www.wikidata.de-de.nina.az
Vermachtnis ist der Titel eines Gedichts von Johann Wolfgang von Goethe das er 1829 schrieb Da die Gedichtbande der Ausgabe erster Hand seit zwei Jahren abgeschlossen waren stellte er es in Band 22 an das Ende des zweiten Teils seines Romans Wilhelm Meisters Wanderjahre mit dem es innerlich verbunden ist Johann Wolfgang von Goethe Olgemalde von Joseph Karl StielerDas in Goethes 80 Lebensjahr geschriebene Spatwerk wird als poetisches Testament betrachtet 1 in dem er die Summe seiner Erkenntnisse und Erfahrungen vorlegte und viele Motive seines Alterswerks abschliessend ordnete 2 Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt und Hintergrund 2 Bedeutung und Interpretation 3 Sekundarliteratur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseInhalt und Hintergrund BearbeitenDas Werk entstand aus einer Widerspruchshaltung Goethes gegenuber einem vorhergehenden Gedicht Eckermann schrieb am 12 Februar 1829 Goethe habe sich geargert dass anlasslich eines Kongresses Berliner Naturwissenschaftler die beiden letzten Zeilen des 1821 geschriebenen Gedichts Eins und Alles in goldenen Buchstaben ausgestellt wurden Denn alles muss in Nichts zerfallen wenn es im Sein beharren will 3 Ihn storte nicht das altere Gedicht selbst sondern die plakative Hervorhebung und Verabsolutierung des Schlusses der mephistophelisch hatte gedeutet werden konnen 4 Ich bin der Geist der stets verneint Und das mit Recht denn alles was entsteht Ist wert dass es zugrunde geht 5 nbsp Heraklit in der Gestalt Michelangelos Detailansicht aus Raphaels Die Schule von Athen 1510 1511 Fresko in der Stanza della Segnatura VatikanWahrend Eins und Alles im Tonfall Heraklits den ewigen Fluss der Dinge besingt und die Macht der Veranderung auch im Sinne der Hegelschen Dialektik preist will Goethe nun das Bestandige suchen 6 So widerspricht er gleich im ersten Vers mit antithetischem Bezug als Negation der Negation auf das fruhere Werk Kein Wesen kann zu Nichts zerfallen 7 In der Ausgabe letzter Hand platzierte er das bereits 1803 geschriebene klassische Gedicht Dauer im Wechsel 8 in dem das Panta rhei Heraklits ebenfalls angesprochen wird unmittelbar vor Eins und Alles Ein Reigen schoner Bilder der Verganglichkeit zieht in ihm voruber Blutenregen Fruchte und Liebe von Sturm und Regen Alter und Zeit bedroht am Ende aber ganz im Sinne des klassischen Ideals verheisst die Muse Bestandigkeit und die Vernunft innere Freiheit So bleibt es auch im Vermachtnis nicht bei einem blossen Widerspruch Goethe stellt eine andere weiterfuhrende Perspektive und Weltbetrachtung vor und nahm dabei auch Gedanken Immanuel Kants auf Fuhrte der Wunsch zu verharren im fruheren Gedicht zum Zerfall kann sich das Wesen des Seienden nun durch allen Wandel erhalten Die erste Strophe lautet 9 Kein Wesen kann zu Nichts zerfallen Das Ew ge regt sich fort in allen Am Sein erhalte dich begluckt Das Sein ist ewig denn Gesetze Bewahren die lebend gen Schatze Aus welchen sich das All geschmuckt Zunachst spricht Goethe die Ewigkeit des Seins die Wahrheit und die kopernikanischen Gesetze des Sonnensystems an und verbindet sie im weiteren Verlauf des Gedichts mit Gewissen Gefuhl und sozialer Verantwortung des Individuums das sich nach innen zu wenden habe Bedeutung und Interpretation Bearbeiten nbsp Immanuel KantDa Goethe die systematische Unbedingtheit Kants fern lag formulierte er keine kategorischen Imperative sondern Lebensempfehlungen guten Verhaltens 10 Nach Auffassung Friedrich Dieckmanns wollte er das Sein vor dem