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Die Verfassung des Kantons Bern franzosisch Constitution du canton de Berne abgekurzt KV oder ConstC ist die rechtliche Grundordnung des Kantons Bern in der Schweiz Die heute gultige Verfassung datiert vom 6 Juni 1993 und trat am 1 Januar 1995 in Kraft Bis zum gewaltsamen Ende der Vorherrschaft der Stadt Bern im Jahr 1798 war das Rote Buch als Teil der Verfassung der Stadt und Republik Bern massgeblich Wahrend der Zeit der Helvetischen Republik bildete der Kanton Bern eine reine Verwaltungseinheit und erhielt erst 1803 mit der Mediationsakte eine eigene Kantonsverfassung die jedoch keine Grundrechte festschrieb Mit den Verfassungsrevisionen von 1831 1846 und 1893 wurden die Grund und Volksrechte laufend ausgebaut sodass sich der Kanton Bern allmahlich zu einem Staatswesen mit direktdemokratischen Instrumenten sowie einer liberalen und sozialen Grundordnung entwickelte das dem Schutz des Individuums einen zentralen Stellenwert einraumt Inhaltsverzeichnis 1 Aktuelle Verfassung 1 1 Aufbau und Inhalt 1 2 Besondere Merkmale 2 Historische Entwicklung 2 1 Vorherrschaft der Stadt Bern 2 2 Helvetik und Restauration 2 3 Verfassung von 1831 2 4 Verfassung von 1846 2 5 Verfassung von 1893 2 6 Verfassung von 1993 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseAktuelle Verfassung BearbeitenAufbau und Inhalt Bearbeiten Gegliedert ist die Verfassung in die Praambel und in zehn Abschnitte mit insgesamt 135 Artikeln Aus Grunden der Ubersichtlichkeit sind mehrere Abschnitte weiter in Unterabschnitte gegliedert Praambel 1 Allgemeine Grundsatze 2 Grundrechte Sozialrechte Sozialziele2 1 Grundrechte 2 2 Sozialrechte 2 3 Sozialziele dd 3 Offentliche Aufgaben3 1 Umwelt Landschafts und Heimatschutz 3 2 Raum und Bauordnung 3 3 Verkehr Wasser Energie und Abfalle 3 4 Offentliche Ordnung und Sicherheit 3 5 Soziale Sicherheit 3 6 Gesundheitswesen 3 7 Bildung und Forschung 3 8 Medien 3 9 Sonntagsruhe Kultur und Freizeit 3 10 Wirtschaft 3 11 Internationale Zusammenarbeit und Hilfe dd 4 Volksrechte4 1 Stimmrecht 4 2 Wahlen 4 3 Initiativen 4 4 Volksabstimmungen 4 5 Mitwirkung dd 5 Kantonale Behorden5 1 Grundsatze 5 2 Grosser Rat 5 3 Regierungsrat 5 4 Kantonale Verwaltung 5 5 Gerichte dd 6 Finanzordnung 7 Gemeinden7 1 Allgemeine Bestimmungen 7 2 Besondere Bestimmungen dd 8 Landeskirchen und andere Religionsgemeinschaften 9 Verfassungsrevisionen 10 Ubergangs und SchlussbestimmungenBesondere Merkmale Bearbeiten Im Gegensatz zur Bundesverfassung fehlt in der Praambel der direkte Gottesbezug stattdessen wird auf die Verantwortung gegenuber der Schopfung verwiesen In den allgemeinen Bestimmungen werden unter anderem die besondere Stellung des Berner Juras erwahnt und neben Deutsch das Franzosische als Landes und Amtssprache fur bestimmte Gebiete definiert Der ausfuhrliche Katalog der Grundrechte entspricht im Wesentlichen der Bundesverfassung auch wenn die Formulierungen zum Teil deutlich abweichen In einzelnen Fallen gehen sie daruber hinaus Beispielsweise die freie Wahl einer anderen Form des gemeinschaftlichen Zusammenlebens Artikel 13 2 das Recht auf Einsicht in amtliche Akten Artikel 17 3 ein bedingter Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung zur Durchfuhrung einer Demonstration auf offentlichem Grund Artikel 19 und der Anspruch auf Beantwortung einer Petition innerhalb eines Jahres Artikel 20 3 1 Artikel 84 2 schreibt vor dass dem Berner Jura ein Sitz im Regierungsrat zugestanden wird und dass dafur franzosischsprachige Stimmberechtigte in den Amtsbezirken Courtelary Moutier und La Neuveville wahlbar sind Eine gewisse Neuerung stellt in Artikel 