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Der Kulturkampf in der Schweiz war eine Auseinandersetzung zwischen dem Staat und der katholischen Kirche unter Papst Pius IX zur Zeit des Ersten Vatikanischen Konzils von 1870 Die innere Einigung der Schweiz als demokratischer Rechtsstaat war bereits 1848 gelungen und beendete deren gleichsam erste Phase des Kulturkampfs den Sonderbundskrieg Inhaltsverzeichnis 1 Konflikt um Gaspard Mermillod in Genf 2 Bischof Eugene Lachat und die Auflosung des Bistums Basel 3 Zweite Bundesverfassung 4 Unruhen im Jura 5 Staatskatholisch theologische Fakultat in Bern 6 Die Entstehung der Christkatholischen Kirche 7 Das Ende des Kulturkampfes 8 Siehe auch 9 Quellen 10 Literatur 11 Weblinks 12 BelegeKonflikt um Gaspard Mermillod in Genf Bearbeiten nbsp Gaspard MermillodEin Konflikt brach in Genf aus wo der katholische Stadtpfarrer Gaspard Mermillod sich ohne Genehmigung der Regierung die bischoflichen Gewalten uber die dortigen Katholiken hatte ubertragen lassen Weil er die Gewalten trotz Protestes des Staatsrates ausubte wurde er am 20 September 1872 abgesetzt Die romische Kurie jedoch ernannte ihn am 16 Januar 1873 zum Apostolischen Vikar des Kantons Genf Damit wollte Pius IX den Weg bereiten um in der Stadt Calvins ein Bistum zu errichten 1 Die Schweizer Protestanten empfanden die Ernennung als eine Provokation Der Bundesrat wies Mermillod aus Weil der Papst am 21 November in einer Enzyklika das Vorgehen der Schweizer Behorden als schmachvoll bezeichnete brach der Bundesrat am 12 Dezember 1873 alle Beziehungen mit der Kurie ab und stellte dem in Luzern residierenden Nuntius vatikanischen Botschafter Gian Battista Agnozzi seine Passe zu Bischof Eugene Lachat und die Auflosung des Bistums Basel BearbeitenDer Bischof Eugene Lachat des Bistums Basel verkundete nach dem Konzil 1870 das Unfehlbarkeitsdogma obwohl die Diozesankonferenz dies verboten hatte also die Vertreter der am Bistum beteiligten Kantone Solothurn Luzern Zug Bern Aargau Thurgau und Basel Landschaft Die Pfarrer Johann Baptist Egli 1821 1886 in Luzern und Paulin Gschwind 1833 1914 in Starrkirch wollten das neue Dogma nicht anerkennen Lachat setzte sie ab und exkommunizierte sie Deshalb sprachen die Kantone ausser Zug und Luzern am 29 Januar 1873 die Amtserledigung des Bistums aus Da das Domkapitel sich weigerte einen Bistumsverweser einen Interimsbischof zu ernennen hoben die Behorden das Bistum am 21 Dezember 1874 auf Sie liquidierten auch das Vermogen Lachats Dieser verlegte seinen Sitz von Solothurn nach Luzern Zweite Bundesverfassung Bearbeiten Hauptartikel Konfessionelle Ausnahmeartikel in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Die zweite Schweizer Verfassung von 1874 durch Volksabstimmung ergultigt gewahrte erstmals in grosserem Umfang Religionsfreiheit Sie nahm aber auch kulturkampferische also gegen die katholische Kirche gerichtete Artikel auf Art 50 besagte dass die Errichtung von Bistumern der Genehmigung des Bundes unterliege Art 51 verbot den Jesuitenorden Art 52 verbot die Neuerrichtung oder Wiedererrichtung aufgehobener Kloster Art 75 entzog romisch katholischen Geistlichen das passive Wahlrecht fur den NationalratPositiv erhielt die Schweiz mit der neuen Verfassung eine zivile Zivilstandsgesetzgebung und konsolidierte in einem zweiten Schritt nach der Verfassung von 1848 die staatliche Einheit uber die Sprachen und Konfessionen hinweg Unruhen im Jura BearbeitenAls 97 Geistliche des katholischen Jura der seit dem Wiener Kongress grosstenteils zum