www.wikidata.de-de.nina.az
Unter Nutzung versteht die Rechtswissenschaft im Zivilrecht die Fruchte den Ertrag oder den Gebrauchsvorteil einer Sache oder eines Rechts Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Geschichte 3 Rechtsfragen 4 Arten 5 Rechtsfolgen der Nutzungen im Privatrecht 6 Bedeutung 7 International 8 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenDer Nutzungsbegriff wird in den verschiedenen Rechtsgebieten auch mit anderen Begriffsinhalten verwendet So ist es im Baurecht nach 1 Abs 1 BauGB Aufgabe der Bauleitplanung die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstucke in einer Gemeinde nach Massgabe des BauGB vorzubereiten und zu leiten Die Baunutzungsverordnung BauNVO sieht in 1 Abs 1 BauNVO vor dass im Flachennutzungsplan die fur die Bebauung vorgesehenen Bauflachen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung dargestellt werden konnen als Wohnbauflachen gewerbliche Bauflachen oder Sonderbauflachen Hier wird die Nutzung als der wohnliche gewerbliche oder gemischte Zweck verstanden dem ein Gebaude durch seinen Gebrauch dient Im Privatrecht dagegen steht bei der Nutzung der Gebrauchsvorteil oder Ertrag im Vordergrund den ein Rechtssubjekt aus einer Sache oder einem Recht erzielen kann Gebrauch ist die mit der Innehabung einer Sache oder eines Rechts verbundene Ausubung der Rechte 1 Der Gebrauch setzt voraus dass die Muttersache durch ihren Gebrauch erhalten bleibt Ein Gebrauchsvorteil liegt vor wenn aus dem Gebrauch einer Sache Vorteile fur ihren Nutzer entstehen Verausserungsgewinne aus der Verausserung einer Sache sind kein Gebrauchsvorteil weil die Sache fur den bisherigen Eigentumer nicht erhalten bleibt Geschichte BearbeitenDie Nutzniessung lateinisch ususfructus galt im romischen Recht als das Recht der Nutzung der Fruchte einer Sache ohne Anspruch auf die Sache selbst Das lateinische Wort fur Fruchtziehung ususfructus setzt sich zusammen aus dem Gebrauch oder der Nutzung lateinisch usus und der Frucht oder dem Ertrag lateinisch fructus Genuss Vorbedingung der Entstehung der rechtlichen Institution des ususfructus ist die Existenz der okonomischen Idee des fructus wie sie bereits bei Marcus Porcius Cato Licinianus im Jahre 160 vor Christus auftauchte 2 Cato Licinianus beurteilte die Verpachtung von Wiesen oder ganzen Schafherden als eintraglich 3 Der ususfructus galt als das dingliche Recht eine fremde Sache unter Schonung der Substanz zu gebrauchen und von ihr Fruchte zu ziehen 4 Die Personalservituten lateinisch servitutes personae fassten Niessbrauch lateinisch usufructus Gebrauchsrecht ohne Fruchtgenuss lateinisch usus dingliches Wohnrecht lateinisch habitatio und das dingliche Recht auf Arbeitsleistung fremder Sklaven lateinisch operae servorum oder Tiere lateinisch operae animalium zusammen Das Stadium marktwirtschaftlicher Nutzungsrechte begann im romischen Recht mit dem Konsensualvertrag lateinisch locatio conductio die Kapitalnutzungsverhaltnisse fanden durch Leihe lateinisch mutuo Miete lateinisch redditum und Niessbrauch lateinisch usufructus statt Im Mittelalter lasst sich fur das Jahr 1261 im Wurttembergischen Urkundenbuch das mittelhochdeutsche Wort nuzzunge nachweisen 5 auf das der heutige Begriff der Nutzung zuruckzufuhren ist Im Jahre 1519 tauchte erstmals die heute noch geltende Definition von Thomas Murner auf wonach die Nutzung das Recht sei fremde Guter zu nutzen und brauchen fur ihn endete die Nutzung mit dem Tod des Nutznemmers 6 Das romische Recht beeinflusste das Allgemeine Preussische Landrecht vom Juni 1794 den franzosischen Code Civil vom Marz 1804 das osterreichische ABGB vom Juni 1811 und das schweizerische Zivilgesetzbuch vom Januar 1912 Das Allgemeine Preussische Landrecht APL definierte die Nutzung als das Rechte zum Gebrauch und zur Benutzung eines fremden Eigenthums und regelte die Materie ab 714 ff APL 7 Voraussetzung war der Besitz an der Sache der dem Nutzer ein dingliches Recht gewahrte Gemass 718 APL hatte der Niessbraucher alle auf der Sache lastenden Schulden bis zur Hohe seiner