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Mit dem Begriff Priesterschrift abgekurzt P bezeichnet die historisch kritische Bibelwissenschaft seit dem 18 Jahrhundert eine Quellenschrift die vermutlich in der Tora den funf Buchern Mose verarbeitet worden ist Inhaltsverzeichnis 1 Forschungsgeschichte 2 Entstehung 3 Inhalt 4 Zentrale Texte 5 Theologisches Profil und Stilmerkmale 6 Literatur 6 1 Klassische Entwurfe 6 2 Neuere Literatur 7 Weblinks 8 AnmerkungenForschungsgeschichte BearbeitenMit der Aufklarung begann in Europa auch die historisch kritische Erforschung der Bibel Seit dem 18 Jahrhundert wurde die Bibel nicht mehr nur in ihrer Funktion als geoffenbartes Wort Gottes rezipiert sondern auch in ihrer Gestalt als historisch gewachsenes Buch wahrgenommen und untersucht In Bezug auf den Pentateuch entdeckte die fruhe Forschung Spannungen und Uneinheitlichkeiten innerhalb des Textes die im 18 Jahrhundert den Hildesheimer Pfarrer Henning Bernhard Witter 1 und wenige Jahrzehnte spater den franzosischen Mediziner Jean Astruc 2 dazu bewogen eine neue Theorie uber die Entstehung des Pentateuch zu entwickeln Diese Theorie brach mit der Uberzeugung Mose sei der Autor des Pentateuch Witter und Astruc schlossen dass die funf Bucher Mose in einem langen Wachstumsprozess aus ehedem unabhangigen Quellenschriften entstanden seien Diese Quellenschriften seien zwar nicht erhalten aber mithilfe der historisch kritischen Methode aus dem heutigen Endtext zu rekonstruieren Astruc erkannte innerhalb des Pentateuchs vier unabhangige Quellenschriften die er mit den Buchstaben A D benannte Diese These wurde weiter ausgebaut woran in den folgenden Jahrzehnten in Deutschland vor allem die Forscher Johann Gottfried Eichhorn 3 Karl David Ilgen 4 Johann Severin Vater Wilhelm Martin Leberecht de Wette und schliesslich Julius Wellhausen beteiligt waren Nachdem zuerst Bezeichnungen wie Elohim Epos gebraucht wurden pragte Abraham Kuenen die seither ubliche Bezeichnung Priesterschrift 1880 5 Die Entwicklung mundete in der von Wellhausen 6 formulierten und von Martin Noth ausgebauten Neueren Urkundenhypothese die die vier Quellen Astrucs historisch und inhaltlich genau umreissen konnte und sie folgendermassen benannte Jahwist J aus der Zeit um 950 v Chr Elohist E aus der Zeit um 800 v Chr Ur Deuteronomium D aus dem 7 Jahrhundert v Chr Priesterschrift P aus der babylonischen Exilzeit um 550 v Chr Die Priesterschrift P sei demnach die jungste der vier Quellen des Pentateuchs Sie sei in der Zeit des babylonischen Exils entstanden und in nachexilischer Zeit mit den alteren Quellen J E und D zu einem fortlaufenden Text zusammengearbeitet worden Im Laufe des 19 Jahrhunderts bildete sich ein weitgehender Konsens uber den Umfang und die Gestalt der Priesterschrift heraus Die von Theodor Noldeke 1869 herausgearbeitete priesterliche Grundschicht 7 ist trotz aller Umbruche in der Pentateuchforschung bis heute weithin unbestritten Seit den 1970er Jahren wird die Priesterschrift von der alttestamentlichen Wissenschaft zunehmend als die einzige durchlaufende Quelle beurteilt In neuerer Zeit wird mehrheitlich die These vertreten dass die Grundschicht PG durch einzelne spatpriesterliche Zusatze PS erweitert wurde 8 Entstehung BearbeitenEntstanden sei die Priesterschrift in einer ersten Ebene Grundschrift PG vermutlich im 6 Jahrhundert v Chr wahrend des Babylonischen Exils in Kreisen der ehemaligen Jerusalemer Priesterschaft die die alteren Materialien des spateren