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fDschabal SindscharDschabal Sindschar aus dem OrbitDschabal Sindschar aus dem OrbitHochster Gipfel Cel Mera 1463 m Lage Provinz Ninawa IrakDschabal Sindschar Irak Koordinaten 36 22 N 41 42 O 36 361388888889 41 7 1463 Koordinaten 36 22 N 41 42 Op1 Der Dschabal Sindschar arabisch جبل سنجار Dschabal Sindschar DMG Ǧabal Sinǧar kurdisch چیای شه نگال شه نگار Ciyaye Singal Singar ist ein Hohenzug im Nordirak westlich der Stadt Mossul nahe der syrischen Grenze der von der bereits in der zweiten Halfte des 20 Jahrhunderts endgultig zerstorten jesidischen Bauern und Hirtenkultur gepragt worden ist 1 Inhaltsverzeichnis 1 Geographie 2 Geologie 3 Klima 4 Vegetation 5 Bodennutzung 6 Rohstoffe 7 Geschichte 8 Besonderheiten 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseGeographie Bearbeiten nbsp Die Lage des Dschabal SindscharsDer lang gestreckte weitgehend verkarstete Dschabal Sindschar erhebt sich in einer relativen Hohe von etwa 500 bis 1000 Metern unvermittelt aus einer semiariden teils im Trockenfeldbau genutzten Ebene zwischen den beiden Flussen Tigris und Chabur und gehort zu Dschazira 2 Er erstreckt sich uber etwa 60 km ungefahr von Osten nach Westen An seiner hochsten Stelle erreicht der Dschabal Sindschar mit dem Cel Mera auch Chermera deutsch Vierzig Manner 1463 Meter Seine Scheitelregion ist abgetragen sodass er heute aus mehreren Schichtkammen besteht in denen Gesteine des Eozans und der Kreidezeit zutage treten Die hochsten Gipfel werden von machtigen Kalkblocken gebildet 3 Am sudlichen Fuss des Hohenzuges liegt die Stadt Sindschar Dort verlauft eine seit dem 11 Jahrhundert benutzte Strasse von Mossul nach Ar Raqqa in Syrien Geologie Bearbeiten nbsp Dschabal Sindschar Ausschnitt tief eingeschnittene Taler am Sudhang Schichtkamme am Scheitel Steilabfall nach Norden nbsp Der Dschabal Sindschar innerhalb anderer antiklinalen Strukturen in der ProvinzDer Dschabal Sindschar liegt im Nordosten der Nordarabischen Platte und ist der an der Erdoberflache sichtbare Teil des gleichnamigen etwa 150 km langen Sindschar Hebungsgebietes Die im Zentrum des Hebungsgebietes um bis zu 1 5 km gehobenen Gesteinsschichten entstammen einem Zeitraum vom Palaozoikum bis zum Kanozoikum Das kristalline Grundgebirge liegt in etwa sechs Kilometer Tiefe Die genaue Zusammensetzung der tieferen Schichten des Deckgebirges ist nicht bekannt denn Gesteine des Kambriums wurden bisher nicht erbohrt Machtige Tonsteine des Ordoviziums sind allerdings mehrfach angetroffen worden ebenso das untere Silur Gesteine des oberen Silurs und des Devons fehlen komplett erst im Karbon wurden wieder klastische Gesteine in einer langgestreckten Grabenzone abgelagert Aus dem Oberkarbon wie auch aus dem unteren Perm sind keine Ablagerungen uberliefert Dies konnte auf Erosion der betreffenden Schichten in der fruhen Trias zuruckzufuhren sein Bis zum Ende des Jura wurden danach Flachwassersedimente abgelagert Dolomite Kalksteine Mergel und Sandsteine von denen vor allem die machtigen Dolomite der Trias uberliefert sind wahrend die jungeren Schichten wiederum weitgehend erodiert wurden Wahrend des Oberen Jura und der Kreide wurde die Sedimentation wesentlich von Grabenbildung beherrscht die vor einer nordlichen Hauptabschiebung zu Ablagerung der machtigen Shiranish Formation fuhrte Auch im fruhen Tertiar bis ins Miozan herrschte Ablagerung im Gebiet des spateren Dschabal Sindschar die vorher so regen Grabenbildungsvorgange waren jedoch zum Erliegen gekommen Die Ablagerungen sind vor allem von Kalksteinen Gips und Anhydrit bestimmt die im Pliozan in Ton und Sandsteine und Konglomerate ubergehen 4 Im Gefolge der Zagros Faltung des