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Die Glaubens und Gewissensfreiheit ist in der Schweiz geschutzt Darunter versteht man im Allgemeinen das positive Recht eine Religion ausuben zu durfen Wie in westlichen Landern ublich zahlt auch die negative Religionsfreiheit dazu also das Recht zu keiner oder nicht zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft zu gehoren bzw eine solche verlassen zu konnen und auch nicht zu einer Teilnahme an kultischen Handlungen Feierlichkeiten oder sonstigen religiosen Praktiken gezwungen oder genotigt zu werden Die Religionsfreiheit wird oft als Teil der umfassend zu verstehenden Glaubens und Gewissensfreiheit gesehen Sie stellt in der Schweiz ein durch die Verfassung und die Europaische Menschenrechtskonvention garantiertes Grundrecht dar Die offentlich rechtliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften wird im Staatskirchenrecht geregelt das in der Schweiz hauptsachlich auf der Ebene der Kantone umgesetzt wird Inhaltsverzeichnis 1 Verfassungsmassige Grundlage 2 Schutzobjekt 3 Einschrankungen 4 Geschichtliche Entwicklung 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseVerfassungsmassige Grundlage BearbeitenDie Schweizer Bundesverfassung BV sichert die Glaubens und Gewissensfreiheit in Art 15 1Die Glaubens und Gewissensfreiheit ist gewahrleistet 2Jede Person hat das Recht ihre Religion und ihre weltanschauliche Uberzeugung frei zu wahlen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen 3Jede Person hat das Recht einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehoren und religiosem Unterricht zu folgen 4Niemand darf gezwungen werden einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehoren eine religiose Handlung vorzunehmen oder religiosem Unterricht zu folgen Schutzobjekt BearbeitenUnter den Begriff der Religion fallen in der Schweiz gemass Rechtsprechung und juristischer Lehre alle Uberzeugungen die sich auf das Verhaltnis des Menschen zum Gottlichen zum Transzendenten beziehen und weltanschauliche Dimensionen haben 1 Geschutzt ist das Recht religiose Auffassungen zu aussern und zu verbreiten sich kritisch mit anderen religiosen Anschauungen auseinanderzusetzen nach seiner religiosen Uberzeugung zu leben die damit verbundenen Handlungen vorzunehmen die entsprechenden Vorschriften zu beachten und Religionsgemeinschaften zu grunden Art 15 Abs 4 BV beinhaltet die negative Religionsfreiheit Demnach darf der Staat niemanden am Austritt aus einer Religionsgemeinschaft hindern zum Bezahlen von Kultussteuern fur eine religiose Gemeinschaft der er nicht angehort verpflichten oder zu religiosen Handlungen wie Schulgebet Feldgottesdienst oder religiosem Eid zwingen Weiter muss der Unterricht in offentlichen Schulen religios neutral sein insbesondere ist der Bibelunterricht als fakultatives Fach getrennt vom ubrigen Unterricht zu erteilen Das Bundesgericht beurteilte 1990 Kruzifixe in Klassenzimmern der Primarschule Cadro als Verstoss gegen die Pflicht zur religiosen Neutralitat an offentlichen Schulen BGE 116 Ia 252ff Einschrankungen BearbeitenDie Glaubens und Gewissensfreiheit kann gemass Art 36 BV wie andere Freiheitsrechte auch unter bestimmten Voraussetzungen eingeschrankt werden So darf die Benutzung des offentlichen Grunds fur Kultushandlungen wie Prozessionen aus verkehrspolizeilichen Grunden beschrankt werden BGE 108 Ia 41 Ebenfalls gestattet sind gewerbepolizeiliche Regelungen des Hausierens mit religiosen Schriften BGE 56 I 431 Die bundesgerichtliche Rechtsprechung beurteilt im Gegensatz zur Mehrheit der juristischen Lehre und zur Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichts die Kirchensteuerpflicht fur juristische Personen als verfassungskonform z B BGE 126 I 122 125ff Gemass Bundesgericht sind weiter allgemeine kantonale Steuern von naturlichen Personen auch in dem Umfang zu bezahlen in dem damit Beitrage an Kirchen z B Pfarrerbesoldungen finanziert werden bei Gemeindesteuern kann die Bezahlung im entsprechenden Umfang hingegen verweigert werden BGE 107 Ia 126 130 Art 20 f Tierschutzgesetz TSG verbietet das im Judentum und Islam vorgeschriebene Schachten ohne vorherige Betaubung Der Import von geschachtetem Fleisch ist jedoch erlaubt Art 9 Abs 1 TSG 2 Einschrankungen der Glaubens und Gewissensfreiheit konnen sich auch