69 die ausfuhrliche Regelung der Delegation von Rechtsetzungs und anderen Befugnissen dar In einigen Bereichen handelt es sich dabei um eine Umschreibung der vom Bundesgericht im Rahmen der staatsrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsatze die noch nicht in einem Bundesgesetz geregelt sind In den Ubergangs und Schlussbestimmungen wird unter anderem auf den bevorstehenden Wechsel des Amtsbezirks Laufen zum Kanton Basel Landschaft hingewiesen der zum Zeitpunkt der Verfassungsgebung noch nicht vollzogen war 1 Als weltweit erste Verfassung verfugt die Berner Kantonsverfassung mit dem Volksvorschlag bzw dem konstruktiven Referendum Artikel 63 3 uber ein neues Volksrecht Es verbindet Elemente des ublichen Referendums mit Elementen der Gesetzesinitiative wodurch die Gegner einer Vorlage die Moglichkeit besitzen einer Gesetzesvorlage des Parlaments zuhanden der Stimmberechtigten direkt eine alternative Losung gegenuberzustellen Als erster Kanton uberhaupt fuhrte Bern ein Willkurverbot ein das Schutz gegen schwerwiegende Rechtsverletzungen bieten soll Artikel 11 2 2 Historische Entwicklung BearbeitenVorherrschaft der Stadt Bern Bearbeiten In Stadten auf dem Gebiet des heutigen Kantons Bern entstanden verfassungsahnliche Strukturen ab dem 13 Jahrhundert Stadtrechte wurden erlassen Amtmanner Schultheissen oder Meier wirkten als Herrschaftsvertreter ebenso konstituierten sich Rate und Stadtgemeinden In Biel Burgdorf Thun Erlach und Buren an der Aare erfolgte diese Ausgestaltung unter Fuhrung des geistlichen oder weltlichen Stadtherrn in der reichsunmittelbaren Stadt Bern in Auseinandersetzung mit dem deutschen Konig oder seinen Vertretern 1274 gelang es den Bernern die seit 1218 bestehende Goldene Handfeste und die darin festgeschriebene Reichsfreiheit durch Konig Rudolf I bestatigen zu lassen 3 Um 1300 begann die schrittweise Expansion zur Stadt und Republik Bern einerseits durch Expansion Kaufe Pfandschaften Eroberungen andererseits durch Verdichtung der Herrschaft Aufnahme von Ausburgern Schaffung wirtschaftlicher Abhangigkeiten Burgrechte Bundnisse Dabei erganzte man die Goldene Handfeste laufend durch eine Vielzahl von Satzungen woraus eine Rechtssammlung entstand die faktisch die Verfassung der Stadt und Republik Bern bildete Die wichtigsten Satzungen waren ab 1549 im Roten Buch zusammengefasst Es wurde nie gedruckt und war nur Ratsmitgliedern zuganglich Die im Lauf der Zeit erworbenen Territorien hatten eigene Partikularrechte Da jedoch die Mitglieder des herrschenden Patriziats in den Territorien als Amtleute Landvogte Gubernatoren Kastellane oder als private Herrschaftsinhaber regierten hatte das Rote Buch dennoch Auswirkungen auf das gesamte Staatsgebiet 4 Im korporativ geordneten bernischen Herrschaftsbereich bildeten der Grosse Rat der Stadt Bern und dessen Regierungsausschuss der Kleine Rat die oberste politische rechtliche und militarische Instanz des gesamten Territoriums Exekutive Legislative und Judikative waren nicht abgegrenzt Vom 15 Jahrhundert an erganzten sich die Behorden in den Wahlen weitgehend selber wahrend die Stadtgemeinde nicht mehr in Erscheinung trat Da sich die Landvogte an das von Bern bestatigte lokale Recht zu halten hatten garantierte dies zunachst gewisse herrschaftliche Kompetenzen und eine recht weit gehende Selbstverwaltung Die allmahliche Auflosung der mittelalterlichen Sozialordnung fuhrte zu einem langsam voranschreitenden Wandel von der stadtischen Landesherrschaft zum Territorialstaat 3 Trotz grosser Anstrengungen gelang es der Stadt nicht in der Landschaft einheitliche Verwaltungsstrukturen und Rechtsnormen durchzusetzen So blieb die