Pliozans unterlag das gesamte Gebiet der nordlichen Arabischen Platte einer starken in etwa von Nord nach Sud gerichteten Spannung Vor allem die machtige Sedimentfolge die sich in der zwischen Karbon und Oberkreide immer wieder aktiven Grabenzone abgelagert hatte wurde an der nordlichen Grabenstorung nach Norden aufgeschoben und das Grabeninnere emporgehoben Die am hochsten aufgewolbten Gesteinsschichten wurden erodiert so dass zwischen den in der Umgebung verbreitet die Oberflache bildenden Schichten des Quartars und jungeren Tertiars im Kern der Aufwolbung altere Schichten zu Tage traten 5 Ahnlich wie der weiter westlich in Syrien gelegene Dschabal Abd el Aziz ist der Hohenzug des Dschabal Sindschar so der oberflachliche Ausdruck einer erdgeschichtlich sehr jungen Antiklinale mit einer komplizierten Entstehungsgeschichte 6 7 Der asymmetrische Aufbau dieser Antiklinale spiegelt sich in der heutigen Oberflachenform wider tief eingeschnittene Taler zerfurchen den massig steilen Sudhang und fast flach lagernde Schichtkamme bilden seinen Scheitel wahrend der Nordhang steil abfallt s nebenstehendes Foto Klima BearbeitenAm Dschabal Sindschar herrscht ein semiarides subtropisches Klima mediterraner Auspragung mit heissen trockenen Sommern und kuhlen feuchten Wintern Vergleichbare Klimawerte liegen fur die Stadt Sindschar am Fuss des Hohenzuges vor Dort liegt das Temperaturmaximum mit einem Tagesdurchschnitt von 33 9 C im Juli und im August das Maximum der Niederschlage mit 84 mm im Januar Die Jahresdurchschnittstemperatur betragt 20 C Die Jahresniederschlage haben eine Hohe von 449 mm Je nach Hohenlage liegen die Temperaturwerte im Dschabal Sindschar im Schnitt niedriger und die Niederschlagswerte hoher 8 Das fuhrt dazu dass die Kammregionen im Winter eine dauerhafte Schneekappe tragen 9 10 Vegetation BearbeitenDie Zone oberhalb von 800 Metern ist potentielles Waldgebiet doch aufgrund menschlicher Einwirkungen wie Holzeinschlag und Beweidung sind die dort zu erwartenden Eichenwalder fast nur noch sehr licht oder in unzuganglichen Gebieten zu finden Sie wurden weitgehend durch eine an die Hohenlage angepasste Steppenflora ersetzt Grosse Bereiche dieser Zone werden von Gesteinsfluren gepragt Wegen der geringeren Niederschlage herrscht unterhalb von 800 Metern eine warmeliebende Steppenflora vor In den tief eingeschnittenen Talern an meist temporaren Wasserlaufen gedeiht dort wo sie nicht durch Ackerterrassen ersetzt worden ist eine artenreiche Schluchtenvegetation fur die die wilde von den Jesiden kultivierte Feige Ficus carica typisch erscheint 11 Ab 1965 wurden viele jesidische Dorfer zerstort und die Bewohner umgesiedelt 12 Seitdem unterliegen ehemals gepflegte Nutzflachen einer sekundaren naturlichen Sukzession Sie verkrauten und verbuschen Wo Terrassen zusammenbrechen und die Bewasserungsanlagen zerfallen kann sich eine mediterrane Macchie ausbreiten Die Bodenerosion schreitet voran Eichen und Ahornwalder beispielsweise Acer monspessulanum subsp cinarescens 13 dagegen konnen sich erholen wenn sie weiterhin nicht mehr der Holzgewinnung und Beweidung dienen 1 Bodennutzung Bearbeiten nbsp Terrassen in einem Tal des Dschabal Sindschar Trockenfeldbau an den steileren Hangen Bewasserung im flacheren BereichDie Bodennutzung des von den Jesiden gepragten Dschabal Sindschar geschieht hauptsachlich durch Beweidung Neben den offenen Flachen die weitgehend uberweidet sind werden auch Walder als Schafweiden genutzt Ausserdem werden meist auf in den Talern gelegenen und teilweise terrassierten und bewasserten Ackerflachen hauptsachlich Getreide Gemuse und Tabak angebaut Im islamischen Mittelalter wurden hier auch Maulbeeren fur eine florierende