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Rudolf Ruedi Minger 13 November 1881 in Mulchi 23 August 1955 in Schupfen heimatberechtigt in Mulchi und Schupfen war ein Schweizer Politiker Landwirt und Offizier Aufgewachsen im kleinen Dorf Mulchi im Limpachtal arbeitete er nach der obligatorischen Schulzeit zunachst auf dem elterlichen Bauernhof ab 1907 fuhrte er einen eigenen Hof in Schupfen In der Schweizer Armee stieg er bis zum Obersten auf politisch engagierte er sich zunachst in landwirtschaftlichen Genossenschaften auf lokaler und kantonaler Ebene Unzufrieden mit der Schweizer Agrarpolitik wahrend des Ersten Weltkriegs distanzierte er sich zunehmend von den Freisinnigen 1918 war er Mitbegrunder der bernischen Bauern und Burgerpartei und fuhrte diese sogleich zu grossen Wahlerfolgen Rudolf Minger ca 1930 Minger gehorte ab 1919 dem Nationalrat an ab 1922 auch dem Grossen Rat des Kantons Bern Dabei setzte er sich konsequent fur die Interessen seines Berufsstandes ein Um der neuen Partei eine breitere Machtbasis zu verschaffen bezog er die Gewerbetreibenden ein wodurch 1921 die Bauern Gewerbe und Burgerpartei BGB entstand eine mittelstandische Wirtschaftspartei mit konservativer Grundhaltung und Vorlauferin der heutigen Schweizerischen Volkspartei Nachdem Minger 1928 Nationalratsprasident gewesen war wurde er Ende 1929 als erster Vertreter der BGB in den Bundesrat gewahlt Nach seinem Amtsantritt zu Beginn des Jahres 1930 ubernahm er die Leitung des Militardepartements Als Verteidigungsminister gelang es Minger die Ausgaben fur die Landesverteidigung sukzessive zu steigern wobei er wahrend der Weltwirtschaftskrise wiederholt den Arbeitsbeschaffungseffekt der Rustungsausgaben betonte Seine gemuthafte Volksverbundenheit machte ihn in weiten Bevolkerungskreisen beliebt Diese Wertschatzung nutzte er dazu die Milizarmee bis weit ins linke politische Lager hinein zu popularisieren 1935 amtierte er als Bundesprasident Nach elfjahriger Amtszeit trat er Ende 1940 zuruck Als Prasident verschiedener Verbande setzte er sich uber ein Jahrzehnt lang weiterhin fur die Interessen der Landwirtschaft ein Inhaltsverzeichnis 1 Biografie 1 1 Herkunft Beruf und Militar 1 2 Bauernpolitik und Parteigrundung 1 3 Kantons und Bundespolitik 1 4 Bundesrat 1 5 Politische Tatigkeit nach dem Rucktritt 1 6 Tod und Erinnerung 2 Weltanschauliche Einschatzung und Nachwirkung 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseBiografie BearbeitenHerkunft Beruf und Militar Bearbeiten Minger kam im kleinen Dorf Mulchi im Limpachtal zur Welt als jungstes von drei Kindern und einziger Sohn einer angesehenen und wohlhabenden Bauernfamilie Sein gleichnamiger Vater amtierte als Gemeindeprasident seine Mutter hiess Anna Marie Moser 1 Der stattliche Bauernhof der Mingers zu dem eine nicht mehr in Betrieb befindliche Muhle gehorte umfasste eine Flache von 28 Jucharten etwas mehr als zehn Hektaren davon vier Jucharten Wald Die Primarschule besuchte Minger in Mulchi die Sekundarschule im Nachbarort Fraubrunnen Er war ein intelligenter Schuler weshalb die Eltern im Jahr 1897 beschlossen ihn nach La Neuveville zu schicken Dort absolvierte er ein Volontariat in der Amtsschreiberei um einerseits weiter Franzosisch zu lernen und andererseits herauszufinden ob ihm der Beruf des Notars liegen wurde Minger mochte Buroarbeit jedoch nicht weshalb er 1898 nach Mulchi zuruckkehrte um auf dem elterlichen Bauernhof zu arbeiten Den Beruf des Landwirts erlernte er uberwiegend in der Praxis daneben las er zahlreiche landwirtschaftliche Fachzeitschriften 2 