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Dieser Artikel beschreibt das Kabinett des Reichskanzlers Hermann Muller Fur weitere Kabinette mit Regierungsvorsitzenden namens Muller siehe Kabinett Muller Das Kabinett Muller II amtierte als deutsche Reichsregierung in der Weimarer Republik vom 28 Juni 1928 bis zum 27 Marz 1930 Sie war die zweite Grosse Koalition dieser Epoche Unter dem sozialdemokratischen Reichskanzler Hermann Muller kam diese Koalition aus SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands DDP Deutsche Demokratische Partei Zentrum Deutsche Zentrumspartei BVP Bayerische Volkspartei und DVP Deutsche Volkspartei auf die langste Regierungszeit dieser politisch instabilen Republik Die Koalition konnte einige aussenpolitische Erfolge erzielen zerbrach aber schliesslich an innenpolitischen Differenzen Sie war zugleich die letzte Regierung der Weimarer Republik die sich auf parlamentarische Mehrheiten stutzte Die nachfolgenden Kabinette regierten mit Hilfe der Notverordnungsvollmachten des Reichsprasidenten Das Kabinett im Juni 1928 V l n r stehend Hermann Dietrich Rudolf Hilferding Julius Curtius Carl Severing Theodor von Guerard Georg SchatzelSitzend Erich Koch Weser Hermann Muller Wilhelm Groener Rudolf WissellNicht im Bild Gustav Stresemann Inhaltsverzeichnis 1 Wahlen 2 Regierungsbildung 3 Streit um den Panzerkreuzer A 4 Ruhreisenstreit 5 Radikalisierungen in der Parteienlandschaft 6 Young Plan 7 Finanzprobleme Arbeitslosenversicherung und Bruch der Koalition 8 Urteil der Historiker 9 Einzelnachweise 10 Quellen und Literatur 11 WeblinksWahlen Bearbeiten nbsp Plakat der SPD zur Reichstagswahl 192854 153 25 61 17 23 45 73 12 28 54 153 25 61 17 23 45 73 12 28 Insgesamt 491 Sitze KPD 54 SPD 153 DDP 25 Z 61 BVP 17 WP 23 DVP 45 DNVP 73 NSDAP 12 Sonst 28 Nachdem die Burgerblock Regierung unter Reichskanzler Wilhelm Marx an unterschiedlichen schulpolitischen Vorstellungen gescheitert war wurden fur den 20 Mai 1928 Reichstagswahlen angesetzt Die Linksparteien SPD und KPD gingen als Sieger aus diesen Wahlen hervor Die SPD gewann 22 Sitze hinzu und verfugte damit uber 153 der 491 Reichstagssitze Die KPD erhohte ihre Mandatszahl von 45 auf 54 Das burgerliche Parteienspektrum war stark in Bewegung geraten Insbesondere die burgerlichen Mittelparteien und die DNVP waren die Wahlverlierer Die DNVP verfugte nicht mehr uber 103 sondern nur noch uber 73 Sitze Die DVP verlor 6 Mandate und kam fortan auf 45 Sitze Die DDP rutschte von 32 auf 25 Sitze ab Auch das Zentrum musste 7 Sitze abgeben und verfugte nun uber 62 die BVP stellte 16 Mandatstrager vorher 19 Die NSDAP verlor 2 Mandate und stellte nunmehr 12 Reichstagsabgeordnete 1 Die Wahl zeigte dass die Bindungsfahigkeit der Mittelparteien nachliess Ein beachtlicher Teil ihrer vormaligen Wahler wandte sich von den demokratisch liberalen Parteien ab und favorisierte reine Interessenparteien wie die Wirtschaftspartei oder die Christlich Nationale Bauern und Landvolkpartei 1924 konnten die reinen Interessenparteien zusammen 4 9 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen 1928 wuchs dieser gemeinsame Stimmenanteil auf 8 6 Prozent Schon in der nachsten Reichstagswahl vom 14 September 1930 sollten manche dieser Wahler zur NSDAP uberlaufen 2 Retardiert wurde diese Entwicklung durch die Sezessionen in der DNVP 1932 gingen die Wahler der Interessenparteien dann fast restlos zur NSDAP uber Die erheblichen Verluste der DNVP fuhrten in dieser Partei zu einer Starkung der antidemokratischen Bestrebungen Im Oktober 1928 wurde Alfred Hugenberg der Fuhrer ihres nationalistischen Flugels Parteivorsitzender was zu den eben erwahnten Abspaltungen fuhrte Regierungsbildung Bearbeiten nbsp Hermann Muller 1928Die SPD als starkste Fraktion im Reichstag sondierte die Moglichkeiten einer Regierungsbildung Bereits 1927 hatte sie auf dem Parteitag in Kiel ihre Bereitschaft zur Regierungsverantwortung zum Ausdruck gebracht Viele Alternativen bei der Regierungsbildung gab es nicht Die Mandate reichten nicht um eine Weimarer Koalition zu bilden also ein Bundnis von SPD Zentrum und DDP Eine Regierung aller burgerlichen Parteien gegen die Sozialdemokraten war ebenfalls nicht moglich auch dafur reichte die Anzahl der Mandate nicht Als Losung blieb eine Grosse Koalition also die Weimarer Koalition erweitert um BVP und DVP Diese Konstellation kam rechnerisch auf 301 Mandate Kabinett Muller II 28 Juni 1928 bis 27 Marz 1930Amt Name ParteiReichskanzler Hermann Muller SPDAuswartiges Amt Gustav Stresemann 3 Oktober 1929 DVPJulius Curtius 4 bis 11 Oktober 1929 kommissarisch dann Aussenminister DVPReichsministerium des Innern Carl Severing SPDReichsministerium der Justiz Erich Koch Weser bis 13 April 1929 DDPTheodor von Guerard ab 13 April 1929 ZentrumReichsministerium der Finanzen Rudolf Hilferding bis 21 Dezember 1929 SPDPaul Moldenhauer ab 23 Dezember 1929 DVPReichsministerium fur Wirtschaft Julius Curtius bis 11 November 1929 DVPPaul Moldenhauer bis 23 Dezember 1929 DVPRobert Schmidt ab 23 Dezember 1929 SPDReichsministerium fur Ernahrung Hermann Dietrich DDPReichsministerium fur Arbeit Rudolf Wissell SPDReichswehrministerium Wilhelm Groener parteilos Reichsministerium fur Verkehr Theodor von Guerard bis 6 Februar 1929 ZentrumGeorg Schatzel kommissarisch ab 7 Februar 1929 BVPAdam Stegerwald ab 13 April 1929 ZentrumReichsministerium furdas