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Germania Slavica bezeichnet einerseits als Forschungsbegriff des 20 Jahrhunderts eine historische Landschaft ostlich der fruhmittelalterlichen deutsch slawischen Sprachgrenze etwa ostlich der Elbe Saale Linie und andererseits eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe zur Erforschung der Verhaltnisse in diesem Gebiet wahrend des Hochmittelalters Deutsche Ostsiedlung Der Artikel behandelt auch uberholte Ansichten zur Germania Slavica z B Geschichtsbild der Mark Brandenburg und gibt Hinweise zum neueren Forschungsstand Ausdehnung der deutschen Ostsiedlung in die slawischen Gebiete mit sprachlich gemischten Gebieten um 1400 schraffiert und anfangliche Westausdehnung des slawischen Sprachgebiets um 800 n Chr als blaues Band Aus dem Putzger Schulatlas 1893 Inhaltsverzeichnis 1 Die Germania Slavica als historische Landschaft 2 Die Germania Slavica als interdisziplinare Forschungsgruppe an der FU Berlin 1976 1991 2 1 Grundung und Personen 2 2 Generelle Aufgabenstellung 2 3 Ausgangspunkt Forschungsgeschichte 2 4 Forschungsstand 1980 und Forschungsfragen 3 Die Germania Slavica als Arbeitsgebiet des GWZO in Leipzig 1995 2007 4 Perspektiven 5 Veroffentlichungen der Arbeitsgruppe Germania Slavica der FU Berlin 6 Siehe auch 7 Belege 8 Literatur 9 WeblinksDie Germania Slavica als historische Landschaft BearbeitenDie Germania Slavica ist eine Raumbezeichnung die von Wolfgang H Fritze als Forschungsbegriff in die mediavistische Terminologie eingefuhrt wurde anlasslich der Grundung seiner gleichnamigen Interdisziplinaren Arbeitsgruppe IAG 1976 Erstmals verwandt wurde dieser Begriff von Walter Schlesinger 1961 und zwar als Analogiebildung zum 1932 von Theodor Frings gepragten Forschungsbegriff Germania Romana Die Germania Romana bezeichnete im Gegensatz zur Germania Libera nach Frings die Raume in denen deutsche Sprachentwicklung von der Einwirkung romanischer Substrate mit bestimmt worden ist also im Wesentlichen die Gebiete westlich des Rheins und Neckars sowie sudlich der Altmuhl und der Donau Limes Entsprechend formulierte Fritze 1980 Als Germania Slavica bezeichnen wir den Bereich der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung in den slawisch besiedelten Gebieten ostlich von Elbe und Saale soweit er sprachlich germanisiert worden ist Walter Lammers definierte Der Raum zwischen der Westgrenze der mehr oder weniger dauernden slawischen Siedlung und der Ostgrenze der deutschen Neustamme wie sie sich im 19 20 Jh ausgebildet vorfanden Die Westgrenze wurde markiert durch Wagrien das Wendland und die Altmark dann durch die Elbe und Saale und die Sudgrenze durch Oberfranken und die Oberpfalz Bavaria Slavica Hinsichtlich der ostlichen Ausdehnung hat die polnische Forschung den Gegenbegriff der Slavia Germanica zur Diskussion gestellt so dass sich im Gebiet der Pommerellen der Lausitzen und Schlesiens Verzahnungen ergeben Die durch Sprachverbreitung definierten westlichen und ostlichen Grenzen der mittelalterlichen Germania Slavica sind nicht identisch mit neuzeitlichen Staatsgrenzen Wegen der unterschiedlichen Zuganglichkeit zu Forschungsgrundlagen wird allerdings auf Vorschlag von Klaus Zernack aus pragmatischen Grunden zwischen der Germania Slavica 1 und der Germania Slavica 2 unterschieden getrennt durch die Oder als Staatsgrenze seit 1945 obwohl die historischen Landschaften Pommern und Lebus von der Oder durchschnitten werden Neuerdings wird die Germania Slavica 1 in eine nordliche Mecklenburg Vorpommern