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Die Verfassung der Stadt und Republik Bern basierte auf der 1218 datierten sogenannten Goldenen Handfeste nach dem Vorbild der Stadt Freiburg im Breisgau 1293 bestatigte Konig Adolf in Zurich die Goldene Handfeste 1 und sah Stadt und Republik Bern in einer zweiten Urkunde alles nach was sie sich wahrend der letzten Reichsvakanz Juli 1291 bis Mai 1293 an Rechten angeeignet hatten 2 Die Goldene Handfeste wurde durch Satzungen laufend erganzt Die dadurch entstandene Rechtssammlung bildete faktisch die Verfassung Teile der Stadtsatzungen erhielten aufgrund des fur diese Sammlung jeweils beim Bucheinband verwendeten roten Samts den Begriff Rotes Buch Im Gegensatz zu den Gerichtsatzungen Zivil und Prozessrecht und den Chorgerichtsatzungen Eherecht Sittengesetzgebung welche ab 1615 im Druck erschienen durfte das Rote Buch nicht gedruckt werden Mitglieder des Grossen Rats konnten sich eine Abschrift erstellen lassen Wappen der Stadt und Republik Bern 1790 Goldene Handfeste datiert 1218 Altestes erhaltenes Rotes Buch 1549 Exekutive Legislative und Judikative waren nicht abgegrenzt Der Schultheiss war zugleich Mitglied des Kleinen Rats Exekutive des Grossen Rats Legislative und der Gerichtsbesatzung Judikative Die Mitglieder des Kleinen Rats gehorten immer auch dem Grossen Rat an Die Gerichtsbesatzung wurde durch Mitglieder des Kleinen und des Grossen Rats gebildet seit dem 16 Jahrhundert existierten eine deutsche und eine welsche Appellationskammer als Rekursinstanz Inhaltsverzeichnis 1 Grosser Rat 2 Kleiner Rat 3 Sechzehner 4 Schultheiss 5 Seckelmeister 6 Venner 7 Amter und Dienste 8 Kanzlei 9 Literatur 10 EinzelnachweiseGrosser Rat Bearbeiten nbsp Mitglied des Grossen Rats Portratskizze von Johann Rudolf Huber um 1710 Der unter dem Vorsitz des Schultheissen tagende bernische Grosse Rat wurde im Rahmen der Verfassungsreform von 1294 geschaffen 3 Mit dem Grossen Rat schufen die gewerbetreibenden Stadtburger ein Gegengewicht zu dem durch den stadtischen Adel dominierten Kleinen Rat 4 Jeder Gewahlte hatte innert 14 Tagen das bernische Burgerrecht anzunehmen wenn er es noch nicht besass und eine Rustung zu beschaffen 5 Bis 1619 wurde der Grosse Rat jahrlich erganzt im Verlauf des 17 Jahrhunderts erfolgten die Erganzungswahlen immer seltener bis schliesslich 1642 beschlossen wurde eine Wahl nur dann anzusetzen wenn die Mitgliederzahl unter 200 gefallen sein sollte Mehr als 300 Mitglieder durften auf keinen Fall mehr gewahlt werden 6 Die Wahl erfolgte bis 1591 nach den vier Stadtvierteln Je vier Vertreter der vier Stadtviertel wahlten als Wahlmanner die Sechzehner zu Ostern je 50 Mitglieder des Grossen Rats Die Sechzehner und die Mitglieder des Kleinen Rats gehorten dem Grossen Rat ursprunglich nicht an Im 15 Jahrhundert wurde die Mitgliedschaft im Grossen Rat erstmals durch eine Satzung erschwert indem Berner funf Jahre und Eidgenossen zehn Jahre in Bern ansassig sein mussten 7 Die ursprungliche Anzahl von 200 Mitgliedern Rat der Zweihundert wuchs im Spatmittelalter allmahlich an zeitweise auf uber 300 Mitglieder 1529 wurde die Satzung erlassen dass jedes Mitglied des Grossen Rates innerhalb des Stadtbanns ein eigenes Haus besitzen soll Sohne im Haus ihrer Vater hatten innerhalb eines Jahres eigenen Hausbesitz zu erlangen 6 Unehelich Geborene durften ab 1557 nicht mehr Einsitz im Rat nehmen 6 Die 1643 neu geschaffenen Einwohnerkategorien der Ewigen Einwohner Habitanten und Hintersassen konnten nicht in den Rat gewahlt werden Ab 1683 waren auch ledige Manner nach zuruckgelegtem 29 Altersjahr wahlbar 8 Wahrend Burger im Mittelalter die gesamte Einwohnerschaft der Stadt bezeichnete meinte der Begriff spatestens in der Neuzeit ausschliesslich die Mitglieder des Grossen Rats Mit dem Ratsbeschluss vom 8 Mai 1682 erklarte sich der Grosse Rat als Souveran und entriss damit der