Postwesen Georg Schatzel BVPReichsministerium furdie besetzten Gebiete Theodor von Guerard kommissarisch bis 6 Februar 1929 ZentrumCarl Severing kommissarisch ab 7 Februar 1929 SPDJoseph Wirth ab 13 April 1929 ZentrumInnerhalb der SPD wurde Hermann Muller fur das Amt des Reichskanzlers favorisiert Anfanglich konkurrierende Uberlegungen den preussischen Ministerprasidenten Otto Braun in Personalunion auch zum Kanzler des Reiches vorzuschlagen wurden rasch verworfen 3 Reichsprasident Paul von Hindenburg hatte lieber den DVP Vorsitzenden Ernst Scholz als Kanzler gesehen liess sich jedoch von seiner Kamarilla uberzeugen die sich von einer sozialdemokratischen Kanzlerschaft mittelfristig eine Abnutzung der SPD versprach 4 Am 12 Juni 1928 betraute Hindenburg Muller schliesslich mit der Regierungsbildung Dennoch wirkte der Reichsprasident weiterhin bei der Regierungsbildung mit Er setzte Wilhelm Groener als Reichswehrminister durch und lehnte die Ernennung von Joseph Wirth vom linken Zentrumsflugel zum Vizekanzler ab Das Zentrum entsandte schliesslich allein Theodor von Guerard als Beobachter in das Kabinett in dem er das Amt des Verkehrsministers ubernahm Eine volle Regierungsbeteiligung wollte das Zentrum damit nicht verbunden sehen Auch die DVP straubte sich Sie wollte zunachst nur dann in die Reichsregierung eintreten wenn sie auch in Preussen an der Regierung beteiligt wurde Sie verlangte dort die Erweiterung der Weimarer Koalition um die DVP Erst das energische Einschreiten von Gustav Stresemann der unter Muller wieder Aussenminister wurde fuhrte zum Einlenken der DVP 5 Nachdem sich die Regierungsbildung uber Wochen hingezogen hatte trat Muller schliesslich am 3 Juli 1928 mit seiner Regierungserklarung vor das Parlament Eine formale Koalitionsregierung konnte er jedoch nicht prasentieren Die Regierung verstand sich vielmehr als Kabinett der Personlichkeiten die Fraktionen aus denen die Minister kamen behielten sich die Opposition gegen Teile der Regierungspolitik vor Auch viele Reichstagsabgeordnete der SPD der mit Abstand grossten Regierungspartei blieben gegenuber der neuen Regierung reserviert Sie wunschten sich SPD Minister als Erfullungsgehilfen der Fraktion und der Partei Insgesamt konnte von einer breit gesicherten Unterstutzung der Regierung durch die Regierungsparteien nicht gesprochen werden 6 Erst am 13 April 1929 wurde aus dem Kabinett der Personlichkeiten eine klassische Koalitionsregierung auf der Basis einer Koalitionsvereinbarung Zuvor war von Guerard zuruckgetreten um eine starkere Ministerbeteiligung des Zentrums zu erzwingen Dies gelang schliesslich seit April 1929 war das Zentrum mit drei Ministern vertreten 7 Streit um den Panzerkreuzer A BearbeitenZu Beginn seiner Amtszeit geriet das neue Kabinett in eine schwere Krise Grund dafur waren die konfliktreichen politischen Auseinandersetzungen um das Panzerschiff A in der Offentlichkeit und in der Regierung selbst Der Versailler Vertrag machte dem Deutschen Reich erhebliche rustungspolitische Auflagen Neubauten von Kriegsschiffen waren jedoch nicht ganzlich untersagt Die Reichswehr drangte noch unter der Regierung Marx energisch auf den Bau neuer Panzerkreuzer die angeblich als Ersatz fur veraltete Einheiten gedacht waren Wahrend der Reichsrat sich unter der Fuhrung Preussens im Dezember 1927 gegen den Bau ausgesprochen hatte stimmte der Reichstag mit der damaligen Mehrheit der Burgerblockparteien fur den Bau Der Reichsrat antwortete am Tag der Reichstagsauflosung am 31 Marz 1928 mit der Forderung an das nunmehr nur noch geschaftsfuhrende Kabinett den Bau des Schiffes fruhestens nach dem 1 September 1928 und nach erneuter Prufung der finanziellen Lage zu bewilligen Im Reichstagswahlkampf von 1928 hatten die Linksparteien SPD und KPD dieses Projekt scharf kritisiert und die Forderung aufgestellt dieses Rustungsvorhaben zugunsten von sozialpolitischen Vorhaben aufzugeben Ihre Wahlkampfparole lautete Kinderspeisung statt Panzerkreuzer Auch die DDP hielt das Rustungsvorhaben fur ein wenig sinnvolles Prestigeprojekt der Marine Wahrend der Koalitionsverhandlungen drangte allerdings die DVP auf den Bau des Schiffes und berief sich auf den entsprechenden Beschluss des vorigen Reichstages Sie wurde dabei vom Zentrum unterstutzt allerdings nur halbherzig Die DDP hielt sich zuruck Um die Bildung der Koalition nicht zu gefahrden wurde ein Beschluss zunachst zuruckgestellt Die Frage holte das Kabinett im August 1928 wieder ein als Reichswehrminister Groener im Kabinett den Antrag stellte die erste Rate fur den Bau des Panzerkreuzers A zu bewilligen Dem standen nach Auskunft des Finanzministers Rudolf Hilferding auch keine finanzpolitische Bedenken entgegen Groener drohte mit seinem Rucktritt falls dieses Vorhaben durch die neue Regierung verhindert werde Auch Geruchte uber einen dann folgenden Rucktritt des Reichsprasidenten erhohten den Druck auf die sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder 8 Diese wollten kurz nach ihrer Amtsaufnahme weder eine Regierungs noch gar eine Verfassungskrise heraufbeschworen und stimmten schliesslich der Bewilligung von Geldern zu Dieser Kabinettsbeschluss stiess in der Reichstagsfraktion der Sozialdemokraten und in der Gesamtpartei auf heftige Kritik Die KPD nutzte die Situation um ein Volksbegehren gegen den Panzerkreuzerbau zu starten Auf diese Weise unter Druck