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Zinsverbot bezeichnet das im Alten Testament der Bibel und im Koran ausgesprochene Verbot Zinsen zu verlangen Dieses Verbot galt uber lange Zeit auch im Christentum wurde spater jedoch abgeschwacht bzw ganz aufgehoben Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Geschichte 2 1 Erste Zinseinschrankungen 2 2 Altes Testament 2 3 Neues Testament 2 4 Christliche Konfessionen 2 5 Zinsverbote im fruhen und mittelalterlichen Judentum 2 6 Islam 2 7 Lockerungen und Aufhebung im Christentum ab 1500 3 Zinsverbot im Staatsrecht 3 1 Deutschland 3 2 Europa 3 3 Fortbestand in islamischen Staaten 4 Siehe auch 5 Literatur 5 1 Mittelalter und fruhe Neuzeit 5 2 Judentum 5 3 Islam 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenDass uberhaupt der Kreditgeber vom Kreditnehmer Kreditzins fordern darf ist auf die wirtschaftliche Uberlegung zuruckzufuhren dass der Kreditgeber wahrend der Kreditlaufzeit selbst auf die Nutzung seines Kapitals verzichtet und deshalb keine Gewinne oder Ertrage aus einer alternativen Geldanlage erzielen kann Der Kreditzins ist deshalb volkswirtschaftlich als Opportunitatskosten fur eine entgangene Nutzung einzustufen 1 In der Volkswirtschaftslehre stellt der Zins den Preis fur den Produktionsfaktor Kapital dar Geld oder Kapital sind knappe Guter so dass sie einen Preis erzielen In der Betriebswirtschaftslehre gehort das Zinsennehmen zum Grundprinzip der Wirtschaftlichkeit Diese wirtschaftlichen Argumente haben die Verfechter des Zinsverbots ubersehen oder verneint Bei ihnen genoss der Schuldnerschutz Vorrang Denn das Zinsverbot beruhe auf der Uberlegung dass insbesondere durch Zinseszins ein exponentielles Wachstum eintrete durch das der Schuldner in den Ruin getrieben werde Dem Schuldnerschutz dienten deshalb gesetzliche Hochstzinsen Verbot des Zinswuchers Zinseszinsverbote und absolute Zinsverbote Geschichte Bearbeiten Hauptartikel Geschichte im Artikel Zins Erste Zinseinschrankungen Bearbeiten Die fruhen Erfahrungen mit dem Zins fielen nicht immer positiv aus denn sein exponentielles Wachstum insbesondere beim Zinseszins konnte die Schuldner ausbeuten und in den Ruin treiben Mit Hochstzinsen versuchten die Regierungen dieses Zinsrisiko fur den Schuldner zu begrenzen oder durch Zinsverbote ganz abzuschaffen So kannte bereits das babylonische Zinsrecht regulare Zinsen Verzugszinsen Zinsschranken und Zinsverbote 2 Fur ein Zinsverbot traten Platon und sein Schuler Aristoteles ein Platon war der Auffassung dass die Zinseinnahme den Staat schadige 3 fur Aristoteles galt das Zinsennehmen als moralisch schlechtes wirtschaftliches Handeln Chrematistik 4 Aristoteles empfand den Zins gesamtwirtschaftlich als Illusion weil die Geldmenge durch den Zins nicht vermehrt werde denn dem Zinsertrag des Glaubigers stehe der gleiche Zinsaufwand des Schuldners gegenuber 5 Das romische Recht kannte als Regelfall mit dem Mutuum ein zinsloses Darlehen meist aus Gefalligkeit an Verwandte oder Freunde bei dem Zinsen nur durch eine besondere Stipulation erhoben werden konnten Fur den Darlehenszins verwendeten die Romer lateinisch usura oder lateinisch fenus 6 Es handelte sich zunachst um eine Gebuhr fur die Vermietung einer vertretbaren Sache lateinisch res fungibilis Zinseszinsen lateinisch usurae usurarum unterlagen seit Ulpian um 222 nach Christus einem Verbot Altes Testament Bearbeiten Der Tanach die hebraische Bibel bzw das Alte Testament schreibt ein Verbot des Zinsnehmens in mehrfach belegten Varianten fest 7 Das judische Bundesbuch verbot den Zins bei Krediten an Arme Ex 22 24 EU Falls du einem aus meinem Volk dem Elenden bei dir Geld leihst dann sei gegen ihn nicht wie ein Glaubiger ihr sollt ihm keinen Zins auferlegen Die ubliche Forschungsmeinung sieht hier eine Regelung die ursprunglich auf verelendete Verwandte und Nachbarn bezogen war nun aber durch den Einschub von meinem Volk ausgeweitet wurde 8 