Nichts in Schutz nehmen und sich damit dem Kleinmut der Verstimmung und gesellschaftlichen Resignation entgegenstellen die sich ihm nach den Napoleonischen Kriegen zeigten Ihm fehlten Kraft und Mut Eckermann gegenuber sagte er das Schwache sei ein Charakterzug unsers Jahrhunderts Ich habe die Hypothese dass es in Deutschland eine Folge der Anstrengung ist die Franzosen los zu werden Den Deutschen ware geholfen wurde man ihnen nach dem Vorbild der Englander weniger Philosophie und mehr Tatkraft weniger Theorie und mehr Praxis beibringen 11 Eckhard Heftrich bemerkt dass die Innenschau und die Rede vom selbstandigen Gewissen die dem Blick auf das Sonnensystem folgen zunachst wie eine dichterische Gestaltung Kants wirkt Es bleibt fur ihn aber fraglich ob das Zentrum dem kategorischen Imperativ entspricht Goethe habe zwar die Philosophie gelten lassen war aber nach seinem eigenen Willen Dichter vertraute den Sinnen und machte das Wahre vom Fruchtbaren abhangig Die Einsichten als Poet in Augenblicken des Kairos bleiben daher Geheimnisse die sich einzig dem Weisen offenbaren Trotz zahlreicher Parallelen zu anderen Schriften sei Goethes poetische Quintessenz weder ein Ideen noch ein Gedankengedicht Der Zauber liegt fur ihn im Rhythmus der Zeilen der ganz unaufdringlich allein der Aussage dient 12 Fur Erich Trunz ist der Widerspruch zum heraklitischen Gedicht nur ein scheinbarer Wahrend Goethe dort die Auflosung des einzelnen behandelt geht es im Vermachtnis um das Ganze in welchem der einzelne in gewandelter Form erhalten bleibt Ein Glucksgefuhl erfullt ihn wenn er auf das Allgemeine blickt und die Zusammenhange des Kosmos erkennt 13 Die Vorstellung die Natur verwalte ihre Schatze und lasse sie arbeiten finde sich auch in seinen naturwissenschaftlichen Schriften Es sei Aufgabe des Menschen die Naturgesetze forschend zu ermitteln Dass die Wahrheit schon langst gefunden sei ist fur Trunz eine Anspielung auf Kopernikus der ebenfalls in einer geistigen Tradition stand war es doch Aristarchos von Samos der 1800 Jahre zuvor das heliozentrische Weltbild ausgesprochen hatte ohne damit anerkannt worden zu sein Nachdem der Mensch das Naturgesetz des Himmels erkannt hat entdeckt er in sich das Sittengesetz des Gewissens Gerade hier ist der Einfluss Kants mit seinem Satz aus der Kritik der praktischen Vernunft zu erkennen Zwei Dinge erfullen das Gemut mit immer neuer und zunehmende r Bewunderung und Ehrfurcht Der bestirnte Himmel uber mir und das moralische Gesetz in mir 14 Sekundarliteratur BearbeitenFriedrich Dieckmann Imperative des erfullten Augenblicks In Interpretationen Gedichte von Johann Wolfgang von Goethe Reclam Hrsg Bernd Witte Stuttgart 2005 S 282 306 Gero von Wilpert Vermachtnis In ders Goethe Lexikon Kroners Taschenausgabe Band 407 Kroner Stuttgart 1998 ISBN 3 520 40701 9 S 1112 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Vermachtnis Quellen und VolltexteEinzelnachweise Bearbeiten So Gero von Wilpert Vermachtnis In ders Goethe Lexikon Kroner Stuttgart 1998 S 1112 Friedrich Dieckmann Imperative des erfullten Augenblicks in Interpretationen Gedichte von Johann Wolfgang von Goethe Reclam Hrsg Bernd Witte Stuttgart 2005 S 282 Johann Wolfgang von Goethe Gedichte und Epen I Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band IX C H Beck Munchen 1998 S 369 Friedrich Dieckmann Imperative des erfullten Augenblicks in Interpretationen Gedichte von Johann Wolfgang von Goethe Reclam Hrsg Bernd Witte Stuttgart 2005 S 284 Johann Wolfgang von Goethe Faust Eine Tragodie Dramatische