auf irgendeine Weise uber den Ausgang zu informieren Dabei nahm man gleichermassen die heiligen Texte wie auch die Dienste von Hexen in Anspruch und selbst die Bischofe wie Gregor schenkten den meisten dieser Vorhersagen Glauben obgleich sie andererseits die zahlreichen falschen Propheten beklagten von denen manche sich gar als Christus oder als Heiliger Geist bezeichneten Eine auch innerhalb des Klerus ubliche Methode war das zufallige Aufschlagen von Buchern Bibelstechen verbunden mit der rituellen Anrufung Gottes Zahlreichen Vorzeichen sowie Traumen mass man grosse Bedeutung bei und in aller Regel kundigten sie Katastrophen an und losten Angst ja mitunter sogar Panik aus Dabei konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf weltliche Dinge wahrend etwa die Prophezeiung des Antichrist anscheinend wenig Beachtung fand Die fur falsche Propheten vorgesehenen Strafen waren schwer doch war die Grenze zwischen gottlicher und teuflischer Prophetie uberaus fliessend Minois und in der Praxis wurde die Unterdruckung anscheinend eher zuruckhaltend betrieben 19 Das fruhe Mittelalter praktizierte wie Minois schreibt einen spontanen Synkretismus der verschiedenen prophetischen Traditionen Vollig kritiklos werden alle irgendwie nutzlichen Vorhersagen verwertet andere frei erfunden und akzeptiert Nachdem die christlichen Autoritaten die Tore der Zukunft geoffnet haben als sie das Prinzip einer moglichen Kenntnis der Zukunft durch die Vermittlung des Heiligen Geistes oder Satans einraumten ist die Masse der auf beruhigende Gewissheiten erpichten Glaubigen bereit jede Ankundigung zu akzeptieren die es erlaubt sich an einen festen Punkt in der Zukunft zu klammern Dabei stammten die meisten Vorhersagen aus dem Schoss des Klerus selbst Hingegen wurden andere nicht prophetische Divinationspraktiken also Wahrsagung im engeren Wortsinn sowie teilweise auch die Astrologie abgelehnt 20 Erst im 11 und 12 Jahrhundert erfolgte ein Umschwung Nach Jahrhunderten relativer intellektueller Stagnation kam es zu einer spektakularen geistigen Erneuerung u a gefordert durch die Wiederentdeckung antiker philosophischer Schriften die im arabischen Kulturkreis aufbewahrt worden waren Zugleich festigte sich die Autoritat des romischen Pontifikats das nun uber die Macht und uber das geistige Rustzeug verfugte um den Zugang zur Zukunft besser zu kontrollieren und die Arten ihrer Bekanntgabe zu regeln Hinzu kam die zunehmende Bedrohung der bestehenden feudalen und theokratischen Ordnung durch neu aufkommende sozioreligiose Haresien die sich oft auf Prophezeiungen beriefen In dieser Situation verwandelte sich das Christentum von einer bislang prophetischen Religion in eine institutionelle die den Zugang zur Zukunft zu monopolisieren versuchte Freies Prophetentum stand nun im Verdacht des Aufruhrs und die Vorhersage war allgemein zur Streitsache geworden Angesichts der Bedrohung ihrer Autoritat durch unkontrollierte Propheten wie Joachim von Fiore die sogar den Untergang der Kirche vorhersagten beanspruchte diese schliesslich das alleinige Recht gottlich inspirierte wahre Propheten von Handlangern des Teufels und Scharlatanen zu unterscheiden Die Zahl der anerkannten Propheten wurde erheblich reduziert und die Thematik der Prophezeiungen wurde weitgehend auf das Jungste Gericht und dessen Umfeld beschrankt 21 Durch die zahlreichen