und Brandenburg und eine sudliche Sachsen unterteilt Letztlich geht es aber bei der Germania Slavica als deutsch slawischer Kontaktzone nicht vordergrundig um einen Raum sondern um den Ort geschichtlicher Prozesse Es geht also nicht um die einseitige Darstellung der Deutschen Ostsiedlung sondern um die Pragung des Raums unter Einbeziehung der slawischen Bevolkerung vor allem der Elbslawen und zwar sowohl in der Zeit vor der deutschen Zuwanderung als auch wahrend des hochmittelalterlichen Landesausbaus Die Germania Slavica als interdisziplinare Forschungsgruppe an der FU Berlin 1976 1991 BearbeitenGrundung und Personen Bearbeiten Wolfgang H Fritze grundete die Forschungsgruppe im Sommersemester 1976 am Friedrich Meinecke Institut der Freien Universitat Berlin 1978 wurde sie von den Universitatsgremien als Interdisziplinare Arbeitsgruppe IAG anerkannt Anfang 1979 zahlte sie 22 Mitglieder 15 aktive und 7 beratende Neben Fritze zahlten zu ihr die Professoren Heinz Quirin und Wolfgang Ribbe sowie die damaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter Eberhard Bohm Felix Escher Christian Gahlbeck Hans Ulrich Kamke Barbara Sasse Winfried Schich und Wolfgang Wippermann alle Aufzahlungen in alphabetischer Reihenfolge Zu den geistigen Vatern und gleichgesinnten Mitstreitern zahlten Helmut Beumann Frantisek Graus Gerd Heinrich Herbert Jankuhn Hans Dietrich Kahl Herbert Ludat und Walter Schlesinger Die IAG Germania Slavica legte Wert auf Zusammenarbeit mit den Forschern der slawischen Nachbarlander Aus politischen Grunden waren Treffen mit Kollegen aus der VR Polen und der CSSR einfacher als mit denen aus der DDR obwohl die IAG wichtige Grundlagenwerke benutzte die von der Akademie der Wissenschaften der DDR erstellt worden waren vor allem das Corpus archaologischer Quellen zur Fruhgeschichte auf dem Gebiet der DDR hrsg von Peter Donat und Joachim Herrmann das vor allem von Lieselott Enders bearbeitete Historische Ortslexikon fur Brandenburg sowie das Brandenburgische Namenbuch beide jeweils 11 Bande Dennoch gab es inoffizielle Kontakte zu Wissenschaftlern der DDR und die Mitglieder der IAG nutzten die Einreisemoglichkeiten des Kleinen Grenzverkehrs zum Besuch der historischen Statten Generelle Aufgabenstellung Bearbeiten Wolfgang Fritze hat sich wiederholt an eine breitere Offentlichkeit gewandt der er bewusst machen wollte dass es einen slawischen Anteil an der deutschen Geschichte gibt und dass dieser vorzugsweise im Osten des historischen Deutschlands zu lokalisieren ist 1 ebenso wie der bereits weithin bekannte romische Anteil im Westen Wolfgang Fritze wollte wie Schlesinger das slawische Element als Bestandteil der ostdeutschen Identitat anerkannt wissen Wir Mittel und Ostdeutschen haben uns der Slawen dieses tapferen konservativen auch wohl ein wenig hinterwaldlerischen Bauernvolkes nicht zu schamen das wir zu unseren Vorfahren zahlen 2 Wolfgang Fritze und seinen Weggefahrten ging es darum nach dem Zweiten Weltkrieg und den schrecklichen Ereignissen der NS Zeit im Osten zu einer neuen Bewertung des deutsch slawischen Verhaltnisses in der deutschen Geschichte zu gelangen Im Zentrum der Arbeit stand die These Die deutsche Ostsiedlung des hohen Mittelalters hat in den Landern des historischen Ostdeutschlands aber auch in Polen und der Tschechoslowakei zu einer wechselseitigen Durchdringung von slawischer und deutscher Bevolkerung slawischer und deutscher Wirtschaft Siedlung Gesellung Rechtsbildung und Verfassung gefuhrt Diese These impliziert dass kulturelle