Im Juli 1906 heiratete er im seelandischen Ort Schupfen Sophie Minger eine Cousine zweiten Grades sie hatten denselben Urgrossvater Drei Monate spater erwarb er von Verwandten seiner Ehefrau den Bauernhof Herrschmatt in Schupfen den heutigen Mingerhof Dieser umfasste 88 Jucharten 31 68 Hektaren davon 23 Jucharten Wald was eine weit uberdurchschnittlich grosse Betriebsflache war Das Paar zog im Fruhjahr 1907 dorthin zusammen hatten sie eine Tochter Klara und einen Sohn Rudolf 2 Seinen Hof fuhrte Minger allerdings nicht allein sondern liess vieles durch Angestellte erledigen Gemass dem Biografen Konrad Stamm war er entgegen der spater von ihm selbst kolportierten Legende sein Leben lang kein einfacher Bauer sondern ein Subventionsjager 3 Als Zugezogenem blieben Minger in Schupfen kommunale politische Amter verwehrt Nur in der ortlichen landwirtschaftlichen Genossenschaft konnte er sich profilieren Seinen obligatorischen Militardienst verstand er deshalb als Moglichkeit des sozialen Aufstiegs Kurz nach der Rekrutenschule wurde er im Dezember 1901 zum Korporal befordert Zwei Jahre spater folgte die Beforderung zum Leutnant bei den Fusilieren Ende 1907 jene zum Oberleutnant Nachdem er Ende 1911 Hauptmann geworden war nahm er im September 1912 am Empfang des deutschen Kaisers Wilhelm II in Bern teil Wahrend des Ersten Weltkriegs leistete er 635 Diensttage im Aktivdienst Im Marz 1918 wurde er zum Major ernannt im Dezember 1923 zum Oberstleutnant und schliesslich im Dezember 1929 zum Obersten 4 Bauernpolitik und Parteigrundung Bearbeiten nbsp Minger spricht am Eidg Hornusserfest 1930Ab 1909 war Minger Prasident der landwirtschaftlichen Genossenschaft Schupfen und ab 1911 Vorstandsmitglied des bernischen Genossenschaftsverbandes 5 Bisher waren die Bauern trotz diverser Meinungsverschiedenheiten politisch in die Freisinnig Demokratische Partei FDP eingebunden gewesen Mit steigenden Lebensmittelpreisen im Ersten Weltkrieg spitzte sich der Konflikt zwischen stadtischer Bevolkerung und Bauern zu Letztere galten zunehmend als Kriegsgewinnler da man ihnen vorwarf sie wurden Lebensmittel horten und dadurch die Preise kunstlich hochhalten Um weitere Preissteigerungen zu unterbinden setzte der Bundesrat Hochstpreise fur Lebensmittel fest Tatsachlich war es gelungen die Produktion zu steigern obwohl viele Bauern und Arbeitspferde zum Militardienst eingezogen worden waren 3 Doch ein grosser Teil der Ernte ging in den kalten und regenreichen Sommern der Jahre 1916 und 1917 verloren was zu einer prekaren Versorgungslage fuhrte 6 Die zunehmend selbstbewusster auftretenden Landwirte fuhlten sich von der FDP immer weniger verstanden Wahrend die Wirtschaftsliberalen weiterhin fur Freihandel und offene Grenzen eintraten um tiefe Lebensmittelpreise zu ermoglichen in dieser Frage waren sie sich mit den Sozialdemokraten einig forderten die Bauern geschutzte Preise durch Zollschranken und Exportsubventionen Im Rahmen von Veranstaltungen seiner berufsstandischen Organisation hatte Minger bisher ausschliesslich zu wirtschaftlichen Themen referiert Am 13 November 1916 ausserte er sich am Samenmarkt in Aarberg erstmals politisch und forderte eine bessere Interessenvertretung fur die Bauern 4 Er bezeichnete die Freisinnigen als Erzkapitalisten und habgierige Geldsacke wahrend die fuhrenden Sozialdemokraten fur ihn nichts als Parteibonzen waren 3 Dem Beispiel des Zurcherischen Landwirtschaftlichen Kantonalvereins folgend gab Minger mit seiner Rede vom 24 November 1917 an der Delegiertenversammlung des bernischen Genossenschaftsverbandes im