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Boden englisch land ist in der Volkswirtschaftslehre der zweite originare Produktionsfaktor der die wirtschaftlich genutzte Erdoberflache umfasst Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Geschichte 3 Nutzbarkeit des Bodens 4 Preis 5 Bodenfrage 6 Wirtschaftliche Aspekte 7 Siehe auch 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenDie Volkswirtschaftslehre kennt neben dem Boden als weiteren originaren Produktionsfaktor die menschliche Arbeit Zusammen mit dem derivativen Produktionsfaktor Kapital bilden sie die drei klassischen Produktionsfaktoren Da diese Produktionsfaktoren knapp sind haben sie in der klassischen Nationalokonomie einen Preis der beim Boden Bodenrente bei der Arbeit Lohn und beim Kapital Zins heisst Jean Baptiste Say erganzte 1828 das Faktorsystem um den Produktionsfaktor unternehmerische Tatigkeit 1 dessen Preis der Unternehmerlohn darstellt Soweit der Boden konsumtiv fur eigene Zwecke genutzt wird beispielsweise ein privater Garten stellt er keinen Produktionsfaktor sondern ein Konsumgut dar Geschichte BearbeitenDie Physiokraten unterzogen erstmals den Boden einer umfassenden wissenschaftlichen Analyse Sie gingen vom Produktionsfaktor Boden aus der sich als Natur stets regeneriere und ohne Aufwand erhalte Fur sie ist der Produktionsfaktor Boden also der Ackerbau die einzige Quelle allen volkswirtschaftlichen Wohlstandes da nur er imstande sei einen Uberschuss uber die aufgewendeten Kosten abzuwerfen Deren wichtigster Vertreter Francois Quesnay behauptete 1757 dass der Reichtum nicht in der Bewegung Handel sondern in der Ruhe Boden liege Das Prinzip aller Arbeit sei der Bodenertrag denn alle Arbeit richte sich nach dem Preis der Bodenprodukte Der Ertrag ist das Ergebnis der Bodenbeschaffenheit und des Menschen Ohne die Arbeit des Menschen hat der Boden keinen Wert 2 Der Uberschuss aus Grund und Boden ist es welcher die Landwirtschaft fur die Besteuerung zur Verfugung stellt 3 Wahrend die Physiokraten nur die landwirtschaftliche Arbeit fur produktiv hielten erganzte im Jahre 1777 Johann Georg Schlosser dass auch die Klasse der Kunstler Handwerker und Kaufleute produktiv sei 4 Fur Adam Smith galt in dem 1776 erschienenen Standardwerk Der Wohlstand der Nationen nicht der landwirtschaftlich genutzte Boden als die Quelle des Wohlstands sondern die menschliche Arbeit 5 Nach Thomas Robert Malthus verfugten die Landeigentumer als Klasse uber den Boden 6 Er untersuchte 1798 hierin das Verhaltnis von Bevolkerungswachstum und Bodenertrag und gelangte zu der Prognose dass der Bodenertrag nur in arithmetischer Progression 1 2 3 4 5 usw wachsen konne die Bevolkerung jedoch in geometrischer Progression 1 2 4 8 16 usw wachse mit der Folge von Hunger und Armut Jean Baptiste Say stellte 1803 erstmals die Arbeit mit Boden und Kapital auf eine Stufe 7 David Ricardo meinte 1821 dass der Boden nur dann keine Rente erziele wenn er im Uberfluss vorhanden sei 8 Fur Ricardo war der Boden nicht in unendlicher Menge und allgemein gleicher Beschaffenheit vorhanden 9 Er erkannte dass in einer wachsenden Volkswirtschaft Boden der einzige nicht vermehrbare Produktionsfaktor darstellt Bei weiterem Bevolkerungswachstum sah er voraus dass Boden von geringerer Beschaffenheit und weniger vorteilhafter Lage erschlossen werden muss Boden zweiter Klasse John Stuart Mill stellte 1848 den Unterschied zwischen Boden und von Menschen geschaffenen Gutern heraus Niemand hat den Boden gemacht er ist das ursprungliche Erbe der Menschheit 10 Er pragte 1848 den Begriff des nicht verdienten Bodenwertzuwachses englisch unearned increments der aufgrund des Bevolkerungswachstums entstehe und besteuert werden sollte 11 Nutzbarkeit des Bodens BearbeitenBoden als Teil der Erdoberflache ist bis auf die wenigen Moglichkeiten der Landgewinnung und Melioration nicht vermehrbar Diese nicht beliebige Vermehrbarkeit des Bodens ist in der Landwirtschaft eine der Voraussetzungen fur die Gultigkeit des Ertragsgesetzes Der volkswirtschaftliche Bodenbegriff ist zudem auf den wirtschaftlich