gesetzt beschloss die SPD Fraktion einen Antrag auf Beendigung des Kriegsschiffbauprojekts zu stellen In der Reichstagsabstimmung uber diesen Antrag herrschte am 15 November 1928 strenger Fraktionszwang so dass auch die drei SPD Minister und der Kanzler gegen den Regierungsbeschluss stimmen mussten den sie Wochen vorher im Kabinett noch mitgetragen hatten Dies kam einem Misstrauensvotum gegen sich selbst gleich Dieses Abstimmungsverhalten wurde den Sozialdemokraten in der burgerlichen Offentlichkeit als Mangel an Regierungsfahigkeit vorgehalten Joseph Wirth vom Zentrum sprach offen von einer schleichenden Krise des deutschen Parlamentarismus 9 Das Abstimmungsverhalten der Sozialdemokraten konnte die Bewilligung von Geldern fur den Panzerkreuzerbau zudem nicht verhindern denn die burgerlichen Parteien brachten eine Mehrheit gegen den SPD Antrag auf Stopp des Rustungsvorhabens zustande Mitte Juni 1929 stand die zweite Rate fur den Panzerkreuzer A zur Diskussion allerdings ohne in der Offentlichkeit fur ahnliche Kontroversen zu sorgen Im Reichstag stellte die Fraktion der KPD den Antrag diese Rate zu streichen Die SPD Fraktion stimmte dem Antrag der Kommunisten zu Die sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder waren diesmal jedoch nicht an einen Fraktionszwang gebunden Sie stimmten gegen den KPD Antrag und gehorten damit zur Reichstagsmehrheit 10 Ruhreisenstreit BearbeitenEine erste grosse sozial und wirtschaftspolitische Krise musste die Grosse Koalition im so genannten Ruhreisenstreit bewaltigen der grosste n und langste n Aussperrung die Deutschland bis dahin erlebt hatte 11 Dieser Konflikt wurde von Oktober bis Dezember 1928 in der Eisen und Stahlindustrie an Rhein und Ruhr ausgetragen Erste Anzeichen einer sich eintrubenden Konjunktur waren fur den regional zustandigen Metallarbeitgeberverband Anlass gewerkschaftliche Forderungen nach einer Tariferhohung abzulehnen und stattdessen in den entsprechenden Tarifverhandlungen nur eine Verlangerung des bestehenden Vertrags anzubieten bei gleichzeitiger geringfugiger Erhohung der Entgelte fur Niedriglohngruppen Die Tarifparteien konnten sich nicht einigen so dass ein staatlich bestellter Schlichter Oberlandesgerichtsrat Wilhelm Joetten am 26 Oktober 1928 die Entscheidung zu treffen hatte Die Gewerkschaften akzeptierten seinen Schlichterspruch die Arbeitgeber lehnten ihn ab In einem seit 1923 ublich gewordenen Rechtsverfahren konnte der Reichsarbeitsminister im konkreten Fall jetzt der Sozialdemokrat Rudolf Wissell den Schiedsspruch in solch einer Situation fur allgemeinverbindlich erklaren Bereits am 13 Oktober 1928 hatten die Arbeitgeber ihren Belegschaften aber zum 28 Oktober gekundigt und die Betriebe geschlossen Sie waren im Unterschied zu fruher auch nicht mehr bereit Allgemeinverbindlichkeitserklarungen zu akzeptieren so dass am 1 November tatsachlich ca 200 000 bis 260 000 Beschaftigte 12 ausgesperrt waren Die Arbeitgeber gingen ausserdem gerichtlich gegen Zwangsschlichtung und Allgemeinverbindlichkeitserklarung vor Fur die Haltung der Arbeitgeber war der Inhalt des Schiedsspruchs von geringerer Bedeutung Wichtiger war ihnen das Verfahren an sich Stichentscheide durch eine Person erschienen ihnen unangemessen Vor allem aber hielten sie das Verfahren der Allgemeinverbindlichkeitserklarung fur einen Ausdruck von staatlicher Lohnfestsetzung Die sozialpolitischen Neuerungen der Republik zu denen der Achtstundentag die Tarifautonomie und die mit dem Gesetz uber Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung AVAVG 1927 eingefuhrte Arbeitslosenversicherung gehorten hielten sie wie Allgemeinverbindlichkeitserklarungen zur Beendigung von Tarifauseinandersetzungen fur Fehlentwicklungen die zuruckgedrangt werden sollten Zu einem Zeitpunkt als erneut eine sozialdemokratisch gefuhrte Regierung auf Reichsebene etabliert war setzten die Arbeitgeber das Arbeitskampfmittel Aussperrung ein um der staatlichen Lohnfindung energisch entgegenzutreten Die vorherigen burgerlichen Regierungen hatten sie in dieser Hinsicht geschont Die Offentlichkeit reagierte uberwiegend mit Ablehnung weil die Arbeitgeber das noch laufende Schlichtungsverfahren nicht abgewartet hatten sondern flachendeckende Kundigungen aussprachen und weil die dann folgende Aussperrung so viele Beschaftigte betraf Von den Ausgesperrten waren 160 000 nicht gewerkschaftlich organisiert und daher ganz ohne gewerkschaftliche Unterstutzungsgelder Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung durften nicht gewahrt werden 13 So warnte beispielsweise die Frankfurter Zeitung am 30 Oktober 1928 Es ist mit aller Deutlichkeit zu sagen dass die Sabotierung eines verbindlichen Schiedsspruches durch Stillegung sich nicht etwa bloss gegen die Arbeiter sondern gegen eine staatliche Einrichtung also gegen den Staat richtet und daher eine Art revolutionaren Aktes darstellt Die Allgemeinheit kann sich dem unter keinen Umstanden unterwerfen 14 Mit ihrem Vorgehen hatten die Unternehmer nicht nur grosse Teile der Presse gegen sich Auch Bischofe und Professoren veranstalteten Sammlungen fur die Ausgesperrten Einige Stadte im ostlichen Revier gingen dazu uber Fursorgeleistungen an die betroffenen Arbeiter zu zahlen ohne vorab deren individuelle Bedurftigkeit zu prufen und ohne diese Zahlungen mit einer spateren Ruckzahlungspflicht zu verbinden 15 Auch der Reichstag