Bierhubeli Saal in Bern den Anstoss zur Grundung der bernischen Bauern und Burgerpartei Wir stehen am Vorabend einer neuen Zeit Eine tiefschurfende politische Neuorientierung drangt sich auf Der Weg ist vorgezeichnet Proporz heisst dieser Weg Der Proporz ist zwar von anderer Seite auf den Schild gehoben worden Aber heute haben wir Bauern alles Interesse uns dieser Bewegung anzuschliessen Und dazu gibt es fur uns nur eine Losung die Grundung einer eigenen selbststandigen Bauernpartei Jetzt mussen die Fesseln gesprengt werden Die politische Bevormundung muss aufhoren denn jetzt wollen wir selbst aktiv in die Politik eingreifen Rudolf Minger 7 Im Dezember 1917 ernannten die bauerlichen Mitglieder des Grossen Rates und die Vorstande der vier grossten genossenschaftlichen Verbande eine Kommission die unter dem Vorsitz von Jakob Freiburghaus die Parteigrundung vorbereitete Diese erfolgte offiziell am 28 September 1918 in Bern als die Delegierten die Statuten genehmigten und Minger zum Parteiprasidenten wahlten Zwei Wochen spater nahmen Volk und Stande die Proporzinitiative mit deutlicher Mehrheit an was sich fur die neue Partei als vorteilhaft erweisen sollte Nach dem Scheitern des Landesstreiks im November 1918 erlebte die Partei einen enormen Mitgliederzuwachs 1919 wechselten zahlreiche Grossrate von den Freisinnigen zur Bauern und Burgerpartei die dadurch zu einem bedeutenden Machtfaktor wurde 4 Sie gehorte zu den vehementesten Befurwortern der Schaffung bewaffneter Burgerwehren gegen die Arbeiterschaft an vielen Orten erfolgte die Grundung neuer Parteisektionen und lokaler Burgerwehren parallel 3 Kantons und Bundespolitik Bearbeiten Bei den Nationalratswahlen 1919 den ersten nach dem Proporzverfahren errang die bernische Bauern und Burgerpartei auf Anhieb 16 der 32 Sitze die dem Kanton Bern zustanden Zusammen mit ahnlich ausgerichteten Gruppierungen in anderen Kantonen die zusammen 14 Sitze errungen hatten bildete sie im Parlament die viertstarkste Fraktion Minger der ebenfalls in den Nationalrat gewahlt worden war ubernahm daraufhin den Vorsitz und war die unbestrittene Fuhrungsfigur Die Fraktion war zunachst die einzige landesweite Klammer erst 1936 schlossen sich neun kantonale Parteien zu einer nationalen Partei zusammen Minger wollte im Gegensatz zur Bauernpartei im Kanton Zurich auch die Gewerbetreibenden einbinden und die bernische Bauern und Burgerpartei in eine mittelstandische Wirtschaftspartei mit konservativer Grundhaltung umwandeln 1921 benannte sie sich deshalb in Bauern Gewerbe und Burgerpartei BGB um wodurch sie ihre Machtbasis verbreitern konnte 8 9 1922 errang die BGB bei den Berner Grossratswahlen 103 von 224 Sitzen und stellte damit die klar starkste Fraktion 10 Minger war einer der Gewahlten und ubernahm auch auf kantonaler Ebene das Amt des Fraktionsprasidenten Im Grossen Rat gehorte er unter anderem der Wahlprufungskommission und der Kommission fur das Tierseuchengesetz an Er befurwortete die Bekampfung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitsbeschaffung Intensiv setzte er sich mit der Lotschbergbahn und mit den Kraftwerken Oberhasli auseinander Seine einzige Motion betraf 1925 eine Revision des kantonalen Steuergesetzes die er aber im selben Jahr zuruckzog Da er mit seinen anderen politischen Amtern ausgelastet war blieb seine Tatigkeit im Kantonsparlament relativ bescheiden 4 Weitaus aktiver war Minger im Nationalrat wo er zwei standigen Kommissionen angehorte ab 1919 der Geschaftsprufungskommission und ab 1922 der Zolltarifkommission Daneben war er Mitglied von 33 