und strukturelle Bildungen von starker Verschiedenheit aufeinander gestossen und zu einer lang andauernden Auseinandersetzung genotigt worden sind Hierzu wollte die Arbeitsgruppe untersuchen die Entwicklung der raumlichen und quantitativen Beziehungen von slawischer und deutscher agrarischer und urbaner Siedlung in ihrer regionalen Differenzierung unter welchen rechtlichen und sozialen Bedingungen mit welchen politischen und wirtschaftlichen Funktionen und in welchen strukturellen Formen die slawische Bevolkerung in ihren verschiedenen sozialen Schichten am hochmittelalterlichen Landesausbau teilgenommen hat Insbesondere wollte die Arbeitsgruppe ermitteln was von Sprache Recht Sitte politischen Institutionen wirtschaftlichen Formen der alteingesessenen slawischen Bevolkerung uberdauert und in welcher Weise es auf die eingewanderte deutsche Bevolkerung eingewirkt hat Diese Untersuchung sollte ermoglicht werden durch eine interdisziplinare Zusammenarbeit von Mittelalterlicher Geschichte Rechtsgeschichte Siedlungsgeographie Namenkunde Mittelalterarchaologie Ethnographie und Kunstgeschichte Ausgangspunkt Forschungsgeschichte Bearbeiten Zur bereits in der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts beginnenden Forschungsgeschichte stellte Fritze dar dass am Anfang eine volksgeschichtliche Fragestellung stand Es galt damals die in der Ostsiedlung vollbrachte kulturelle Leistung des deutschen Volkes herauszuarbeiten und als Erfullung eines dem Deutschtum im ostlichen Mitteleuropa zuteil gewordenen geschichtlichen Auftrages zu erfassen sowie die durch die Ostsiedlung bewirkte restlose Integrierung der einst slawischen Lander Ostdeutschlands in den deutschen Volkskorper zu erweisen Schon eine der fruhesten zusammenfassenden Darstellungen der Ostsiedlung sieht sie als Teilvorgang einer sakularen kulturellen und politischen Auseinandersetzung zwischen Deutschen und Slawen Der Weltkampf der Deutschen und Slawen von M W Heffter Hamburg 1847 In den 1920er und 1930er Jahren wurde schliesslich die mittelalterliche deutsche Ostsiedlung in den geschichtlichen Zusammenhang einer die ganze deutsche Geschichte in allen ihren Perioden ubergreifenden das deutsche Volk in seiner Gesamtheit erfassenden deutschen Ostbewegung Schlagwort der deutsche Drang nach Osten hingestellt Hermann Aubin 1939 Die Forschungsgeschichte jener Zeit war einerseits bestimmt von ideologischen Motiven andererseits durch die Erschliessung neuer Quellengruppen uber die Schriftquellen hinaus z B durch Flurkarten des 18 und 19 Jahrhunderts Durch die Kombination von Schriftquellen und der kartographischen Analyse liess sich die Aufsiedlung grosser Flachen durch geistliche und weltliche Herrschaften erschliessen Forschungsstand 1980 und Forschungsfragen Bearbeiten Der von Fritze dargestellte Forschungsstand 1980 und die zu bearbeitenden Forschungsfragen lassen sich wie folgt zusammenfassen Durch die auf Schriftquellen und kartographischer Analyse beruhende Siedlungsgeographie wurde die besondere Bedeutung der Zisterzienser fur den Prozess des Landesausbaus besser erkennbar Erkennbar wurde aber auch dass nicht alle Siedlungen von den Zisterziensern selbst erschlossen worden sondern in nicht geringem Umfang durch Schenkungen in ihren Besitz gelangt waren Die Zisterzienser beschrankten sich schon im 12 Jahrhundert nicht mehr auf die Eigenversorgung durch Landwirtschaft Sie wollten zusatzlich die Gewinnmoglichkeiten des Handels nutzen Dafur ubernahmen sie bereits bestehende Markte und Kruge und errichteten