bewilligte am 17 November 1928 mit den Stimmen der DVP Sondermittel fur die unburokratische Unterstutzung der Ausgesperrten Erst am 4 Dezember wurde die Aussperrung aufgehoben Diese Erfahrung fuhrte in Teilen des schwerindustriellen Unternehmerlagers dazu nach Alternativen zur parlamentarischen Willensbildung zu suchen und verstarkt auf autoritare Regierungsformen zu setzen 16 Teilerfolge die sie im Ruhreisenstreit erringen konnten reichten nicht mehr aus um sie an das parlamentarische Regierungssystem der Republik zu binden Zu diesen Teilerfolgen zahlte dass schliesslich ein Sonderschlichter Innenminister Carl Severing den Entscheid des Arbeitsministers zum grossen Teil aufhob und am 21 Dezember 1928 einen Sonderschiedsspruch fallte der unter dem lag den sein Ministerkollege Wissell fur verbindlich erklart hatte Auch das Reichsarbeitsgericht erliess am 22 Januar 1929 ein den Unternehmern entgegenkommendes endgultiges Urteil Stichentscheide wurden darin fur generell unzulassig erklart Das konkrete Schiedsverfahren sei uberdies durch Formfehler gepragt gewesen Radikalisierungen in der Parteienlandschaft BearbeitenIn den Monaten der Grossen Koalition vollzog sich eine Radikalisierung in Teilen der Parteienlandschaft Auch jene Krafte die Parlamentarismus und Demokratie bejahten waren von diesen Tendenzen betroffen zumindest indirekt Die SPD sah sich starken Angriffen von links ausgesetzt seit die KPD sich die Sozialfaschismusthese zu eigen gemacht hatte und die Sozialdemokratie darum zunehmend zum Hauptfeind machte 17 Auch wenn die SPD die tragende Kraft der Koalition war nahm die Koalitionsmudigkeit vor allem auf dem linken Flugel immer starker zu Neben der Kritik etwa in der Panzerkreuzerfrage spielte dabei auch die grundsatzliche Skepsis gegen ein Bundnis mit rechten Parteien eine Rolle Ihr Reichstagsabgeordneter Max Seydewitz spater KPD und SED ausserte dass die Koalitionspolitik eine grosse Gefahr fur die Sozialdemokratie fur die Arbeiterklasse und fur den Bestand der Republik sei 18 Paul Levi ein zur SPD zuruckgekehrter Mitbegrunder der KPD bezeichnete die Koalition gar als Karikatur einer Regierung Im Ubrigen war ein Teil der Linken bereit die Regierungsverantwortung bis zu einer neuen revolutionaren Situation den burgerlichen Parteien zu uberlassen hielt man doch den Bestand der Republik fur gesichert Auch wenn die Mehrheit der Partei weiter hinter der Regierung stand machen Ausserungen wie diese deutlich dass es selbst in der SPD erhebliche Vorbehalte gegen eine fortgesetzte Regierungsbeteiligung gab 19 Am anderen Ende des Parteienspektrums hatte die NSDAP bei Wahlen auf Reichsebene zwar kaum Erfolg Bemerkenswert war jedoch ihr Abschneiden in einigen landlichen Krisenregionen an der Westkuste Holsteins in den Kreisen Dithmarschens erreichte sie einen Stimmenanteil von fast 29 bzw 37 Prozent 20 Den Nationalsozialisten gelang es auch von anderen Rechtsparteien als legitimer Bundnispartner anerkannt zu werden beispielsweise bei der Kampagne gegen den Young Plan siehe unten Ferner gewann sie unter Studenten mehr und mehr Anhanger 21 Die DNVP legte sich unter dem neuen Vorsitzenden Alfred Hugenberg der uber ein grosses Verlags und Zeitungsimperium verfugte und dem als fruherem Krupp Direktor der Grossteil der schwerindustriellen Spenden zufloss 22 auf einen kompromisslosen Kurs gegen die Republik fest Auch das Zentrum bewegte sich mit der Wahl von Ludwig Kaas am 29 Dezember 1928 deutlich nach rechts Kaas lehnte die Partei wieder starker an die katholische Kirche an Zu einem Fuhrertum grossen Stils ausserte er sich offentlich zustimmend Auch hatte er mehrfach abschatzige Bemerkungen zur Aussenpolitik Stresemanns gemacht die er fur erledigt hielt Das Zentrum wolle er von den unberechenbaren Zufalligkeiten des parlamentarischen Wetterwechsels unabhangig machen 23 All das zeigte dass die Partei dabei war von republikanischen Standpunkten abzurucken Young Plan BearbeitenAussenpolitisch stand die endgultige Festsetzung der Reparationen im Vordergrund die Deutschland nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags leisten musste Seit 1924 galt hier der Dawes Plan der allerdings keine Endsumme festgelegt hatte Die Hohe der Zahlungen die das Deutsche Reich mittlerweile aufbringen musste war fur die Reichsregierung angesichts sich verschlechternder Konjunkturdaten ein Motiv auf Anderungen zu drangen Das Ergebnis der Verhandlungen stand am 7 Juni 1929 fest der so genannte Young Plan benannt nach Owen D Young dem Vorsitzenden der in Paris tagenden internationalen Expertenrunde Dieser Plan sah vor dass Deutschland bis 1988 Reparationszahlungen an die neu einzurichtende Bank fur Internationalen Zahlungsausgleich in Basel zu leisten hatte Die Kapitalsumme der Reparationen wurde auf rund 36 Milliarden Reichsmark festgelegt Die Jahresraten sollten sich in den ersten zehn Jahren auf 2 Milliarden Reichsmark belaufen danach ansteigen und nach 37 Jahren wieder absinken Die jahrlichen Transferleistungen wurden in zwei Teile geteilt Ein Teil der Jahresrate war ungeschutzt und musste von Deutschland in jedem Fall gezahlt werden Dieser Teil konnte in Anleihen mobilisiert werden wodurch die Glaubiger sofort Geld bekamen und Deutschland mit seinen jahrlichen Zahlungen Verzinsung und Tilgung zu ubernehmen hatte Hieran hatte vor allem Frankreich grosses Interesse Der zweite geschutzte