nichtstandigen Kommissionen zur Vorbereitung nationalratlicher Geschafte von denen er funf prasidierte Er interessierte sich besonders fur die Mitarbeit in Kommissionen fur die er Sachkenntnisse besass also in den Bereichen Landwirtschaft und Militar Ein besonderes Anliegen war fur ihn die Wertschatzung der Landwirtschaft als eine der Grundpfeiler des Staates weshalb sie verstarkt gefordert werden musse Insbesondere forderte er die Einschrankung von Lebensmittelimporten bei gleichzeitiger Steigerung der Exporte Ebenso sollten Subventionen Monopole Absatzgarantien und kostendeckende Preise fur landwirtschaftliche Produkte die allgemeine Einkommenssituation der Landwirte verbessern Minger betrachtete die Armee als Mittel zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Innern sowie als Schutz der Unabhangigkeit und Neutralitat der Schweiz Damit geriet er wiederholt in Konflikt mit den Sozialdemokraten die in den Nachkriegsjahren fur Abrustung eintraten Vor allem bei der Revision der Truppenordnung machte er sich einen Namen Im Jahr 1928 amtierte Minger als Nationalratsprasident 11 Nach dem Rucktritt von Robert Haab und dem Tod von Karl Scheurer wurden Mitte November 1929 zwei Sitze im Bundesrat frei Die FDP konnte ihren Anspruch wie bisher funf der sieben Bundesrate stellen zu konnen angesichts der anhaltenden Starke der BGB nicht langer aufrechterhalten Unbestritten war dass die bevolkerungsreichsten Kantone Bern und Zurich weiterhin in der Regierung vertreten sein mussten Die burgerlichen Parteien befurchteten aber dass ein Verzicht auf Haabs Zurcher Sitz vor allem den Sozialdemokraten in die Hande spielen wurde weshalb sie es vorzogen Scheurers Berner Sitz der BGB zu uberlassen Um die Wahlchancen des Zurcher Stadtprasidenten Emil Kloti zu schmalern erreichte der katholisch konservative Konigsmacher Heinrich Walther mit formaljuristischen Tricks dass zuerst Scheurers Nachfolger gewahlt wurde Bei der Bundesratswahl am 12 Dezember 1929 wahlte die Bundesversammlung Minger im ersten Wahlgang mit 148 von 232 Stimmen Auf Hermann Schupbach FDP entfielen 57 Stimmen auf verschiedene andere Personen 27 Stimmen Damit war Minger nicht nur der erste BGB Vertreter in der Landesregierung sondern auch der erste Landwirt ausserdem waren erstmals drei Parteien vertreten Der Nachfolger Haabs wurde Albert Meyer FDP 11 Bundesrat Bearbeiten nbsp Minger links vorne mit drei weiteren Bundesraten 1934 Minger trat sein Amt am 1 Januar 1930 an verlegte seinen Wohnsitz wie gesetzlich vorgeschrieben nach Bern und uberliess seinen Hof einem Pachter 2 Er wollte eigentlich das Volkswirtschaftsdepartement ubernehmen um direkt auf die Agrarpolitik einwirken zu konnen musste aber entgegen seinen Wunschen mit dem Militardepartement vorliebnehmen Angesichts weit verbreiteter pazifistischer Stromungen nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs und rigoroser Sparbeschlusse des Parlaments im Verlaufe der 1920er Jahre war es nicht besonders prestigetrachtig Trotzdem konnte Minger mit seiner Hartnackigkeit die Aufrustung und Reform der Schweizer Armee erreichen Dabei kam ihm einerseits die sich verscharfende internationale Lage zugute andererseits betonte er wahrend der Weltwirtschaftskrise wiederholt den Arbeitsbeschaffungseffekt der Rustungsausgaben die von 85 Millionen auf 351 Millionen Franken im Jahr 1939 anstiegen Alle Waffengattungen profitierten in besonderem Masse aber die Luftstreitkrafte die Fliegerabwehrtruppen die Artillerie sowie der Luftschutz 12 Ein zweiter Schwerpunkt unter Mingers Agide war die stufenweise Verlangerung