Das Deuteronominum verlangt Du sollst von Deinen Volksgenossen keinen Zins nehmen weder Zins fur Geld noch Zins fur Speise noch Zins fur irgendetwas was man leihen kann Dtn 23 20 EU Unter Volksgenossen verstand der Tanach nur die Juden Daraus folgerte man dass Juden Kredite an Nichtjuden verleihen durften Das stellt Dtn 23 21 EU klar Von einem Auslander darfst du Zinsen nehmen Auch das so genannte Heiligkeitsgesetz nach verbreiteten Forschungshypothesen eine Rechtsschrift der Priesterschrift formuliert ein Zinsverbot In Lev 25 36 37 ELB heisst es Und wenn dein Bruder d i ein Mitglied des Volksverbands verarmt und seine Hand neben dir wankend wird dann sollst du ihn unterstutzen wie den landlosen Fremden hebraisch ger und Beisassen hebraisch toschab d h ein nichtjudischer Ortsansassiger damit er neben dir leben kann Du sollst nicht Zins von ihm nehmen und sollst dich furchten vor deinem Gott damit dein Bruder neben dir lebt Dein Geld sollst du ihm nicht gegen Zins hebraisch neshek wortlich Abbiss geben und deine Nahrungsmittel sollst du nicht gegen Aufschlag hebraisch marbit geben Die bibelwissenschaftliche Forschung sieht hierbei eine Ausweitung solidarischer zinsfreier Kredite nicht nur fur Verwandtschaft und Sippe sondern das gesamte Gottesvolk wie auch Fremde und Beisassen 9 Das Zinsverbot steht im Buch Levitikus auch im Zusammenhang mit den Regeln zum Sabbatjahr und zum Schuldenerlass Ein solcher Bezug nicht nur auf den Familienverband sondern das gesamte Volk wird im deuteronomischen Gesetzeswerk bereits vorausgesetzt In Dtn 23 20 21 ELB heisst es Du sollst deinem Bruder keinen Zins hebraisch neshek auferlegen Zins fur Geld Zins fur Speise Zins fur irgendeine Sache die man gegen Zins ausleiht Dem Fremden hebraisch nochri d h einem Auslander der nur vorubergehend im Land weilt magst du Zins auferlegen aber deinem Bruder darfst du nicht Zins auferlegen damit der Herr dein Gott dich segnet in allem Geschaft deiner Hand in dem Land in das du kommst um es in Besitz zu nehmen Wahrend z B noch Max Weber in einer Stellungnahme in der Sonderregelung fur Fremde eine Unterscheidung von Binnenmoral und Aussenmoral sah und damit antijudischen Stereotypen entsprach 10 sieht die bibelwissenschaftliche Forschung hier die Unterscheidung zweier Kreditarten namlich zinslosen Notkredit und verzinsbaren Handelskredit mit Gewinnabsicht wie sie wohl im kleinen Juda faktisch Sache von Auslandern waren 11 Auch in Schriften der alttestamentlichen Propheten den Nevi im findet sich das Verbot von Zinsen So rechnet dies der Prophet Ezechiel zu jenen Sunden die ein Gerechter unterlassen musse Ez 18 5 17 ELB Ez 22 12 EU Die Ketuvim enthalten ebenfalls Bezugnahmen auf ein Zinsverbot so in Ps 15 5 ELB oder Spr 28 8 ELB Das im Alten Testament wahrscheinlich nur gegenuber Notleidenden geltende Zinsverbot wurde in Elephantine und wohl auch in Palastina nach der Mischna 12 nicht befolgt und im talmudischen Recht umgangen 13 Die Ubersetzung zu Dtn 23 20 EU Du sollst nicht wuchern weder mit Geld noch mit Speise stammt aus der zwischen 1522 und 1542 von Martin Luther zu Zeiten des Zinsverbots erstellten Bibelubersetzung Lutherbibel so dass man unter Wuchern den Zins selbst verstand Neues Testament Bearbeiten Im Neuen Testament ist von einem generellen und absoluten Zinsverbot keine Rede Jesus Christus sprach vielmehr ganz unbefangen von Geld und Zins Dann hattest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen und wenn ich gekommen ware hatte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen Mt 25 27 EU Ein Mann warf seinem Diener vor Warum hast du dann mein Geld nicht auf die Bank gebracht Dann hatte ich es bei der Ruckkehr mit Zinsen abheben konnen Lk 19 23 EU Ein Zinsverbot findet sich aber bei Lukas Er forderte gebt ein Darlehen aber erhofft Euch keine Gewinne davon lateinisch Mutuum date nihil inde sperantes Lk 6 35 EU Und wenn ihr nur denen Gutes tut die euch Gutes tun welchen