Burgerschaft die Landesherrschaft 9 Die Zahl der wahlfahigen Geschlechter wurde durch die Kooptation zunehmend kleiner was spatestens im 18 Jahrhundert in den nicht regierenden im Burgerrecht stehenden Familien zu Missmut fuhrte s Henzi Verschworung 1790 wurde beschlossen dass die Mindestzahl der im Grossen Rat vertretenen Geschlechter 76 betragen soll 10 Die Wahlen fanden im spaten 18 Jahrhundert nur noch alle zehn Jahre oder wenn die Anzahl Grossrate unter 200 gefallen war statt Dies fuhrte dazu dass Resignationen Rucktritte alterer Ratsmitglieder erkauft wurden 11 Kleiner Rat Bearbeiten Hauptartikel Kleiner Rat Bern Ein Rat ist erstmals 1224 belegt 1249 ist von zwei Raten die Rede Der Rat seit 1294 zur Abgrenzung vom Grossen Rat als Kleiner Rat bezeichnet bildete die Regierung die Machtzentrale Berns Der Kleine Rat beriet seit 1526 die Geschafte des Grossen Rats vor 6 Sechzehner BearbeitenDie Sechzehner hatten bei den Erganzungswahlen des Grossen Rats das Nominationsrecht 12 Sechzehner konnte nur werden wer innerhalb des Stadtbanns getauft war 12 Jede Gesellschaft Zunft Berns stellte einen Sechzehner die Vennergesellschaften je zwei 12 Die Gesellschaften zu Ober Gerwern und zu Mittellowen teilten sich das Recht auf die zwei Sechzehner Zwei Jahre hintereinander stellte Ober Gerwern beide Sechzehner im dritten Jahr stand Mittellowen einer der beiden Sechzehner zu 12 Gemeinsam mit den Mitgliedern des Kleinen Rats nahmen die Sechzehner am Grundonnerstag die Nominationen fur den Grossen Rat vor 13 Schultheiss Bearbeiten nbsp Johann Rudolf Sinner Portrat von Johann Rudolf Huber 1704 Hauptartikel Schultheiss von Bern In den Anfangen Berns setzte der Stadtherr als Stellvertreter einen Schultheissen scultetus causidicus ein Eine Urkunde von 1223 nennt mit Rodolfus de Crohtal causidicus erstmals einen bernischen Schultheissen 14 Nach dem Tod Berchtolds V im Jahr 1218 fiel die Stadt Bern weil auf Konigsland errichtet dem Konig anheim Von nun an setzte der romisch deutsche Konig den Schultheissen oder Reichsvogt ein spater moglicherweise auch Peter von Savoyen der Schirmherr defensor Berns Mit der 1218 datierten moglicherweise aber erst spater ausgefertigten Goldenen Handfeste erhielt der bernische Rat das Recht den Schultheissen aus seiner Mitte zu wahlen Es ist jedoch davon auszugehen dass Bern im 13 Jahrhundert um dieses Recht zu ringen hatte 15 Noch 1244 und 1255 werden Reichsvogte und Reichsdelegierte in den Quellen erwahnt Eine Wahl des Schultheissen durch den Rat mit Bestatigung durch den Konig durfte sich erst in der zweiten Halfte des 13 Jahrhunderts durchgesetzt haben Von diesem Moment an war der regierende Schultheiss Oberhaupt der Stadt und zunehmend auch von den erworbenen Territorien Die Nomination des Schultheissen erfolgte seit der fruhen Neuzeit durch die vier Venner mit einem Dreiervorschlag 16 Bis 1636 wurde der Schultheiss mit offenem Handmehr gewahlt danach mittels Ballotten 17 Seckelmeister BearbeitenDer Seckelmeister war der hochste Finanzbeamte der Stadt Bern Erster quellenmassig bekannter Seckelmeister war Konrad vom Holz Die Seckelmeister legten jeweils am Stephanstag die Rechnung ab 6 Ab 1536 wurde zwischen dem Deutschseckelmeister und dem Welschseckelmeister unterschieden Der Welschseckelmeister war fur die Finanzverwaltung der 1536 eroberten Waadt zustandig Die Seckelschreiberei Finanzverwaltung stand unter der Leitung des Seckelmeisters Venner Bearbeiten Hauptartikel Venner Bern Die vier Venner waren ursprunglich die Viertelsmeister und Bannertrager Berns Sie waren fur die Harnischschau die Steuererhebung Marktaufsicht und Feuerwehr zustandig Die Handwerke der Pfister Backer Schmiede Metzger und Gerber stellten seit dem fruhen 15 Jahrhundert die vier Stadtvenner Die Vennerhandwerke teilten sich im Mittelalter in mehrere Stuben oder Gesellschaften z B Oberpfistern und Niederpfistern In der fruhen