der militarischen Ausbildungszeit Gegen das dafur notwendige Bundesgesetz ergriffen die linken Parteien das Referendum die Volksabstimmung am 24 Februar 1935 ergab eine knappe Zustimmung von 54 2 Daraufhin konnten die Rekrutenschulen von 67 auf 118 und die Wiederholungskurse von 13 auf 20 Tage verlangert werden diese Regelung bestand im Wesentlichen bis zur Armee 95 in den 1990er Jahren Langfristig gesehen war Mingers wichtigster Beitrag die Popularisierung der Milizarmee Er inszenierte mehrere Volkstage und Defilees um sie bis weit ins linke politische Spektrum hinein als Instrument der Friedenssicherung zu propagieren und die Wehrhaftigkeit der Schweiz zu zelebrieren Als sich die Sozialdemokraten 1935 ausdrucklich zur Landesverteidigung bekannten stellte Minger die verbalen Angriffe auf seine politischen Gegner ein Als Erfolg seiner Bemuhungen gilt die Wehranleihe von 1936 die trotz geringem Zins deutlich uberzeichnet wurde Auch als Verteidigungsminister liess er keine Gelegenheit aus mit aller Deutlichkeit die Interessen der Landwirtschaft zu vertreten 13 Den Hohepunkt seiner politischen Karriere erreichte Minger 1935 in seinem Amtsjahr als Bundesprasident Die damit verbundenen diplomatischen Reprasentationsaufgaben bewaltigte er mit Bauernschlaue und gesundem Menschenverstand Seine leicht verstandliche Ausdrucksweise seine gemuthafte Volksverbundenheit und sein Durchsetzungsvermogen machten ihn in breiten Bevolkerungskreisen ungewohnlich beliebt und das bis uber seinen Tod hinaus Ein Ausdruck seiner Popularitat waren die weit verbreiteten Mingerwitze Zunachst waren diese meist Ausdruck der Skepsis der gesellschaftlichen Elite gegenuber dem vermeintlich ungebildeten Bauern wandelten sich aber mit der Zeit zu einem Zeichen der Wertschatzung 13 14 Erst sechs Jahrzehnte spater wurde eine weniger schmeichelhafte Seite Mingers publik Ohne Wissen seiner Bundesratskollegen erteilte er im Februar 1937 Generalstabschef Jakob Labhardt den Auftrag ein Chemiewaffen Programm auszuarbeiten Dessen Aufbau erfolgte im Geheimen denn die Schweiz hatte 1932 ein Protokoll des Volkerbundes ratifiziert das die Anwendung von erstickenden giftigen und ahnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Waffen im Krieg verbot 15 Als 1938 die Umsetzung der Armeereform drangte zeigte Minger Zeichen von Amtsmudigkeit und schien eher lustlos an der Arbeit zu sein In seinem Departement wurde gemunkelt der Milchpreis interessiere ihn mehr als die Armee 3 Seine letzte Aufgabe von grosser Bedeutung waren die Vorbereitungen fur die sich abzeichnende Generalmobilmachung Als am 1 September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach suchte man ihn vergebens in seinem Buro Stattdessen hielt er sich in seiner Stadtwohnung auf wo er Unterlagen ordnete um seinen Abgang aus der Politik vorzubereiten Es gelang nur knapp ihn rechtzeitig aufzutreiben damit der Bundesrat die Mobilmachung der Armee beschliessen konnte 3 Minger setzte sich vor der Wahl des Generals durch die Bundesversammlung vehement fur Henri Guisan ein Er war mit ihm seit langerem freundschaftlich verbunden und hatte dessen militarische Karriere gefordert 16 Mit einem Schreiben an den Nationalratsprasident am 8 November 1940 4 gab Minger auf Ende Jahr seinen Rucktritt als Bundesrat bekannt Politische Beobachter wunderten sich dass ausgerechnet der Verteidigungsminister mitten im Krieg zurucktrat auch wenn mittlerweile General Guisan im Rampenlicht stand Anhand seiner personlichen Aufzeichnungen kann jedoch angenommen werden dass vorwiegend personliche Grunde