Pentateuch gekannt haben mussen Die Erfahrung des Untergangs von Tempel und Konigtum durch die babylonische Eroberung im Jahr 587 v Chr notigten zu einer Neudarstellung der Geschichte von der Schopfung bis zur Wustenzeit der Israeliten die die Heiligkeit des Gottes JHWH betonte und daher auch ein neues Opferverstandnis entwickelte Eine Erweiterung erfuhr sie wohl im nachexilischen Jerusalem Sekundarschrift PS Die Priesterschrift wurde wohl im 5 Jahrhundert v Chr mit den anderen Quellenschriften der funf Bucher Mose vom sogenannten Pentateuchredaktor Abkurzung RP zusammengearbeitet Inhalt BearbeitenDie Priesterschrift erzahlt die Geschichte Israels von der Schopfung Genesis 1 1 bis zum Tod des Mose Deuteronomium 34 7 9 Wo genau das Ende der Priesterschrift liegt ist in der Forschung umstritten Manchen Wissenschaftlern zufolge liegt es bereits in Ex 40 anderen zufolge gehort auch das Buch Levitikus 3 Buch Mose vollstandig dazu Eventuell finden sich auch noch im Buch Numeri 4 Buch Mose priesterschriftliche Erzahlungen im Buch Deuteronomium ist es besonders der Schlussabschnitt Die Geschichte wird in der Priesterschrift als Offenbarungsgeschichte mit verschiedenen Perioden entworfen 2 Mose 6 3 Manches deutet darauf hin dass die Priesterschrift eine von den vorexilischen Schriftpropheten angekundigte Zukunft ideal als Vergangenheit darstellt zum Beispiel wird in Gen 6 13 EU das Wort des Propheten Amos Am 8 2 EU und in Ex 25 8 9 EU sowie in Ex 29 45 EUf das Wort Ezechiels Ez 37 26 28 EU zitiert Ziel der Weltschopfung sind die Entstehung Israels als Volk 2 Mose 1 7 und die Errichtung des Heiligtums 2 Mose 25 31 35 40 einer verkleinerten Ruckprojektion des Jerusalemer Tempels Im Zions Heiligtum will der Gott JHWH in der Welt wohnen hier will er Israel durch die von ihm gestiftete Suhneweihe heiligen Zentrale Texte BearbeitenZu den zentralen Texten die P zugewiesen werden gehoren 9 Textkorpus Thema BibelstellenUrgeschichteSchopfung Gen 1 1 2 4aGenealogie von Adam bis Noah Gen 5 1 32 Sintflut mit Noahbund Gen 6 9 9 17 Volkertafel Gen 10 1 7 20 22f 31fGenealogie Gen 11 10 27 31f VatergeschichteGeschichte Abrahams Gen 12 4b 5 13 6 11b 12abaAbrahambund Gen 17 Begrabnis Saras Gen 23 Mischehen Esaus und Hochzeiten Jakobs Gen 26 34f 27 46 28 9 29 24 28b 29Erscheinung El Schaddais vor Jakob in Bet El Gen 35 9 13a 15Josef und Jakob in Agypten Gen 41 46a 46 6f Exodus Wuste SinaiUnterdruckung Israels in Agypten Ex 1 1 7 13f 2 23 25Berufung des Mose Ex 6 2 12Funf Plagen Ex 7 8 12 19 22 8 1 3 11 12 15 9 8 12 12 1 20 28 40f Meerwunder Ex 14 Manna Sabbat Ex 16 Errichtung des Zeltheiligtums Ex 24 15 29 46 39 32 43 40 17 33 35 Beginn des Kultes Lev 8f Wuste und verheissenes LandKundschafter Num 13f Unglaube Moses und Aarons Num 20 1 13 Tod Aarons Num 20 22 29 Ankundigung des Todes des Mose Dtn 32 48 52 Tod des Mose Dtn 34 1 7 9 innerhalb der genannten Stellen sind nicht alle Verse P zuzuweisen Theologisches Profil und Stilmerkmale BearbeitenTypisch fur die Priesterschrift ist in erster Linie das Interesse an kultischen Institutionen und Riten 10 Eine weitere Besonderheit der Priesterschrift sind ihre Genealogien die Toledot Reihen sowie ihre besondere Vorliebe fur Zahlen 11 und genaue zeitliche Einordnungen 12 Sprachstilistisch wirkt die Priesterschrift eher trocken sachlich und unelegant nach Auffassung anderer 13 dagegen als feierliche priesterliche Proklamation Die Gottesbezeichnung die bereits seit dem 18 Jahrhundert als Kriterium zur