Dichtungen I Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band III C H Beck Munchen 1998 S 47 Friedrich Dieckmann Imperative des erfullten Augenblicks in Interpretationen Gedichte von Johann Wolfgang von Goethe Reclam Hrsg Bernd Witte Stuttgart 2005 S 285 Johann Wolfgang von Goethe Gedichte und Epen I Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band IX C H Beck Munchen 1998 S 369 Johann Wolfgang von Goethe Gedichte und Epen I Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band IX C H Beck Munchen 1998 S 247 Johann Wolfgang von Goethe Gedichte und Epen I Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band IX C H Beck Munchen 1998 S 369 Friedrich Dieckmann Imperative des erfullten Augenblicks in Interpretationen Gedichte von Johann Wolfgang von Goethe Reclam Hrsg Bernd Witte Stuttgart 2005 S 286 Zit nach Friedrich Dieckmann Imperative des erfullten Augenblicks in Interpretationen Gedichte von Johann Wolfgang von Goethe Reclam Hrsg Bernd Witte Stuttgart 2005 S 289 Eckhard Heftrich in Marcel Reich Ranicki Hrsg 1000 Deutsche Gedichte und ihre Interpretationen Johann Wolfgang von Goethe Insel Verlag Frankfurt am Main Leipzig 1994 S 503 Erich Trunz Vermachtnis In Johann Wolfgang von Goethe Gedichte und Epen I Anmerkungen Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band I C H Beck Munchen 1998 S 735 Immanuel Kant Kritik der praktischen Vernunft Beschluss in Immanuel Kant Schriften zur Ethik und Religionsphilosophie Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1998 S 300Werke von Johann Wolfgang von Goethe Romane und NovellenDie Leiden des jungen Werthers Wilhelm Meisters theatralische Sendung Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten Wilhelm Meisters Lehrjahre Novelle Die Wahlverwandtschaften Wilhelm Meisters WanderjahreDramenDie Laune des Verliebten Die Mitschuldigen Gotz von Berlichingen mit der eisernen Hand Ein Fastnachtsspiel vom Pater Brey Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern Satyros oder Der vergotterte Waldteufel Prometheus Gotter Helden und Wieland Claudine von Villa Bella Clavigo Urfaust Egmont Erwin und Elmire Die Geschwister Lila Der Triumph der Empfindsamkeit Iphigenie auf Tauris Torquato Tasso Der Gross Cophta Der Burgergeneral Was wir bringen Stella Die naturliche Tochter Faust I Pandora Des Epimenides Erwachen Faust IIGedichte Lieder und BalladenDie Metamorphose der Pflanzen Vermachtnis Wandrers Sturmlied Mailied Willkommen und Abschied Mahomets Gesang Prometheus Geistesgruss Der Konig in Thule Der Fischer An den Mond Der Erlkonig Wandrers Nachtlied Das Gottliche Romische Elegien Nahe des Geliebten Venezianische Epigramme Der Zauberlehrling Der Schatzgraber Xenien Legende vom Hufeisen Die erste Walpurgisnacht Das Tagebuch Der Totentanz Bei Betrachtung von Schillers Schadel Marienbader Elegie West ostlicher Divan Gingo bilobaVersepenReineke Fuchs Hermann und DorotheaUbertragungenLeben des Benvenuto Cellini Mahomet Rameaus NeffeAsthetische SchriftenUber Kunst und AltertumNaturwissenschaftliche SchriftenUber den Zwischenkiefer der Menschen und der Tiere Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklaren Beitrage zur Optik Zur FarbenlehreLibrettofragmentDer Zauberflote zweyter TheilAutobiographische ProsaItalienische Reise Kampagne in Frankreich Aus meinem Leben Dichtung und WahrheitSonstigesDie guten Weiber Uber den Granit Maximen und Reflexionen Hanswursts Hochzeit Normdaten Werk GND 1210956594 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vermachtnis Goethe amp oldid 238351470