Kanton Bern gehorte gegen das Verfahren der Diozesankonferenz protestierten und Lachat als ihren rechtmassigen Bischof erklarten wurden sie von der Berner Regierung abgesetzt und nachdem Unruhen in einzelnen Gemeinden durch militarische Besetzung unterdruckt worden waren im Januar 1874 ausgewiesen Diese letztere Massregel musste allerdings auf Anordnung des Bundes 1875 als verfassungswidrig zuruckgenommen werden Doch billigte das Berner Volk mit 70 000 gegen 17 000 Stimmen das Kirchengesetz durch welches der Kanton Bern seine Staatshoheit in Kirchensachen wahrte Staatskatholisch theologische Fakultat in Bern BearbeitenUm fur die Religionspolitik im katholischen Jura wahlbare katholische Priesteramtskandidaten mit liberaler das heisst antiromischer Gesinnung zur Verfugung zu haben errichtete der Berner Regierungsrat an der Universitat Bern am 10 Dezember 1874 eine katholisch theologische Fakultat Sie berief hierfur an lehramtsfreier wissenschaftlicher Theologie interessierte Personlichkeiten aus dem deutschen und franzosischen Widerstand gegen die neuen Dogmen Unbefleckte Empfangnis Unfehlbarkeitsdogma so unter anderen Ignaz von Dollinger welcher ablehnte und seinen Schuler und spateren Biografen Johannes Friedrich 2 fur ein Jahr schickte Hyacinthe Loyson 3 Henri Michaud 4 Philipp Woker 5 und Karl von Gareis 6 Die Entstehung der Christkatholischen Kirche Bearbeiten nbsp Eduard Herzog ungefahr 35 jahrigBereits 1871 erhoben sich starke Proteste gegen die Dogmen des Ersten Vatikanischen Konzils Einer der Protagonisten dieses Protests war Professor und Nationalrat Walther Munzinger der schon 1860 uber Papsttum und Nationalkirche geschrieben hatte Er organisierte am 18 September 1871 in Solothurn den ersten schweizerischen Katholikenkongress der die Keimzelle der Christkatholischen Kirche bildete In Genf wurden die kirchlichen Verhaltnisse durch Staatsgesetze neu geregelt den Gemeinden das Recht der Pfarrerwahl ubertragen und alle Korporationen aufgehoben 1875 Da die romischen Katholiken sich weigerten den neuen Kirchengesetzen zu gehorchen verloren sie die landeskirchlichen Privilegien welche nun auf die christkatholischen altkatholischen Gemeinden ubergingen von denen sich in Solothurn Aargau Zurich Basel Bern und Genf eine ganze Anzahl bildete diese gaben sich auf einer Nationalsynode in Olten am 7 Juni 1876 eine Kirchenverfassung und wahlten den zu diesem Zeitpunkt in der deutsch katholischen Gemeinde in Krefeld wirkenden Pfarrer Eduard Herzog zum ersten christkatholischen Bischof der Schweiz Das Ende des Kulturkampfes BearbeitenDie Wirren im Tessin und in Freiburg welche der Widerstand gegen die Herrschaft der Ultramontanen verursachte zwangen den Bundesrat wiederholt zur Einmischung um der unterdruckten liberalen Minderheit einigermassen zu ihrem Recht zu verhelfen und offenbare Rechtsverletzungen zu verhindern Der kirchliche Streit verlor dabei nach und nach seine Scharfe und 1878 unterwarfen sich die romischen Katholiken in Bern und Solothurn den Kirchengesetzen Die romische Kurie verzichtete auf ihren Plan in Genf ein Bistum zu errichten und ernannte Mermillod 1883 zum Bischof von Lausanne Durch seine Versicherung dass er den Staatsgesetzen loyal gehorchen werde erwirkte Mermillod seine Anerkennung durch den Bund wahrend der Kanton Genf ihm diese verweigerte 1884 wurde dann auch im Einvernehmen mit dem Papst die Wiederherstellung des Bistums Basel beschlossen das mit dem apostolischen Vikariat im Tessin verbunden sein sollte Lachat leistete auf das Bistum Verzicht und der