Dank wollt ihr dafur erwarten Das tun auch die Sunder Und wenn ihr nur denen etwas leiht von denen ihr es zuruckzubekommen hofft welchen Dank wollt ihr dafur Auch die Sunder leihen Sundern in der Hoffnung alles zuruckzubekommen Ihr aber sollt eure Feinde lieben und Gutes tun und leihen auch wo ihr nichts dafur erhoffen konnt Lk 6 33 35 EU Christliche Konfessionen Bearbeiten Mit Aufkommen des Christentums stiess die Zinszahlung auf heftige Kritik der fruhen Kirche denn in Not geratene bedurftige Personen sollten zinslose Darlehen bekommen Lev 25 36 37 EU Gestutzt auf Lukas s o forderten Johannes Chrysostomos um 344 407 und Augustinus von Hippo 354 430 einen volligen Zinsverzicht 14 Fur Kleriker bestand das kanonische Verbot seit dem Konzil von Arles und dem okumenischen Konzil von Nicaa 325 Ein Verstoss dagegen hatte die Exkommunikation Ausweisung aus der Gemeinde Verweigerung des kirchlichen Begrabnisses oder Versagung der Absolution zur Folge 15 Bereits Papst Leo der Grosse bemerkte nach 440 dass des Geldes Zinsgewinn der Seele Tod sei lateinisch fenus pecuniae funus est animae Das Kirchenrecht Synode von Arles 314 I Konzil von Nikaia 325 verbot den Klerikern das Zinsgeschaft unter Exkommunikation und Herabstufung Als eigentlicher Ausgangspunkt des Zinsverbots gilt das Gebot im 5 Buch Mose Du sollst von deinem Bruder nicht Zins nehmen weder fur Geld noch fur Speise noch fur alles wofur man Zinsen nehmen kann Dtn 23 20 21 EU Usura erhielt in der Kirchensprache die Konnotation fur verbotenen Zins 16 Das kanonische Recht erklarte Zinseinnehmen fur Raub lateinisch si quis usuram acceperit rapinam facit vita non vivit 17 Karl der Grosse erklarte folglich in seiner Allgemeinen Ermahnung lateinisch Admonitio generalis im Marz 789 das Zinsverbot zum weltlichen Verbot 18 Im Ubrigen wurde zwischen unzulassiger lateinisch usura und zulassigem lateinisch interesse unterschieden So war auch bei einem Darlehen eine Zinsvereinbarung zulassig wenn dem Geldgeber ein Vorteil entging lateinisch lucrum cessans er einen Schaden erlitt lateinisch damnum emergens oder die Gefahr des Kapitalverlusts lateinisch periculum sortis bestand Ein Fall des damnum emergens ist z B die Vereinbarung einer Strafgebuhr fur die verspatete Ruckzahlung eines zinslosen befristeten Darlehens Der orthodoxe Patriarch Photios I hielt vor 863 das christliche Zinsverbot fur falsch und liess Verzugszinsen ausdrucklich zu der byzantinisch orthodoxe Rechtsgelehrte Theodoros Balsamon liess die Zinsen griechisch tokos Junges nach 1193 als Interesse gelten heute noch im Englischen und Franzosischen gebrauchlich und auch zeitweise im Deutschen 19 Das II Laterankonzil verurteilte 1139 die Raffgier der Geldverleiher und drohte die Exkommunikation an das III Laterankonzil bestatigte dies noch einmal und verbot zudem ein christliches Begrabnis Der Hintergrund war eine immer starkere Verbreitung unter den Christen Auch das IV Laterankonzil 1215 unter Papst Innozenz III erneuerte das Verbot verzichtete aber auf ein absolutes Verbot und zielte nur auf den Wucher durch uberhohten Zins weil die herrschende Praxis zu sehr davon abwich Thomas von Aquin hielt zwar um 1268 in seiner Sundenlehre der Summa theologiae das Zinsennehmen an sich fur ungerecht II II Quaestio 78 1 20 Auch Geistliche verliehen jedoch immer wieder Geld gegen Zinsen so der Templerorden Ritterorden Der Bischof von Brixen Melchior von Meckau war im Spatmittelalter einer der grossen Glaubiger des Fuggerhauses Das kanonische Zinsverbot erlaubte aber den Rentenkauf den erstmals 1270 das Hamburger Stadtrecht als durch Wiederkauf ablosbar anerkannte Als Umgehung des Zinsverbots galt der Zinskauf den Papst Martin V im Juli 1425 als legitim bestatigte Die Entwicklung des Bankwesens in Italien bspw durch die Lombarden ab dem 13 Jahrhundert zeigt dass die Christen das Geschaft professionell ubernahmen Das weltliche Recht kannte faktisch kein Zinsverbot mehr 21 