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Die Agrarpolitik ist ein Teilbereich der allgemeinen Wirtschafts und Gesellschaftspolitik der schwerpunktmassig auf die Agrarwirtschaft und die mit ihr verbundenen Wirtschaftsbereiche und Bevolkerungsgruppen ausgerichtet ist Sie kann allgemein und umfassend definiert werden als die Gesamtheit aller Bestrebungen und Massnahmen die darauf abzielen die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen fur den Agrarsektor zu gestalten und den Ablauf der okonomischen Prozesse im Agrarsektor zu beeinflussen Im Folgenden wird die Agrarpolitik im Allgemeinen beschrieben Die Agrarpolitiken auf den verschiedenen Ebenen sind Gegenstand von separaten Artikeln Inhaltsverzeichnis 1 Organisation 2 Gestaltungsmoglichkeiten 3 Ideengeschichte 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseOrganisation BearbeitenAgrarpolitik lasst sich untergliedern in Politikfelder Agrarumweltpolitik Agrarsozialpolitik Agrarstrukturpolitik Agrartierpolitik Landwirtschaftliche Markt und Preispolitik Forder Subventionspolitik Staatliche Ebenen Agrarpolitik auf inter und supranationaler Ebene WTO OECD FAO Gemeinsame Agrarpolitik der EU und in anderen Wirtschaftsverbunden Agrarpolitik der Staaten Regionale und lokale AgrarpolitikHandelnde Staatliche Instanzen der Legislative und Exekutive auf den verschiedenen Entscheidungsebenen z B Parlament Regierung Administration Halb Staatliche Stellen z B Landwirtschaftskammern Unter Umstanden private Organisationen und Verbande sofern diesen durch Gesetz oder Verordnung bestimmte Aufgaben ubertragen werden Einflusstrager Diese umfassen eine Vielzahl von Organisationen und Verbanden die in verschiedenen Formen und teilweise mit erheblichem Gewicht auf den Prozess der politischen Willensbildung einwirken Hierzu gehoren insbesondere Berufsvertretungen wie Bauernverbande und andere Interessenverbande 1 Gestaltungsmoglichkeiten BearbeitenGrundsatzlich lassen sich folgende Ansatzpunkte staatlicher Einflussnahme unterscheiden Das Gestalten rechtlicher und institutioneller Rahmenbedingungen innerhalb derer sich der Wirtschaftsprozess vollzieht Ordnungspolitik Im Bereich der Agrarpolitik bezieht sich die Ordnungspolitik insbesondere auf Die Gestaltung des Rechtsrahmens fur die einzelnen landwirtschaftlichen Unternehmen und Haushalte z B Eigentums und Nutzungsrechte an Grund und Boden Erbrecht Arbeitsverfassung soziale Sicherung Steuersystem etc Die Gestaltung des Rechtsrahmens fur die Beziehungen zwischen einzelnen Unternehmen Genossenschaften Erzeugergemeinschaften Kooperationen etc Die Gestaltung der rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen fur das Geschehen auf den Produkt und Faktormarkten Marktordnungen Pachtrecht Agrarkreditinstitutionen etc Einflussnahme auf den Ablauf des Wirtschaftsprozesses unter bestehenden ordnungspolitischen Rahmenbedingungen Prozesspolitik Im Agrarbereich sind vor allem von Bedeutung Agrarpreisstabilisierung und stutzung durch Aussenschutzmassnahmen Zolle Abschopfungen und Binnenmarktinterventionen Festsetzung von Mindestpreisen Produkt und faktorgebundene Agrarsubventionen Direkte Mengensteuerung Kontingentierung Quote Direkte Einkommensubertragungen Ubernahme bestimmter Aktivitaten durch den Staat Bereitstellung von offentlichen Gutern Im Agrarbereich werden staatliche Leistungen insbesondere in folgenden Bereichen angeboten Ausbildung und Beratung Agrarforschung Ausbau der landlichen Infrastruktur Meliorationen Flurbereinigung Wegebau etc Ideengeschichte BearbeitenSiehe auch Agrargeschichte Die Ideengeschichte der Agrarpolitik setzt mit ihren Vorlaufern im 16 bis 18 Jahrhundert ein Mit der Hausvaterliteratur entstanden die ersten Beschreibungen der Verhaltnisse in den landwirtschaftlichen Betrieben und praktische Ratschlage fur alle Bereiche des taglichen Lebens Dabei werden okonomische Fragen allerdings nur am Rande behandelt Im Gegensatz dazu betrachteten die Kameralisten die Landwirtschaft vor allem von der fiskalischen Seite also aus nationalokonomischer Sicht Der deutsche Kameralismus fuhrte zur Forderung des Bauernstands und der Domanen als Einnahmequellen des Staates Demgegenuber forderte der Merkantilismus den Handel Geistesgeschichtlich wirkte sich Mitte des 18 Jahrhunderts die Aufklarung aus Rationalismus und Physiokratie brachten den Liberalismus hervor und damit die klassische Schule der modernen Nationalokonomie durch dessen Begrunder