genutzten Boden begrenzt so dass ungenutzte Landflachen wie Wusten nicht zum engeren Bodenbegriff gerechnet werden Zum genutzten Boden gehoren landwirtschaftliche Kulturboden Acker Garten Weide Wiese forstwirtschaftliche Wirtschaftswald fischereiwirtschaftliche bergbauwirtschaftliche industrielle Wohnflachen oder Verkehrswege Im weiteren Sinne gehoren dazu auch Physiosphare und Biosphare soweit sie als Produktionsfaktor fur die Herstellung von Rohstoffen als Wasserfilter Verhuter von Erosion Produzent von Genmaterial oder anderen naturlichen Leistungen zu verstehen sind sowie die Rohstoffe selbst feste flussige oder gasformige und alle Energieformen wie etwa Sonnenenergie Kernenergie Wasserkraft und Wind Der Boden stiftet als Produktionsfaktor nur dann einen Nutzen wenn er fruchtbar ist oder fruchtbar gemacht werden kann Diese Fertilitatstheorie ist bereits dem Neuen Testament bekannt Der Evangelist Markus sagte Die Erde bringt von selbst ihre Frucht zuerst den Halm dann die Ahre dann das volle Korn in der Ahre Mk 4 28 EU Entgegen weit verbreiteter Ansicht unterliegt landwirtschaftlich genutzter Boden einer Abnutzung und muss durch Brachliegen oder Dungung regeneriert werden 12 Dagegen ist die Wertminderung durch Abbau von Bodenschatzen irreparabel Preis BearbeitenDa diese Produktionsfaktoren knapp sind haben sie in der klassischen Nationalokonomie einen Preis der beim Boden Bodenrente bei der Arbeit Lohn und beim Kapital Zins heisst Die Bodenrente war bei Adam Smith der Grundstucksertrag Bodenertrag aus Ernten oder dem Abbau von Rohstoffen und besteht heute auch aus Miet oder Pachteinnahmen Die Bodenrente ist laut Ricardo der Teil von den Produkten des Bodens welcher dem Bodeneigentumer fur die Benutzung der ursprunglichen und unzerstorbaren Krafte des Bodens bezahlt wird 13 damit meinte er die Pachter Der Preis ist fur den Bodeneigentumer Einkommen fur die Bodennutzer Kosten Miet oder Pachtkosten Bodenfrage BearbeitenDie Bodenfrage behandelt die philosophische Frage 14 des gerechten Zugangs zum volkswirtschaftlichen Produktionsfaktor Boden und konkret den Begriff Boden im engeren Sinne des Eigentums des Besitzes und der Nutzung der Erdoberflache durch den Menschen Im Gegensatz zum Produktionsfaktor Kapital das vom Menschen geschaffen wird und dessen Herstellung und Erhalt somit einen Aufwand erfordert ist das Angebot an Boden grundsatzlich unabhangig vom Menschen unelastisch Wahrend die Inwertsetzung des Bodens einen Aufwand durch Arbeit und Kapital erfordert hat der Boden selbst keine Produktionskosten Durch die Eigenschaften des Bodens und die Art seiner Nutzung durch den Menschen resultieren folgende Probleme Da der Boden nicht vom Menschen geschaffen wurde hat der Boden keinen eindeutigen originaren Eigentumer Besitzer oder Nutzer 15 Da das Angebot an Boden absolut begrenzt und als naturliches Produkt mehrheitlich heterogen ist fuhrt das Eigentum der Besitz oder die Nutzung des Bodens durch einen Menschen zum Ausschluss anderer Menschen welche jedoch grundsatzlich den gleichen originaren Anspruch auf diesen haben Insbesondere bei stadtischen Grundstucken tritt das Problem von externen Effekten auf da der okonomische Wert des Bodens ausschliesslich die Kosten seiner Inwertsetzung durch die Gesellschaft widerspiegelt z B durch den Bau von Strassen offentliche Sicherheit siehe Henry George Theorem der Nutzen der Inwertsetzung jedoch haufig einem privaten Eigentumer zukommt Das private Grundeigentum hat in diesem Zusammenhang einen Umverteilungseffekt zu Lasten der Gesellschaft 16 Wirtschaftliche Aspekte BearbeitenDas Lehrgebaude der Physiokraten entstand auf dem Boden des Naturrechts und schrieb ihm allein die Fahigkeit zu einen Ertrag abzuwerfen Adam Smith und David Ricardo hoben die Bedeutung des Bodens als Faktor und als Grundlage fur das Faktoreinkommen hervor Hans Peter bagatellisierte 1950 die Bedeutung des Bodens als Produktionsfaktor Erst wenn Peter zufolge die Bedurfnisse der Wirtschaftssubjekte nicht durch den vorhandenen Boden gedeckt werden konnten wirke die Knappheit des