aus der in Art 59 Abs 1 BV statuierten Pflicht fur mannliche Burger ergeben Militardienst oder zivilen Ersatzdienst zu leisten Art 261 des Strafgesetzbuches qualifiziert die Storung der Glaubens und Kultusfreiheit als Vergehen 3 Art 261bis StGB sogenannte Rassismus Strafnorm stellt das offentliche Diskriminieren Verunglimpfen oder Verfolgen von Angehorigen einer Religion unter Strafe Dabei ist es unerheblich ob sich die Aktion gegen Vertreter einer religiosen Minderheit zum Beispiel Juden oder der christlichen Mehrheit richtet Art 72 Abs 3 der Bundesverfassung untersagt den Bau von Minaretten Im Kanton Tessin stimmte die Wahlbevolkerung bei einer Volksabstimmung am 22 September 2013 fur ein Verhullungsverbot was Niqabs oder Burkas einschliesst 4 Geschichtliche Entwicklung BearbeitenBis zur Grundung der Helvetischen Republik bestand in der Schweiz faktisch keine Religionsfreiheit Dies betraf vor allem die seit der Reformationszeit in der Schweiz bestehenden Taufergemeinden Schweizer Taufer die bis weit ins 18 Jahrhundert verfolgt wurden Erst mit dem Duldungsedikt vom 3 November 1815 wurden die Schweizer Taufer offiziell toleriert Die Diskriminierung von Juden dauerte bis weit ins 19 Jahrhundert In der Bundesverfassung von 1848 wurde die Kultusfreiheit nur den anerkannten christlichen Konfessionen gewahrt Mit der Teilrevision der Bundesverfassung von 1866 wurde den Juden in der Schweiz die Niederlassungsfreiheit und die volle Ausubung der Burgerrechte gewahrt Artikel 44 der Verfassung garantierte aber nach wie vor nur den anerkannten christlichen Religionen die freie Ausubung des Gottesdienstes 5 6 Die 1866 eingefuhrte Gleichberechtigung trat in samtlichen Kantonen in Kraft mit Ausnahme des Kantons Aargau wo sie erst am 1 Januar 1879 angenommen wurde 6 5 In der total revidierten Bundesverfassung von 1874 wurde die Religionsfreiheit im heutigen Umfang eingefuhrt Allerdings enthielt sie verschiedene Ausnahmebestimmungen So war der Jesuitenorden verboten ebenso die Grundung von neuen Klostern und Orden Burger geistlichen Standes worunter auch ordinierte reformierte Pfarrer fielen waren von der Wahl in den Nationalrat ausgeschlossen Die Errichtung von Bistumern auf schweizerischem Gebiete unterlag der Genehmigung des Bundes Das Jesuitenverbot und der Klosterartikel wurden 1973 aufgehoben Mit der Verfassung von 1999 wurde der Ausschluss Geistlicher vom Nationalrat fallengelassen Der Bistumsartikel wurde hingegen in die neue Verfassung ubernommen Art 72 Abs 3 BV und erst in der Volksabstimmung vom 10 Juni 2001 aufgehoben Am 29 November 2009 wurde die Minarett Initiative angenommen welche den Bau von Minaretten in der Schweiz verbietet Die schweizerische Regierung Bundesrat und die beiden Kammern des Parlaments lehnten die Initiative ab und empfahlen den Stimmberechtigten ein Nein in die Urne zu legen Die Initiative schrankt nach Ansicht des Bundesrates und von Staatsrechtlern die Religionsfreiheit von Muslimen ein Die Gegner von Minaretten argumentieren diese Gebaude wurden ein religios politisches Machtsymbol des Islams darstellen da im Koran keine Gewaltentrennung zwischen Religion und Staat vorgesehen sei Literatur BearbeitenUlrich Hafelin Walter Haller Helen Keller Daniela Thurnherr Schweizerisches Bundesstaatsrecht 10 Auflage Schulthess Zurich 2020 ISBN 978 3 7255 8079 8 S 313 402 Andreas Stockli Die Glaubens und Gewissensfreiheit der schweizerischen Bundesverfassung unter Beruck sichtigung der historischen philosophischen und volkerrechtlichen Grundlagen im Erscheinen Weblinks BearbeitenMarco Jorio Ausnahmeartikel In Historisches Lexikon der Schweiz Einzelnachweise Bearbeiten Hafelin Haller Schweizerisches Bundesstaatsrecht S 124 N 406 Tierschutzgesetz vom 9 Marz 1978 SR 455 1 2 Strafgesetzbuch vom 21 Dezember 1937 SR 311 0 3 Tessin sagt Ja zum Verhullungsverbot In TagesAnzeiger 22 September 2013 abgerufen am 23 September 2013 deutsch a b Augusta Weldler Steinberg Geschichte der Juden in der Schweiz vom 16 Jahrhundert bis nach der Emanzipation Band 2 Die Emanzipation Zurich 1970 a b Kupfer Claude Weingarten Ralph Zwischen Ausgrenzung und Integration Geschichte und Gegenwart der Judinnen und Juden in der Schweiz Sabe Zurich 1999 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Religionsfreiheit in der Schweiz amp oldid 237405991