Martin Luther nahm im November 1519 mit Eyn Sermon vom Wucher zum Zinsproblem Stellung Das leyhen odder borgen soll geschehen frey an ohne allen auffsatz und beschwerung Zinsen 22 Bereits 1532 erkannte das Reichskammergericht an dass neben einem Darlehen auch das aufgelauffen Interesse zu bezahlen schuldig sei 23 Ganz aufgehoben wurde das Zinsverbot in der Baha i Religion Zinsverbote im fruhen und mittelalterlichen Judentum Bearbeiten In der kasuistischen Diskussion des Talmud werden einige der angefuhrten Stellen der hebraischen Bibel naher prazisiert und das Zinsverbot weiter verscharft bzw ausgeweitet 24 So bezieht Baba mezia 59b die Norm aus Ex 22 24 auch auf den landlosen Fremden hebr ger Der Unterschied von judischen oder nichtjudischen Schuldnern entfallt vgl Baba mezia 70b 71a 25 Makkot 24a 26 Papst Alexander III gestattete den Juden 1179 ausdrucklich das Zinsgeschaft Sie waren eine kurze Zeit im mittelalterlichen Europa die Einzigen die nach Kanonischem Recht gewerbsmassig Geld verleihen durfte Den Juden legten christliche Obrigkeiten vor allem ab dem Spatmittelalter diverse Verbote auf Handwerk und ahnliches auszuuben u a durch den sog Zunftzwang und untersagten ebenso vielfach den Grundbesitz Daher waren vor allem die europaischen Juden haufig als Geldverleiher tatig 27 Da die wenigsten Kleingewerbe ohne Kredit auskamen wurden Juden besonders in okonomischen Krisen als Wucherer betrachtet und beschimpft So entwickelte sich im Antijudaismus des Mittelalters das Stereotyp des reichen habgierigen betrugerischen Juden des Geldjuden Der allergrosste Teil der judischen Bevolkerung lebte in armlichen Verhaltnissen so dass sie gar nicht uber die Mittel verfugten um als Geldverleiher aufzutreten Es gab aber zweifellos einige wenige beguterte Juden die neben den viel zahlreicheren christlichen Geldverleihern tatig waren was weder den Bezug zu Juden noch eine Verallgemeinerung zulasst 28 Wahrend zur Begrundung des Zinsverbots auch in der christlichen Literatur vorwiegend die erwahnten Texte des Alten Testaments dienten gab es unter judischen Autoritaten gelegentlich den Hinweis dass aufgrund der erduldeten Repressalien fur Juden insbesondere das strikte talmudische Zinsverbot temporar als ausser Geltung zu betrachten sei so etwa Jakob ben Meir 29 Juden brauchten die christlichen Regeln des Wucherverbots nicht zu befolgen und spezialisierten sich deshalb im Hochmittelalter zu Geldverleihern Ihnen erlaubte die Thora Zinsgeschafte hebraisch עניין mit Angehorigen anderer Religionen 30 Die judische Auslegung der Thora durch die Tannaim brachte eine erhebliche Verscharfung des biblischen Zinsverbots mit sich 31 denn es erfasste alle Arten von Kreditgeschaften den Lieferantenkredit den Terminkauf oder den Sachdarlehensvertrag Islam Bearbeiten Hauptartikel Riba Der Islam forderte nach 622 n Chr dazu auf nicht Zins arabisch riba Zuwachs Vermehrung zu nehmen indem die Glaubiger in mehrfachen Betragen wiedernehmen was sie ausgeliehen haben Koran Sure 3 130 32 Gleich mehrere Suren befassen sich mit dem Zinsverbot In Sure 2 275 erklart Allah den Kaufvertrag arabisch bayʿ fur zulassig halal und den Zins riba fur verboten haram Nach Sure 2 279 hat der Kreditnehmer dem Kreditgeber nur das Kapital zuruckzuerstatten Sure 30 39 klart auf dass das mit Zins Verliehene zwar die Vermogenswerte der Menschen vermehre nicht aber bei Gott Beim islamischen Zinsverbot ist es bis heute in der Scharia geblieben Das Zinsverbot des Koran trifft die Kreditgewahrung riba n nasiʾa wahrend sich die Sunna mehrfach fur das Zinsverbot bei Handelsgeschaften riba l fadl ausspricht 33 Da sich der Islam als gottliches Regelwerk sieht dessen wichtigstes Heilsmittel in der Erfullung der gottlichen Vorschriften besteht ist die Einhaltung des Zinsverbots zentraler Bestandteil der Religion Infolgedessen sind alle zinstragenden Geschafte verboten Hingegen sind alle Ertrage akzeptabel welche auf einem Handel