Ubersetzungen antiker Schriften wurde jedoch auch das Interesse an der Astrologie wieder entfacht die daher im 12 und 13 Jahrhundert eine Renaissance erlebte In ihrem Gefolge tauchten auch andere heidnische Wahrsagepraktiken wie das Losorakel und die Geomantie wieder auf Aus Sicht der Theologen war das jedoch uberwiegend Aberglaube und Teufelswerk Im Falle der Astrologie machten die Scholastiker des 13 Jahrhunderts allerdings einen Unterschied zwischen der naturlichen Astrologie die sich mit dem weithin anerkannten Einfluss der Sterne auf die Gezeiten das Wetter Erdbeben Krankheiten und andere physikalische und chemische Vorgange beschaftigte und der aberglaubischen Astrologie die auch Aussagen uber die Handlungen der Menschen machte Erstere wurde von namhaften Theologen wie Robert Grosseteste Bischof von Lincoln in ihrer Anwendung in Alchemie Medizin und Meteorologie gutgeheissen wahrend letztere als problematisch bis unstatthaft angesehen wurde weil sie dem von Gott gewollten freien Willen des Menschen zuwiderlauft Einer der bedeutendsten Scholastiker der Dominikaner Albertus Magnus stand jedoch auch der auf den Menschen bezogenen Astrologie ausgesprochen positiv gegenuber was er damit begrundete dass die menschliche Seele zwar ursprunglich nicht dem Einfluss der Sterne unterliege aber in diesen gerate sobald sie sich den Neigungen des Fleisches hingebe wie es bei den meisten Menschen der Fall sei Unter dieser Voraussetzung bezeichnete er es als unvernunftig und der Freiheit abtraglich vor wichtigen Unternehmungen auf die Befragung eines Astrologen zu verzichten Ahnlich war auch die Auffassung des Franziskaners Roger Bacon des entschiedensten Befurworters der Astrologie innerhalb der Christenheit der sie sogar als wertvolles Mittel zur Bekehrung der Unglaubigen dem Papst empfahl Bei Bacon wurde die widerspruchliche Haltung der Kirche besonders deutlich Sein Hauptwerk Opus maius in dem er neben vielen sehr modernen Ideen die Astrologie in hochsten Tonen pries entstand im Auftrag des Papstes Clemens IV Jahre spater wurde er von Etienne Tempier Bischof von Paris und der scharfste Gegner der Astrologie in jener Zeit wegen seiner Lehren verurteilt und inhaftiert Insgesamt zeigte die ablehnende Haltung der Scholastiker gegenuber den Praktiken der Astrologen und des sonstigen Sehertums jedenfalls wenig Wirkung Posthum fanden sie sich zwar in Dantes Gottlicher Komodie allesamt in der Holle wieder zu Lebzeiten aber erfreuten sie sich zumeist grosser Beliebtheit 22 Fur das 14 und 15 Jahrhundert eine Zeit der Katastrophen und Umwalzungen konstatiert Minois eine Inflation und Banalisierung der Vorhersagen An die Stelle des Rationalismus der Scholastik trat die nominalistische Trennung von Glauben und Vernunft verbunden mit einer Geringschatzung der letzteren und einer Bevorzugung des Irrationalen und Okkulten Die meisten Vorhersagen gleich ob prophetisch inspirierter oder astrologisch wissenschaftlicher Art betrafen Katastrophen bis hin zum baldigen Ende der Welt wobei es durchaus ublich war die Vorhersage erst nach dem betreffenden Ereignis zu erfinden und zuruckzudatieren Der verbreiteten Bereitschaft selbst den widerspruchlichsten Vorhersagen Glauben zu schenken entsprach auf der anderen Seite die Gepflogenheit manipulierte Weissagungen fur politische Zwecke zu gebrauchen Im Volk waren derweilen die Deutung des