Teil konnte bei ungunstigen finanziellen Rahmenbedingungen fur hochstens zwei Jahre gestundet werden In diesem Fall sollte ein Beratender Sonderausschuss zusammentreten um die deutschen Zahlungsprobleme zu untersuchen Ob dieser Ausschuss eine Revision des ansonsten als endgultig geltenden Plans vorschlagen durfte war zwischen deutschen und franzosischen Kommentatoren umstritten Der Young Plan sah ferner vor dass die auslandische Kontrolle uber die deutschen Finanzen insbesondere die Reichsbank entfiel Uberdies enthielt die Ubereinkunft eine Regelung die zur Minderung der deutschen Reparationslast fuhrte falls die Vereinigten Staaten auf Kriegsschulden verzichten wurden die die Alliierten im Weltkrieg bei ihnen gemacht hatten Im Gegenzug fur die deutsche Zustimmung zur Neuregelung der Reparationen kam Frankreich Deutschland in der Frage der Rheinlandbesetzung entgegen Eine in Den Haag tagende internationale Konferenz uber den Young Plan legte hier im August 1929 vorzeitige Raumungstermine fest Zum ersten dieser Termine wurde der 30 November 1929 bestimmt der zweite und zugleich letzte fiel nun auf den 30 Juni 1930 Das war gegenuber den Bestimmungen des Versailler Vertrags ein Vorziehen von funf Jahren Ob der Young Plan als Erfolg der Aussenpolitik von Gustav Stresemann zu beurteilen sei ist in der Forschung umstritten Zwar entsprach die Senkung der Annuitaten ebenso den deutschen Wunschen wie der um funf Jahre vorgezogene Abzug der auslandischen Truppen aus dem Rheinland 24 Dafur hatte sich Deutschland aber fur die nachsten 59 Jahre zu Reparationszahlungen in einer Hohe verpflichten mussen von der niemand sagen konnte ob sie realistisch war Problematisch erschien weniger die Aufbringung der Summe als ihr Transfer Die Reparationsglaubiger nahmen das Geld nur in Gold oder Devisen an Da die deutsche Handelsbilanz seit Jahren passiv war hatte man diese Devisen durch private Kreditaufnahme im Ausland beschafft Der Young Plan war wie der Berliner Historiker Henning Kohler schreibt ein wirtschaftlicher Schonwetterplan der nur bei weiterem Zufluss auslandischer Kredite und halbwegs befriedigender Wirtschaftslage funktionieren konnte 25 Aber eben danach sah es nach dem New Yorker Borsenkrach vom 24 Oktober 1929 nicht aus Mit mehr oder weniger lauten Bedenken befurworteten alle Parteien der Grossen Koalition den Young Plan der schliesslich im Marz 1930 vom Reichstag ratifiziert wurde Teilweise parallel zum Young Plan wurde das Deutsch Polnische Liquidationsabkommen verhandelt und beschlossen Es regelte den gegenseitigen Verzicht auf finanzielle Forderungen beider Staaten und schuf Rechtssicherheit fur die deutsche Minderheit in Polen Es handelt sich dabei um einen der wenigen konkreten Schritte zur Normalisierung der Beziehung beider Staaten 26 Schon vorher aber hatte auf der politischen Rechten ein gross angelegter demagogischer Feldzug gegen den Young Plan begonnen Vor allem die vorgesehene Dauer der Reparationszahlungen wurde dabei ausgeschlachtet Die zentrale publizistische Rolle in der Agitation ubernahm Alfred Hugenberg der seine Zeitungen auf die Anti Young Kampagne festlegte Politisch wurde bereits am 9 Juli 1929 ein Bundnis gegen den Young Plan geschmiedet das neben der DNVP dem Stahlhelm und dem Alldeutschen Verband einige Interessenparteien sowie auch die NSDAP umfasste 27 Adolf Hitler war neben Hugenberg Stahlhelm Fuhrer Franz Seldte und dem Alldeutschen Heinrich Class gleichberechtigter Partner Dieses Parteienbundnis prasentierte ein so genanntes Freiheitsgesetz das es auch Gesetz gegen die Versklavung des deutschen Volkes nannte Der Gesetzentwurf forderte die Aufhebung der Kriegsschuld Artikel des Versailler Vertrags sowie die bedingungslose und sofortige Raumung des Rheinlands Des Weiteren sollte es der Reichsregierung verboten sein neue Lasten und Verpflichtungen gegenuber den fruheren Kriegsgegnern einzugehen und Mitgliedern der Reichsregierung drohte die Verurteilung wegen Landesverrats sollten sie den Young Plan unterzeichnen Die Gesetzesinitiative scheiterte in dem Volksentscheid gegen den Young Plan am 22 Dezember 1929 deutlich Statt der notwendigen 21 Millionen wurden nur 5 8 Millionen Ja Stimmen fur die Initiative abgegeben 28 Die NSDAP konnte sich in der Kampagne gegen den Young Plan jedoch als radikal nationalistisch profilieren Dies bescherte ihr Erfolge bei den Wahlen auf Landesebene Bei den Wahlen zum Badischen Landtag 27 Oktober 1929 erreichten die Nationalsozialisten 7 Prozent der Stimmen in Lubeck kamen sie am 10 November 1929 auf 8 1 Prozent Bei der Landtagswahl in Thuringen 8 Dezember 1929 entfielen 11 3 Prozent aller Stimmen auf die NSDAP was erstmals zu einer Regierungsbeteiligung auf Landesebene fuhrte Wilhelm Frick wurde Minister fur Inneres und Volksbildung 29 Finanzprobleme Arbeitslosenversicherung und Bruch der Koalition BearbeitenDie Finanzprobleme der Regierung blieben ungelost Da alle Parteien der Grossen Koalition die Annahme des Young Plans durch eine Reichstagsmehrheit wollten wurden in der Finanzpolitik grundsatzliche Losungen nur aufgeschoben Tragfahige Kompromisse fanden insbesondere die Flugelparteien der Grossen Koalition also DVP und SPD kaum noch Das erste Problem betraf die dramatischen Liquiditatsschwierigkeiten mit denen das Reich spatestens seit Mitte 1929 mit jedem Monatsende und jedem Quartalswechsel konfrontiert wurde