Vielfalt der Herrschaftsverhaltnisse und Partikularrechte bestehen Innerhalb des Patriziats teilten sich immer weniger regimentsfahige Geschlechter die Amter unter sich auf sodass Bern allmahlich einer Adelsrepublik glich Untertanen und von der Macht verdrangte Geschlechter versuchten bisweilen gewaltsam die Herrschaftsverhaltnisse zu andern Bauernkrieg 1653 Davel Aufstand 1723 Henzi Verschworung 1749 In den bernischen Untertanengebieten stiess die Franzosische Revolution deshalb auf grosse Resonanz Fur die Anhanger der Revolution wurde der Berner Stadtstaat zum eigentlichen Symbol des Ancien Regime das uberwunden werden musste 5 Helvetik und Restauration Bearbeiten Zu Beginn des Franzoseneinfalls versuchten die Gnadigen Herren die Untertanen milde zu stimmen indem sie am 2 Februar 1798 den Grossen Rat durch 52 Abgeordnete der Landschaft erganzten und mit der Arbeit an einer neuen Verfassung begannen Die Loslosung der Untertanengebiete im Aargau und in der Waadt sowie Unruhen im Kerngebiet erlaubten aber keine Erneuerungen mehr da die Stadt am 5 Marz durch franzosische Truppen erobert wurde 5 In der am 12 April 1798 ausgerufenen Helvetischen Republik war den meisten Patriziern eine Wahl in die neuen Behorden untersagt sodass viele ihrer Mitglieder der bisher benachteiligten landlichen Oberschicht entstammten 6 Im zentralistischen Einheitsstaat der auf der Volkssouveranitat der Gewaltentrennung und der allgemeinen Rechtsgleichheit basierte fielen alle Unterschiede zwischen herrschenden Orten und Untertanengebieten weg 7 Wie alle anderen Kantone war der Kanton Bern eine reine Verwaltungseinheit allein massgeblich war die helvetische Einheitsverfassung 8 Der Stecklikrieg von 1802 lautete das Ende der Republik ein Wahrend der Zeit der Helvetik bildete das Berner Oberland einen eigenen Kanton 6 Die am 19 Februar 1803 von Napoleon Bonaparte verfugte Mediationsakte bestatigte die Eigenstandigkeit des Aargaus und der Waadt schloss aber das Oberland wieder dem Kanton Bern an In der Akte enthalten war auch die erste Verfassung des Kantons Bern wobei die 22 Artikel hauptsachlich den Staatsaufbau und das Vorgehen bei Wahlen regelten Ausser dem Zensuswahlrecht waren keine Grundrechte festgeschrieben Die 195 Grossrate stammten nun aus dem ganzen Kanton und nicht nur aus Bern Das komplizierte Verfahren bei der Wahlkreiseinteilung und eine Kombination von Wahl und Losentscheid bevorzugten jedoch die Hauptstadt Aus den Reihen des Grossen Rates wurde der Kleine Rat mit 27 Mitgliedern gewahlt der die Exekutive bildete Wie im Ancien Regime dominierten hier die Patrizier An der Spitze der Behorden standen zwei Schultheissen die sich jedes Jahr ablosten Der amtierende Schultheiss der Sackelmeister und vier Kleinrate bildeten zusammen den Staatsrat der fur die Sicherheitspolitik zustandig war Beim Einmarsch osterreichischer Truppen am 23 Dezember 1813 erklarte der Grosse Rat die Mediationsakte fur den Kanton Bern als aufgehoben und die vorhelvetischen Behorden von 1798 als rechtmassige Regenten womit er die Ara der Restauration einlautete 6 An die Stelle der Kantonsverfassung trat die Urkundliche Erklarung des grossen Raths von Bern vom 21 September 1815 Der Grosse Rat umfasste nun 299 Mitglieder davon 200 aus der Stadt Bern die wie fruher von den Instanzen des Patriziats selbsterganzend bestimmt wurden Obwohl der restliche Kanton die Hauptstadt an Einwohnern um das Zwanzigfache ubertraf stellte er bloss 99 Grossrate Diese wurden von den Behorden der Landstadte und der Amtsbezirke gewahlt Der Kleine Rat umfasste weiterhin 27 Mitglieder Gewaltentrennung bestand nicht da der Kleine Rat ebenso gut Erlasse mit