oder einer Investition in ein bestimmtes Produkt beruhen Zugelassen sind also Handelsfinanzierungen Risikokapitalvergaben Vermietungen Leasing und der Rohstoffhandel Die gebrauchlichste Investitionsform ist allerdings der Kauf von Aktien privater und offentlicher Unternehmen denn Dividenden gelten nicht als Zinsen weil die Aktionare keinen Rechtsanspruch darauf besitzen und Dividenden einen erlaubten Gewinn darstellen Im Islam gibt es eine Vielzahl von Rechtskniffen Hiyal arabisch حيلة hila pl حيل hiyal um die Schari a Bestimmungen zu umgehen Umgehungen dieser Art finden sich in der islamischen Rechtspraxis haufig sie sind eines der Mittel die finanziellen Aktivitaten schari a konform zu gestalten Lockerungen und Aufhebung im Christentum ab 1500 Bearbeiten Weltliche Lockerungen des Zinsverbots traten durch die Reichsabschiede von 1500 Legitimation des Zinskaufs Verbot von Wucherzinsen 1548 Hochstzins fur Christen und Juden 5 und 1577 faktische Aufhebung des Zinsverbots von 1530 ein die nach ihrem Wortlaut einen Zins von funf Prozent auch fur den Rentenkauf erlaubten was die Allgemeinheit jedoch auch auf Darlehen bezog Im Jahre 1638 pladierte der Universalgelehrte Claudius Salmasius fur die Zulassigkeit des Zinses 34 Das Reichskammergericht erkannte den Darlehenszins erstmals nach dem Jungsten Reichsabschied von 1654 als einklagbar an 35 Im Westfalischen Frieden von 1648 wurden mit funf Prozent verzinste Darlehen fur zulassig erklart Im Anschluss daran hielt die deutsche Rechtswissenschaft das Zinsverbot fur gewohnheitsrechtlich abgeschafft Im Jahre 1698 sprach sich der niederlandische Jurist Gerhard Noodt gegen das Zinsverbot aus Er begrundete dies damit dass der Erlos aus verliehenem Geld eigentlich dem Eigentumer zustehe so dass es gerecht sei den Eigentumer durch Zinsen zu entschadigen 36 Das biblische Zinsverbot hielt Noodt fur unbeachtlich da es kein ius gentium sei sondern nur fur die Juden untereinander gelte so dass Christen Zinsen nehmen durften Noch 1745 wandte sich Papst Benedikt XIV in der an die hohe Geistlichkeit Italiens adressierten Enzyklika Vix pervenit entschieden gegen den Zins In 3 Absatz I heisst es mit Bezug auf Lukas s o Die Sunde die usura heisst und im Darlehensvertrag ihren eigentlichen Sitz und Ursprung hat beruht darin dass jemand aus dem Darlehen selbst fur sich mehr zuruckverlangt als der andere von ihm empfangen hat Jeder Gewinn der die geliehene Summe ubersteigt ist deshalb unerlaubt und wucherisch Die romisch katholische Kirche hob das kanonische Zinsverbot offiziell erst 1822 auf Dies wurde von Papst Pius VIII in einem Schreiben vom 18 August 1830 an den Bischof von Rennes bestatigt Zinsverbot im Staatsrecht BearbeitenDie Aussagen des Kirchenrechts zum Zinsverbot gelten in sakularen Staaten nicht unmittelbar auch im Rechtswesen Hier sorgen erst Rechtsnormen wie Gesetze fur Regelungen zum Zinsrecht In der islamischen Welt ist die Trennung bis heute nicht gegeben Deutschland Bearbeiten Ein allgemeines Zinsverbot gibt es nicht Ein spezifisches Zinsverbot fur Geschaftsguthaben bei Genossenschaften ist in 21 GenG enthalten Vom ehemaligen christlichen Zinsverbot ist im heutigen deutschen Recht nur noch das Zinseszinsverbot in 248 BGB verankert Danach durfen Zinseszinsen nur fur Habenzinsen auf Einlagen bei Kreditinstituten sowie fur Kreditzinsen auf Hypothekendarlehen von Pfandbriefbanken vereinbart werden Europa Bearbeiten In England verbot Heinrich VII noch 1512 den Zins englisch usury und erklarte alle bisherigen zinstragenden Geschafte fur nichtig Doch Heinrich VIII legalisierte nach seinem Bruch mit dem Papst 1552 vorubergehend die Zinszahlung in England die offizielle Aufhebung folgte 1571 37 es galt ein Hochstzinssatz von zehn Prozent 38 In Frankreich blieb der Darlehenszins genau 1000 Jahre nach Karl dem Grossen bis zum 12 Oktober 1789 verboten seitdem galt eine Hochstgrenze von 5 In der nicht islamischen Welt gibt es