schon bald weitere Schich fasste 1979 zusammen Ausgehend von den in der Ordenstradition verbreiteten Hinweisen auf die Errichtung der Kloster in der Wildnis bildete sich im 19 Jahrhundert die Lehre von den hervorragenden Leistungen der Zisterzienser in der Kultivierung nicht oder wenig erschlossener Raume heraus Damit verknupfte sich namentlich in der deutschen Forschung die Ansicht von der kulturellen Ruckstandigkeit aller slawischen Gebiete in der Zeit vor dem Einsetzen der sogenannten deutschen Ostkolonisation des hohen Mittelalters Scharen von Monchen und Konversen hatten sich als Pioniere der Zivilisation und des Deutschtums in den slawischen Einoden niedergelassen und in gemeinsamer Arbeit mit den herbeigerufenen deutschen Bauern im 12 und 13 Jahrhundert ostlich der Elbe terras desertas wuste Landereien in bluhende Kulturlandschaften verwandelt Selbst wenn man den Quellen entnehmen musste dass den Zisterzienser hier schon bestehende Dorfer uberlassen wurden hielt man mit Franz Winter dem Autor des in den Jahren 1869 1871 erschienenen dreibandigen Werkes uber die Zisterzienser des nordostlichen Deutschlands lange daran fest dass die eigentliche Kultivierung der nur von den unfahigen Slawen bzw von armen und faulen Polen bewohnten Lander von den Zisterziensern noch zu leisten war 3 An dieser Stelle machte sich besonders die Zusammenarbeit mit der ebenfalls am Friedrich Meinecke Institut betriebenen Zisterzienserforschung im Rahmen der vergleichenden Ordensforschung bemerkbar Kaspar Elm Dietrich Kurze Lorenz Weinrich Zur Frage nach Stellung und Funktionen der fortlebenden slawischen Bevolkerung und der Bedeutung ihrer Institutionen fur die strukturelle Entwicklung der ostdeutschen Territorien war auf die widerlegte Ausrottungs bzw Vertreibungstheorie hinzuweisen 4 Obwohl sie bereits seit 1900 als wissenschaftlich widerlegt galt war zur selben damaligen Zeit eine Tendenz erkennbar die Bedeutung des slawischen Ethnikums fur die allgemeine geschichtliche Entwicklung der ostdeutschen Lander moglichst gering einzuschatzen Zu der behaupteten geringen Siedlungsdichte hatte die Archaologie seitdem um 1970 gezeigt dass aufgrund starker regionaler Unterschiede generalisierende Aussagen kaum moglich waren 5 Die Einwanderung deutscher Siedler hat zwar die Bevolkerungsdichte vervielfacht war aber bei weitem nicht so gross wie die altere Forschung angenommen hatte 6 Das Verstummen der slawischen Sprache erfolgte regional zu ganz verschiedenen Zeiten und wie lange slawisches Recht weitergelebt hatte war 1980 kaum bekannt Zur negativen Wertung des slawischen Anteils am Landesausbau hatten objektive Daten des Quellenmaterials beigetragen die Kleinraumigkeit slawischer Siedlungen z T mit ausgesprochen gedruckter rechtlicher und sozialer Stellung Kietze Unter den Kossaten fanden sich auch Slawen aber das Kossatentum hat keine Wurzeln in slawischen Institutionen sondern in der norddeutschen Agrarverfassung Ebenso sind Rundlinge nicht ursprunglich slawische Dorfformen sondern entstanden erst durch Umstrukturierungen im Rahmen des Landesausbaus Krenzlin konnte zeigen dass nicht der ethnische Faktor sondern der geomorphologische in Verbindung mit dem wirtschaftlichen die Entwicklung der slawischen Siedlung in der Mark bestimmt hat 7 Die Frage ob die mancherorts rechtlich schlechtere Stellung der Slawen zum Ausbau der Gutsherrschaft oft als Folge der Aufgabe von Dorfgemeinschaften aufgrund spatmittelalterlicher Wustungserscheinungen beigetragen hat zahlte und zahlt zu den