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Brechung der Zinsknechtschaft war der Titel einer geldreformerischen Streitschrift Gottfried Feders der zum wirtschaftspolitischen Kernbegriff und Slogan im 25 Punkte Programm der NSDAP wurde Gottfried Feder hatte 1919 den Deutschen Kampfbund zur Brechung der Zinsknechtschaft gegrundet und im selben Jahr sein Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes veroffentlicht Das wirtschaftspolitische Konzept war antikapitalistisch und antikommunistisch verstand sich jedoch als sozialistisch im Sinne der Volksgemeinschaft und war ausserdem antisemitisch gepragt In der volkischen Ideologie des Nationalsozialismus stand dieser Slogan in enger Verbindung mit dem Slogan Gemeinnutz geht vor Eigennutz der auch im NSDAP Parteiprogramm vorkommt und mit der Unterscheidung von raffendem und schaffendem Kapital Inhaltsverzeichnis 1 Begriff 2 Nationalsozialismus 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseBegriff Bearbeiten nbsp Silvio Gesell oder Gottfried Feder Die Unterschiedlichkeit der Konzepte Gesells und Feders wurden auch in der nationalsozialistischen Bewegung wahrgenommen Titelseite einer osterreichischen NS Schrift von 1921 Erstmals verwendet wurde der Begriff der Zinsknechtschaft von der Deutschen Arbeiterpartei in Bohmen die unter dem Einfluss Walter Riehls 1913 auf einem Parteitag in Iglau ein neues Programm erstellte 1 Die DAP ging 1919 in der Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei auf die als Splitterpartei bis 1926 existierte Der sudetendeutsche DAP Politiker Rudolf Jung verwendete den Begriff in einer Aufsatzreihe die 1913 in der Wiener Deutschen Arbeiter Zeitung erschien 2 Die Forderung nach Brechung der Zinsknechtschaft wurde vom spateren Wirtschaftstheoretiker der NSDAP Gottfried Feder nach dessen eigenen Angaben Mitte November 1918 ausformuliert Im Jahre 1919 grundete er einen Kampfbund zur Brechung der Zinsknechtschaft und verfasste dessen Manifest 3 Ob sich Feder dabei an die Freiwirtschaftslehre Silvio Gesells anlehnte ist in der wissenschaftlichen Literatur umstritten 4 Im April 1919 waren sich beide Theoretiker einmal begegnet Gemeinsamkeiten stritten beide aber stets ab 5 Geistige Wurzeln der Vorstellungen Feders finden sich in Wenzel Schobers und Josef Schlesingers Theorie eines ungedeckten Volksgeldes ohne Goldbindung 6 Hintergrund fur diese und andere geldreformerische Vorschlage der unmittelbaren Nachkriegszeit waren die im Versailler Vertrag festgelegten Reparationszahlungen die 1919 etwa 80 des Reichshaushalts ausmachten 7 Feder wollte mit seinem Manifest die internationalen ubergewaltigen Geldmachte die uber allem Selbstbestimmungsrecht der Volker thronende uberstaatliche Finanzgewalt das internationale Grosskapital die sog goldene Internationale bekampfen Codes fur das Judentum das er fur die Verbreitung von Materialismus und eine allgemeine Entsittlichung verantwortlich machte 8 Er glaubte mit der Brechung der Zinsknechtschaft alle direkten und indirekten Steuern aufheben zu konnen die nur Tributpflicht gegenuber dem Grosskapital nicht aber was wir uns manchmal einbilden freiwilliges Opfer zur Verwirklichung von Gemeinschaftsarbeit bedeuten wurden Die Befreiung von der Zinsknechtschaft des Geldes sei die klare Losung fur die Weltrevolution fur die Befreiung der schaffenden Arbeit von den Fesseln der uberstaatlichen Geldmachte 9 Er schlug vor alle grossen offentlichen Aufgaben durch Ausgabe zinsloser Staatskassengutscheine unter Vermeidung des Anleiheweges zu finanzieren Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft enthalt ein Neun Punkte Programm und daraus abgeleitete Gesetzesforderungen Konvertierung aller Schuldtitel des Deutschen Reiches und der deutschen Bundesstaaten unter