zum Rucktritt gefuhrt hatten Ausserdem betrachtete er sein politisches Hauptanliegen den Ausbau der Landesverteidigung als vollendet 17 Seine Nachfolge trat Eduard von Steiger an Politische Tatigkeit nach dem Rucktritt Bearbeiten nbsp Grabgeleite Rudolf Minger nbsp Gedenkstatte in SchupfenBereits ein Jahr zuvor war Minger aus der Stadtwohnung ausgezogen um fortan im Stockli seines Bauernhofes in Schupfen zu leben Im Alter von 58 Jahren lernte er Autofahren und fuhr danach mit dem Auto zur Arbeit 2 Nach seinem Rucktritt kummerte er sich wieder vermehrt um die Landwirtschaft sowohl praktisch bei sich zuhause als auch politisch in Bern Fast taglich begab er sich ins Bundeshaus um fur die Interessen der Landwirtschaft zu lobbyieren oft derart intensiv dass es einem Beobachter schamlos vorkam 3 Von 1942 bis 1948 prasidierte er die Okonomische und Gemeinnutzige Gesellschaft des Kantons Bern ebenso stand er den Verbanden der Hafermuller und Teigwarenfabrikanten vor Minger war Vizeprasident des Schweizerischen Landwirtschaftlichen Vereins Prasident der Subkommission fur bauerliche Berufsbildung und Mitglied des Leitenden Ausschusses des Schweizerischen Bauernverbandes 18 Daruber hinaus war er Mitglied des Verwaltungsrates der Kraftwerke Oberhasli und der Verbandsdruckerei AG sowie Bankratsmitglied der Schweizerischen Nationalbank 19 Obwohl Minger nie studiert hatte nahm ihn die Studentenverbindung Zofingia bereits im Jahr 1934 als Ehrenmitglied auf Im November 1946 verlieh ihm die veterinarmedizinische Fakultat der Universitat Bern die Ehrendoktorwurde in Anerkennung seiner Verdienste um die Erhaltung eines gesunden Bauernstandes sowie seinen Einsatz fur das landwirtschaftliche Bildungswesen und die landwirtschaftlichen Hilfskrafte 2 Minger engagierte sich auch im Bereich der Wirtschafts und Sozialpolitik So trat er 1947 haufig an offentlichen Veranstaltungen auf wo er fur die Annahme der Wirtschaftsartikel in der Bundesverfassung und des Bundesgesetzes fur die Alters und Hinterlassenenversicherung warb 1951 tat er dasselbe fur das Landwirtschaftsgesetz 18 Tod und Erinnerung Bearbeiten Ein letztes Mal in der Offentlichkeit zeigte sich Minger im Sommer 1955 beim Fete des Vignerons in Vevey wohin er von Henri Guisan eingeladen worden war Wenige Wochen spater am 23 August starb er an den Folgen einer Lebererkrankung 2 Am 26 August nahmen rund 10 000 Menschen am Staatsbegrabnis auf dem Friedhof von Schupfen teil 20 Nach Jakob Stampfli und Karl Schenk war Minger der dritte Bundesrat der in Schupfen gelebt hatte oder von dort stammte Im Dorf halten eine nach ihm benannte Strasse und ein Denkmal die Erinnerung aufrecht 21 Weitere nach ihm benannte Strassen gibt es in Bern und St Gallen Seit 1956 veranstalten die Schutzengesellschaft und der Pistolenclub Schupfen jahrlich das Bundesrat Rudolf Minger Erinnerungsschiessen Von 1965 bis 1995 fuhrte der Unteroffiziersverein Lyss alle funf Jahre den Minger Gedenkmarsch durch Auf diesen folgte bis 1996 der jahrlich durchgefuhrte Minger Lauf 20 Der Mingerhof am sudlichen Dorfeingang von Schupfen erbaut um 1850 ist im Bauinventar des Kantons Bern als schutzenswertes Objekt aufgefuhrt 22 Weltanschauliche Einschatzung und Nachwirkung BearbeitenMingers Einstellung zum Faschismus war zunachst unklar Im Sommer 1933 bezeichnete er im Parlament das Aufkommen der Frontenbewegung als eine gesunde Reaktion der Schweizer Jugend gegen die politische Linke 23 Ebenso teilte er dem deutschen Gesandten Ernst von Weizsacker mit der Nationalsozialismus sei eine naheliegende ihm sympathische