ungelosten Fragen Andererseits konnte gezeigt werden dass eine nicht geringe Zahl pommerscher und mecklenburgischer Adelsfamilien auf slawischen Adel zuruckgehen Auf dem Gebiet der stadtischen Siedlung haben lange Zeit die in Deutschland vertretene Kolonisationstheorie und die von polnischen Gelehrten verfochtene Evolutionstheorie in scharfem Gegensatz einander gegenubergestanden Entstanden die deutschrechtlichen Stadte aus wilder Wurzel oder in Anknupfung an slawische praurbane Siedlungskerne Da Schlesinger und Ludat Letzteres in vielen Fallen nachweisen konnten galt die alte Kolonisationstheorie spatestens 1980 als uberholt Die polnische Evolutionstheorie galt damit zwar nicht uneingeschrankt als akzeptiert aber die Standpunkte beider Seiten hatten sich deutlich genahert Der Anteil der Slawen an der stadtischen Burgerschaft war offenbar regional unterschiedlich Bei der Frage nach dem Fortwirken slawischer Institutionen war festzustellen dass die Vogteiverfassung in den nordostlichen Territorien offenbar an slawische Burgbezirke anknupfte 8 ebenso die kirchenrechtliche Organisation der grossflachigen Urpfarreien in Brandenburg setzte sich allerdings sehr schnell das Prinzip der Dorfpfarrei durch Eine elementare Frage war das bisher wenig behandelte sozialpsychologische Verhaltnis der beiden Ethnika zueinander sowohl kleinteilig in den mittelalterlichen Siedlungen als auch generell im nationalen Verhaltnis wahrend des 19 und 20 Jahrhunderts Vorrangig waren der IAG daher historiographisch ideologiekritische Untersuchungen Unter dem Eindruck der erstarkenden panslawistischen Bewegung bei Tschechen Polen und Russen und im Erleben des nationalen Erwachens bei Polen und Tschechen in der Mitte des 19 Jh hatte sich in der deutschen Publizistik und Historiographie immer starker ein Geschichtsbild durchgesetzt das dem deutschen Volk als dem Trager einer angeblich uberlegenen Kultur eine geschichtliche Aufgabe eine politische und kulturelle Mission gegenuber seinen slawischen Nachbarvolkern zuwies Durch alle Jahrhunderte habe das deutsche Volk einen Kampf mit dem Slawentum fuhren mussen um es kulturell und politisch auf eine hohere Stufe zu heben und so dem abendlandischen Westen anzugleichen Dabei habe die deutsche Ostsiedlung eine zentrale Rolle gespielt Diese Kulturtragertheorie ist ideologisch eng verbunden mit den Schlagworten vom deutschen Drang nach Osten von der polnischen Wirtschaft und der slawischen Gefahr Als eines der ersten Ergebnisse der IAG Germania Slavica hat Wippermann hierzu mehrere Aufsatze vorgelegt 9 Was das Neben und Miteinander der slawischen und deutschen Bevolkerung im Mittelalter anbetrifft war und ist vor einem harmonisierenden Bild eines ausschliesslich friedlichen Zusammenlebens zu warnen Derart weitgreifende wirtschaftliche und rechtliche Umbildungen konnen nicht ohne erhebliche Harten fur grossere Bevolkerungsgruppen vor sich gegangen sein in einigen Fallen ist eine Diskriminierung von Slawen auch wahrscheinlich zu machen Oft zitierte Beispiele sind die Vertreibung der Bewohner aus dem slawischen Dorf Ragosen durch die Zisterzienser in Chorin und die Zunftbeschrankungen durch den Wendenparagraphen Bei genauerer Untersuchung zeigt sich jedoch dass es sich eher um Einzelfalle handelt und auch das Ethnikum nicht der vorrangige Grund der Diskriminierung war auch im Westen Europas haben die Zisterzienser bei Eigentumsubernahme Dorfbevolkerungen umgesiedelt 10 Mit diesen Forschungsvorhaben wollte Fritzes Arbeitsgruppe wie schon vorher Schlesinger alte