Vogelflugs als Vorzeichen fur Krankheiten Ernten und Wetter das Pendeln und das Handlesen gebrauchlich 23 Neuzeit BearbeitenZeit der Renaissance Bearbeiten nbsp Darstellung verschiedener Wahrsagungsformen bei Olaus Magnus 16 Jh Angesichts der Missbrauche und der damit verbundenen Gefahr gesellschaftlicher Umsturze breitete sich ab dem 15 Jahrhundert in der intellektuellen Elite eine gewisse Skepsis gegenuber der inspirierten Weissagung aus und man setzte vermehrt Hoffnungen in die als sicherer und wissenschaftlicher angesehene Astrologie Sie wurde bald zu einem unerlasslichen Ratgeber der beguterten Kreise Minois wahrend sich im gemeinen Volk einfachere Spielarten des Wahrsagens zunehmender Beliebtheit erfreuten Die Praktiken des volkstumlichen Wahrsagens waren in der fruhen Neuzeit uberaus zahlreich und reichten vom Handlesen uber die numerologische Deutung des Geburtsdatums und des Namens das Kartenlegen und Wurfeln bis hin zum Bibelstechen Allgemein verbreitet auch unter Gebildeten war der Glaube an die Bedeutung von Warntraumen und ausseren Vorzeichen wie Erdbeben und Kometen wobei letztere ganz besonders gefurchtet waren Zur Unterrichtung in den mantischen Kunsten waren viele Handbucher im Umlauf 24 Wegen der damit verbundenen Gefahren fur die Dogmen die Moral und die Gesellschaftsordnung wurden zwar vermehrt Verbote erlassen da jedoch auch Konige und Papste Weissagungen fur ihre Zwecke einsetzten zeigten die Verbote kaum eine Wirkung In der intellektuellen und politischen Elite setzte sich etwa in der Mitte des 16 Jahrhunderts die Astrologie als Ersatz fur die religiose Prophetie weitgehend durch und in der Folgezeit wurde sie auch im Volk gebrauchlich Dabei spielten die gedruckten Almanache die fur jeweils ein Jahr neben den astronomischen Ereignissen wie Finsternissen und Konjunktionen auch astrologische Vorhersagen jeglicher Art auffuhrten eine bedeutende Rolle Auch die eher prophetischen Vorhersagen von Nostradamus Paracelsus und Anderen fanden grosse Beachtung Grundsatzliche Zweifel an der Moglichkeit die Zukunft zu kennen ausserten dagegen nur Wenige wie etwa Michel de Montaigne 25 17 Jahrhundert Bearbeiten Erst im 17 Jahrhundert begann die moderne Wissenschaft sich zu einer Bedrohung fur die mantischen Disziplinen zu entwickeln Francis Bacon wendete sich grundsatzlich gegen Prophezeiungen und gegen die Wahrsagung auf der Grundlage von Entsprechungen Die Astrologie hielt er allerdings fur teilweise berechtigt und reformierbar Zwar schloss er aus dass sie Aussagen uber menschliche Individuen machen konne aber bezuglich des Wetters des Auftretens von Seuchen Kriegen usw hielt er astrologische Vorhersagen fur moglich Die Astronomen Johannes Kepler und Galileo Galilei praktizierten die Astrologie sogar selber Robert Boyle versuchte in seiner Optik den Einfluss der Sterne auf den Menschen zu erklaren und auch Isaac Newton stand der Astrologie lange aufgeschlossen gegenuber So blieb die Haltung der intellektuellen Elite gegenuber dieser altehrwurdigen Wissenschaft bis gegen Ende des Jahrhunderts vorsichtig und zwiespaltig und entschiedene Gegner wie etwa Pierre Gassendi waren die Ausnahme 26 nbsp Georges de la Tour Die Wahrsagerin um 1635Noch immer waren wie Minois schreibt alle Gesellschaftsschichten begierig die Zukunft zu kennen Mehr denn je wendet sich das Volk an die Wahrsagerinnen die in