Gesetzeskraft beschliessen konnte wie der Grosse Rat als eigentliche Legislative Der beim Wiener Kongress angestrebte Wiederanschluss des Aargaus und der Waadt gelang nicht stattdessen erhielt der Kanton Bern den grossten Teil des einstigen Furstbistums Basel zugesprochen Verhandlungen unter eidgenossischer Oberaufsicht fuhrten zu der am 23 November 1815 unterzeichneten Vereinigungsurkunde die das Zusammenleben mit den Bewohnern dieses Landesteils im Jura regelte 6 Es fuhrte ein Eigenleben da es uberwiegend franzosischsprachig war mit Ausnahme des Laufentals und im Norden auch katholisch gepragt Das bereits 1792 eingefuhrte franzosische Zivilrecht stiess dort auf breite Zustimmung weshalb die Behorden fast drei Jahrzehnte lang darauf verzichteten eine Angleichung an das ubrige Berner Recht vorzunehmen 9 Verfassung von 1831 Bearbeiten Als Folge der franzosischen Julirevolution von 1830 entstand in verschiedenen Kantonen die liberale Regenerationsbewegung Im Kanton Bern ging sie insbesondere von Burgdorf aus wo die Gebruder Schnell aktiv waren Bald schlossen sich der Bewegung auch die gemassigten nichtpatrizischen Stadtburger Berns und die Jurassier unter Xavier Stockmar an Bis Ende Jahr trafen fast 600 Petitionen bei der Regierung ein die uberwiegend eine Verfassungsrevision forderten Dabei durften sich Einzelpersonen Behorden und Korporationen aussern aber nur jede fur sich das heisst nicht in Sammeleingaben 10 Am 10 Januar 1831 fand in der Kirche von Munsingen eine Volksversammlung mit uber tausend Teilnehmern statt an der die Liberalen ihr weiteres Vorgehen koordinierten Drei Tage spater trat der Grosse Rat zu einer Sondersitzung zusammen an der Schultheiss Emanuel Friedrich von Fischer das Patriziat zum Rucktritt aus der Regierung aufforderte sodass die Revision einem vom Volk gewahlten Verfassungsrat uberlassen werden konne Aufgeschreckt durch die beginnenden kriegerischen Ereignisse im Kanton Basel nahm der Grosse Rat den Antrag Fischers uberraschend deutlich mit 200 zu 19 Stimmen und ermoglichte so einen gewaltfreien Wandel 11 Die Wahlen fur den Verfassungsrat fanden in der ersten Februarhalfte 1831 statt Jeder Amtsbezirk entsandte einen Vertreter pro 3000 Einwohner sodass auf die Stadt Bern nur elf der insgesamt 111 Mitglieder entfielen Allerdings stand es landlichen Gebieten frei Stadter ihres Vertrauens zu entsenden Das Stimmrecht galt fur alle erwachsenen Manner ungeachtet ihres Vermogens oder Bildungsstandes Gewahlt wurden Wahlmanner die sich wiederum fur bestimmte Kandidaten entschieden Der uberwiegend liberal gesinnte Verfassungsrat trat am 28 Februar 1831 zum ersten Mal im Rathaus zum Ausseren Stand zusammen Er bestimmte aus praktischen Grunden eine aus seinen Reihen gewahlte 17 kopfige Kommission die am 26 April eine provisorische Fassung vorlegte Die Verhandlungen im Rat zogen sich uber zwei Monate hin bis der Rat am 25 Juni die letzten Detail geklart hatte 12 Am 31 Juli fand die Volksabstimmung bei relativ geringer Beteiligung statt da die Burger mit dem Stimmrecht noch nicht vertraut zu sein schienen 27 802 Stimmen sprachen fur die neuen Verfassung und 2 153 dagegen aus was einer Zustimmung von 93 entsprach In 127 Gemeinden gab es keine einzige Nein Stimme so in samtlichen Orten der Amtsbezirke Buren Laupen und Saanen Nur 21 Gemeinden lehnten die Verfassung ab darunter die Stadt Bern 13 Die neue Verfassung garantierte unter anderem die Volkssouveranitat die Gemeindeautonomie die Rechtsgleichheit sowie die Handels Gewerbe und Niederlassungsfreiheit Die wichtigsten Befugnisse lagen in der Hand des Grossen Rates der nun 240 Mitglieder zahlte Teilweise wurden sie durch Kooptation