gesetzliche Zinsen fur den Fall dass sie vertraglich nicht vereinbart sind etwa Deutschland Osterreich Schweiz Italien oder Frankreich oder auch nicht Common Law Das hat zur Folge dass selbst bei vertraglich nicht vereinbarten Zinsen der gesetzlich vorgeschriebene Zins gilt Ist in England ein Zins vertraglich nicht vereinbart steht hingegen ein gesetzlicher Zins nicht zur Verfugung Das englische Recht bekennt sich zur Zinsfreiheit gegen Zinsschranken oder Zinsverbote anderer Lander hat es allerdings nichts einzuwenden 39 Fortbestand in islamischen Staaten Bearbeiten Ein gesetzliches Zinsverbot kennt die Scharia im islamischen Kulturkreis nur dort wo sie streng und umfassend angewandt wird Im Jahre 1992 sah bspw das pakistanische Bundes Schariagericht in allen Formen des Zinsennehmens einen Verstoss gegen die Scharia 40 41 Dort gilt das Zinsverbot als Hauptcharakteristikum der islamischen Wirtschaftsordnung Solange Muslime in Geschaftsbeziehung untereinander stehen entspricht das Zinsverbot dem gemeinsamen Rechtsverstandnis aller Vertragspartner Ein Konflikt tritt jedoch auf wenn das islamische Zinsverbot auf die generelle Zinserlaubnis in der nicht islamischen Welt trifft Getroffene Zinsabreden widersprechen dem Zinsverbot stellen eine ungerechtfertigte Bereicherung dar 42 und sind deshalb nichtig 43 Das islamische Zinsverbot gilt auch bei Geschaften zwischen Muslimen und Nichtmuslimen Will der nicht islamische Kreditgeber vom islamischen Kreditnehmer Zinsen verlangen und auch vollstreckbar durchsetzen ist Kollisionsrecht anzuwenden Als Jurisdiktion bietet sich englisches Recht englisch the courts of England an Insbesondere der internationale Kreditverkehr und der Interbankenhandel sind hiervon betroffen Aus diesem Grunde hat sich innerhalb des islamischen Finanzwesens ein islamisches Bankwesen entwickelt das bei Bankgeschaften scharia konforme Gestaltungen anbietet Hierzu gehoren die Handelsfinanzierung durch eine als Kaufer zwischengeschaltete Bank arabisch murabaha die Beteiligungsfinanzierung durch eine stille Gesellschaft arabisch mudaraba die Anleihe arabisch sukuk oder das Leasing arabisch idschara Bei diesen Formen wird der verbotene Kreditzins durch einen Zuschlag englisch add on ersetzt der genau der Kreditmarge entspricht Nach dem Bilanzierungsgrundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise englisch substance over form der sowohl im Handelsgesetzbuch HGB 246 Abs 1 Satz 2 HGB als auch in den IFRS IFRS 9 IFRS 10 gilt durfen diese Zuschlage bei den Glaubigern Leasinggebern als Kreditzins oder Leasinggebuhren verbucht werden Seit 2001 decken islamische Grossunternehmen aus der Golfregion ihren Kapitalbedarf an Krediten durch Bankenkonsortien die sich aus islamischen Banken aus der Golfregion und internationalen Grossbanken zusammensetzen Diesen Kreditvertragen werden die Standardvertrage der Loan Market Association unter Beteiligung internationaler Anwaltskanzleien zugrunde gelegt Siehe auch BearbeitenZinssatzung Monte di Pieta Kapitalismuskritik Brechung der ZinsknechtschaftLiteratur BearbeitenMittelalter und fruhe Neuzeit Bearbeiten John T Noonan The scholastic analysis of usury Harvard University Press Cambridge MA 1957 Eric Kerridge Usury Interest and the Reformation Ashgate Aldershot u a 2002 ISBN 0 7546 0688 0 St Andrews studies in Reformation History Jacques Le Goff Wucherzins und Hollenqualen Okonomie und Religion im Mittelalter 2 erweiterte Aufl Stuttgart 2008 eingeleitet von Johannes Fried ISBN 978 3 608 94468 6 Judentum Bearbeiten Klaus Werner Das israelitische Zinsverbot Seine Grundlagen in Torah Mischnah und Talmud In Johannes Heil Bernd Wacker Hrsg Shylock Zinsverbot und Geldverleih in judischer und christlicher Tradition Fink Munchen 1997 ISBN 3 7705 3160 4 S 11 20 Islam Bearbeiten Andreas Abu Bakr Rieger Weg mit dem Zins Kai Homilius Verlag Werder Havel 2011Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Zinsverbot Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Norman