Seidenproduktion kultiviert An den Hangen folgen Obsthaine Historische Berichte ruhmen vor allem die Feigen und Datteln des Dschabal Sindschar 14 Karte 36 371136 41 707849 15 nbsp Ein jesidischer Hirte holt an einer Quelle des Dschabal Sindschar Wasser fur seine in hoheren trockenen Regionen weidende HerdeEin Grossteil des Viehbestandes kommt saisonal mit Wanderhirten aus Dorfern ausserhalb des Dschabals entspricht also dem Transhumanz System Die Bewohner des Dschabals dagegen pflegen eine ganzjahrige Beweidung die nur unterbrochen wird wenn das Vieh im Sommer zwischenzeitlich auf abgeerntete Weizen und Gerstefelder getrieben wird Im Winter wird zugefuttert Alle Hirten haben freien Zugang zum Weideland fur das keine speziellen Eigentumsrechte bestehen und fur das es auch keine offentlichen Institutionen gibt die die Beweidung organisieren Der Vergleich von Satellitenaufnahmen der Jahre 1988 und 1995 zeigt eine starke Degradation der naturlichen Pflanzendecke wofur auch die Uberweidung verantwortlich ist Dieser Prozess dauert weiterhin an Er wird verstarkt durch ein Nachlassen der Niederschlage in den letzten Jahren 16 17 nbsp Brach liegende TerrassenMit der Zerstorung jesidischer Dorfer der Umsiedlung ihrer Bewohner in Zentraldorfer ausserhalb des Hohenzuges im Rahmen der irakischen Arabisierungspolitik und der damit einhergehenden Landflucht ist die angestammte jesidische Bauern und Hirtenkultur untergegangen 18 19 Der Acker und Gemusebau innerhalb des Dschabal Sindschar dient heute grossteils der Selbstversorgung Die jesidischen Bauern die in den Zentraldorfern wohnen gelangen nur auf beschwerlichen Wegen zu ihren manchmal weit entfernten Nutzflachen im Innern des Hohenzuges Sie betreiben die Land und Weidewirtschaft oft nur mehr im Nebenerwerb Sie pendeln in weit entfernte Stadte in denen sie Arbeit finden konnen und kommen nur in mehrmonatigem Abstand zu den im Dschabal Sindschar oder in den Zentraldorfern verbliebenen Familien zuruck 20 Rohstoffe BearbeitenDie grossen Kalkstein und Gipsvorkommen des Dschabal Sindschar sind die Grundlage fur eine 1981 gegrundete Zementfabrik die 1985 den Betrieb aufgenommen hat und wegen der Kriege in der Region von Beginn an immer wieder ausser Betrieb war Sie liegt etwa 20 Kilometer ostlich der Stadt Sindschar an der Fernstrasse 715 Richtung Mossul Das Rohmaterial stammt von den ostlichen Auslaufern des Hohenzuges Karte 36 350664 42 076757 21 Geschichte Bearbeiten nbsp Singara und Trogoditi persi recte Troglodytae persae die Stadt Singara Sindschar und persische Hohlenbewohner womit die Bewohner der Hohlen im Dschabal Sindschar gemeint sind 22 auf der Tabula Peutingeriana der mittelalterlichen Kopie einer romischen Strassenkarte nbsp Karstlandschaft des Dschabal Sindschar Im Vordergrund der Zugang zu einer Karsthohle nbsp Jesidisches Heiligtum Cel Mera auf dem gleichnamigen Gipfel des Dschabal SindscharDer zerkluftete und mit naturlichen Hohlen ausgestattete Hohenzug war in der Geschichte ein bekanntes Ruckzugsgebiet fur die Menschen der Region Am Fuss des Dschabal Sindschar befindet sich das antike Singara dessen Name etymologisch mit Sindschar verwandt ist Der Hohenzug war ein Schauplatz der Kriege zwischen dem Romischen Reich und dem Partherreich Singara diente nach der romischen Eroberung der Gegend als Stutzpunkt der romischen Legion Legio I Parthica Der Dschabal selbst gehorte zur neuen romischen Provinz Mesopotamia die aber nur kurze Zeit bestand Spater war der Hohenzug Schauplatz der Kampfe zwischen Byzanz und dem Sassanidenreich Fur die Region sind mehrere Bischofe die entweder nestorianisch oder jakobitisch waren bezeugt Des Weiteren lebten hier auch Zoroastrier und Juden Die islamische Eroberung