Vorurteile revidieren Vieles von dem dargestellten Forschungsstand hatte obwohl zeitweise schon seit Jahrzehnten vorliegend noch nicht Aufnahme gefunden in das offentliche Geschichtsbewusstsein vom deutsch slawischen Verhaltnis Dies zeigte sich beispielhaft in den zeitgleichen Wanderungen und Fahrten in der Mark Brandenburg 10 Bande 1974 1983 von Hans Scholz damals Feuilleton Chef des Tagesspiegels der vieles von dem unkritisch wiederholte was ein Jahrhundert vorher Theodor Fontane vor Beginn intensiverer Geschichtsforschung uber die Wenden und Zisterzienser viel gelesen in die Welt gesetzt hatte Diese unkritische Wiederholung musste zementierend auf die Kulturtrager Theorie wirken Um von pauschalen Urteilen abzukommen war es erforderlich differenzierend kleinere Gebiete detailliert zu untersuchen Als erste Region wurde aus pragmatischen Grunden vor dem Fall der Berliner Mauer das Havelland gewahlt zu dem Berlin Spandau mit seinem archaologisch gut untersuchten slawischen Burgwall ebenso gehort wie auch die benachbarte deutsche Grundungsstadt Soweit die IAG in ihren Ergebnissen von vorkolonialer Zeit sprach ist nicht der aussereuropaische Koloniebegriff des 19 Jahrhunderts gemeint sondern nach dem lateinischen Ursprung colere anbauen bebauen die innere Landeskultivierung Dasselbe ist zu beachten wenn die Kunstgeschichte die ostelbischen Kirchen des 13 Jahrhunderts als kolonisationszeitliche Architektur bezeichnet Fritze 1991 hat 1984 nach dem 4 Band der Reihe Germania Slavica das vorlaufige Fazit gezogen Eine Geschichte der ostdeutschen Kolonisation zu schreiben wird kunftig kaum noch moglich sein An ihre Stelle muss eine Geschichte des hochmittelalterlichen Landesausbaues im ostlichen Deutschland treten in dem Deutsche und Slawen auf vielfaltige Weise neben und miteinander gewirkt haben Die Germania Slavica als Arbeitsgebiet des GWZO in Leipzig 1995 2007 BearbeitenVon den vier Arbeitsgebieten des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas GWZO in Leipzig tragt das erste den Namen Die Germania Slavica als westlicher Rand Ostmitteleuropas und der mittelalterliche Landesausbau zu deutschem Recht in Ostmitteleuropa Das GWZO entstand 1995 aus Instituten der 1991 aufgelosten Akademie der Wissenschaften der DDR Die Uberleitung der Arbeitsgruppe uber Zwischenlosungen erfolgte auf Initiative von Klaus Zernack FU Berlin Von der Akademie hat die Arbeitsgruppe die Disziplinen Archaologie und Namenkunde von der FU Berlin den Titel und die starkere Beteiligung der Geschichtswissenschaften und den Versuch der Zusammenfuhrung der Ergebnisse ubernommen Dem Grundungsdirektor Winfried Eberhard folgte 1997 Christian Lubke Universitat Greifswald die Koordination der bis zu 15 Mitarbeiter aus den Disziplinen Mittelalterliche Geschichte Archaologie Namenkunde und Kunstgeschichte vor Ort lag seit 2000 bei Matthias Hardt Die Arbeitsgruppe hat sich zunachst auf Mecklenburg konzentriert Das Projekt wurde 2007 abgeschlossen Das GWZO arbeitet an verwandten Fragestellungen weiter Perspektiven BearbeitenForscher wie der Archaologe Sebastian Brather beziehen sich in ihrer Arbeit ausdrucklich auf das Projekt Germania Slavica 11 Dabei geht es z B um die Widerlegung der Urgermanentheorie die eine ununterbrochene germanisch deutsche Besiedlung auch im Mittelalter behauptet Die nur vorubergehend wahrend der Volkerwanderung abgezogenen Germanen seien als inzwischen Deutsche wahrend des Hochmittelalters zum urdeutschen Boden zuruckgekehrt um ihre Kulturmission zu vollenden Seit dem