bestimmt mehrheitlich aber in einem indirekten Verfahren mit Wahlmannern gewahlt Wiederum galt ein Zensuswahlrecht sodass nur Vermogende uberhaupt Wahlmann oder Grossrat werden konnten An die Stelle des Kleinen Rats trat der Regierungsrat mit 17 Mitgliedern Die Kantonsverwaltung war in sieben Departemente unterteilt die jeweils von siebenkopfigen Kollegien geleitet wurden Diesen gehorten neben Regierungsraten auch Grossrate und ernannte Aussenstehende an 6 Das Franzosische wurde zwar als Landessprache anerkannt war aber noch keine gleichberechtigte Amtssprache Die Gewaltentrennung blieb unvollendet und die meisten wirtschaftlichen Anderungen hob man fur spater auf Damit war der Kanton Bern noch kein demokratischer Staat nach heutigem Verstandnis doch die Abdankung der bisher regierenden Familien und das Ende der stadtischen Vorherrschaft waren diesmal endgultig 14 Verfassung von 1846 Bearbeiten Den Radikalliberalen gingen die Reformen zu wenig weit weshalb sie mehr politische Volksrechte forderten Zu ihren Wortfuhrern gehorten Jakob Stampfli und Ulrich Ochsenbein Die Regierung zeigte sich in dieser Sache unentschlossen Zwar liess sie 1845 den Entwurf fur eine Teilrevision ausarbeiten mit der vor allem Exekutive und Verwaltung vereinfacht werden sollten wies sie dann aber ab zuruck weil der Zeitpunkt ungunstig schien Die Radikalen forderten daraufhin die Wahl eines Verfassungsrates obwohl laut Verfassung die Ausarbeitung einer Totalrevision Sache des Grossen Rates war Sie storten sich aber daran dass zwischen erster und zweiter Lesung mindestens ein Jahr liegen musste Am 12 Januar 1846 nahm der Grosse Rat mit 112 zu 99 Stimmen den Antrag der Regierung an selbst eine neue Verfassung auszuarbeiten Allerdings sollte das Volk gleich zu Beginn des Verfahrens daruber abstimmen ob es mit diesem Ablauf einverstanden sei Die Volksabstimmung fand bereits am 1 Februar statt und endete mit einer deutlichen Niederlage der Regierung 26 320 Nein gegen 11 533 Ja 15 Am 12 Februar gab der Grosse Rat nach und stimmte mit 129 zu 25 Stimmen der Wahl eines Verfassungsrates zu Diese fand am 2 Marz statt und zwar ohne Zensus Wieder entfiel auf 3 000 Einwohner ein Delegierter sodass der Rat insgesamt 139 Mitglieder zahlte Gut zwei Drittel von ihnen gehorten dem radikalen Lager an 16 Der neue Verfassungsrat trat erstmals am 16 Marz 1846 im Berner Rathaus zusammen Eine neunkopfige Kommission sichtete die eintreffenden Petitionen eine andere siebenkopfige uberwachte die Redaktion Fur den Inhalt war eine 27 kopfige Vorberatungskommission zustandig der beinahe die ganze radikale Prominenz angehorte Die Konservativen waren somit weitestgehend von den Vorbereitungsarbeiten ausgeschlossen Der erste Entwurf der Redaktionskommission lag bereits am 11 April vor und wurde daraufhin bis zum 15 Mai von der Vorberatungskommission beraten 17 Der Verfassungsrat als Ganzes hielt seine Beratungen vom 2 Juni bis zum 13 Juli ab Dabei konnten nun auch die von Eduard Blosch angefuhrten Konservativen mitsprechen und ihre Bedenken und Vorbehalte anmelden In der Schlussabstimmung nahmen 88 Verfassungsrate den Entwurf als Ganzes an neun lehnten ab wahrend 42 nicht anwesend waren oder sich der Stimme enthielten 18 Bei der Volksabstimmung vom 31 Juli 1846 waren alle Burger ab dem 20 statt wie bisher 23 Altersjahr stimmberechtigt 34 079 Ja standen 1 257 Nein gegenuber wobei alle Amtsbezirke zustimmten Nur in sieben Gemeinden gab es eine Nein Mehrheit hinzu kam ein Unentschieden in zwei Gemeinden 19 Die neue Verfassung stellte nicht mehr das Individuum mit seinen Freiheiten in den Vordergrund sondern die Volkssouveranitat Das Stimmrechtsalter