Jones Usury EH Net Encyclopedia 2008 Einzelnachweise Bearbeiten Helmut Wienert Grundzuge der Volkswirtschaftslehre 2008 S 77 f Josef Kohler Arthur Ungnad Hammurabi s Gesetz Band III 1909 S 307 324 f Platon Nomoi 5 742 C E Aristoteles Politik 1 9 1257a ff Aristoteles Politik 1 8 1258b Peter Landau Zins In Handworterbuch zur dt Rechtsgeschichte Band 5 1996 Sp 1709 Miroslav Varso Interest usury and its variations in the biblical law codices In Communio Viatorum 50 3 2008 S 323 338 Mark E Biddle The biblical prohibition against usury In Interpretation 65 2 2011 S 117 127 e Text Memento vom 5 November 2013 im Internet Archive bei HighBeam Research Bernard J Meislin Morris L Cohen Backgrounds of the Biblical Law against Usury in Comparative Studies in Society and History 6 3 1964 S 250 267 Digitalisat bei jstor Isac Leo Seeligmann Darlehen Burgschaft und Zins in Recht und Gedankenwelt der hebraischen Bibel in ders Erhard Blum Hrsg Gesammelte Studien zur Hebraischen Bibel Mohr Siebeck Tubingen 2004 S 319 348 Haim Hermann Cohn u a Artikel Usury In Encyclopaedia Judaica 2 Auflage Bd 20 S 337 444 e Text Memento vom 5 November 2013 im Internet Archive bei HighBeam Research Vgl Rainer Kessler Zins Zinsverbot In Michaela Bauks Klaus Koenen Stefan Alkier Hrsg Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet WiBiLex Stuttgart 2006 ff Abschnitt 2 1 1 Vgl Rainer Kessler Zins Zinsverbot In Michaela Bauks Klaus Koenen Stefan Alkier Hrsg Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet WiBiLex Stuttgart 2006 ff Abschnitt 2 1 2 Vgl dazu M Leutzsch Das biblische Zinsverbot In Rainer Kessler E Loos Hrsg Eigentum Freiheit und Fluch Okonomische und biblische Einwurfe Gutersloh 2000 S 107 144 hier 125 127 Rainer Kessler Zins Zinsverbot In Michaela Bauks Klaus Koenen Stefan Alkier Hrsg Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet WiBiLex Stuttgart 2006 ff Abschnitt 2 1 3 Rainer Kessler Zins Zinsverbot In Michaela Bauks Klaus Koenen Stefan Alkier Hrsg Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet WiBiLex Stuttgart 2006 ff Abschnitt 2 1 3 Mischna Pea l lb Klaus Beyer Die aramaischen Texte vom Toten Meer Band 2 2004 S 201 Herbert Frost Manfred Baldus Martin Heckel Stefan Muckel Ausgewahlte Schriften zum Staats und Kirchenrecht 2001 S 274 Hans Jurgen Becker Zinsverbot In Handworterbuch zur dt Rechtsgeschichte Band 5 1996 Sp 1719 ff Rolf Sprandel Zins IV in Theologische Realenzyklopadie XXXVI 2004 Sp 681 Karl Friedrich Ferdinand Kniep Die Mora des Schuldners nach Romischem und heutigem Recht Band 2 1872 S 228 Christian Braun Vom Wucherverbot zur Zinsanalyse 1150 1700 1994 S 36 ff Karl Friedrich Ferdinand Kniep Die Mora des Schuldners nach Romischem und heutigem Recht Band 2 1872 S 234 accipere usuram pro pecunia mutuata est secundum se iniustum quia venditur id quod non est per quod manifeste inaequalitas constituitur quae iustitiae contrariatur Zins zu nehmen fur geborgtes Geld ist in sich ungerecht weil dasjenige verkauft wird was nicht da ist wodurch offenbar eine Ungleichheit entsteht die der Gerechtigkeit zuwiderlauft Thomas von Aquin Summa Theologiae II II 78 1 1268 Johannes Fried Einleitung Zins als Wucher In Jacques Le Goff Hrsg Wucherzins und Hollenqualen Okonomie und Religion im Mittelalter 2 vollig uberarb und erw Auflage Stuttgart 2008 ISBN 978 3 608 94468 6 S 135 143 Martin Luther WA 6 47 13 1520 Gottfried von Meiern Gedanken von der Rechtmassigkeit des sechsten Zins Thalers in Deutschland 1732 S 111 f Rainer Kessler Zinsverbot und Zinskritik Geltungsbereich und Begrundung In Ingo Kottsieper Rudiger Schmitt Jakob Wohrle Hrsg Beruhrungspunkte Studien zur Sozial und Religionsgeschichte Israels und seiner Umwelt Festschrift fur Rainer Albertz zu seinem 65 Geburtstag Ugarit Verlag Munster 2008 S 133 149 Vgl die Englische Ubersetzung von S Daiches H Freedman hrsg I Epstein e Text als Buchausgabe