des Gebietes bewirkte einen Niedergang der christlichen Kultur Der Dschabal Sindschar wurde Teil der Provinz Diyar Rabia und arabische Stamme kamen in die Region Das Gebiet wurde 970 von den Hamdaniden erobert und bluhte spater unter einem Seitenzweig der Zengiden auf Diesen folgten in der ersten Halfte des 13 Jahrhunderts die Ayyubiden Mundlich tradierte Berichte von Jesidenstammen des ostlichen Dschabal Sindschar verbinden das Eindringen des Jesidentums in den Dschabal in der zweiten Halfte des 13 Jahrhunderts mit Scharaf al Din Muhammad Ibn Battuta dagegen berichtete im 14 Jahrhundert von kurdischen Stammen im nordlichen Dschabal Sindschar ohne die Jesiden ausdrucklich zu erwahnen 23 Wenig spater herrschten zunachst die Qara Qoyunlu uber die Region danach die Aq Qoyunlu die 1507 1508 von den Safawiden besiegt wurden 1534 entrissen die Osmanen den Safawiden die Macht Unter ihnen war das Gebiet um den Dschabal Sindschar ein Sandschak der Provinz Diyarbakir In fruher osmanischer Zeit kamen weitere Jesiden in mehreren Siedlungswellen hauptsachlich aus dem Scheichan Gebiet in den Dschabal Sindschar Dabei ersetzten und erganzten sie allmahlich die vorhandene christliche Bevolkerung die ihre Identitat erhalten konnte 23 Im 17 Jahrhundert lebten laut dem osmanischen Reisenden Evliya Celebi am Dschabal Sindschar der damals in Anspielung auf die Haartracht der Jesiden auch Sacli Dagi Berg der Haarigen genannt wurde etwa 45 000 jesidische und sufitische Kurden Bapiri wahrend in der Stadt Sindschar auch Araber wohnten Evliya beschrieb ausfuhrlich wie im Jahr 1640 osmanische Truppen unter dem Kommando von Mustafa Pascha Firari 300 Dorfer der Jesiden verheerten und etwa 1000 bis 2000 Jesiden die in Hohlen Zuflucht gesucht hatten toteten 24 nbsp Austen Henry Layard Skizze aus dem Inneren eines jesidischen Hauses im Sindschar 1847 Bis 1830 war das Gebiet Teil des Sandschaks Mardin Danach gehorte es zu Mossul In den 1830er Jahren begann der ambitionierte kurdische Furst Mohammed Pascha Rewanduz von Soran einen Feldzug gegen die Jesiden Dabei kamen viele Menschen ums Leben und viele Jesiden flohen nach Mossul Der britische Archaologe Austen Henry Layard nahm im Oktober 1846 an einer osmanischen Expedition Tajar Paschas in den Dschabal Sindschar teil bei der das durch einen fruheren Gouverneur von Mossul zugrunde gerichtete Gebiet untersucht werden sollte Die Unternehmung endete mit der Zerstorung eines jesidischen Dorfes und der Totung vieler Bewohner Layard berichtete daruber und uber die Lebensumstande der Jesiden im Dschabal Sindschar Er war der erste Europaer der umfangreich uber die Jesiden schrieb deren Fest der Versammlung Cejna Cemaʿiye er in Lalisch erleben konnte Layard fuhrte aus dass die jesidischen Bewohner des Hohenzugs nicht nur immer Gefahr liefen verfolgt zu werden sondern auch selbst eine standige Gefahr fur die Durchreisenden der Region waren Daher war es denn auch nichts Unnaturliches dass die Jezidi jede sich bietende Gelegenheit benutzten sich an ihren Unterdruckern zu rachen Sie bildeten Banden und waren lange Zeit der Schrecken des Landes Kein Bekenner Allahs der in ihre Hande fiel wurde geschont Karawanen wurden geplundert und Kaufleute mitleidlos ermordet Den Christen fielen sie aber nicht beschwerlich denn die Jezidi betrachteten sie als Leidensbruder auf dem Felde der Religion Austen Henry Layard Auf der Suche nach Ninive 25 Dem osmanischen Gouverneur von Bagdad beugten sich die Jesiden nicht 25 So kam es von 1850 bis 1864 zu einem Aufstand gegen den Gouverneur Einige christliche Familien ubernahmen im Laufe der osmanischen Herrschaftszeit hauptsachlich in den Orten am Fusse des Dschabals zum Beispiel in Sindschar