der ersten Halfte des Jahrhunderts den Kunstlern eines ihrer Lieblingsthemen liefern Zahllose Maler und Kupferstecher haben die Szene dargestellt Georges de la Tour Caravaggio und viele andere Auf diesen Bildern ist meist eine Zigeunerin oder Agypterin zu sehen die die Handlinien deutet oder ein auf die flache Hand gelegtes Geldstuck verwendet Die Szene gibt Gelegenheit die Eitelkeit und Leichtglaubigkeit der Ratsuchenden ins Licht zu rucken meist kostbar gekleideter junger Manner und Frauen die Komparsen der Wahrsagerin nutzen die Ablenkung aus um ihnen die Taschen zu leeren 27 Mit etwas anspruchsvolleren Anliegen wendete man sich an einen Astrologen von denen es in der Mitte des Jahrhunderts allein in Paris etwa 400 gab also einen auf etwa 100 Einwohner 28 Bei den weiterhin popularen Almanachen ist allerdings ab der Mitte des 17 Jahrhunderts ein deutlicher Ruckgang und eine thematische Verschiebung zu verzeichnen die nach Minois ohne allen Zweifel auf die massive und beharrliche Kampagne der Kirchen gegen astrologische Vorhersagen und auf die sich haufenden Verbote speziell der judiziarischen d h die Politik betreffenden Vorhersagen zuruckzufuhren ist Im Kontrast zu ihren weiterhin sensationsheischenden Titeln wurden die Aussagen der Almanache vorsichtiger ja vielfach geradezu banal und sie wurden vorsorglich als blosser Zeitvertreib deklariert Der Anteil astrologischer Vorhersagen in diesen Jahrbuchern ging erheblich zuruck derjenige der Judiziarastrologie sogar dramatisch 29 Besonders rigoros war das Verbot und die Verfolgung jeglicher judiziarischen Divination im Zuge der Restauration der Monarchie in England ab 1660 Neu herauskommende Almanache und sonstige Bucher wurden diesbezuglich streng zensiert und auch renommierte Astrologen wie William Lilly wurden bei Verstossen inhaftiert Die Astrologie war schon aufgrund der Rolle die ihre fuhrenden Reprasentanten im vorangegangenen parlamentarischen Commonwealth gespielt hatten sehr in Misskredit geraten Hinzu kam nun aber eine sich in der intellektuellen Elite ausbreitende Neigung zum Skeptizismus und Rationalismus wobei sich John Flamsteed und Jonathan Swift als Kritiker und Spotter der Astrologie besonders hervortaten Waren noch im 16 Jahrhundert an den Universitaten von Oxford und Cambridge die Astrologie Gegner seltene Ausnahmen gewesen so wurde in der 1662 gegrundeten Royal Society bald klargestellt dass die Astrologie keinesfalls mehr zu den Wissenschaften zu zahlen sei Damit waren sich nun Wissenschaft Kirche und Politik in ihrer Ablehnung einig 30 Aufklarung Bearbeiten nbsp J P Waterhouse Wahrsagerin mit Kristallkugel 1903 In den folgenden Jahrzehnten gewann die aufgeklart skeptische Haltung auch auf dem Kontinent an Gewicht insbesondere in Frankreich wo Bernard le Bovier de Fontenelle Moliere und Jean de La Fontaine zu den Kritikern und Spottern zahlten und im 18 Jahrhundert war die Wahrsagung im Wesentlichen nur noch eine Angelegenheit des einfachen Volkes das weiterhin massenhaft die Almanache kaufte und Astrologen und Wahrsager konsultierte wahrend diese Dinge fur Gebildete allenfalls noch zur Belustigung taugten Mit der wachsenden Bedeutung der wenig gebildeten Mittelschicht im Zuge der von der Franzosischen Revolution ausgehenden Demokratisierung nahm jedoch auch die Bedeutung der volkstumlichen Wahrsagung zu die daher im 19 Jahrhundert