Aufhebung der Zinspflicht zu gesetzlichen Zahlungsmitteln zum Nominalbetrag Bei festverzinslichen Papieren wird Zinspflicht in eine Ruckzahlungspflicht umgewandelt ratenweise Zuruckzahlung von Immobiliarschulden und Hypotheken Das gesamte Geldwesen wird der Zentralstaatskasse unterstellt Alle Privatbanken werden als Filialbetriebe angegliedert Realkredit wird nur durch die Staatsbank vergeben Personal und Warenkredit wird den Privatbankiers gegen staatliche Konzession uberlassen Tilgung von Dividendenwerten auf gleiche Weise wie festverzinsliche Papiere Alle Personen die nicht in der Lage sind ihren Lebensunterhalt zu verdienen erhalten anstelle der bisherigen Zinsertragnisse gegen Einlieferung der Wertpapiere eine Leibrente nach Vermogen gestaffelte Einziehung von Kriegsanleihestucken und anderen Schuldtiteln des Reiches oder der Staaten Volksaufklarung dass das Geld nichts anderes ist und sein darf als eine Anweisung auf geleistete Arbeit Nationalsozialismus BearbeitenFeders wirtschaftspolitische Vorstellungen fanden 1920 Eingang in das 25 Punkte Programm der NSDAP In Punkt 11 wurden hier die Abschaffung des arbeits und muhelosen Einkommens gefordert eine weitere Formulierung Feders 10 Darunter stand fettgedruckt als emphatische Zwischenuberschrift der folgenden Punkte Brechung der Zinsknechtschaft Punkt 11 selbst wurde als Folgerung des Gemeinnutzprinzips von Punkt 10 dargestellt Erste Pflicht jeden Staatsburgers muss sein geistig oder korperlich zu schaffen Die Tatigkeit des Einzelnen darf nicht gegen die Interessen der Allgemeinheit verstossen sondern muss im Rahmen des gesamten und zum Nutzen aller erfolgen Die Punkte 12 18 stellten einzelne Aspekte der Brechung der Zinsknechtschaft und der Gemeinnutzigkeit dar 11 12 Im Hinblick auf die ungeheuren Opfer an Gut und Blut die jeder Krieg vom Volke fordert muss die personliche Bereicherung durch den Krieg als Verbrechen am Volke bezeichnet werden Wir fordern daher restlose Einziehung aller Kriegsgewinne 13 Wir fordern die Verstaatlichung aller bisher bereits vergesellschafteten Trust Betriebe 14 Wir fordern die Gewinnbeteiligung an Grossbetrieben 16 Wir fordern die Schaffung eines gesunden Mittelstandes und seiner Erhaltung sofortige Kommunalisierung der Gross Warenhauser und ihre Vermietung zu billigen Preisen an kleine Gewerbetreibende scharfste Berucksichtigung aller kleinen Gewerbetreibenden bei Lieferung an den Staat die Lander oder Gemeinden 17 Wir fordern eine unseren nationalen Bedurfnissen angepasste Bodenreform Schaffung eines Gesetzes zur unentgeltlichen Enteignung von Boden fur gemeinnutzige Zwecke Abschaffung des Bodenzinses und Verhinderung jeder Bodenspekulation 18 Wir fordern den rucksichtslosen Kampf gegen diejenigen die durch ihre Tatigkeit das Gemein Interesse schadigen Gemeine Volksverbrecher Wucherer Schieber usw sind mit dem Tode zu bestrafen ohne Rucksichtnahme auf Konfession und Rasse Feder galt bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten als wichtiger Wirtschaftstheoretiker der NSDAP seine Veroffentlichungen werden in Adolf Hitlers Mein Kampf lobend erwahnt 12 Er habe ihn aufgeklart uber den Unterschied dieses reinen Kapitals als letztes Ergebnis der schaffenden Arbeit gegenuber einem Kapital dessen Existenz und Wesen ausschliesslich auf Spekulation beruhen Die Notwendigkeit dieses judisch konnotierte volksschadliche Borsen und Leihkapital zu bekampfen sei eine der Voraussetzungen fur die Grundung der NSDAP gewesen 13 In Joseph Goebbels Kleinem Abc des Nationalsozialisten von 1925 wurde gleichfalls zwischen Staats und Borsenkapitalismus dies soll heissen zwischen national schaffendem und international raffendem Kapital unterschieden Die Kontrastierung mundete in die Forderung nach Brechung der Zinsknechtschaft