wurde gesenkt und der Zensus beseitigt ebenso fielen traditionsreiche Titel wie Schultheiss oder Landammann weg Samtliche Grossrate wurden nun direkt gewahlt anstatt uber Wahlmanner Hinzu kam eine deutlichere Gewaltentrennung denn ein Grossratsmandat war nun unvereinbar mit einer beamteten Arbeitsstelle Der Regierungsrat zahlte neun statt wie bisher 17 Mitglieder und musste die Wahl der Regierungsstatthalter an den Grossen Rat abtreten Die Legislative oder 8 000 Stimmberechtigte konnten eine Revision der Verfassung verlangen worauf das Volk bei einer positiven Antwort auch bestimmte ob der Grosse Rat oder ein Verfassungsrat die Anderung an die Hand nehmen solle Ebenfalls 8 000 Stimmberechtigte konnten zudem eine Volksabstimmung uber die Frage herbeifuhren ob der Grosse Rat als Ganzes abzuberufen und eine vorzeitige Neuwahl durchzufuhren sei Eine der wichtigsten Neuerungen betraf die Abschaffung der Zehnten und deren Ersatz durch direkte Einkommens und Vermogenssteuern wie sie bereits im Jura ublich gewesen waren 20 Verfassung von 1893 Bearbeiten Die demokratische Bewegung erfasste Bern vergleichsweise spat 1869 wurde zwar das obligatorische Referendum fur Gesetzes und Finanzvorlagen eingefuhrt jedoch mit einer blossen Gesetzesanderung und ohne Revision der Kantonsverfassung Nach dem Konkurs der Bern Luzern Bahn im Jahr 1875 schlitterte der Kanton in eine Staatskrise Um von der misslichen Finanzlage abzulenken schlugen die Freisinnigen eine Totalrevision der Kantonsverfassung von 1846 vor Der Grosse Rat liess das Volk befragen ob es uberhaupt eine neue Verfassung wunsche Die Abstimmung vom 13 Januar 1878 fiel mit 28 468 gegen 12 355 deutlich dagegen aus wobei sich der Unwille weniger gegen das Vorhaben an sich richtete sondern eher von Verargerung und Misstrauen gegenuber der Regierung zeugte Bereits Ende 1879 ertonte im Grossen Rat erneut der Ruf nach einer Verfassungsrevision doch die Legislative lehnte es vorerst ab das Geschaft weiterzuverfolgen Im April 1883 reichte die von Ulrich Durrenmatt angefuhrten Konservativen genugend Unterschriften ein um einen neuen Revisionsprozess zu beginnen Nach der grundsatzlichen Zustimmung des Volkes in einer Abstimmung am 3 Juni folgte am 12 August die Wahl eines Verfassungsrates mit 184 Mitgliedern 21 Die Verhandlungen zogen sich bis Ende November 1884 hin Hauptstreitpunkte waren die Ausweitung der politischen Volksrechte der Ubergang zur Steuerprogression die Weiterfuhrung der geltenden Sonderregelung fur den Jura bei der Armenfursorge und uberhaupt Probleme des Armen und des Gemeindewesens sowie die mogliche Abschaffung der Burgergemeinden Insgesamt vermochte der Verfassungsentwurf wenig zu uberzeugen und wurde in der Volksabstimmung von 5 Marz 1885 mit uber 80 der Stimmen abgelehnt 22 Am 25 November 1888 verwarfen die Stimmberechtigten erneut die Einleitung einer Verfassungsrevision nachdem der Grosse Rat einen entsprechenden Beschluss gefasst hatte Zwei Jahre nach dieser Niederlage schlug der Regierungsrat eine andere Vorgehensweise vor Der Grosse Rat sollte zunachst ein Programm zusammenstellen das den ungefahren Inhalt der vorgesehenen Neuerungen erkennen liess Ausserdem sollte sich die Verfassungsrevision auf das Notwendigste beschranken Eine grossratliche Kommission mit Vertreter aller politischen Richtungen arbeitete ab Mai 1891 eine entsprechende Absichtserklarung aus die am 24 Mai 1892 die Zustimmung des Grossen Rates fand Da nun ein konkreter Plan vorlag stimmte das Volk am 20 November 1892 der Einleitung des Revisionsprozesses zu 23 Diese Aufgabe fiel der Legislative zu da sie sich bereits intensiv damit beschaftigt hatte Nach zwei