Adam Smith Wirtschaftspolitische Grundvorstellung ist danach nicht mehr die staatliche Forderung der Wirtschaft wie im Merkantilismus sondern die Entfesselung der einzelnen Wirtschaftssubjekte damit sich die Produktivkrafte der Volkswirtschaft entfalten konnen Dies gilt grundsatzlich auch fur die Landwirtschaft die hiernach keine Sonderstellung einnimmt Dagegen setzte sich Freiherr vom Stein fur eine Beibehaltung des Bauernschutzes ein und Friedrich List forderte Erziehungszolle fur die deutsche Industrie meinte aber auch dass die Industrie um der Landwirtschaft willen zu fordern sei Andere Grundvorstellungen hatte die Romantik die anstelle der Nationalidee das Individuum in den Mittelpunkt ruckte Ideengeschichtlich hat sie ihren Ursprung in der sog Fundamentaltheorie deren Hauptvertreter Justus Moser ein Gegner des Rationalismus auf bodenstandig bauerlicher Grundlage eine konservative Volkserneuerung anstrebte Patriotische Fantasien 1787 Wissenschaftsgeschichtlich hat Moser durch seine systematische induktive Arbeit einen grundlegenden Beitrag zur spateren Agrarpolitik geleistet Zur Okonomie bestehen insofern Verbindungen als sich die Hochschatzung des Bauerntums aus gesellschaftspolitischen Grunden mit den wirtschaftlichen Vorstellungen der Physiokraten deckt Sie wurden von den Romantikern z B Adam Muller Ernst Moritz Arndt zu einer Bauerntumsideologie umgeformt die in einem freien Bauerntum die Bewahrer der Grundwerte fur die Gesamtgesellschaft erblickt Ende des 18 und zu Beginn des 19 Jahrhunderts wurden bahnbrechende Beitrage zur Entwicklung der landwirtschaftlichen und allgemeinen Nationalokonomie geleistet In Anlehnung an Adam Smith entwickelte 1806 Albrecht Daniel Thaer der Begrunder der landwirtschaftlichen Betriebslehre seine Vorstellungen von der Landwirtschaft als einem nach Reinertrag strebenden Gewerbe Thomas Robert Malthus veroffentlichte 1798 sein Bevolkerungsgesetz David Ricardo 1817 seine Rententheorie und 1826 erschien Thunens Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalokonomie ein Werk das eine Grundlegung mikrookonomischer Theorie enthalt Als sich Mitte des 19 Jahrhunderts die Situation der Landwirtschaft verschlechterte verbreitete sich die Uberzeugung dass liberale Wirtschaftspolitik fur die Landwirtschaft eine Gefahr bedeute Die schwierige Situation der Landwirtschaft wurde wegen der dort herrschenden sozialen Not als gesellschaftliches Problem verstanden so z B von Wilhelm Heinrich Riehl der in seiner Naturgeschichte des deutschen Volkes als Grundlage einer deutschen Sozialpolitik fur ein konservativ bodenstandiges Sozialgefuge eintrat In diese Zeit fallt auch die Grundung der Deutschen Bauernvereine und der Raiffeisen Genossenschaften 1879 wurde schliesslich mit der Einfuhrung von Getreidezollen eine Schutzpolitik fur die Landwirtschaft eingefuhrt die dieser eine durch Agrarideologien begrundete Sonderstellung einraumte Interventionismus Auch die allgemeinen Nationalokonomen begannen in dieser Zeit sich fur die Sozialpolitik zu engagieren und grundeten 1872 den Verein fur Sozialpolitik der u a Untersuchungen uber die bauerlichen Zustande anstelle Diese sozialpolitisch ausgerichtete Schule auch als historische Schule im Gegensatz zur klassischen bezeichnet ist mit Namen wie Georg Hanssen Wilhelm Roscher August Meitzen Johannes Conrad Georg Friedrich Knapp Buchenberger und Sering verbunden Um die Jahrhundertwende begann zwischen Vertretern der protektionistischen Agrarpolitik und liberalen Okonomen wie z B Adolph Wagner Gustav von Schmoller und Lujo Brentano eine grundlegende Diskussion um Agrar oder Industriestaat der dann spater abgewandelt wurde zu der Frage welche Forderung der Landwirtschaft zukommen solle In den sozialistischen Agrartheorien finden sich unterschiedliche Vorstellungen Wahrend der Marxismus Leninismus das Kleinbauerntum nur als Ubergangsstufe zu einer industriell organisierten Landwirtschaft mit genossenschaftlichen Grossbetrieben auffasste vertraten die Revisionisten die Sonderstellung der Landwirtschaft Demnach ist der familienbauerliche Kleinbetrieb deshalb uberlegen weil die landwirtschaftliche Produktion im Gegensatz zur Industrie ein organischer Prozess ist Im Nationalsozialismus schliesslich wurde die Landwirtschaft im Rahmen der Autarkiepolitik besonders gefordert Die Blut und Boden Ideologie uberhohte den Bauern zur Blutquelle der Nation siehe auch Landwirtschaft und Ernahrung im Deutschen Reich