Jaddala Bardahali und Sakiniyya den Handel mit den landwirtschaftlichen Produkten aus dem Innern des Dschabals und exportierten sie in die grossen Stadte wie Mossul und Bagdad und weiter ins gesamte Osmanische Reich Von den osmanischen Regierungen auch im Dschabal Sindschar geplante Bodenreformen hatten keinen Erfolg Sie scheiterten hauptsachlich an den sehr selbstandigen jesidischen Scheichs und Mirs und deren Familien die als Mitglieder privilegierter Kasten um ihren Unterhalt aus den Abgaben der Stamme furchteten 26 27 nbsp Treffen jesidischer Stammesfuhrer mit christlich chaldaischen Klerikern 19 Jh nbsp Eine Gruppe von Jesiden auf dem Dschabal Sindschar um 1920 Ab den 1880er Jahren erfuhr das Lesepublikum im deutschsprachigen Raum einiges uber die Vorgange am Dschabal Sindschar und uber die Lebensweise der Jesiden aus Karl Mays Veroffentlichungen die im Orientzyklus zusammengefasst wurden May stutzte sich darin auf die Schriften Austen Henry Layards wobei er auch dessen Irrtumer ubernahm 28 Gegen Ende des 19 Jahrhunderts nahmen die Verfolgungen der Jesiden des Dschabal Sindschar durch die Osmanen zu Manche Jesiden nutzten ausser der Konversion zum Islam auch den Ubertritt zum Christentum um dem zu entkommen Als im Laufe des Ersten Weltkriegs 1915 16 auch die Christen des Osmanischen Reiches verfolgt wurden fluchteten viele christliche Armenier Nestorianer Assyrer und katholisch unierte Chaldaer und Jakobiten in den Dschabal Sindschar Sie wurden von einigen jesidischen Stammen aufgenommen und bildeten etwa 4 Prozent der Einwohner des Hohenzuges Gleichzeitig verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Jesiden und Muslimen dramatisch und damit auch zwischen jesidischen Stammen bei denen entweder Christen oder Muslime lebten 23 Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Dschabal Sindschar als Teil des Vilayets Mossul von den Briten besetzt und 1924 dem Britischen Mandat Mesopotamien zugeschlagen In dieser Zeit investierten hauptsachlich christliche und muslimische Handler aus Mossul in die Landwirtschaft des Dschabals wie das ansatzweise auch schon in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts geschehen war Sie unterhielten Niederlassungen in der Stadt Sindschar finanzierten Rinder Schaf und Ziegenherden und schlossen Vertrage mit den jesidischen Bauern und Hirten bzw deren Oberhauptern uber die Lieferung von landwirtschaftlichen Gutern wie Feigen Baumwolle Wolle Milchprodukten und Fleisch Im Gegenzug kauften die Dorfbewohner und Viehnomaden vermehrt Guter die sie nicht selbst gewinnen oder herstellen konnten wie Zucker Kaffee Kleidung und Spirituosen Damit wandelte sich ihre Subsistenzwirtschaft in Richtung auf eine angehende Marktwirtschaft Die Guterstrome liefen meist uber Mossul selbst der Export der Waren nach Syrien nahm diesen Weg 29 Wahrend des britischen Mandats gab es unter den Fuhrern der Jesiden des Dschabals Tendenzen sich von der religiosen Dominanz Scheichans und der Vormachtstellung einer aus Scheichan stammenden Mir Familie sowie von der Administration in Mossul zu losen Von ihnen wurde beispielsweise vorgeschlagen das Gebiet des Dschabal Sindschar dem franzosisch verwalteten Syrien anzugliedern Erreicht werden sollte eine Dezentralisierung und damit eine Starkung der tribalen Zustandigkeiten Diese politischen Turbulenzen konnte die irakische Administration mit Ruckendeckung durch die fur Sicherheit und Verwaltung des Dschabal Sindschar zustandige britische Royal Air Force beenden und ebenso die Anspruche die die kemalistische Turkei auf das Gebiet stellte zuruckweisen Als der neue Staat Irak geschaffen wurde verblieb der Dschabal Sindschar innerhalb von dessen Grenzen 30 nbsp LAV 25 