Lesungen stimmte der Grosse Rat am 26 April 1893 der neuen Verfassung mit 170 zu 9 Stimmen zu Bei der Volksabstimmung vom 4 Juni 1893 fiel das Ergebnis mit etwa drei Viertel der Stimmen sehr deutlich zugunsten der revidierten Verfassung aus Allerdings lehnten alle jurassischen Bezirk einschliesslich des deutschsprachigen Laufentals die Vorlage ab 24 Die neue Verfassung brachte das Initiativrecht auf Teilrevisionen womit sie den Weg zu kunftigen Reformen ebnete Hinzu kam die Volkswahl von Regierungsstatthaltern und Gerichtsprasidenten Ebenso wurde der Grosse Rat verkleinert Neu kam ein Parlamentarier auf 2500 Einwohner statt wie bisher auf 2000 Vom Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft seit 1846 zeugten hingegen nur vereinzelte Stellen des Verfassungstextes sofern man von der offenen Formulierung des Wortlauts uber das Steuerwesen absieht der die Einfuhrung der Progression nicht mehr ausschloss Von der Abschaffung der Burgergemeinden war nicht mehr die Rede Notgedrungen war die Verfassung von 1893 ein Kompromiss der moglichst viele Interessen unter einen Hut bringen sollte Vor den Kopf gestossen fuhlten sich einzig die Jurassier die ihre bisherigen Besonderheiten aufgeben mussten ohne dass sie dafur andere Vorteile erhielten Der nordliche Jura fuhlte sich zusatzlich hintergangen da die meisten antikatholischen Bestimmungen aus der Zeit des Radikalismus und des Kulturkampfs bestatigt wurden 25 Weiter gehende Forderungen der demokratischen Bewegung konnten im Kanton Bern erst mit etlicher Verzogerung umgesetzt werden die Volkswahl des Regierungsrats 1906 die Proporzwahl des Grossen Rats 1922 und als letzter Kanton uberhaupt die Volkswahl der Standerate 1977 6 Verfassung von 1993 Bearbeiten Die Jurafrage war in der zweiten Halfte des 20 Jahrhunderts das alles beherrschende Thema der Berner Kantonspolitik 1979 spalteten sich die drei nordjurassischen Amtsbezirke Delemont Porrentruy und Franches Montagnes ab und bildeten den neuen Kanton Jura 1994 stand zudem der Wechsel des Amtsbezirks Laufen zum Kanton Basel Landschaft bevor Angesichts dieser Ereignisse blieben lange Zeit Fehlentwicklungen verborgen die in der Berner Finanzaffare von 1984 mundeten Der Regierung wurde vorgeworfen Vorschriften der Finanzhaushaltsgesetzgebung verletzt Lotterie und Fondsgelder teilweise zweckwidrig verwendet und politische Organisationen mit offentlichen Geldern unterstutzt zu haben Als Folge dieser Affare kam es zu einer Reihe von Reformen unter anderem zu einer Totalrevision der Verfassung Am 6 August 1986 stellte die Regierung beim Grossen Rat einen entsprechenden Antrag Die Stimmberechtigten befurworteten am 6 Dezember 1987 die Einleitung der Revision wollten aber keinen Verfassungsrat einsetzen sodass die Revisionsarbeiten dem Grossen Rat zufielen 2 Eine 35 kopfige Verfassungskommission unter dem Vorsitz des spateren Bundesrats Samuel Schmid arbeitete eng mit dem Institut fur offentliches Recht der Universitat Bern zusammen Der rege Austausch zwischen Wissenschaft und politischer Praxis bereitete den Boden fur die Aufnahme wichtiger Neuerungen vor Dazu gehorten das konstruktive Referendum das Offentlichkeitsprinzip das Willkurverbot und Sozialziele Auf diese Weise nahm der Kanton Bern eine Vorreiterrolle ein und beeinflusste die Totalrevision der Schweizer Bundesverfassung 1999 sowie weitere Kantonsverfassungen Hinzu kamen eine redaktionelle Uberarbeitung der bisherigen Verfassungsartikel und ihre ubersichtliche Gliederung Das Stimmvolk nahm die neue Verfassung am 6 Juni 1993 mit einem Ja Stimmenanteil von 77 8 an in Kraft trat sie am 1 Januar 1995 2 Literatur BearbeitenWalter Kalin Urs Bolz