Mehrfach stand es vor der Zahlungsunfahigkeit Die nachlassende Binnenkonjunktur warf vorangegangene Steuerschatzungen uber den Haufen Ausserdem sorgte sie fur ein Ansteigen der Arbeitslosenzahlen fur die die Arbeitslosenversicherung nicht ausgelegt war das Reich musste hier stetig Gelder zuschiessen Die Parteien waren sich auch beim zweiten umfangreicheren Themenkomplex uneins Die Vorstellungen wie man zu einer Konsolidierung des Haushalts und zum Abbau der aufgelaufenen Staatsverschuldung kommen sollte lagen weit auseinander Die DVP und die hinter ihr stehenden Unternehmerverbande forderten mit Bezug auf Finanzreformen primar Ausgabensenkungen vor allem auf dem Feld der Sozialpolitik Dabei favorisierten sie Leistungskurzungen der Arbeitslosenversicherung Wenn es Steuererhohungen uberhaupt geben musste dann sollten nach Meinung der DVP moglichst Verbrauchsteuern ins Auge gefasst werden wie zum Beispiel die Tabaksteuer die Biersteuer oder die Branntweinsteuer Eine Erhohung der Direkte Steuern zum Beispiel auf Vermogen oder Einkommen wurde hier abgelehnt Verbrauchsteuererhohungen stiessen bei der SPD uberwiegend auf Ablehnung die hier eine unzulassige Belastung der Massen sah die sie dann nicht mittragen wollte wenn die Besitzenden nicht auch ihren besonderen Teil zur Haushaltskonsolidierung beitrugen Eine Erhohung der Biersteuer wurde uberdies von der Bayerischen Volkspartei durchgehend abgelehnt Die Wege zu einer Finanzreform waren aus den gleichen Interessensgegensatzen verbaut wie die zu einer noch umfassenderen Steuerreform Wer belastet wer nicht belastet und wer entlastet werden sollte war in einem Mass umstritten dass sich handlungsrelevante gemeinsame Ansatze nicht finden liessen Rudolf Hilferding scheiterte schliesslich an diesen Themen und bat am 20 Dezember 1929 um seine Entlassung als Finanzminister Der Prasident der Reichsbank Hjalmar Schacht hatte zuvor die Finanzpolitik der Regierung offentlich als unsolide gebrandmarkt und anschliessend durchsetzen konnen dass 1930 450 Millionen Reichsmark zusatzlich aufzubringen waren die dem Schuldenabbau zu dienen hatten Die von Hilferding geplante Senkung und Abschaffung bestimmter Steuerarten war damit hinfallig Schacht konnte diesen Schuldenabbau durchsetzen weil die Losung des massiven Kassenproblems zum Jahresultimo 1929 von der Reichsbank abhing Ohne wohlwollende Haltung des Reichsbankprasidenten war im Dezember der notwendige Kredit zur Uberbruckung der Liquiditatsengpasse nicht zu beschaffen Das dritte und die Koalition letztlich sprengende Problem war die Arbeitslosenversicherung Dieser 1927 eingefuhrte Zweig der Sozialversicherung war auf das Maximum einer Unterstutzung von 800 000 Arbeitslosen ausgelegt Mit Hilfe eines Notstocks konnten noch einmal weitere 600 000 Arbeitslose versorgt werden Der beginnende wirtschaftliche Abschwung fuhrte jedoch rasch zu einem Anwachsen der Arbeitslosenzahlen deutlich uber diese Belastungsgrenzen hinaus Bereits im Februar 1929 wurden 2 8 Millionen Arbeitslose gezahlt Das Reich war per Gesetz gezwungen das Defizit der Versicherung mithilfe von Zuschussen aus dem Reichshaushalt auszugleichen Um aus der Sackgasse einer permanenten und immer hoheren Bezuschussung hinauszufinden boten sich prinzipiell zwei Losungen an Zum einen hatte der Beitragssatz der bei 3 Prozent lag erhoht werden konnen Beschaftigte und Unternehmen brachten diesen Satz zu gleichen Teilen auf Diese Losung wurde von den Gewerkschaften und den Sozialdemokraten vorgeschlagen Zum anderen hatten Leistungen gekurzt werden konnen das war das zentrale Ansinnen der Unternehmer und der mit ihr verbundenen DVP Die gegensatzlichen Positionen blieben hier verhartet Die Gewerkschaften furchteten einen Abbau sozialstaatlicher Errungenschaften sie sahen schon im Ruhreisenstreit ein solches Vorhaben durchscheinen Die Unternehmer befurchteten ihrerseits einen Verlust der internationalen Konkurrenzfahigkeit wenn sich der Faktor Arbeit durch Beitragserhohungen verteuern wurde Sie forderten stattdessen konstante Beitragssatze und ausserdem steuerliche Entlastungen die die Unternehmen zur Bildung von mehr Eigenkapital nutzen sollten Trotz zahlreicher Einigungsversuche kam es zu keiner grundsatzlichen Losung Auch eine Novelle des AVAVG vom 12 Oktober 1929 blieb nur ein Torso 30 der das Finanzierungsproblem nicht behob Erst am 21 Dezember 1929 wurde der Beitragssatz doch auf 3 5 Prozent angehoben Fur eine nachhaltig entlastende Wirkung sorgte aber auch diese Beitragshohe nicht Die Zahl der Arbeitslosen lag im Marz 1930 bei 3 Millionen Die Sozialdemokraten forderten eine weitere Beitragserhohung Erganzend dazu schlugen sie auch einen Solidarbeitrag der Festbesoldeten vor Die Beamten und Angestellten im offentlichen Dienst sollten mit 3 Prozent ihres Gehalts zur Sanierung der Arbeitslosenversicherung beitragen 31 Diese Vorstellungen wurden von der DVP strikt abgelehnt Dort verlangte man innere Reformen also Leistungskurzungen und straffere Verwaltung Heinrich Bruning der Vorsitzende der Zentrumsfraktion versuchte am 27 Marz 1930 noch einen Kompromiss der die offene Frage der Reform der Arbeitslosenversicherung auf den Herbst 1930 verschob Seine Kompromissformel liess offen ob ein halbes Jahr spater Leistungen gekurzt Beitrage erhoht oder Steuern zur Bezuschussung der Arbeitslosenversicherung angehoben wurden Brunings Vorschlag sah allerdings