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Willkur ist ein Rechtsbegriff der im Lauf der Zeit unterschiedlich aufgefasst wurde Inhaltsverzeichnis 1 Ursprungliche Bedeutung 2 Deutschland 3 Osterreich 4 Schweiz 5 Liechtenstein 6 Literatur 7 EinzelnachweiseUrsprungliche Bedeutung BearbeitenWillkur bezeichnet ursprunglich wertneutral die Entscheidungsfreiheit im Gegensatz zur Notwendigkeit in bestimmter Weise zu verfahren Willkur bezog sich auch auf die mittelalterlichen Rechte von Stadten im Rahmen der Selbstverwaltung Das Stadtrecht der Stadt Danzig hiess Danziger Willkur die Krakauer Wylkor der Stad 1 wurde 1505 im Balthasar Behem Kodex festgehalten Im Sinne der Entscheidungsfreiheit findet sich die Bedeutung etwa noch wieder in der gewillkurten Prozessstandschaft also die nach Wahl der Prozessparteien eingetretene Prozesstandschaft im Gegensatz zur notwendigen Prozessstandschaft also die rechtliche vorgeschriebene Prozesstandschaft Bezogen auf den Staat besteht allerdings aufgrund der Bindung auf das Gemeinwohl auch dann keine eigentliche Entscheidungsfreiheit wie sie Privaten zusteht Auch die Ausubung von Staatsgewalt innerhalb eines Ermessensrahmens oder Beurteilungsspielraums ist nicht frei Der Staat im Gegensatz zu Privaten darf mithin nicht willkurlich entscheiden sondern nur aus sachlichem Grund bezogen auf das offentliche Wohl salus rei publicae Deutschland BearbeitenBezogen auf staatliche Entscheidungen der Legislative Exekutive oder Judikative bedeutet Willkur das Fehlen eines sachlichen Grundes und damit jedenfalls einen Verstoss gegen Verfassungsprinzipien Willkur liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor wenn eine Rechtsanwendung insbesondere eine gerichtliche Entscheidung nicht nur fehlerhaft sondern unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrangt dass er auf sachfremden Erwagungen beruht 2 Willkur ist bei einer Massnahme gegeben welche im Verhaltnis zu der Situation der sie Herr werden will tatsachlich und eindeutig unangemessen ist Dabei ist Willkur im objektiven Sinn zu verstehen und enthalt keinen subjektiven Schuldvorwurf 3 Im Bereich der Exekutive liegt Willkur vor wenn die Behorde bei der Anwendung einer Norm von selbst gesetzten Entscheidungskriterien aus der Vergangenheit in einem Einzelfall abrucken will Die Verwaltungspraxis der Vergangenheit bei der Ausfullung von Handlungsspielraumen Ermessen bindet die Behorde auch fur die Zukunft Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz gemass Art 3 Abs 1 GG resultiert fur den einzelnen Burger ein Anspruch auf gleiche Behandlungsweise gemass diesen Entscheidungskriterien Sein Fall darf nicht anders beurteilt werden als der bzw die davor behandelten Falle Davon unberuhrt bleibt die Moglichkeit der Verwaltung ihre Praxis generell fur die Zukunft abzuandern Sofern Grundrechtstrager betroffen sind stellt eine willkurliche Entscheidung zugleich einen Verstoss gegen den allgemeinen Gleichheitssatz Willkurverbot gemass Art 3 Abs 1 GG dar und kann auf die Verfassungsbeschwerde hin aufgehoben werden wenn kein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung gegeben ist Auch im Zivilprozessrecht ist der Begriff der Willkur von Bedeutung Eine gemass 281 Abs 2 Satz 4 ZPO bindende Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht hat ausnahmsweise keine Bindungswirkung wenn die Verweisung willkurlich ist 4 Osterreich BearbeitenWillkur ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs keineswegs nur dann gegeben wenn die Behorde absichtlich Unrecht begeht Der Schutz den der Gleichheitsgrundsatz den Staatsburgern bietet ist keineswegs auf die Abwehr von Amtsmissbrauch oder von ihm ahnlichen Fallen beschrankt Der Gleichheitsgrundsatz ware ansonsten inhaltslos denn Exzesse der erwahnten Art sind relativ selten Willkurlich handelt vielmehr eine Behorde auch dann wenn sie ihre Entscheidung z B leichtfertig fallt so etwa wenn sie sich im Gegensatz zu allgemein anerkannten Rechtsgrundsatzen oder allgemein bekannten Erfahrungstatsachen stellt oder auch wenn sie von einer bisher allgemein geubten und als rechtmassig anzusehenden Praxis abweicht ohne hiefur Grunde anzugeben oder wenn die angegebenen Grunde offenkundig unzureichend sind Allen diesen Beispielsfallen ist gemeinsam dass die behordliche Tatigkeit erkennen lasst dass sich die Behorde in Wirklichkeit uber das Gesetz hinwegsetzt anstatt ihm zu dienen Ist die offenkundige Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung von einer Qualitat die nur durch eine vollige Gleichgultigkeit gegenuber dem Gesetz erklarbar ist so ist sie darum willkurlich Schweiz BearbeitenIn der Schweiz ist das Willkur Verbot ein in Art 9 der Bundesverfassung verankertes Grundrecht Ein wichtiger Hinweis auf die Rechtssprechung in der Schweiz ist der Bundesgerichtsentscheid BGE in welchem das Gericht strenge Anforderungen sieht 5 Liechtenstein BearbeitenIm Furstentum Liechtenstein ist das Willkur Verbot ein eigenstandiges ungeschriebenes Grundrecht 6 Willkur ist nach der Rechtsprechung des liechtensteinischen Staatsgerichtshofes eine offensichtliche unhaltbare rechtliche Beurteilung oder krasse Aktenwidrigkeit Eine unrichtige rechtliche Beurteilung ist jedoch kein Verstoss gegen das Willkur Verbot 7 Literatur BearbeitenFelix Uhlmann Das Willkurverbot Art 9 BV 2005 ISBN 3 7272 9935 5 zugl Habil Schrift Basel 2004 Norbert Blum Einspruch Wider die Willkur an deutschen Gerichten Westend Verlag GmbH Frankfurt Main 2014 ISBN 978 3 86489 066 6 Einzelnachweise Bearbeiten Joszef Wiktorowicz Die Stadtordnung als Textsorte Anhand einer Abschriftensammlung aus Krakau In Mechthild Habermann Hrsg Textsortentypologien und Textallianzen des 13 und 14 Jahrhunderts Berlin 2011 Berliner sprachwissenschaftliche Studien Band 22 S 429 438 BVerfG Beschluss vom 12 Oktober 2009 Az 1 BvR 735 09 Volltext BVerfG Beschluss vom 15 Marz 1989 Az 1 BvR 1428 88 Volltext BVerfGE 80 48 53 BGH Beschluss vom 19 Januar 1993 Az X ARZ 845 92 Volltext NJW 1993 1273 140 III 167 In bger ch Abgerufen am 27 November 2022 Entscheidung des liechtensteinischen Staatsgerichtshofes in StGH 1998 45 LES 2000 1 Erw 4 ff StGH 1995 28 LES 1998 6 Erw 2 2 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4189921 0 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Willkur Recht amp oldid 235014117