Unterscheidung der Quellen genutzt wurde ist im Hinblick auf die Priesterschrift ein komplexes Unterscheidungsmerkmal P gebraucht verschiedene Gottesbezeichnungen fur die einzelnen Epochen der Geschichte Israels Ex 6 2f Innerhalb der Urgeschichte Gen 1 11 verwendet P Elohim in der Zeit der Erzvater El Schaddai in der Zeit des Mose Jahwe Die Schuld am Babylonischen Exil sehen die Verfasser in der Abwendung der Konige Israels von ihrem Gott JHWH So wird das Ideal eines neuen Anfangs fur Israel nach dem Exil nicht im Konigtum gesehen Da Israel mit dem Babylonischen Exil sein Land verloren hat entwirft die Priesterschrift ein neues Bild von der Verfasstheit Israels Israel ist nicht mehr das eine Volk im eigenen Herrschaftsgebiet sondern eine Gemeinde um ein Heiligtum und es kann so auch in der Fremde seine Identitat bewahren JHWH wird in der Priesterschrift als Schopfer und Lenker der Geschichte dargestellt Das Babylonische Exil ist Gericht JHWHs zu dem er sich der Babylonier bedient Der Bund hebr ברית berit JHWHs mit seinem Volk wird in der Priesterschrift als reiner Gnadenbund dargestellt Er besteht in der Selbstverpflichtung JHWHs Gen 17 7 14 fur die er von den Menschen keine Gegenleistung erwartet die aber einen Ruf zur Heiligung des ganzen Lebens wesentlich in sich tragt Gen 9 16 JHWH wird nicht vermenschlicht sondern als ein relativ abstrakter transzendenter Gott dargestellt dessen Hauptmerkmal seine Gerechtigkeit ist JHWH offenbart sich dem Volk Israel im Wesentlichen im Jerusalemer Tempelkult mit dem Attribut der Herrlichkeit hebr כבוד und im Bild des verzehrenden Feuers Ex 24 15 17 Der Bund JHWHs verheisst dem Volk Mehrung Landbesitz und kultische Gegenwart Gen 17 2 8 15 Im Gegensatz zur deuteronomistischen Diktion wird berit in der Priesterschrift nicht mit der Wurzel כרת konstruiert sondern zumeist als נתן הקים ברית Deutliche Gemeinsamkeiten in der Theologie und Sprache weist die Priesterschrift mit dem Propheten Ezechiel und auch Deuterojesaja auf Literatur BearbeitenKlassische Entwurfe Bearbeiten Henning Bernhard Witter Jura Israelitarum in Palaestinam terram Chananaeam commentatione perpetua in Genesin demonstrata Hildesheim 1711 Jean Astruc Conjectures sur les memoires originaux dont il paroit que Moyse s est servi pour composer le livre de la Genese Bruxelles 1753 Johann Gottfried Eichhorn Einleitung in das Alte Testament Drei Bande Leipzig 1780 1783 Alexander Geddes The Holy Bible or the books accounted sacred by Jews and Christians London 1792 Karl David Ilgen Die Urkunden des jerusalemischen Tempelarchivs in ihrer Urgestalt Band 1 Die Urkunden des ersten Buchs von Moses in ihrer Urgestalt Halle 1798 Wilhelm Martin Leberecht de Wette Dissertatio critica Jena 1805 Theodor Noldeke Die alttestamentliche Literatur 1868 Digitalisate 1 BSB 2 HathiTrust 3 Google Books Theodor Noldeke Untersuchungen zur Kritik des Alten Testaments Kiel 1869 Digitalisat Julius Wellhausen Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bucher des Alten Testaments Berlin 1876 Julius Wellhausen Prolegomena zur Geschichte Israels Berlin 1878 Heinrich Holzinger Einleitung in den Hexateuch Freiburg i B und Leipzig 1893 Martin Noth Uberlieferungsgeschichtliche Studien Teil 1 Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament Schriften der Konigsberger Gelehrten Gesellschaft Geisteswissenschaftliche Klasse Band 18 2 Niemeyer Halle 1943 Martin Noth Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch Kohlhammer Stuttgart 1948 Neuere