Produktionsfaktors auf die Einkommensverteilung 17 Die moderne Volkswirtschaftstheorie liess die Bedeutung des Bodens bei ihrer Suche nach einem weiteren Produktionsfaktor erneut schwinden und fand den technischen Fortschritt als neues Erkenntnisobjekt In neuerer Zeit gab es im Hinblick auf den Umweltschutz mit seinen Themen Bodenkontamination oder Bodenversauerung eine Ruckbesinnung auf die Bedeutung des Faktors Boden Hinzu kommt die Thematik der Uberbevolkerung und Hungersnot die unmittelbar mit dem Boden im Zusammenhang stehen In Staaten mit hoher Bevolkerungsdichte nehmen die Grundstuckskosten oder Mietpreise stark zu und konnen zu finanziellen Risiken fuhren was die Knappheitsfunktion des Bodens unterstreicht Das liegt auch am vollkommen unelastischen Angebot an Immobilien Wohn und Gewerbeimmobilien In den Entwicklungs und Schwellenlandern mit hoher Geburtenrate muss immer mehr ungenutzter Boden zu Nutz oder Wohnflache umfunktioniert werden was eine der Ursachen der Desertifikation ist Damit der Produktionsfaktor Boden als Gut uberhaupt gehandelt werden kann muss er unter anderem auch Faktormobilitat aufweisen Von allen Produktionsfaktoren ist Kapital mit seiner Kapitalmobilitat der mobilste 18 der Produktionsfaktor Arbeit weist mehr oder weniger starke Arbeitsmobilitat auf Dem Boden fehlt jedoch eine wesentliche Form der Mobilitat denn er ist naturgemass dauerhaft an einen Standort gebunden und deshalb unbeweglich daher der Begriff Immobilien Die Mobilitat des Bodens zeigt sich darin dass er den Grundbesitzer wechseln kann etwa durch Grundstuckskaufvertrag und dass die Bodennutzung durch eine Nutzungsanderung geandert werden kann etwa landwirtschaftliche Nutzflache in Bauland Diese begrenzte Mobilitat genugt fur die Faktormobilitat des Bodens so dass er auf dem Immobilienmarkt gehandelt werden kann Eine vollkommene Faktormobilitat fuhrt dazu dass durch sie uber den Marktmechanismus ein Marktgleichgewicht auf den Faktormarkten und ein gleich hohes Faktoreinkommen bewirkt wird 19 Fragen der intensiven Bodennutzung etwa bei der intensiven Landwirtschaft werden unter anderem bei der Bodenproduktivitat untersucht Siehe auch BearbeitenGrundbesitz Naturliche Ressource Ressourcenproduktivitat NaturkapitalWeblinks BearbeitenHeinrich Boll Stiftung boell de BodenatlasEinzelnachweise Bearbeiten Jean Baptiste Say Ausfuhrliches Lehrbuch der praktischen Okonomie deutsche Ubersetzung 1845 S 121 Francois Quesnay Getreide franzosisch Grains in Encyclopedie vol 7 November 1757 S 44 Francois Quesnay Tableau Economique 1757 S 188 Johann Georg Schlosser Politische Fragmente 1777 S 43 Adam Smith An Inquiry into the Nature and Causes of Wealth of Nations 1776 Ubersetzung Claus Recktenwald 1995 S 3 Thomas Robert Malthus An Essay on the Principle of Population 1798 S 8 Jean Baptiste Say Traite d economie politique 1803 S 85 David Ricardo David Ricardo s Grundgesetze der Volkswirthschaft und Besteuerung Band 1 Ubersetzung Edward Baumstark 1837 S 42 f David Ricardo Grundgesetze der Volkswirtschaft und Besteuerung deutsche Ubersetzung 1837 S 44 John Stuart Mill Stephen Nathanson Principles of Political Economy 2004 S 109 John Stuart Mill Principles of Political Economy 1848 S 817 Gabler Wirtschaftslexikon Band 1 1984 Sp 799 David Ricardo Grundsatze der politischen Okonomie oder der Staatswirtschaft und der Besteuerung deutsche Ubersetzung 1821 S 47 f Fabian Thiel Das Bodenrecht in der Bundesrepublik Alles schon mal debattiert In Bauwelt Juni 2018 abgerufen am 30 April 2019 John Stuart Mill The Principles of Political Economy 1848 englisch edu au Why Henry George had a point In The Economist 2 April 2015 abgerufen am 30 April 2019 englisch Hans Peter Einfuhrung in die Politische Okonomie 1950 S 180 Jochen Tiedtke Zahlungsbilanzausgleich Mikrookonomische Absorptionstheorie direkter internationaler Preiszusammenhang und Zahlungsbilanz 1972 S 32 Werner Lachmann Volkswirtschaftslehre 2 Anwendungen 1995 S 72Normdaten Sachbegriff GND 4007348 8 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Boden Produktionsfaktor amp oldid 236524731