einen in seiner Hohe jetzt von vornherein begrenzten Festzuschuss des Reiches also nicht mehr unbegrenzte Zuschusse vor Dieser letzte Kompromissversuch wurde schliesslich von der SPD Fraktion abgelehnt Die Sozialdemokraten forderten weiter eine Erhohung der Beitrage sowie eine Beibehaltung klarer gesetzlicher Pflichten des Reiches die Arbeitslosenversicherung in Notlagen ausreichend zu bezuschussen In der Diskussion der SPD Reichstagsfraktion pladierte Reichsarbeitsminister Wissell zusammen mit Vorstandsvertretern der Freien Gewerkschaften fur eine Ablehnung des Bruning Kompromisses Hermann Muller der fur eine Annahme des Kompromisses geworben hatte reichte nach dem Ablehnungsbeschluss der SPD Fraktion am Abend des 27 Marz 1930 beim Reichsprasidenten die Demission des Gesamtkabinetts ein Hindenburg ernannte bereits drei Tage spater Heinrich Bruning zum Kanzler Die sozialdemokratischen Minister wurden im neuen Kabinett durch Konservative und Vertraute Hindenburgs ersetzt Bruning konnte auf das Machtmittel der Notverordnungen zuruckgreifen das der Reichsprasident Hermann Muller gezielt vorenthalten hatte Der neue Reichskanzler machte in seiner Regierungserklarung sogleich deutlich dass er notfalls auch ohne Parlament die aus seiner Sicht notwendigen Entscheidungen durchsetzen werde Er drohte den Reichsprasidenten um die Auflosung des Reichstags zu bitten falls dieser seinen Vorstellungen nicht folgten wolle Seit geraumer Zeit schon und mehrfach hatte die Einflussgruppe um Hindenburg hatten Personengruppen aus der Reichswehr Teile der Schwerindustrie und Grossagrarier nach Wegen gesucht eine Regierung ohne und gegen die Sozialdemokratie zu etablieren Die damit einhergehende Schwachung des Parlaments war fur diese Interessengruppen kein Hindernis sondern ein notwendiger und begrussenswerter Akt der autoritar prasidialen Wende 32 Urteil der Historiker BearbeitenNicht die gesamte Regierungszeit des Kabinetts Muller II wird kontrovers diskutiert sondern nur ihr Ende Die Streitfrage dabei lautet wer die Hauptverantwortung dafur tragt dass der Reichstag durch die Inthronisierung der Prasidialkabinette so erheblich an politischem Gewicht verloren hat bzw dafur dass die Grosse Koalition im Marz 1930 auseinanderbrach Diese Diskussion uber das Ende der Regierungszeit ist zugleich eine Diskussion uber die Ausgangsbedingungen und den Stellenwert des Kabinetts Bruning I 33 Zwei Thesen stehen sich gegenuber Die erste wurde vor allem durch Werner Conze formuliert Er betonte die Krise des Parteiensystems sei der Hauptgrund fur das Scheitern der parlamentarisch verankerten Regierungen gewesen Vor allem die Sozialdemokratie habe sich am Ende der Kanzlerschaft von Hermann Muller Kompromissen verweigert Deshalb sei die Koalition auseinandergebrochen Auf die Grosse Koalition folgte nach Conze nicht sofort der Versuch den Parlamentarismus in Deutschland systematisch zuruckzudrangen Bruning habe stattdessen versucht die gefahrdete Demokratie in Deutschland zu retten Die zweite gegenteilige These geht vor allem auf die Arbeiten von Karl Dietrich Bracher zuruck Sie interpretiert die Kanzlerschaft von Heinrich Bruning als erste Stufe der Auflosung der Weimarer Republik und weist den alten Machteliten Reichsprasident Reichswehr Grosslandwirtschaft und Schwerindustrie die Verantwortung fur das Scheitern des Parlamentarismus zu Bereits deutlich vor dem Ende der Regierung Muller II hatten die parlamentskritischen Positionen der alten Eliten stark in die DVP hinein gewirkt deren Fuhrung darum bis zuletzt zielstrebig an der Ablosung der von der Sozialdemokratie getragenen Regierung mitgewirkt habe Die Ablehnung des Bruning Kompromisses am 27 Marz 1930 durch die SPD wird gemass dieser These gelegentlich als taktischer Fehler kritisiert nicht aber als Grund fur das Scheitern des Parlamentarismus angesehen Die Forschungen zum Ende der Grossen Koalition und zum Beginn der Prasidialkabinette machen insgesamt deutlich wie sehr in allen Parteien die die Grosse Koalition gebildet hatten der Vorrat der innenpolitischen Kompromissbereitschaft seit Herbst des Jahres 1929 verbraucht wurde Sie haben auch gezeigt dass zu dieser Regierung im Fruhjahr 1930 vor allem von Gegnern der Sozialdemokratie im Umfeld des Reichsprasidenten Hindenburg eine antiparlamentarische Alternative aufgebaut worden war die die politische Stellung des Reichstags insgesamt schwachte Das erste Prasidialkabinett Bruning war demnach nicht nur eine Folge des Scheiterns der Grossen Koalition sondern als geplante Regierungsalternative auch eine der Ursachen dieses Scheiterns Einzelnachweise Bearbeiten Zahlen nach Peter Longerich Deutschland 1918 1933 S 402 f Eberhard Kolb Weimarer Republik S 84 f und 258 f Gotthard Jasper Grosse Koalition S 24 Die Seitenzahlen beziehen sich auf das unter Weblinks aufgefuhrte PDF Dokument Hans Mommsen Verspielte Freiheit S 256 f Eberhard Kolb Weimarer Republik S 85 Dazu Heinrich August Winkler Weimar 1918 1933 S 137 Gotthard Jasper Grosse Koalition S 26 Hans Mommsen Verspielte Freiheit S 259 Heinrich August Winkler Weimar S 331 f 338 f Zitiert nach Heinrich August Winkler Weimar 1918 1933 S 340 Heinrich August Winkler Schein der Normalitat S 584 Heinrich August Winkler Weimar 1918 1933 S 341 Die Zahlen werden in der Literatur unterschiedlich angegeben Hans Mommsen Verspielte Freiheit S 272 Zitiert nach Bernd