Nutzungsertrage zu tragen In Osterreich ist die Nutzung als Fruchtniessung im ABGB geregelt das in der Schweiz geltende Zivilgesetzbuch kennt die Nutzung als Nutzniessung Seit Januar 1900 regelt das Burgerliche Gesetzbuch in Deutschland die Nutzung fragmentarisch Rechtsfragen BearbeitenDas BGB erstreckt den Nutzungsbegriff auf Sachen und Rechte Deshalb erfasst 99 BGB unmittelbare Sachfruchte 99 Abs 1 BGB unmittelbare Rechtsfruchte 99 Abs 2 BGB und mittelbare Sach und Rechtsfruchte 99 Abs 3 BGB Sachfruchte sind nicht nur Fruchte im biologischen Sinne sondern auch alle organischen Erzeugnisse und die sonstige Ausbeute 8 Hierzu gehoren insbesondere Produkte die wiederholt gewonnen werden konnen Durch die bestimmungsgemass gewonnene sonstige Ausbeute gehort auch die Bodennutzung zu den Sachfruchten Nutzungen sind gemass 100 BGB die Fruchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewahrt Arten BearbeitenAlle Arten der Fruchte unterliegen dem Grundsatz der Substanzerhaltung wonach die Muttersache etwa der Apfelbaum im Verhaltnis zu seinen Apfeln in ihrer Substanz weitgehend erhalten bleiben muss Die Fruchte treten neben die Muttersache die unter Umstanden durch die Nutzung abgenutzt oder abgewirtschaftet wird 9 Unmittelbare Sachfruchte lateinisch fructus naturales Erzeugnisse einer Sache sind naturliche Tierprodukte Eier Milch Wolle Kalber nicht aber das Tierfleisch 10 Pflanzenprodukte Obst Weintrauben nicht aber Wein Bodenprodukte Getreide Holz nicht aber Mehl und die Bodennutzung Kies Torf oder Kohleabbau unmittelbare Rechtsfruchte lateinisch fructus civiles insbesondere aus Nutzungsrechten gezogene Ertrage wie die aus Pacht oder Niessbrauch gezogenen Erzeugnisse Sie werden anders als unmittelbare Sachfruchte nicht aufgrund Eigentums sondern wegen eines Nutzungsrechts gezogen Ausserdem gehoren hierzu alle Zinsen Habenzinsen aus Geldanlage Kreditzinsen aus Kreditgewahrung Leistungen aus Erbbaurechten oder Reallasten oder Dividenden Mittelbare Sach und Rechtsfruchte sind die durch eine rechtsgeschaftliche Uberlassung des Gebrauchs oder der Nutzung als Gegenleistung erhaltenen Vergutungen 11 wie Mietertrag fur den Vermieter Pachteinnahmen fur den Verpachter oder Leasinggebuhren fur den Leasinggeber Nicht alle naturlichen Erzeugnisse sind Frucht gefallte Baume nicht alle Fruchte sind naturliche Erzeugnisse Pachtzins Kreditzins Gesetzessystematisch stellen die Fruchte einer Sache deren Erzeugnisse oder sonstige Ausbeute dar Ertrage hingegen entstehen aus der Nutzung von unmittelbaren Rechten oder mittelbaren Fruchten oder Rechten Ferner unterscheidet man zwischen Gebrauchs oder Ertragsnutzung Die Gebrauchsnutzung geschieht durch Leihe Miete Pacht Darlehen oder Leasing die Ertragsnutzung durch Niessbrauch Reallast oder Lizenz Patent und sonstige Schutzrechte Der Gebrauch durch den Nutzer dieser Rechte erbringt dem Nutzer Gebrauchsvorteile wie etwa die Fahrt mit dem Mietwagen das Wohnen in einem Haus 12 das Benutzen eines Geschaftsraums eines Lagerplatzes 13 oder eines Docks 14 Zu den Gebrauchsvorteilen eines Grundstucks gehoren seine Nutzung als Kreditsicherheit und die dadurch entstehenden Zinsvorteile oder das Stimmrecht eines Gesellschafters 15 Rechtsfolgen der Nutzungen im Privatrecht BearbeitenNutzungen insbesondere die Herausgabe von unberechtigten Nutzungen spielen eine Rolle beim Aufwendungsersatz 256 BGB Herausgabeanspruch 292 Abs 2 BGB der Unwirksamkeit von Klauseln mit unangemessen hoher Vergutung fur die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts 308 Nr 7a BGB der Herausgabe der Nutzungen bei Rucktritt 346 347 BGB beim Kaufvertrag stehen die Nutzungen dem Kaufer seit der Ubergabe der Kaufsache zu 446 BGB Beim Landpachtvertrag besteht die Hauptleistungspflicht in der vertragsmassigen Uberlassung der Nutzung durch den Verpachter 586 589 BGB Bei der ungerechtfertigten Bereicherung erstreckt sich die Herausgabepflicht auch auf die gezogenen Nutzungen 818 Abs 1 BGB Der Niessbrauch berechtigt den Niessbraucher gemass 1030 BGB die Nutzungen der Sache zu ziehen Ein