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Als Agrarverfassung wird die rechtliche wirtschaftliche und soziale Ordnung einer bauerlichen Gesellschaft vor allem Eigentumsverhaltnisse Siedlungsformen Bodennutzung Arbeitsverfassung und Sozialstruktur bezeichnet Gestaltend auf die Agrarverfassung wirkten das genossenschaftliche und das herrschaftliche Prinzip Das genossenschaftliche Prinzip das auf der grundsatzlichen Gleichstellung von Gleichberechtigten beruht ausserte sich im Mittelalter in der Form der Dorfgemeinde und der Allmend und Markgenossenschaft Das herrschaftliche Prinzip ist seit dem Fruhmittelalter bis zur Bauernbefreiung des 18 19 Jahrhunderts durch die Grundherrschaft beziehungsweise Gutsherrschaft gekennzeichnet Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Entstehung der Grundherrschaft 1 2 Zweigeteilte Agrarverfassung im Osten und Westen 1 3 Moderne Entwicklungen 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenEntstehung der Grundherrschaft Bearbeiten Zur Ausbildung der Grundherrschaft kam es vor allem in frankischer Zeit als weite Teile des Landes in den Handen des Konigs des Adels und des Klerus lagen sowie die zunehmende Bevolkerungsdichte die Landbedurftigen zwang von jenen unter der Bedingung der Einordnung in das grundherrliche System Land zur Leihe zu nehmen Entscheidend fur die weitere Entwicklung der Agrarverfassung wurden die allmahliche Verfestigung der Besitzrechte wodurch die freie Verfugungsgewalt des Grundherrn uber den Grund und Boden eingeschrankt wurde sowie die genaue Festsetzung der bauerlichen Abgaben Insgesamt lasst sich bis ins Spatmittelalter eine allgemeine Verbesserung der Lage des Bauernstandes feststellen die nicht zuletzt auch bedingt war durch die deutsche Ostsiedlung Die den Kolonisten als Anreiz gewahrten gunstigeren Besitzrechte erzwangen notwendigerweise auch Zugestandnisse der Grundherren um ein Abwandern der Bauern zu verhindern Von der fruhen Neuzeit bis zum 18 Jahrhundert verlief die Ausbildung des modernen Furstenstaates parallel zur Entwicklung einer landesherrlichen Agrarpolitik die im Wesentlichen durch zwei Zielsetzungen bestimmt war zum einen das Bauerntum gegen die Grund und Gutsherren zu schutzen zum anderen die zahlreichen Auspragungen der Agrarverfassung zu vereinheitlichen indem der Landesherr die genossenschaftlichen wie herrschaftlichen Bestimmungen seiner Kontrolle zu unterstellen und zu beeinflussen suchte Die Gestaltung der Agrarverfassung soweit es die herrschaftliche Seite betrifft wurde zunehmend nicht mehr durch eine Auseinandersetzung zwischen Grundherren und Bauern bestimmt sondern die Rechtsetzung ging auf den Landesherrn als eine uber beiden Parteien stehende Instanz uber Zweigeteilte Agrarverfassung im Osten und Westen Bearbeiten Kennzeichnend fur die fruhe Neuzeit war auch die raumliche Zweigliederung der Agrarverfassung in Deutschland Wahrend im Suden und Westen das grundherrliche Prinzip bestehen blieb entwickelte sich im Osten Deutschlands die Grundherrschaft zur Gutsherrschaft Mit Ausnahme des Ordenlandes Preussen vgl preussische Agrarverfassung in dem die Grundlagen fur die Ausbildung der Gutsherrschaft bereits in der Kolonisationszeit gelegt worden waren weiteten sich in Ostdeutschland die gutsherrlichen Eigenwirtschaften im 15 16 Jahrhundert durch Heimfall oder Einziehung wust gewordener Stellen aus weiter verschob sich das Schwergewicht zugunsten der Gutsherren nach dem Dreissigjahrigen Krieg mit dem Einsetzen eines planvollen Bauernlegens Allein die Vergrosserung des Besitzes begrundete jedoch noch nicht die Gutsherrschaft Vielmehr kam sie zustande durch die Ubertragung politischer Rechte an die Grundherren vonseiten der Landesherren die aufgrund ihrer Finanznot zu immer weiteren Zugestandnissen gezwungen waren so dass der einstige Grundherr zur Obrigkeit der Bauern wurde Die Vergrosserung der Gutswirtschaften fuhrte zudem