Radpanzer der US Truppen im Dschabal Sindschar nbsp Das Zentraldorf Gohbal auch Kuhbil Gohbil Guhbl nordlich des Dschabal Sindschar 31 Seit der Unabhangigkeit des Iraks 1932 ist der Dschabal Sindschar Teil der Provinz Ninawa Seit 1965 insbesondere in den 1970er und den 1980er Jahren wurde die kurdische Bevolkerung aus mehr als 160 Dorfern der Sindschar Region aufgrund der Konflikte zwischen der irakischen Regierung und den Kurden im Nordirak deportiert und gezwungen in zwolf Zentral Sammel oder Modelldorfern mudschammaʿat zu leben Ihre ursprunglichen Dorfer wurden entweder zerstort oder aber Angehorigen arabischer Stamme uberlassen 32 33 34 Seit dem Irakkrieg 2003 gab es in der Region immer wieder Anschlage sunnitischer Extremisten gegen die Jesiden Der bisher grosste Anschlag ereignete sich im August 2007 und kostete 336 Menschen das Leben Rund 1000 Familien wurden obdachlos 35 Der Dschabal Sindschar war auch Kampfgebiet der auf seinen Hohenzugen und in seiner Umgebung stationierten US Streitkrafte Seit einigen Jahren wird diskutiert ob der Dschabal Sindschar an die Autonome Region Kurdistan angeschlossen werden soll 32 Im Juni 2014 nahmen kurdische Peschmerga mit Hilfe der kurdisch syrischen Volksverteidigungseinheiten der PYD bei militarischen Auseinandersetzungen mit den Truppen des Islamischen Staats IS Ortschaften rund um den Dschabal Sindschar ein 36 Im August 2014 unterstutzte die US Marine die Peschmerga bei der Rettung von 20 000 30 000 Jesiden vor dem IS mit Luftschlagen bei diesen Gefechten trat zum ersten Mal die jesidische Burgerwehr in Erscheinung 37 Hauptartikel Schlacht um Scharaf ad Din Am 20 Oktober traten die IS Milizen zur Grossoffensive an konnten dabei rasch vorrucken und die Pilgerstatte Scharaf ad Din einkesseln Laut Augenzeugen seien die IS Milizen mit 40 Humvees vorgeruckt Teile der jesidischen Burgerwehren unter dem Kommando von Qasim Seso hatten sich dorthin zuruckgezogen 7000 Zivilisten und einige hundert Kampfer sollen sich ins Gebirge gefluchtet haben Die IS Milizen konnten die Verteidiger wieder im Sindschal Gebirge einkesseln Am 24 Oktober gelang es den IS Milizen an der Sudseite des Gebirges aufzusteigen und die heilige Statte Meme Reshan unter Morserbeschuss zu nehmen Die Verteidiger im Kessel setzten sich aus Einheiten der YPG HPG HPS und YBS zusammen Die Versorgung der eingeschlossenen Zivilisten und Kampfer erfolgte sporadisch uber den Luftweg Besonderheiten Bearbeiten1980 wurde im Geroll eines in den Dschabal Sindschar eingeschnittenen Wadis ein neues Mineral entdeckt das den Namen Sinjarit erhielt Es handelt sich um ein vom Grundwasser ausgefalltes Calciumchlorid mit der chemischen Formel CaCl2 2 H2O Der Sinjarit ist wenig bestandig da er sich leicht in Wasser lost 38 39 In ihrem Bestand gefahrdete Sakerfalken wurden im Dschabal Sindschar gefangen und als Sinjari Falken in die Golfstaaten exportiert bzw geschmuggelt 40 Der bereits fur 7500 vor Christus durch Knochenfunde fur die Region des Dschabal Sindschar bezeugte und inzwischen ausgestorbene Syrische Halbesel auch Syrischer Onager genannt Equus hemionus hemippus war die kleinste Unterart des Asiatischen Halbesels Ein Exemplar wurde 1911 im irakisch syrischen Grenzgebiet im Vorland des Dschabal Sindschar gefangen und lebte bis 1929 im Wiener Tiergarten Schonbrunn 41 42 Im Dschabal Sindschar konnen in Formationen des oberen Campaniums unterschiedlichste Arten von Ammoniten gefunden werden 43 Nur vermutet werden kann dass Menschen aus den fruhesten Siedlungen die unweit ostlich des Dschabal Sindschar liegen ihn besucht oder genutzt haben Tell Maghzaliyah beispielsweise ist eine befestigte Siedlung aus dem Prakeramischen Neolithikum B des 8 7 