Unter Brechung der Zinsknechtschaft verstehen wir die Beseitigung der tyrannischen Geldgewalt der Borse in Staat und Wirtschaft die das schaffende Volk ausbeutet moralisch verseucht und zum nationalen Denken unfahig macht 14 Dabei wurde das angeblich nicht produktive raffende Kapital dessen Zinsknechtschaft es zu brechen galt mit dem Judentum assoziiert Auf diesem Wege sollten die verbreiteten antikapitalistischen oder sozialistischen Sehnsuchte von Teilen der deutschen Bevolkerung auf den Antisemitismus der Nationalsozialisten umgeleitet werden 15 16 Dass die Brechung der Zinsknechtschaft uber diese propagandistische Funktion keine Bedeutung hatte zeigt Goebbels zynischer Kommentar brechen musse hochstens der der diesen Unsinn anhore 17 Was genau unter Brechung der Zinsknechtschaft zu verstehen sei anderte sich je realistischer eine Regierungsubernahme durch die NSDAP zu werden schien Hatte man darunter anfangs noch die Abschaffung jeglichen Zinses verstanden wurden bald nur noch Zinssenkung und ein gerechter Zins verlangt Im Jahre 1924 trat Feder fur die Enteignung sowohl judischen Besitzes als auch unprofitablen Grossgrundbesitzes und fur ein Einfrieren der Zinssatze ein 18 Fur ihn stand stets im Vordergrund dass der Staat die Hoheit uber die Wahrung und damit die Moglichkeit einer staatlichen Geldschopfung unabhangig von der Golddeckung erhalten sollte In der Weltwirtschaftskrise verlangte er Arbeitsbeschaffungsmassnahmen die durch ein staatlich geschaffenes Girogeld bezahlt werden sollten Von dieser Moglichkeit wollte er aber nur in massvoller Weise Gebrauch machen 19 denn die spateren Wirtschaftsminister Hjalmar Schacht und Walther Funk hatten Hitler gewarnt dass eine Umsetzung der federschen Plane die deutsche Wirtschaft endgultig ruinieren wurde 20 Nach der Machtergreifung spielten Feders Vorstellungen keine grosse Rolle in der tatsachlichen Politik des NS Regimes Feder bekam zwar zunachst den Posten eines Staatssekretars im Reichswirtschaftsministerium wurde dann aber auf immer unbedeutendere Posten abgeschoben bis er sich schliesslich resigniert ins Privatleben zuruckzog 21 Das wesentliche Instrument der Reduzierung der Verschuldung war das Landwirtschaftliche Schuldenregelungsverfahren Daneben wurden einige Massnahmen zur Zinssenkung ergriffen wie z B das Gesetz uber die Hypothekenschulden Mittels dieser Massnahmen sanken die Diskontsatze der Privatbanken von einem Jahresdurchschnitt 4 95 1932 auf 2 91 1937 Diese Massnahmen wurden von der nationalsozialistischen Presse als Brechung der Zinsknechtschaft ausgegeben 22 Der Politikwissenschaftler Christoph H Werth resumiert Letztlich hatte die Doktrin von der Brechung der Zinsknechtschaft keine andere Funktion als die einer diesseitsbezogenen materiell trivialisierten Heilslehre die nur aufgrund ihrer Inhaltslosigkeit eine gewisse Bedeutung erlangen konnte 23 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft Quellen und Volltexte Nikolaus Piper Wo Hitler Wirtschaft lernte Suddeutsche Zeitung 1 Marz 2019Einzelnachweise Bearbeiten Francis L Carsten Faschismus in Osterreich Von Schonerer zu Hitler Wilhelm Fink Verlag Munchen 1977 ISBN 3 7705 1480 7 S 33 Christian Hartmann Thomas Vordermayer Othmar Plockinger Roman Toppel Hrsg Hitler Mein Kampf Eine kritische Edition Institut fur Zeitgeschichte Munchen Berlin Munchen 2016 Bd 1 S 572 Gottfried Feder Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes PDF 457 kB 1919 Abgerufen am 1 Marz 2015 Ein Beeinflussung durch Gesell nehmen an Avraham Barkai Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus Ideologie Theorie Politik 1933 1945 Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1988 S 29 Hermann Weiss Feder Gottfried In Wolfgang Benz Hrsg Handbuch des Antisemitismus Bd 2 Personen