zu einer Verscharfung der Schollenbindung so dass die Bauern die einst als Kolonisten besondere Rechte hatten und nur grundherrschaftlich gebunden waren in eine als Realleibeigenschaft dazu zahlten etwa Dienstzwang Scharwerk Verbot von Grundbesitzverausserung Wegzugverbot und gutsherrliches Zuchtigungsrecht 1 zu bezeichnende Abhangigkeit gerieten Erbuntertanigkeit Eine mogliche Erklarung fur diesen Strukturunterschied ist die grossere Bevolkerungsdichte im Westen Dies ermoglichte den Bauern in grosseren Siedlungen direkt oder uber nur wenige Zwischenhandelsschritte Geld fur ihre Produkte zu erlosen oft auch zu relativ hohen Preisen fur geringe Massen veredelter Produkte Aus diesen Einnahmen konnten sie die Leistungen an Grund und Landesherren leisten die damit wenig interesse an einer Anderung der Agrarverfassung hatten Zudem schutzten die Landesherren dort in vielen Fallen die Bauern vor dem Bauernlegen da ihnen damit Steuereinnahmen entgangen waren Im dunn besiedelten Osten waren hingegen die Entfernungen zu den Abnehmern hoch und im Wesentlichen wurde Getreide angebaut und damit ein Produkt mit relativ geringem Erlos je Gewichts oder Volumeneinheit Dies vergrosserte den Aufwand fur Bundelung Transport und Verausserung des Produkts Unter diesen Umstanden arbeiteten die grossen Guter mit zu Landarbeitern herabgesunkenen Bauern wirtschaftlicher 2 Die Reformen im Zusammenhang mit der Bauernbefreiung losten im Prinzip die gesamte alte Agrarverfassung sowohl in ihrer genossenschaftlichen wie auch insbesondere in ihrer herrschaftlichen Auspragung auf Die Zweigliederung der Agrarverfassung Deutschlands wirkte jedoch noch bis 1945 fort Wahrend bei der Ablosung im Suden und Westen die Grundherren vorwiegend finanziell von den Bauern entschadigt wurden und so die Agrarstruktur weitgehend unverandert blieb war im Osten die Entschadigung durch Land ublich so dass sich erneut das Gewicht vom Bauernland zum Gutsland hin verschob Verschieden waren auch die Erbsitten und Erbrechte Im Osten galt das Anerbenrecht im Suden und Westen herrschte die Realteilung vor Moderne Entwicklungen Bearbeiten Nach 1945 kam es in Deutschland erneut zu einer Umwalzung der Agrarverfassung Wahrend in den westlichen Besatzungszonen neues Siedlungsland fur die im Osten vertriebenen Bauern geschaffen wurde kam es in der Sowjetischen Besatzungszone zu einer Bodenreform wobei Grossgrundbesitzer enteignet und ihr Land an Neubauern verteilt wurde die ab 1952 zwangsweise zu Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften LPG zusammengeschlossen wurden blieb der Boden rein rechtlich gesehen im Eigentum des einzelnen so gingen die Nutzungsrechte jedoch an das Kollektiv der LPG uber Im Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR 1990 wurden die 1946 49 erfolgten Enteignungen nicht ruckgangig gemacht die Betroffenen erhalten aber Entschadigungsleistungen Literatur BearbeitenGunter Dessmann Geschichte der schlesischen Agrarverfassung Trubner Strassburg 1904 Paul Hesse Grundprobleme der Agrarverfassung dargestellt am Beispiel der Gemeindetypen und Produktionszonen von Wurttemberg Hohenzollern und Baden Kohlhammer Stuttgart 1949 Oskar Howald Hans Brugger Grundzuge der schweizerischen Agrarverfassung Weidmannsche Buchhandlung Berlin 1936 Weblinks BearbeitenMarkus Mattmuller Rudolf Fellmann Martin Leonhard Alfred Zangger Agrarverfassung In Historisches Lexikon der Schweiz Arnulf Jurgens Bauerliche Rechtsverhaltnisse des ausgehenden 18 Jahrhunderts in Westfalen und im ostlichen Preussen Munstersche Eigentumsordnung 1770 und Preussisches Allgemeines Landrecht 1794 im Vergleich Westfalische Zeitschrift 1976 1977 S 91 139 Einzelnachweise Bearbeiten Karl Heinrich von Lang Hammelburger Reisen Dritte Fahrt Munchen 1818 S 51 Philipp Halm Rechtsokonomie und Bodenmarkt Nomos 2022 S 51f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Agrarverfassung amp oldid 229846372