bei Soncino Press 1967 Zur rabbinischen und gaonischen Diskussion und Praxis bzgl Zins und Wucher ausfuhrlich R P Maloney CM Usury in Greek Roman and Rabbinic Thought In Traditio 27 Fordham University Press New York 1971 S 79 109 Digitalisat bei jstor Jacob Neusner Aristotle s economics and the Mishnah s economics The matter of wealth and usury In Journal for the Study of Judaism in the Persian Hellenistic and Roman Period 21 1 1990 S 41 59 Hans Georg von Mutius Taking interest from non Jews Main problems in traditional Jewish law In Michael Toch Hrsg Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Juden Oldenbourg Munchen 2008 S 17 23 Hillel Gamoran The Tosefta in light of the law against usury In Jewish Law Association Studies 9 1997 S 57 78 Hillel Gamoran Mortgages in Geonic times in light of the law against usury In Hebrew Union College Annual 68 1997 S 97 108 Vgl an Uberblicks und Spezialstudien Hans Jorg Gilomen Die okonomischen Grundlagen des Kredits und die christlich judische Konkurrenz in Spatmittelalter In Eveline Brugger Birgit Wiedl Hrsg Ein Thema zwei Perspektiven Juden und Christen in Mittelalter und Fruhneuzeit Studien Verlag Innsbruck 2007 S 139 169 Stefan Schima Das kanonische Zinsrecht und die Juden In Institut fur judische Geschichte Osterreichs Hrsg Zinsverbot und Judenschaden Judisches Geldgeschaft im mittelalterlichen Aschkenas Wien 2010 S 20 27 Martha Keil Geldleihe und mittelalterliche judische Gemeinde In Ebd Zinsverbot und Judenschaden S 28 35 Uber den Wucher judischer und christlicher Geldverleiher Judisch Historischer Verein Augsburg Abgerufen am 15 August 2020 Vgl z B Kurt Schubert Christentum und Judentum im Wandel der Zeiten Bohlau Wien Koln Weimar 2005 S 97 et passim Digitalisat in der Google Buchsuche Zur weiteren Diskussion Hillel Gamoran The decline and fall of the interest ban In CCAR Journal A Reform Jewish Quarterly 57 2 New York 2010 S 103 112 Daniel Z Feldman The Jewish prohibition of interest Themes scopes and contemporary applications In Aaron Levine The Oxford Handbook of Judaism and Economics Oxford University Press New York 2010 S 239 254 Yechiel Grunhaus The laws of usury and their significance in our time In Journal of Halacha and Contemporary Society 21 1991 S 48 59 Rudolph Franke Die Entwicklung des Darlehenszinses in Frankreich 1996 S 66 Eberhard Klingenberg Das israelische Zinsverbot 1977 S 57 ff Steffen Jorg Das Zinsverbot in der islamischen Wirtschaftsordnung 2015 S 54 Volker Nienhaus Islam und moderne Wirtschaft 1982 S 205 Claudius Salmasius De Usuris liber 1638 S 614 Karl Friedrich Ferdinand Kniep Die Mora des Schuldners nach Romischem und heutigem Recht Band 2 1872 S 229 Gerhard Noodt De Foenore et Usuris Libri III 1698 S 265 ff David Hume The History of England 1754 Chapter 44 Appendix 3 Richard David Richards The Early History of Banking in England 1929 S 19 f Oliver Brand Das internationale Zinsrecht Englands 2002 S 135 Mahmood ur Rahman Faisal and Others Petitioners Versus Secretary Ministry of Law Justice and Parliamentary Affairs Government of Pakistan in der Sammlung Pakistan Legal Decisions P L D Jg 1992 dazu Muḥammad Munir Precedent in Islamic Law with Special Reference to the Federal Shariat Court and the Legal System in Pakistan In Islamic Studies herausgegeben vom Islamic Research Institute International Islamic University Islamabad Jg 47 2008 S 445 482 hier S 461 462 Martin Lau The role of Islam in the legal system of Pakistan Nijhoff Leiden 2006 ISBN 90 04 14927 9 darin Kapitel 8 Islamisation of Law in Practice II S 143 174 Ibrahim Nedim Dalkusu Grundlagen des zinslosen Wirtschaftens 1999 S 100 Barbara L Seniawski Riba Today Social Equity the Economy and Doing Business Under Islamic Law In Columbia Journal of Transnational Law 2001 S 701 709 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4140605 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zinsverbot amp oldid 235705666