Hrsg Handbuch des bernischen Verfassungsrechts Haupt Bern Stuttgart Wien und Stampfli Bern 1995 ISBN 978 3 7272 9349 8 Kurt Nuspliger Jana Mader Bernisches Staatsrecht und Grundzuge des Verfassungsrechts der Kantone 4 Auflage Stampfli Bern 2012 ISBN 978 3 7272 1554 4 Verfassungsgeschichte Beat Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band II Entstehung des demokratischen Volksstaates 1831 1880 Historischer Verein des Kantons Bern Bern 1990 ISBN 3 85731 012 X Online PDF Beat Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band III Tradition und Aufbruch 1881 1995 Historischer Verein des Kantons Bern Bern 1996 ISBN 3 85731 012 X Online PDF Weblinks BearbeitenVerfassung des Kantons Bern 1993 aktuelle Fassung Staatsverfassung des Kantons Bern 1893 Staatsverfassung des Kantons Bern 1846 Verfassung fur die Republik Bern 1831 Urkundliche Erklarung des grossen Raths von Bern 1815Einzelnachweise Bearbeiten a b Botschaft uber die Gewahrleistung der Verfassung des Kantons Bern PDF 1 4 MB In Bundesblatt admin ch 6 Dezember 1993 abgerufen am 5 April 2021 a b c Kurt Nuspliger Die Berner Kantonsverfassung von 1993 PDF 336 kB Nuspliger Consulting 2011 abgerufen am 6 April 2021 a b Urs Martin Zahnd Kommunale Bewegung und Territorialbildung im Spatmittelalter In Artikel Bern Kanton Historisches Lexikon der Schweiz 18 Januar 2018 abgerufen am 5 April 2021 Barbara Braun Bucher Der Berner Schultheiss Samuel Frisching 1605 1683 Schrifttum Bildung Verfassung und Politik des 17 Jahrhunderts auf Grund einer Biographie Bern 1991 ISBN 3 7272 0495 8 S 249 277 a b Francois de Capitani Staatsbildung Regieren und Verwalten in der fruhen Neuzeit In Artikel Bern Kanton Historisches Lexikon der Schweiz 18 Januar 2018 abgerufen am 5 April 2021 a b c d e f Beat Junker Verfassung Politik und Staatsverwaltung In Artikel Bern Kanton Historisches Lexikon der Schweiz 18 Januar 2018 abgerufen am 5 April 2021 Alfred Kolz Die Staatsideen der Helvetik und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung der modernen Schweiz In Hans Werner Tobler Hrsg 1798 1998 Die Helvetik und ihre Folgen Zurich 1998 S 80 Christian Simon Die Helvetik als Revolution in Staat Wirtschaft und Gesellschaft In Hans Werner Tobler Hrsg 1798 1998 Die Helvetik und ihre Folgen Zurich 1998 S 54 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band II S 54 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band II S 9 11 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band II S 17 18 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band II S 20 23 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band II S 25 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band II S 26 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band II S 65 67 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band II S 68 69 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band II S 70 73 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band II S 75 80 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band II S 81 82 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band II S 82 84 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band III S 21 23 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band III S 24 25 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band III S 26 29 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band III S 29 30 Junker Geschichte des Kantons Bern seit 1798 Band III S 29 30 Kantonsverfassungen der Schweiz Aargau Appenzell Ausserrhoden Appenzell Innerrhoden Basel Landschaft Basel Stadt Bern Freiburg Genf Glarus Graubunden Jura 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