spaten 19 Jahrhundert war die primitive Sachkultur der Slawen zu einem Stereotyp in der Archaologie geworden Die Slawen seien ehemals zu grossen Teilen eine Fischereibevolkerung gewesen sie hatten also den Ackerbau gegenuber der Viehhaltung und der Jagd vernachlassigt Albert Kiekebusch 1870 1935 Armseligkeit Absturz von der germanischen Kultur der Volkerwanderung zur wendischen herab Gustaf Kossinna 1858 1931 armutsvolle Eintonigkeit Wilhelm Unverzagt 1892 1971 slawische Primitivitat Die sich in der Zwischenkriegszeit 1918 1939 haufenden Verweise auf die Primitivitat slawischer Sachkultur sind ein indirekter Reflex der Politik Sie bezogen sich durchaus nicht nur auf die slawische Vorbevolkerung sondern wurden teilweise auch auf den bis heute bestehenden Teil der Germania Slavica die Sorben angewandt Die Kulturlosigkeit der Slawen und ihre Unfahigkeit zur eigenen Staatenbildung schienen starke historische Argumente fur deutsche Territorialanspruche in Ostmitteleuropa zu sein In Deutschland wurden aus den 1918 verlorenen Ostgebieten rasch der deutsche Osten und schliesslich der Ostraum beides eindeutig politische Kampfbegriffe Von da aus war es nur noch ein kurzer Schritt bis zum Anspruch auf weit ausgreifende Eroberung fur den die slawischen Untermenschen bedenkenlos ausgerottet werden durften Als universitares Fach konnte sich die prahistorische nicht die antike Archaologie erst zwischen 1920 und 1950 etablieren Carl Schuchhardt 1859 1943 erkannte dass holzerne Bauten anhand von Pfostenlochern und Balkenspuren im Boden zu erkennen sind Nach 1945 kamen naturwissenschaftliche Analyse und Datierungsverfahren hinzu C14 Datierung Archaobotanik Archaozoologie Mineralogie Geologie Klimatologie Phosphatanalysen von denen die Dendrochronologie den bisher letzten und bedeutungsvollsten Innovationsschub fur die Archaologie in der Germania Slavica darstellt Der derzeitige Forschungsstand ist dargestellt bei Sebastian Brather Archaologie der westlichen Slawen Siedlung Wirtschaft und Gesellschaft im fruh und hochmittelalterlichen Ostmitteleuropa Berlin 2001 Veroffentlichungen der Arbeitsgruppe Germania Slavica der FU Berlin BearbeitenGermania Slavica I hrsg v Wolfgang H Fritze Berlin 1980 Germania Slavica II hrsg v Wolfgang H Fritze Berlin 1981 Germania Slavica III Fruhzeit zwischen Ostsee und Donau Ausgewahlte Beitrage von Wolfgang H Fritze zum geschichtlichen Werden im ostlichen Mitteleuropa vom 6 bis zum 13 Jahrhundert hrsg von Ludolf Kuchenbuch und Winfried Schich Berlin 1982 Germania Slavica IV Barbara Sasse Die Sozialgeschichte Bohmens in der Fruhzeit Historisch archaologische Untersuchungen zum 9 12 Jahrhundert hrsg v Wolfgang H Fritze Berlin 1982 Germania Slavica V Das Havelland im Mittelalter Untersuchungen zur Strukturgeschichte einer ostelbischen Landschaft in slawischer und deutscher Zeit hrsg von Wolfgang Ribbe Berlin 1987 Germania Slavica VI Gertraud Schrage Slaven und Deutsche in der Niederlausitz Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte im Mittelalter Berlin 1990 Siehe auch BearbeitenWestslawen Liste der slawischen Stamme Deutsche Ostsiedlung Limes Sorabicus Limes SaxoniaeBelege Bearbeiten Die polnischen Bergarbeiter im Ruhrgebiet sind eine Erscheinung des 19 Jahrhunderts Vgl sehr ahnlich Crantzius uber seine wendischen Vorfahren Winfried Schich Zur Rolle des Handels in der Wirtschaft der Zisterzienserkloster im nordostlichen Mitteleuropa in der zweiten Halfte des 12 und der ersten Halfte des 13 Jahrhunderts In Zisterzienser Studien 4 Berlin 1979 