Literatur Bearbeiten Ludwig Schmidt Studien zur Priesterschrift Beihefte zur Zeitschrift fur die Alttestamentliche Wissenschaft Band 214 Berlin New York 1993 ISBN 3 11 013867 0 Thomas Pola Die ursprungliche Priesterschrift Beobachtungen zur Literarkritik und Traditionsgeschichte Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament Band 70 Neukirchen Vluyn 1995 ISBN 3 7887 1503 0 Erich Zenger Art Priesterschrift In Theologische Realenzyklopadie Band 27 1996 S 435 446 Walter Gross Studien zur Priesterschrift und zu alttestamentlichen Gottesbildern Stuttgarter biblische Aufsatzbande Band 30 Verlag Katholisches Bibelwerk Stuttgart 1999 ISBN 3 460 06301 7 Christian Frevel Mit Blick auf das Land die Schopfung erinnern Zum Ende der Priestergrundschrift Herders biblische Studien Band 23 Herder Freiburg im Breisgau 2000 ISBN 3 451 27251 2 Bernd Janowski Suhne als Heilsgeschehen Traditions und religionsgeschichtliche Studien zur Suhnetheologie der Priesterschrift Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament Band 55 2 Auflage Neukirchener Verlag Neukirchen Vluyn 2000 Reinhard G Kratz Die Komposition der erzahlenden Bucher des Alten Testaments Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2000 ISBN 3 8252 2157 1 S 102 117 und 226 248 Peter Weimar Studien zur Priesterschrift Forschungen zum Alten Testament Band 56 J C B Mohr Paul Siebeck Tubingen 2008 ISBN 978 3 16 149446 8 Weblinks BearbeitenPeter Weimar Priesterschrift In Michaela Bauks Klaus Koenen Stefan Alkier Hrsg Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet WiBiLex Stuttgart 2006 ff Anmerkungen Bearbeiten Henning Bernhard Witter Jura Israelitarum in Palaestinam terram Chananaeam commentatione perpetua in Genesin demonstrata Hildesheim 1711 Jean Astruc Conjectures sur les memoires originaux dont il paroit que Moyse s est servi pour composer le livre de la Genese Bruxelles 1753 S 143 f Vgl Eichhorn Einleitung Vgl Ilgen Urkunden Jan Christian Gertz Das erste Buch Mose Genesis Die Urgeschichte Gen 1 11 Das Alte Testament Deutsch Band 1 Neubearbeitung Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2018 ISBN 978 3 525 57055 5 S 6 Julius Wellhausen Prolegomena zur Geschichte Israels Berlin 1878 S 8 Theodor Noldeke Untersuchungen zur Kritik des Alten Testaments Kiel 1869 Hans Christoph Schmitt Arbeitsbuch zum Alten Testament 2 Auflage Gottingen 2007 S 193 Hans Christoph Schmitt Arbeitsbuch zum Alten Testament 2 Auflage Gottingen 2007 S 191 f Vgl die Sabbatatiologie in Gen 2 2 Vgl Gen 6 15f Masse der Arche Noah Vgl Gen 7 11 Beginn der Sintflut im 600 Lebensjahr Noahs am 17 Tag des 2 Monats Zum Beispiel Erich Zenger Priesterschrift In Theologische Realenzyklopadie Band 27 1996 S 435 446 Thomas Pola Die ursprungliche Priesterschrift Beobachtungen zur Literarkritik und Traditionsgeschichte Neukirchen Vluyn 1995 ISBN 3 7887 1503 0 Jan Christian Gertz Hrsg Grundinformation Altes Testament Eine Einfuhrung in Literatur Religion und Geschichte des Alten Testaments 3 Auflage Gottingen 2009 S 244 Hans Christoph Schmitt Arbeitsbuch zum Alten Testament 2 Auflage Gottingen 2007 S 203 Jan Christian Gertz Hrsg Grundinformation Altes Testament Eine Einfuhrung in Literatur Religion und Geschichte des Alten Testaments 3 Auflage Gottingen 2009 S 244 Hans Christoph Schmitt Arbeitsbuch zum Alten Testament 2 Auflage Gottingen 2007 S 195 197 nbsp Dieser Artikel wurde am 14 Mai 2008 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Priesterschrift Bibel amp oldid 227837822