Entwicklung 24 Minger forderte in jenen Jahren wiederholt ein Zusammengehen der Bauern Gewerbe und Burgerpartei mit den faschistischen Fronten mit denen es im Verbund mit anderen burgerlichen Parteien bei den Zurcher Gemeindewahlen 1933 zu einem vaterlandischen Wahlbundnis kam und bediente sich in zahlreichen Reden der faschistischen Rhetorik von Volksgemeinschaft Blut und Rasse 25 Spater galt Minger trotz teilweise stark rechtsgerichteter ordnungspolitischer Ansichten als Gegner des Faschismus Allerdings bewirtete er noch 1940 einen SS General als Vertreter des Deutschen Roten Kreuzes auf seinem Bauernhof in Schupfen und gehorte im selben Jahr zusammen mit Philipp Etter zu den Mitverfassern der umstrittenen Radioansprache von Bundesprasident Marcel Pilet Golaz die nach der Niederlage Frankreichs gegen Nazi Deutschland von vielen als anpasserisch empfunden wurde 26 27 Gemass dem Historiker Christoph Graf hat Minger die Bauernbewegung im Verbund mit dem mittelstandischen Gewerbe zunachst als eigenstandige politische Kraft etabliert und sie dann allmahlich in das schweizerische Konkordanzsystem integriert Dabei betonte er standig die Tugenden des schollenverbundenen Nahrstandes und die bodenstandige landliche Kultur Durch die mythisch anmutende Uberhohung seiner eigenen Berufsgruppe entwickelte er eine Art Kompensationsideologie gegen Industrialisierung und Verstadterung die sich sowohl von der Sozialdemokratie als auch dem liberalen Freisinn abgrenzte Mit seiner zielgerichteten Agrarpolitik forderte Minger gleichzeitig die Integration der bauerlichen Landbevolkerung in die Industriegesellschaft des 20 Jahrhunderts 28 Die Bauern Gewerbe und Burgerpartei bzw die 1971 daraus hervorgegangene Schweizerische Volkspartei ist seit den 1920er Jahren die starkste Partei im Kanton Bern Benedikt Loderer kritisierte 2012 die Partei habe in ihrer Hochburg basierend auf Mingers Ideologie eine Herrschaft der Dorfkonige und Talfursten errichtet die lediglich Bestandswahrung betreibe und mit ihrer Ubermacht den Einfluss der innovativen Agglomerationen Bern und Biel derart massiv einschranke dass eine gezielte Standortpolitik praktisch unmoglich sei Die daraus resultierende unterdurchschnittliche Wertschopfung der Berner Wirtschaft bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung einer umfassenden Infrastruktur sei der Hauptgrund dafur dass der Kanton heute am meisten durch Zahlungen des Finanzausgleichs unterstutzt werden musse bis zu 1 1 Milliarden Franken jahrlich 29 Rudolf Strahm gelangte 2013 zu ahnlichen Schlussfolgerungen Als Beispiele wie Mingers Partei mit ihrer Politik der Scholle die Entwicklung des Kantons Bern gebremst habe nannte er konsequente Blockaden von Eingemeindungen nach Bern die Opposition gegen grossere Industriezonen und die Verhinderung des Flughafens Utzenstorf 30 Literatur BearbeitenChristoph Graf Rudolf Minger In Urs Altermatt Hrsg Das Bundesratslexikon NZZ Libro Zurich 2019 ISBN 978 3 03810 218 2 S 331 337 Konrad Stamm Minger Bauer Bundesrat Die aussergewohnliche Karriere des Rudolf Minger aus Mulchi im Limpachtal NZZ Libro Zurich 2017 ISBN 978 3 03810 284 7 Christoph Graf Vom Klassenkampf zur Konkordanz Robert Grimm Rudolf Minger und die schweizerische Demokratie In Nicolai Bernard Quirinus Reichen Hrsg Gesellschaft und Gesellschaften Festschrift zum 65 Geburtstag von Prof Dr Ulrich Im Hof Bern 1982 S 495 514 anonym Bundesrat Minger Anekdoten Benteli Bern 1971 mit einer Einleitung von Philipp Etter Peter Stettler Rudolf Minger In Historisches Lexikon der Schweiz 2010 