eine Blutezeit erlebte Dazu trug auch die allgemeine Liberalisierung und der schwindende Einfluss der Kirchen bei wahrend sich losgelost von den religiosen Konfessionen erneut ein Hang zum Spirituellen ausbreitete der jetzt mehr dem Okkulten zuneigte In aufgeklart skeptischen Kreisen wurden die Praktiken der Wahrsager und der Aberglaube ihrer Kunden zwar verachtet und verspottet aber zugleich als ungefahrlich eingestuft So erlangte die zuvor in sozialen Randgruppen wie den Zigeunern beheimatete Wahrsagung nun den Status eines anerkannten Berufs dessen Kundschaft hauptsachlich aus dem Milieu der Beamten Kaufleute und Angestellten kam daneben aber auch vornehme Kreise bis hin zum Adel umfasste wobei letztere solche Dienste allerdings zumeist nur heimlich in Anspruch nahmen weil sie sich sonst der Lacherlichkeit preisgegeben hatten Ausgeubt wurde dieser Beruf uberwiegend von alleinstehenden Frauen fur die er eine der wenigen Moglichkeiten war unabhangig zu Ansehen und Wohlstand zu kommen und auch die Kundschaft war vorwiegend weiblich Als popularste Form der Wahrsagung etablierte sich in dieser Zeit das Kartenlegen Um 1850 kam als neues Utensil die Kristallkugel hinzu und die Vorhersage mit dem magnetischen Somnambulismus kam in Mode an den bald auch der Spiritismus anschloss 31 20 Jahrhundert Bearbeiten Ungeachtet der spektakularen Entwicklung und Popularisierung der exakten Wissenschaften liess die Popularitat der volkstumlichen Wahrsagung auch im 20 Jahrhundert nicht nach Unter den etwa 25 gebrauchlichen Methoden erlebte besonders die Astrologie einen erneuten Boom Zu Anfang des Jahrhunderts trat in den USA die Zeitungs Astrologie auf um sich zwischen den Weltkriegen dann auch in Europa zu verbreiten Neu hinzu kam die parapsychologische Prakognitionsforschung ebenfalls ausgehend von den USA wo 1933 an der Duke University erste derartige Experimente gemacht wurden Ungefahr zur gleichen Zeit erlebten Wahrsageautomaten in den USA ihren Hohepunkt 32 Auch in Deutschland waren Gerate aufgestellt 33 Diese Automaten suggerieren in der Regel gegen Geldeinwurf die Zukunft vorhersagen zu konnen Selbst heute sind diese Unterhaltungsautomaten noch zu finden Wie schon in den vorangegangenen Jahrhunderten fuhrte der Vormarsch der Wissenschaft bei gleichzeitigem Ruckgang der Bedeutung der Kirchen nicht etwa zu einem Schwinden des Glaubens an das Irrationale sondern zu dessen Neuorientierung in Richtung der Esoterik und Parapsychologie Und nicht nur das einfache Volk horte auf die Wahrsager und Hellseher sondern im Geheimen auch Politiker hochsten Ranges So konsultierte Josef Stalin regelmassig einen georgischen Hellseher und einen polnischen Astrologen und die Prasidenten der USA haben traditionell okkulte Berater wie etwa die Astrologin Jeane Dixon deren Dienste Franklin D Roosevelt regelmassig in Anspruch nahm Im Zweiten Weltkrieg setzte sowohl die deutsche wie auch die alliierte Propaganda astrologische Vorhersagen als psychologische Waffe ein Minois prophezeit der volkstumlichen Wahrsagung ganz sicherlich eine glanzende Zukunft 34 Literatur BearbeitenGerhard Eis Wahrsagetexte des Spatmittelalters Aus Handschriften und Inkunabeln Berlin Bielefeld Munchen 1956 Texte des spaten Mittelalters 1 Wolfram Hogrebe Hrsg Mantik Profile prognostischen Wissens in Wissenschaft und Kultur Konigshausen amp Neumann Wurzburg 2005 