De Gruyter Saur Berlin 2009 ISBN 978 3 598 44159 2 S 225 abgerufen uber De Gruyter Online skeptisch dagegen Frederic Krier Sozialismus fur Kleinburger Pierre Joseph Proudhon Wegbereiter des Dritten Reiches Bohlau Koln Weimar Wien 2009 S 61 74 Christian Hartmann Thomas Vordermayer Othmar Plockinger Roman Toppel Hrsg Hitler Mein Kampf Eine kritische Edition Institut fur Zeitgeschichte Munchen Berlin Munchen 2016 Bd 1 S 566 Gerhard Senft Vom Volksgeld zum Mefo Wechsel Uber Ursprung und Wesen der nationalsozialistischen Geld und Finanzpolitik In Zeitschrift fur Sozialokononomie 85 Folge Juni 1990 Christian Hartmann Thomas Vordermayer Othmar Plockinger Roman Toppel Hrsg Hitler Mein Kampf Eine kritische Edition Institut fur Zeitgeschichte Munchen Berlin Munchen 2016 Bd 1 S 572 Avraham Barkai Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus Ideologie Theorie Politik 1933 1945 Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1988 S 29 Matthew Lange Goldene Internationale In Wolfgang Benz Hrsg Handbuch des Antisemitismus Band 3 Begriffe Ideologien Theorien De Gruyter Saur Berlin 2008 ISBN 978 3 598 24074 4 S 112 Gottfried Feder Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes Verlag Jos C Huber Diessen am Ammersee 1919 S 9 zitiert bei Thomas Klepsch Nationalsozialistische Ideologie Eine Beschreibung ihrer Struktur vor 1933 LIT Munster 1990 S 100 Robert Kriechbaumer Die grossen Erzahlungen der Politik politische Kultur und Parteien in Osterreich von der Jahrhundertwende bis 1945 Bohlau Verlag Wien 2001 ISBN 978 3 205 99400 8 com ph abgerufen am 6 Januar 2019 Robert Kriechbaumer Die grossen Erzahlungen der Politik politische Kultur und Parteien in Osterreich von der Jahrhundertwende bis 1945 Bohlau Verlag Wien 2001 ISBN 978 3 205 99400 8 com ph abgerufen am 6 Januar 2019 Wo Hitler Wirtschaft lernte von Nikolaus Piper Suddeutsche Zeitung 1 Marz 2019 Christian Hartmann Thomas Vordermayer Othmar Plockinger Roman Toppel Hrsg Hitler Mein Kampf Eine kritische Edition Institut fur Zeitgeschichte Munchen Berlin Munchen 2016 Bd 1 S 564 567 Avraham Barkai Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus Ideologie Theorie Politik 1933 1945 Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1988 S 29 Joseph Goebbels Das kleine Abc des Nationalsozialisten Freiheit und Brot Elberfeld 1925 Avraham Barkai Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus Ideologie Theorie Politik 1933 1945 Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1988 S 29 Herf Reactionary Modernism Technology Culture and Politics in Weimar and the Third Reich Cambridge University Press 1986 ISBN 978 0 521 33833 2 com ph abgerufen am 6 Januar 2019 Joachim Fest Hitler Eine Biographie Propylaen 1993 S 393 Robert Wistrich Wer war wer im Dritten Reich Anhanger Mitlaufer Gegner aus Politik Wirtschaft Militar Kunst und Wissenschaft Harnack Munchen 1983 S 71 Avraham Barkai Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus Ideologie Theorie Politik 1933 1945 Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1988 S 29 Robert Wistrich Wer war wer im Dritten Reich Anhanger Mitlaufer Gegner aus Politik Wirtschaft Militar Kunst und Wissenschaft Harnack Munchen 1983 S 71 Robert Wistrich Wer war wer im Dritten Reich Anhanger Mitlaufer Gegner aus Politik Wirtschaft Militar Kunst und Wissenschaft Harnack Munchen 1983 S 72 Avraham Barkai Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus Ideologie Theorie Politik 1933 1945 Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1988 S 192 194 Christoph H Werth Sozialismus und Nation Die deutsche Ideologiediskussion zwischen 1918 und 1945 Westdeutscher Verlag Opladen 1996 S 229 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Brechung der Zinsknechtschaft amp oldid 235856975