S 134 Werner Vogel Der Verbleib der wendischen Bevolkerung in der Mark Brandenburg Berlin 1960 Joachim Herrmann Siedlung Wirtschaft und gesellschaftliche Verhaltnisse der slawischen Stamme zwischen oder Neisse und Elbe Berlin 1968 Walther Kuhn Ostsiedlung und Bevolkerungsdichte Munchen 1960 Anneliese Krenzlin Dorf Feld und Wirtschaft im Gebiet der grossen Platten und Taler ostlich der Elbe Remagen 1952 Eberhard Bohm Teltow und Barnim Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte und Landesgliederung brandenburgischer Landschaften im Mittelalter Koln 1978 Wolfgang Wippermann Die Ostsiedlung in der deutschen Historiographie und Publizistik Probleme Methoden und Grundlinien der Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg In Germania Slavica I 1980 hrsg v Wolfgang H Fritze S 41 70 Wolfgang Wippermann Gen Ostland wollen wir reiten Ordensstaat und Ostsiedlung in der historischen Belletristik Deutschlands In Germania Slavica II hrsg v Wolfgang H Fritze S 187 285 Winfried Schich Zum Ausschluss der Wenden in den Zunften nord und ostdeutscher Stadte im spaten Mittelalter In Alexander Demandt Hrsg Mit Fremden leben Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart Munchen 1995 S 122 136 Sebastian Brather Germanen Slawen Deutsche Themen Methoden und Konzepte der fruhgeschichtlichen Archaologie seit 1800 In Auf dem Weg zum Germania Slavica Konzept Perspektiven von Geschichtswissenschaft Archaologie Onomastik und Kunstgeschichte seit dem 19 Jahrhundert hrsg v Sebastian Brather und Christine Kratzke Leipzig 2005 S 27 60 Literatur BearbeitenWolfgang H Fritze Germania Slavica Zielsetzung und Arbeitsprogramm einer interdisziplinaren Arbeitsgruppe In Wolfgang H Fritze Hrsg Germania Slavica Berliner historische Studien Bd 1 Duncker amp Humblot Berlin 1980 ISBN 3 428 04713 3 S 11 40 Felix Biermann Slawische Besiedlung zwischen Elbe Neisse und Lubsza Archaologische Studien zum Siedlungswesen und zur Sachkultur des fruhen und hohen Mittelalters Ergebnisse und Materialien zum DFG Projekt Germanen Slawen Deutsche Universitatsforschungen zur prahistorischen Archaologie Bd 65 Schriften zur Archaologie der germanischen und slawischen Fruhgeschichte Bd 5 Habelt Bonn 2000 ISBN 3 7749 2988 2 Winfried Schich Germania Slavica Die ehemalige interdisziplinare Arbeitsgruppe am Friedrich Meinecke Institut der Freien Universitat Berlin In Jahrbuch fur die Geschichte Mittel und Ostdeutschlands Bd 48 2002 ISSN 0075 2614 S 269 297 Sebastian Brather Christine Kratzke Hrsg Auf dem Weg zum Germania Slavica Konzept Perspektiven von Geschichtswissenschaft Archaologie Onomastik und Kunstgeschichte seit dem 19 Jahrhundert GWZO Arbeitshilfen 3 Leipziger Universitats Verlag Leipzig 2005 ISBN 3 86583 108 7 Winfried Schich Slawen und Deutsche im Gebiet der Germania Slavica In Wieser Enzyklopadie des europaischen Ostens Band 12 Karl Kaser Dagmar Gramshammer Hohl Jan M Piskorski Elisabeth Vogel Hrsg Kontinuitaten und Bruche Lebensformen Alteingesessene Zuwanderer von 500 bis 1500 Wieser Klagenfurt 2010 ISBN 978 3 85129 512 2 S 404 411 PDF 757 kB Stephan Theilig Felix Escher Hrsg Germania Slavica Die slawische Geschichte Brandenburgs und Berlins Begleitheft zur Ausstellung im Rathaus Spandau vom 26 Mai bis 14 Juli 2016 Rombach Verlag Freiburg i Br 2016 ISBN 978 3 7930 9853 9 Weblinks BearbeitenProjekt Germania Slavica am GWZO Germania Slavica im Bibliotheks und Bibliographieportal Herder Institut Marburg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Germania Slavica amp oldid 237394580