ISBN 3 8260 3262 4 Vorschau bei Google Books Georges Minois Geschichte der Zukunft Orakel Prophezeiungen Utopien Prognosen Artemis amp Winkler Dusseldorf Zurich 1998 ISBN 3 538 07072 5 Neuauflage 2002 unter dem Titel Die Geschichte der Prophezeiungen Markus Mueller Beherrschte Zeit Lebensorientierung und Zukunftsgestaltung durch Kalenderprognostik zwischen Antike und Neuzeit Schriften der Universitatsbibliothek Kassel 8 Kassel 2010 Yves de Sike Histoire de la Divination Larousse 2001 Christa Agnes Tuczay Kulturgeschichte der mittelalterlichen Wahrsagerei DeGruyter Berlin 2012 ISBN 978 3 11 024040 5 Einzelnachweise Bearbeiten Georges Minois Histoire de l Avenir Paris 1996 deutsch Geschichte der Zukunft Dusseldorf Zurich 1998 S 26f siehe auch Georges Contenau La Divination chez les Assyriens et les Babyloniens Paris 1940 und W Farber Witchcraft magic and divination in ancient Mesopotamia In Jack M Sasson Hrsg Civilizations of the Ancient Near East Band 3 New York 1995 S 1895 1909 Minois S 27 29 Minois S 29f siehe auch O Eissfeldt Wahrsagung im alten Testament In F Wendel La divination en Mesopotamie ancienne et dans les regions voisines XIVe Rencontre assyriologique internationale Strasbourg 1965 S 141 146 und Jean Michel de Tarragon Witchcraft magic and divination in Canaan and Ancient Israel In Jack M Sasson Hrsg Civilizations of the Ancient Near East Band 3 New York 1995 S 2071 2081 Minois S 58 61 Minois S 31 33 Minois S 34 Minois S 71 73 siehe hierzu und zum Folgenden auch Raymond Bloch Les Prodiges dans l Antiquite Classique Grece Etrurie et Rome Paris 1963 Minois S 74 82 Minois S 78 82 und 85 95 Minois S 95 f und 100 103 Minois S 97 99 Minois S 111 114 Minois S 115 119 Minois S 115 und 119 127 Minois S 125 148 siehe auch Marie Theres Fogen Die Enteignung der Wahrsager Studien zum kaiserlichen Wissensmonopol der Spatantike Suhrkamp Frankfurt am Main 1993 Taschenbuch Ausgabe 1997 Minois S 148 160 Cicero De Divinatione Uber die Wahrsagung 1991 Minois S 142f und 160 165 Minois S 184 193 und 199 205 Minois S 213 221 Minois S 224 228 Minois S 231f und 253 268 Minois S 242 247 und 279 290 zur Situation der Astrologie im fruhen Mittelalter vgl Minois S 225 229 Minois S 291 294 302 304 und 319 339 Minois Geschichte der Zukunft 1998 S 342 und 380 383 siehe auch Keith Thomas Religion and the Decline of Magic 1991 S 252f und J Ponthieux Predictions et almanachs du XVIe siecle Dissertation Paris I 1973 Minois Geschichte der Zukunft 1998 S 342f 383 390 und 403 430 Minois Geschichte der Zukunft 1998 S 438 444 Minois Geschichte der Zukunft 1998 S 468 Minois Geschichte der Zukunft 1998 S 468 471 Minois fugt hinzu dass noch heute in der Pariser Region immerhin ein Astrologe auf 400 Einwohner kommt Minois Geschichte der Zukunft 1998 S 471 474 Minois Geschichte der Zukunft 1998 S 485 489 Minois Geschichte der Zukunft 1998 S 495 513 575 577 590 596 und 602 605 Your Wish is Granted In americanantiquities com American Antiquities abgerufen am 31 Mai 2021 amerikanisches Englisch Der Automat Das Fachorgan der Automaten Wirtschaft Band 7 Nr 12 Der Automat Berlin Dezember 1933 S 416 Minois Geschichte der Zukunft 1998 S 712 716 722 und 724 727 siehe auch E Howe Astrology and Psychological Warfare during World War II London 1967 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Geschichte des Wahrsagens amp oldid 230323986