Propst des Domkapitels von Solothurn Friedrich Fiala wurde zum Bischof ernannt 1920 fuhrte die Schweiz die papstliche Nuntiatur wieder ein 1948 wurde vom Kanton Bern die Katholisch theologische Fakultat in christkatholisch theologische umbenannt 2001 wurde sie mit der evangelisch theologischen vereint und kurzlich in Theologische Fakultat umbenannt Das Jesuitenverbot und der Klosterartikel wurden 1973 aufgehoben Erst mit der dritten Verfassung von 1999 wurden romisch katholische Geistliche in den Nationalrat wahlbar die Zustandigkeit des Bundesrats fur die romisch katholischen Organisationseinheiten wagte man damals jedoch noch nicht aus der Verfassung zu streichen zu viele Anderungen hatten die Annahme der Verfassung durch das Volk gefahrden konnen Doch in der Volksabstimmung vom 10 Juni 2001 wurde auch dieser letzte kulturkampferische Artikel Art 72 Abs 3 nBV aufgehoben Siehe auch BearbeitenGeschichte des Kantons Aargau Religiose und politische Konflikte Geschichte des Kantons Bern Die Verfassungsreform von 1869 und der Kulturkampf Geschichte des Kantons Freiburg Ultramontanismus Geschichte des Kantons Genf 1864 1880 Kulturkampf Geschichte des Kantons Solothurn Kulturkampf Geschichte des Kantons Tessin KulturkampfQuellen BearbeitenAugustin Keller In rei memoriam Aktenstucke zur Geschichte der kirchenpolitischen und kirchlichen Kampfe der siebenziger Jahre gesammelt und mit Bemerkungen begleitet Sauerlander Aarau 1883 Literatur BearbeitenPeter Stadler Der Kulturkampf in der Schweiz Eidgenossenschaft und katholische Kirche im europaischen Umfeld 1848 1888 Huber Frauenfeld Stuttgart 1984 ISBN 3 7193 0928 2 2 erweiterte Auflage Chronos Zurich 1996 ISBN 3 905311 97 6 Weblinks BearbeitenFranz Xaver Bischof Kulturkampf In Historisches Lexikon der Schweiz Schweizer Geschichte KulturkampfBelege Bearbeiten Kurt Koch Das Verhaltnis von Staat und Kirche im Entwurf der neuen Bundesverfassung In Schweizerische Kirchenzeitung Jg 167 1999 Nr 12 vom 25 Marz Friedrich Johann Der Kampf gegen die deutschen Theologen und theologischen Fakultaten in den letzten zwanzig Jahren Rede gehalten zur Eroffnung der kath theol Fakultat an der Hochschule Bern Bern Jent amp Reinert 1876 Er war anfangs sehr aktiv aber die Fakultat konnte ihn nicht halten Ein uberragender geistlicher Theologe der seine Stellung zu Rom fruh klar ausgedruckt hat Michaud Eugene Le papaute antichretienne Paris 1872 Der Vater der Gertrud Woker Er hielt in Bern spater auch Vorlesungen zur Geschichte an der Philosophischen Fakultat Zur Fakultat und zu ihrem wissenschaftlichen und politischen Status ausserte er sich mehrfach zum Beispiel Woker Philipp Uber katholisch theologische Fakultaten Der Katholik II Jg 1879 Heft 12 ff Er bekam den Lehrstuhl des wahrend der Vorbereitungen zur Grundung der neuen Fakultat verstorbenen Walther Munzinger Nach seiner Berner Zeit ausserte er sich Gareis Carl Irrlehren uber den Kulturkampf Berlin 1876 In Bern begann er mit dem auch dorthin berufenen Landsmann und Kollegen das juristische Standardwerk uber die Religionsgesetze der Schweiz das dann noch zugig in Deutschland wohin beide zuruckberufen wurden fertiggestellt wurde Gareis Carl Zorn Philipp Staat und Kirche in der Schweiz Eine Darstellung des eidgenossischen und kantonalen Kirchenstaatsrechtes mit besonderer Rucksicht auf die neuere Rechtsentwicklung und die heutigen Conflicte zwischen Staat und Kirche Band 1 Zurich 1877 Band 2 Zurich 1878 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kulturkampf in der Schweiz amp oldid 226204928