Neuzeit bis 1798 stellten folgende Gesellschaften die Venner Pfistern Schmieden Metzgern Ober Gerwern und Mittellowen letztere beide gemeinsam Nebst den stadtischen Aufgaben waren die vier Venner fur die Verwaltung der Landgerichte Sternenberg Schmieden Seftigen Pfistern Konolfingen Metzgern und Zollikofen Gerwern zustandig 18 Amter und Dienste Bearbeiten nbsp Amterscheibe mit den Wappen der bernischen Landvogteien von Urs Werder um 1495 Als Amter und Dienste wurden die Verwaltungspositionen bezeichnet welche ausschliesslich durch Mitglieder des Grossen Rats besetzt wurden Hauptsachlich waren dies die Stellen als Landvogt daneben auch Amter in der Stadt wie der Bauherr von Burgern der Salzdirektor von Burgern der Mushafenschaffner der Stiftschaffner oder der Spitalmeister Die Amter und Dienste wurden alle sechs Jahre neu bestellt Die Wahl erfolgte durch den Grossen Rat Mit der Losordnung von 1710 wurden die Amter und Dienste in vier Einkommensklassen eingeteilt und jeweils ausgelost 19 Kanzlei Bearbeiten nbsp Staatskanzlei in Bern 2011 Die bernische Kanzlei wurde durch den Stadtschreiber geleitet Der erste quellenmassig bekannte Stadtschreiber Berns war Burchardus notarius bernensis 20 Ulrich von Gysenstein wird 1312 als Stettschriber bezeichnet 21 Der Stadtschreiber hatte seine Wohnung nach der Reformation im Kanzleigebaude neben dem Rathaus Er bewahrte die stadtischen Urkunden auf fuhrte die obrigkeitlichen Korrespondenzen und schrieb das Protokoll des Kleinen Rates abwechslungsweise mit dem Ratschreiber und dem Unterschreiber In der fruhen Neuzeit musste der Stadtschreiber dem Grossen Rat angehoren seit dem 18 Jahrhundert war die Amtszeit auf zwolf Jahre beschrankt Ungefahr ab der Mitte des 18 Jahrhunderts wurde der Stadtschreiber zunehmend als Staatsschreiber bezeichnet Literatur BearbeitenBarbara Braun Bucher Der Berner Schultheiss Samuel Frisching 1605 1683 Schrifttum Bildung Verfassung und Politik des 17 Jahrhunderts auf Grund einer Biographie Bern 1991 ISBN 3 7272 0495 8 Karl Geiser Die Verfassung des alten Bern In Festschrift zur VII Sakularfeier der Grundung Berns 1191 1891 Schmid Francke und Co Bern 1891 S 1 143 online Roland Gerber Gott ist Burger zu Bern Eine spatmittelalterliche Stadtgesellschaft zwischen Herrschaftsbildung und sozialem Ausgleich Weimar 2001 S 57 58 Rudolf Gmur Der Zehnt im alten Bern Abhandlungen zum schweizerischen Recht Neue Folge Nr 310 Verlag Stampfli amp Cie Bern 1954 Fritz Hausler Von der Stadtgrundung bis Reformation In Peter Meyer Hrsg Berner deine Geschichte Landschaft und Stadt Bern von der Urzeit bis zur Gegenwart Illustrierte Berner Enzyklopadie 2 Buchler Verlag Bern 1981 ISBN 3 7170 0185 X S 51 106 Hermann Rennefahrt Die Rechtsquellen des Kantons Bern Das Stadtrecht von Bern V Verfassung und Verwaltung des Staates Bern Aarau 1959 SSRQ BE I 5 online Christoph von Steiger Innere Probleme des bernischen Patriziates an der Wende zum 18 Jahrhundert Bern 1954 Mathias Sulser Der Stadtschreiber Peter Cyro und die Bernische Kanzlei zur Zeit der Reformation Bern 1922 Urs Martin Zahnd Stadt und Territorium bernische Bundnisse und Burgrechte und die Anfange der stadtischen Territorialpolitik In Berner Zeitschrift fur Geschichte und Heimatkunde Jg 65 2003 S 102 103 Einzelnachweise Bearbeiten Regesta Imperii 7 n 176 Regesta Imperii 7 n 179 Geiser 1891 S 19 Gerber 2001 S 46 Geiser 1891 S 96 a b c d e Geiser 1891 S 98 Geiser 1891 S 97 Geiser 1891 S 99 Brunner 1964 S 4 Geiser 1891 S 100 Geiser 1891 S 102 a b c d Geiser 1891 S 99 Geiser 1891 S 90 Zeerleder Urkunden 1 S 208 in der Google Buchsuche Anne Marie Dubler und Hans Grutter Bern Gemeinde In Historisches Lexikon der Schweiz Braun Bucher S 297 Braun Bucher S 297 von Steiger 1954 S 61 Braun Bucher S 277 Sulser S 235 Sulser S 235 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Verfassung der Stadt und Republik Bern amp oldid 235574285