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Rudolf Minger Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Rudolf Minger gewidmete Website Rudolf Minger in der Archivdatenbank des Schweizerischen Bundesarchivs Rudolf Minger im Archiv fur AgrargeschichteEinzelnachweise Bearbeiten Graf Das Bundesratslexikon S 331 a b c d e f Privat Bauer mingerruedi ch abgerufen am 2 Juli 2019 a b c d e f g Patrick Feuz Der Machtergreifer Der Bund 19 November 2017 abgerufen am 6 Januar 2018 a b c d e Politik Militar mingerruedi ch abgerufen am 2 Juli 2019 Zeittafel mingerruedi ch abgerufen am 2 Juli 2019 Stefan von Bergen Als die Schweiz letztmals hungerte Berner Zeitung 6 August 2016 abgerufen am 2 Juli 2019 Stamm Minger Bauer Bundesrat Zurich 2017 S 65 Patrick Feuz Vom Bauernsohn zum Bundesrat Tages Anzeiger 20 November 2017 abgerufen am 19 Dezember 2017 Graf Das Bundesratslexikon S 331 332 Die Geschichte der SVP Kanton Bern SVP Kanton Bern abgerufen am 2 Juli 2019 a b Graf Das Bundesratslexikon S 332 Graf Das Bundesratslexikon S 332 333 a b Graf Das Bundesratslexikon S 333 Mingerwitze mingerruedi ch abgerufen am 13 Juni 2019 Erich Aschwanden Der vernebelte Giftgas Skandal Neue Zurcher Zeitung 9 November 2015 abgerufen am 10 November 2015 Simon Walti Eine prachtvolle Schule Tages Anzeiger 19 August 2015 abgerufen am 13 Juni 2019 Graf Das Bundesratslexikon S 333 334 a b Graf Das Bundesratslexikon S 335 Rudolf Minger Archiv fur Agrargeschichte 2018 a b Erinnerungen mingerruedi ch abgerufen am 2 Juli 2019 Hans Trachsel Rudolf Minger Bauer Staatsmann und Kampfer Swissinfo 22 August 2005 abgerufen am 2 Juli 2019 Leimerenstrasse 2 PDF 161 kB In Bauinventar online Erziehungsdirektion des Kantons Bern 21 November 2017 abgerufen am 2 Juli 2019 Schweizerisches Bundesarchiv E 1301 Bd 299 Nationalrat Juni 1933 S 606 615 Akten zur Deutschen Auswartigen Politik 1918 1945 Serie C Bd II 1 Gottingen 1973 S 50 Christoph Graf Eduard Tschabold Der Nachlass von Bundesrat Rudolf Minger 1881 1955 Eine Analyse des Bestands J I 108 Bern Schweizerisches Bundesarchiv 1981 S 57 Hanspeter Born Lanze fur einen grossen Staatsmann Die Weltwoche 13 Marz 2013 archiviert vom Original am 15 April 2015 abgerufen am 2 Juli 2019 Marc Tribelhorn Der Zeitpunkt der inneren Wiedergeburt Neue Zurcher Zeitung 22 Juni 2015 abgerufen am 6 Januar 2018 Graf Das Bundesratslexikon S 336 Benedikt Loderer Der Bar himpet Der Bund 30 Oktober 2012 abgerufen am 2 Juli 2019 Rudolf Strahm Ach Kanton Bern Unternehmer Zeitung Nr 1 2013 22 Januar 2013 abgerufen am 7 April 2022 VorgangerAmtNachfolgerKarl ScheurerMitglied im Schweizer Bundesrat 1930 1940Eduard von SteigerVorsteher des Eidgenossischen Departements fur Verteidigung Bevolkerungsschutz und Sport VBS Ulrich Ochsenbein Friedrich Frey Herose Jakob Stampfli Constant Fornerod Emil Welti Victor Ruffy Paul Ceresole Johann Jakob Scherer Wilhelm Hertenstein Walter Hauser Emil Frey Eduard Muller Eugene Ruffy Ludwig Forrer Arthur Hoffmann Camille Decoppet Karl Scheurer Rudolf Minger Karl Kobelt Paul Chaudet Nello Celio Rudolf Gnagi Georges Andre Chevallaz Jean Pascal Delamuraz Arnold Koller Kaspar Villiger Adolf Ogi Samuel Schmid Ueli Maurer Guy Parmelin Viola Amherd Normdaten Person GND 118582623 lobid OGND AKS LCCN n82106036 VIAF 59876596 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Minger RudolfALTERNATIVNAMEN Minger RuediKURZBESCHREIBUNG Schweizer PolitikerGEBURTSDATUM 13 November 1881GEBURTSORT MulchiSTERBEDATUM 23 August 1955STERBEORT Schupfen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rudolf Minger amp oldid 228263313