Weisbrod Schwerindustrie S 420 Bernd Weisbrod Schwerindustrie S 426 Hans Mommsen Verspielte Freiheit S 273 Siehe hierzu Klaus Schonhoven Reformismus und Radikalismus S 133 ff Heinrich August Winkler Weimar S 361 Heinrich August Winkler Weimar S 361 Detlef Lehnert Sozialdemokratie zwischen Protestbewegung und Regierungspartei 1848 1983 Suhrkamp Frankfurt 1983 S 143 Zahlen bei Heinrich August Winkler Weg nach Westen Bd 1 S 476 Dazu Heinrich August Winkler Weimar 1918 1933 S 356 f Hans Mommsen Verspielte Freiheit S 262 f Zitate nach Hans Mommsen Verspielte Freiheit S 268 f Franz Knipping Deutschland Frankreich und das Ende der Locarno Ara 1928 1931 Studien zur internationalen Politik in der Anfangsphase der Weltwirtschaftskrise Oldenbourg Munchen 1987 spricht auf S 71 z B von einem uberragenden Erfolg Stresemanns Henning Kohler Deutschland auf dem Weg zu sich selbst Eine Jahrhundertgeschichte Hohenheim Verlag Stuttgart und Leipzig 2002 S 215 vgl auch Martin Vogt Letzte Erfolge Stresemann in den Jahren 1928 und 1929 In Marshall Lee und Wolfgang Michalka Hrsg Gustav Stresemann Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1982 S 441 465 Philipp Heyde Das Ende der Reparationen Deutschland Frankreich und der Youngplan Schoningh Paderborn 1998 S 51 f u o Wilfried Beutter Liquidationsabkommen In Gerhard Taddey Hrsg Lexikon der deutschen Geschichte Personen Ereignisse Institutionen Von der Zeitwende bis zum Ausgang des 2 Weltkrieges 2 uberarbeitete Auflage Kroner Stuttgart 1983 ISBN 3 520 81302 5 S 745 Hans Mommsen Verspielte Freiheit S 284 Hans Mommsen Verspielte Freiheit S 286 Zahlen nach Gotthard Jasper Grosse Koalition S 36 Ludwig Preller Sozialpolitik S 426 Hans Mommsen Verspielte Freiheit S 293 Siehe dazu Hans Mommsen Verspielte Freiheit S 287 f und S 292 auch Peter Longerich Deutschland 1918 1933 259 f und 262 f ferner Heinrich August Winkler Weimar 1918 1933 S 362 ff S 366 S 368 f Zum Nachfolgenden siehe Heinrich August Winkler Schein der Normalitat S 815 823 und Eberhard Kolb Weimarer Republik S 147 f Dort jeweils auch Hinweise auf die einzelnen Forschungsbeitrage zu dieser Auseinandersetzung Quellen und Literatur BearbeitenAkten der Reichskanzlei Das Kabinett Muller II 28 Juni 1928 27 Marz 1930 2 Bande Bearb von Martin Vogt Oldenbourg Munchen 1970 siehe Weblinks Eberhard Kolb Die Weimarer Republik 2 durchges u erg Aufl Oldenbourg Munchen 1988 ISBN 3 486 48912 7 Peter Longerich Deutschland 1918 1933 Die Weimarer Republik Handbuch zur Geschichte Fackeltrager Hannover 1995 ISBN 3 7716 2208 5 Hans Mommsen Die verspielte Freiheit Der Weg der Republik von Weimar in den Untergang 1918 bis 1933 Propylaen Berlin 1989 ISBN 3 549 05818 7 Ludwig Preller Sozialpolitik in der Weimarer Republik Unverand Nachdr d erstmals 1949 erschienenen Werkes mit e Nachw u e Auswahlbibliogr zur Taschenbuchausg von Florian Tennstedt Athenaum Verlag Droste Kronberg Ts und Dusseldorf 1978 ISBN 3 7610 7210 4 Klaus Schonhoven Reformismus und Radikalismus Gespaltene Arbeiterbewegung im Weimarer Sozialstaat Dt Taschenbuch Verl Munchen 1989 ISBN 3 423 04511 6 Helga Timm Die deutsche Sozialpolitik und der Bruch der grossen Koalition im Marz 1930 Beitrage zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Bd 1 Droste Dusseldorf 1953 Bernd Weisbrod Schwerindustrie in der Weimarer Republik Interessenpolitik zwischen Stabilisierung und Krise Hammer Wuppertal 1978 ISBN 3 87294 123 2 Heinrich August Winkler Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik Der Schein der Normalitat 1924 1930 Dietz Berlin Bonn 1985 ISBN 3 8012 0094 9 Heinrich August Winkler Weimar 1918 1933 Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie 2 durchges Aufl Beck Munchen 1994 ISBN 3 406 37646 0 Heinrich August Winkler Der lange Weg nach Westen Bd 1 Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik Beck Munchen 2000 ISBN 3 406 46001 1Weblinks BearbeitenGotthard Jasper Die grosse Koalition 1928 1930 in Die Weimarer Republik Band III 1929 33 Das Ende der Demokratie Bayerische Landeszentrale fur politische Bildungsarbeit Archiviert vom Original am 24 August 2004 abgerufen am 7 Januar 2019 bzw als PDF Datei Archiviert vom Original am 23 Juni 2004 abgerufen am 7 Januar 2019 bundesarchiv de Das Kabinett Muller II 1928 1930 Herausgegeben fur die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften von Karl Dietrich Erdmann und fur das Bundesarchiv von Wolfgang A Mommsen bis 1972 1970 ISBN 978 3 486 41542 1 Kabinett Muller II 28 Juni 1928 bis 27 Marz 1930 Hermann Muller Reichskanzler SPD Gustav Stresemann DVP Julius Curtius DVP Carl Severing SPD Erich Koch Weser DDP Theodor von Guerard Zentrum Rudolf Hilferding SPD Paul Moldenhauer DVP Robert Schmidt SPD Hermann Dietrich DDP Rudolf Wissell SPD Wilhelm Groener parteilos Georg Schatzel BVP Adam Stegerwald Zentrum Joseph Wirth Zentrum Reichsregierungen des Deutschen Reiches in der Zeit der Weimarer Republik Ebert Scheidemann Bauer Muller I Fehrenbach Wirth I Wirth II Cuno Stresemann I Stresemann II Marx I Marx II Luther I Luther II Marx III Marx IV Muller II Bruning I Bruning II Papen Schleicher Hitler bis 24 Marz 1933 Nationalsozialistische Kabinette Hitler Goebbels Schwerin von Krosigk nbsp Dieser Artikel wurde am 27 Januar 2007 in dieser Version in die Liste der exzellenten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kabinett Muller II amp oldid 236854011