vertragliches Pfandrecht kann auch in der Weise bestellt werden dass der Pfandglaubiger berechtigt ist die Nutzungen des Pfandes zu ziehen Nutzungspfand 1213 BGB Schliesslich hat der Erbschaftsbesitzer dem Erben nach 2020 BGB die gezogenen Nutzungen herauszugeben Bedeutung BearbeitenDie rechtliche Bedeutung der Nutzungen zeigt sich bei ihrem Rechtserwerb und der Fruchverteilung 16 Bei Sachfruchten spielt ihr Entwicklungszustand eine Rolle Ungetrennte Fruchte sind wesentlicher Bestandteil der Muttersache 94 BGB mit ihrer Trennung bei der Ernte fallen sie dem Fruchtziehungsberechtigten zu 953 ff BGB Der Niessbraucher erlangt den Anspruch auf die Ertrage mit Eintragung des Niessbrauchs im Grundbuch 17 International BearbeitenIn Osterreich und der Schweiz ist die Nutzung ausfuhrlicher geregelt als in Deutschland In Osterreich heisst die Nutzung Fruchtniessung und ist in den 509 bis 520 ABGB geregelt Nach 509 ABGB ist die Fruchtniessung das Recht eine fremde Sache mit Schonung ihrer Substanz ohne alle Einschrankung zu geniessen Der Fruchtniesser muss gemass 512 ABGB aus dem gezogenen Fruchtertrag alle Lasten auch Kreditzinsen ubernehmen Nach 513 ABGB hat der Fruchtniesser die Pflicht aus dem Fruchtertrag etwaige Ausbesserungen vorzunehmen In der Schweiz heisst die Nutzung Nutzniessung Schriftweise Nutzniessung sie ist in den Artikeln 745 bis 778 ZGB geregelt Nach Art 745 ZGB kann die Nutzniessung an beweglichen Sachen an Grundstucken an Rechten oder an einem Vermogen bestellt werden Sie verleiht dem Berechtigten im Regelfall den vollen Genuss des Gegenstandes Der Nutzniesser ist verpflichtet das Nutzniessungsvermogen in seinem Bestand zu erhalten Art 764 Abs 1 ZGB Gemass Art 749 ZGB endet die Nutzniessung spatestens mit dem Tod des Nutzniessers der nach Art 752 ZGB fur den Untergang der Sache haftet und Recht auf ihren Besitz den Gebrauch und die Nutzung der Sache hat Art 755 ZGB Art 767 ZGB verlangt vom Nutzniesser die Versicherung der Sache gegen Feuer und andere Gefahren zu Gunsten des Eigentumers In Frankreich ist das Nutzungsrecht franzosisch droit d usufruit franzosisch droit d usage in den Art 578 636 Code civil CC geregelt 18 Der Niessbrauch gewahrt nach Art 578 CC dem Nutzer das Recht als Besitzer die Sachen zu geniessen muss dabei jedoch ihre Substanz erhalten Es kann sich um eine bewegliche unbewegliche unkorperliche oder verbrauchbare Sache handeln Art 587 CC Die Fruchte gehoren dem Nutzer nicht Bei verbrauchbaren Sachen wird der Nutzer Eigentumer der nach Ende der Nutzniessung Sachen von derselben Qualitat und Quantitat zuruckzugeben hat Art 587 CC Das entspricht dem heutigen deutschen Sachdarlehensvertrag Einzelnachweise Bearbeiten Otto Palandt Jurgen Ellenberger BGB Kommentar 73 Auflage 2014 100 Rn 1 Candida Ten Brink Die Begrundung der Marktwirtschaft in der Romischen Republik 1994 S 111 Marcus Porcius Cato Licinianus De agri cultura 9 149 f Iulius Paulus Digesten 7 1 1 lateinisch usus fructus est iuris alienis rebus utendi fruendi salua rerum substantia Konigliches Staatsarchiv Stuttgart Wurttembergisches Urkundenbuch Band VI 14 1894 S 114 Thomas Murner Instituten ein warer ursprung unnd fundament des Keyserlichen rechtens 1519 Blatt 33 v Carl Wilhelm Zimmermann Hrsg Das allgemeine Landrecht fur die preussischen Staaten 1850 S 391 ff Susanne Wurthwein Schadensersatz fur Verlust der Nutzungsmoglichkeit einer Sache oder fur entgangene Gebrauchsvorteile 2001 S 97 ff Josef Kohler Lehrbuch des Burgerlichen Rechts Band 2 1906 205 weil das Weiterleben der Muttersache Tier beim Nutzungsbegriff erforderlich ist Susanne Wurthwein Schadensersatz fur Verlust der Nutzungsmoglichkeit einer Sache oder fur entgangene Gebrauchsvorteile 2001 S 100 BGH NJW 87 50 BGH 39 186 BGH 63 365 RGZ 118 266 268 f Heinz Hubner Allgemeiner Teil des Burgerlichen Gesetzbuches 1996 S 188 RGZ 86 135 138 Ludwig Frey Lehrbuch des franzosischen Civilrechts Band 2 1840 S 167 ff Normdaten Sachbegriff GND 4120814 6 lobid OGND AKS Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Nutzung Recht amp oldid 229179625