Jahrtausends v Chr 44 Kulturell und chronologisch lasst sich diese Siedlung mit den Fundstatten von Jarmo und Cayonu vergleichen Andere Fundstatten aus der naheren Umgebung sind Qermez Dere Tell Sotto und Yarim Tepe I bis IV 44 45 Der damals weitgehend bewaldete Dschabal Sindschar konnte den damaligen Menschen das Baumaterial Holz und die Fruchte der Wilden Pistazie Pistacia atlantica oder P khinjuk sowie die Jagd auf Wildschwein und Wildziegen bieten 41 46 Sudlich des Dschabal Sindschar verlauft ein Durchzugsgebiet zwischen dem Osten und dem Westen des alten Orients Hier wird seit 2001 von Christine Kepinski in Grai Res an der Strasse 715 von Sindschar nach Osten ein Ort ausgegraben dessen oberflachliche Schichten aus dem 4 Jahrtausend vor Christus stammen und der den Ubergang vom Dorf zur Stadt veranschaulicht 47 Der an den Sudhangen des Dschabal Sindschar entspringende Wadi Adschidsch quert durch seinen sudwestlichen Verlauf die Staatsgrenze nach Syrien In der Salzpfanne von ar Rauda versickert er Sein Wasser versorgte Siedlungen deren archaologische Standorte 1981 entdeckt wurden Dort fand man beispielsweise mittelassyrische Keramik 48 49 50 Literatur BearbeitenThe Encyclopaedia of Islam New Edition Artikel Sinḏjar von C P Haase Nelida Fuccaro The other Kurds I B Tauris Publishers London New York Dezember 1998 ISBN 978 1 86064 170 1 Graham Brew Tectonic Evolution Of Syria Interpreted From Integrated Geophysical And Geological Analysis Abgerufen am 11 Dezember 2009 Dissertation Cornell University Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Dschabal Sindschar Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten a b Eugen Wirth Bei den Yazidi im Jebel Sinjar In Yazidi Gottes auserwahltes Volk oder die Teufelsanbeter vom Jebel Sinjar Irak Katalog zur Sonderausstellung 30 April bis 27 September 1998 Museum fur Volkerkunde Wien 1998 S 74 76 Photo Ebene mit Getreidefeldern vor dem Dschabal Sindschar Memento vom 26 November 2015 im Internet Archive aufgerufen am 1 Dezember 2009 Jabal Sinjar In Westermann Lexikon der Geographie 2 Auflage Braunschweig 1973 Brew 2001 Abb 3 3 Stratigraphie Geologie Stratigraphisches Profil Brew 2001 Abb 3 4 Blockbild des Dschabal Abd el Aziz aus Graham Brew Tectonic Evolution Of Syria Interpreted From Integrated Geophysical And Geological Analysis PDF 5 6 MB abgerufen am 19 Dezember 2009 Topographie von Dschabal Sindschar und Dschabal Abd el Aziz aus Graham Brew Tectonic Evolution Of Syria Interpreted From Integrated Geophysical And Geological Analysis PDF 5 6 MB abgerufen am 19 Dezember 2009 Klimawerte fur Sindschar bei Latitude 36 19 N Longitude 41 49 E Elevation 1562 0 ft Distance 1 48 mi John S Guest The Yezidis a study in survival Routledge London 1987 ISBN 0 7103 0115 4 S 3 Schnee auf dem Dschabal Sindschar Foto vom 10 Januar 2004 Memento vom 10 Oktober 2016 im Internet Archive FAO Forestry country profiles Natural forest formations Aufgerufen am 29 November 2009 Charles Keith Maisels Early Civilizations of the Old World London 1999 S 124 Genauere historische Angaben zu einzelnen Arten in Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien XXVI Band 1912 Suchwort Sindschar Aufgerufen am 29 November 2009 Christine Allison The Yezidi oral tradition in Iraqi Kurdistan Richmond Surrey 2001 S 29f Joseph Bornmuller Ein Beitrag zur Kenntniss der Flora von Syrien und Palastina In Verhandlungen der Zoologisch Botanischen Gesellschaft in Wien 1898 S 571f zobodat at PDF 7 3 MB The Encyclopaedia of Islam New Edition Artikel Sinḏjar von C P Haase Siehe auch ein Photo von Ackerterrassen aufgerufen am 1 Dezember 2009 Changes suffered by the Mediterranean rangelands in the recent past ICARDA s experience