Mit der Einfuhrung der Sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland ging auch in der Agrarpolitik zu Beginn der 1950er Jahre eine ordnungspolitische Grundsatzdiskussion einher Dabei wurden zwei gegensatzliche Auffassungen vertreten Auf der einen Seite eine liberale Position mit Preisstabilisierung nach innen und Freihandel nach aussen neoliberale Agrarpolitik insbesondere vertreten durch Heinrich Niehaus und auf der anderen Seite eine protektionistische Ausrichtung mit erheblichen Eingriffen in das Marktgeschehen Hauptvertreter dieser Richtung war Heinz Haushofer Nach langerer politischer Diskussion wurde letztlich eine Entscheidung fur eine starker protektionistische Ausrichtung der Agrarpolitik getroffen die in den damals fur die meisten Agrarprodukte geschaffenen Marktordnungen ihren Niederschlag fand Als sich Mitte der 1950er Jahre ein starker Anpassungsbedarf der Landwirtschaft im Zuge des zugigen gesamtwirtschaftlichen Wachstums abzeichnete entstand eine kontrovers gefuhrte Diskussion um die Notwendigkeit landwirtschaftlichen Strukturwandels und die landwirtschaftliche Einkommensdisparitat Die meisten wissenschaftlichen Agrarpolitiker hielten eine Losung der Agrarprobleme durch marktwirtschaftlich gesteuerte Anpassung der Betriebe und Anhebung der Faktorproduktivitat fur moglich vor allem fuhrende Vertreter landwirtschaftlicher Interessensverbande hielten dagegen aufgrund der naturlichen und wirtschaftlichen Unterlegenheit der Landwirtschaft dauernde Produktions und Stutzungsmassnahmen fur notwendig und wunschenswert Ein Zwischenergebnis fand diese Diskussion mit der Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes im Jahre 1955 in dem die Stutzungsbedurftigkeit des Agrarsektors betont wurde Im Verlauf der Zeit ist die Interpretation des Inhalts dieses Gesetzes jedoch fortlaufend den sich wandelnden Rahmenbedingungen und Einsichten angepasst worden Die grundlegend verschiedenen Auffassungen der beiden genannten Denkrichtungen bestimmen jedoch auch heute noch die allgemeine agrarpolitische Diskussion und fuhren zu einem Nebeneinander von Stutzungs und Anpassungspolitik Zunehmend beeinflusst die Okologie Diskussion die Wertvorstellungen und Positionsbeziehungen im Bereich der Agrarpolitik der Agrardumping wird kritisiert Siehe auch BearbeitenAgenda 2000 Agrarreform Agrarverfassung Agribusiness Bauernbewegung Bauernpartei Bodenreform ProduktionserstattungLiteratur BearbeitenPeter H Feindt et al Nachhaltige Agrarpolitik als reflexive Politik Pladoyer fur einen neuen Diskurs zwischen Politik und Wissenschaft Edition Sigma Berlin 2008 ISBN 978 3 89404 556 2 Wilhelm Henrichsmeyer Heinz Peter Witzke Agrarpolitik Band 1 Agrarokonomische Grundlagen Stuttgart 1991 ISBN 3 8001 2483 1 Uwe Hoering Agrar Kolonialismus in Afrika Eine andere Landwirtschaft ist moglich PDF 980 kB VSA Hamburg 2007 ISBN 3 89965 248 7 Hoering erlautert das komplizierte Interessengeflecht von EU USA Weltbank Agrarkonzernen etc und Bauernbewegungen bei dem die Zukunft der kleinbauerlichen Landwirtschaft auf dem Spiel steht am Beispiel Afrikas Dieter Kirschke Gerald Weber Agrarpolitik In Beetz Stephan et al Handworterbuch zur landlichen Gesellschaft Wiesbaden 2005 ISBN 3 8100 3749 4 Ulrich Kluge Vierzig Jahre Agrarpolitik in der Bundesrepublik Deutschland Berichte uber Landwirtschaft Sonderheft N F 202 2 Bande Parey Hamburg u a 1989 ISBN 3 490 35215 7 Band 1 Mit 93 Tabellen ISBN 3 490 35315 3 Band 2 Mit 22 Tabellen ISBN 3 490 35415 X Melanie Kroger Die Modernisierung der Landwirtschaft Eine vergleichende Untersuchung der Agrarpolitik Deutschlands und Osterreichs nach 1945 Logos Berlin 2006 Daniela Munkel Nationalsozialistische Agrarpolitik und Bauernalltag Campus Frankfurt am Main New York 2001 Hans Gunther Schlotter Das Zusammenwirken von wissenschaftlicher und praktischer Agrarpolitik Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen Gottinger Universitatsreden Heft 50 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Agrarpolitik im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Bundesamt fur Landwirtschaft Schweiz Agrarpolitik Werner Baumann Peter Moser Agrarpolitik In Historisches Lexikon der Schweiz Einzelnachweise Bearbeiten Studie legt Lobby Netz des Deutschen Bauernverbands offen In nabu de 29 April 2019 abgerufen am 18 Mai 2019 Normdaten Sachbegriff GND 4000771 6 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Agrarpolitik amp oldid 234698058