PDF 1 4 MB aufgerufen am 23 November 2009 IAU Bericht The humanitarian Situation in Iraq Darin Iraq Cropland affected by drought in 2008 2009 Memento vom 18 Januar 2012 im Internet Archive PDF 277 kB aufgerufen am 6 Dezember 2009 Eugen Wirth Agrarreform und landliche Abwanderung im Irak In Erdkunde 36 1982 S 192 196 Irene Dulz Die Yeziden im Irak zwischen Modelldorf und Flucht Studien zur Zeitgeschichte des Nahen Ostens und Nordafrikas Band 8 Hamburg 2001 S 54 59 Eva Savelsberg Siamend Hajo Gutachten zur Situation der Jeziden im Irak PDF 181 kB Aufgerufen am 12 Februar 2018 Iraqi cement focus In Global Cement 24 Januar 2013 englisch Luke Coleman Sinjar Cement Factory The Cornerstone Of Redevelopment In Yalla Iraq 12 Mai 2016 Konrad Mannert Geographie der Griechen and Romer Band 5 Nurnberg 1797 S 310 a b c Nelida Fuccaro S 46ff Robert Dankoff Hrsg und Ubers The intimate life of an Ottoman statesman Melek Ahmed Pasha 1588 1662 as portrayed in Evliya Celebi s Book of travels Seyahat name New York 1991 S 167 174 a b Austen Henry Layard Auf der Suche nach Ninive Achtes Kapitel Bei den Jezidi oder Teufelsanbetern Memento vom 19 Januar 2010 im Internet Archive PDF 212 kB aufgerufen am 23 November 2009 Das Kastensystem der Jesiden aufgerufen am 14 Dezember 2009 Nelida Fuccaro S 38 Franz Kandolf Kara Ben Nemsi auf den Spuren Layards aufgerufen am 16 Dezember 2009 Nelida Fuccaro S 70 77 Nelida Fuccaro S 110ff Chapter IV Tribes Borders and Nation Building Genaue Lage des Dorfes GeoNames a b Irene Dulz Siamend Hajo amp Eva Savelsberg Verfolgt und umworben Die Yeziden im neuen Irak Memento vom 27 November 2006 im Internet Archive PDF 215 kB aufgerufen am 23 November 2009 Khalil Jindi Rashow The Yezidis today Memento vom 28 August 2008 im Internet Archive aufgerufen am 2 Dezember 2009 Namen der zerstorten Dorfer Memento vom 27 September 2007 im Internet Archive PDF 78 kB aufgerufen am 2 Dezember 2009 Text aus Mary Kreutzer Thomas Schmidinger Hrsg Irak Von der Republik der Angst zur burgerlichen Demokratie Freiburg 2004 S 197 204 Tilman Zulch Neues Selbstmordattentat im Irak uberschattet Gedenkveranstaltung der yezidischen Gemeinschaft in Deutschland Bericht vom 14 August 2009 zum Jahrestag des Anschlages Kurdish Forces are Pushing Back Against ISIS Gaining Ground Around Mosul The Daily Beast vom 13 Juni 2014 Jesiden retten sich in den Norden Memento vom 10 August 2014 im Internet Archive General Sinjarite Information englisch aufgerufen am 8 Dezember 2009 Sinjarite a new mineral from Iraq PDF 188 kB aufgerufen am 8 Dezember 2009 Falknerei im Irak aufgerufen am 12 Februar 2018 a b Steven Mithen After the Ice A Global Human History 20 000 5 000 BC Cambridge Mass Harvard Univ Press 2006 S 434 Verband Deutscher Zoodirektoren Halbesel aufgerufen am 8 Dezember 2009 Kurznotiz der Paleontological Society aufgerufen am 8 Dezember 2009 a b N Ya Merpert and R M Munchaev The Earliest Levels at Yarim Tepe I and Yarim Tepe II in Northern Iraq erschienen in Iraq Vol 49 1987 S 1 36 Karte der Siedlungen aufgerufen am 8 Dezember 2009 Qermez Dere Tel Afar Interim Report No 2 1989 PDF 363 kB aufgerufen am 8 Dezember 2009 Mission archeologique de Sinjar aufgerufen am 19 Dezember 2009 Reinhard Bernbeck Steppe als Kulturlandschaft Das Agig Gebiet vom Neolithikum bis zur islamischen Zeit Mit Beitragen von P Pfalzner Berliner Beitrage zum Vorderen Orient Ausgrabungen l Berlin 1993 siehe auch Kurzbericht dazu aufgerufen am 8 Dezember 2009 Karte der Fundplatze aufgerufen am 8 Dezember 2009 Mittelassyrische Keramik aufgerufen am 8 Dezember 2009 nbsp Dieser Artikel wurde am 4 Januar 2010 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Dschabal Sindschar amp oldid 234177187