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Der Konsensualvertrag auch Konsensualkontrakt lat consensu contrahi bezeichnete im romischen Recht ein Verpflichtungsgeschaft das unabhangig von der Einhaltung einer bestimmten Form allein auf ubereinstimmendem Willensaustausch consensus der Parteien beruhte Dabei darf nicht im Sinne des modernen Verstandnisses auf den deklaratorischen Charakter einer Willenserklarung abgestellt werden sondern auf das voluntative Element der Entsprechung des inneren Willens was auch erklart warum der Gegenbegriff Dissens dissensus mit Irrtum error nahezu gleichgesetzt wurde 1 2 Einen Konsens der Parteien verlangten alle Vertragstypen 3 aber weder bedurfte es beim Konsensualvertrag einer begleitenden Sachubergabe wie beim Realvertrag noch einer Buchung wie beim Litteralvertrag oder einer Wortformel wie beim Verbalkontrakt 4 Der Konsensualvertrag beruht aber auf dem Gebot der bona fides einem Vorlaufer von Treu und Glauben Die Unterschiede der genannten Kontraktformen sind erstmals belegt bei Gaius 5 Dass der Konsensualkontrakt bereits vor der Zeit des genannten Hochklassikers als geschaftlicher Verpflichtungstyp anerkannt war ist bereits bei Labeo bezeugt uberliefert wird dies in den spatantiken Digesten 6 Vertragsbegrundung BearbeitenWirksame Vertragssysteme des ius civile waren vornehmlich an typisierten Geschaftszwecken ausgerichtet Das beschrankte nicht nur die Anzahl anerkannter Konsensualvertrage sondern bot einer offenen Vertragsgestaltung wenig Raum Konsensuale Verpflichtungen konnten sich daher nur auf eine begrenzte Anzahl von Schuldverhaltnissen beziehen Hierbei wurde unterschieden ob die Geschafte auf Leistungsaustausch gerichtet waren also entgeltlich oder ob sie eines Leistungsaustausches entbehrten und damit unentgeltlich waren Nach historischem Verstandnis waren entgeltliche Schuldverhaltnisse der Kauf und die Verdingung nicht so Schenkung und Tausch Nach modernem Verstandnis bezogen die Begrifflichkeiten Rechtsverhaltnisse ein die den Kauf emptio venditio die Miete Pacht und den Dienst wie Werkvertrag locatio conductio erfassen Jeder auf Austausch von Sach und Geldleistung gerichtete Vertrag konnte konsensual vereinbart werden In Abgrenzung zum Abschlussmechanismus des Realvertrages Kreditierungszweck Leihe Verwahrung bedeutete die Sachubergabe Ubereignung 7 Diesen auf Leistung und Gegenleistung beruhenden Geschaften standen die unentgeltlichen Geschafte gegenuber die Gesellschaft societas und der Auftrag mandatum vereinfacht gesagt eigen und fremdnutzige Geschaftsfuhrungsverhaltnisse Schenkungen waren von vornherein keine Schuldverhaltnisse und auch der Tausch wurde wegen seines egalitaren Charakters nicht einbezogen Diese Geschafte bildeten den komplementaren Bereich zum Leistungsaustausch Im Gegensatz zur Gesellschaft und zum Auftrag die streng einseitige Rechtsgeschafte waren beruhten die anderen Schuldverhaltnisse auf dem zweiseitigen Gegenleistungsprinzip synallagmatischer Grundsatz 8 Formlose Vereinbarungen wurden als nuda pacta erfasst 9 Sie gewahrten grundsatzlich keine klagbaren Anspruche 4 soweit sie nicht ausnahmsweise aus unbenannten Vertragen herruhrten den so genannten Innominatsgeschaften Fur die stand die actio praescriptis verbis zur Verfugung Erst spater wahrend der spaten Kaiserzeit wurden sie kraft pratorischen Edikts als pacta praetoria anerkannt ohne jedoch in den Katalog der Konsensualvertrage einbezogen zu werden 8 Besondere Bedeutung kam bei konsensualen Verpflichtungsgeschaften dem Treuglaubensgrundsatz bonae fidei iudicium zu da zu gewahrendes Vertrauen konstitutives Merkmal des Geschaftstyps war keine Partei also wortbruchig werden sollte Vertragsverletzungen konnten mittels Klage gerugt werden Im Formularprozess war dem Richter bei den Klageformeln aus Konsensualvertragen aufgrund des Gebots der guten Treue mehr Rechtsfolgenfreiheit eingeraumt als etwa bei den strengrechtlichen Klagen aus Stipulation 7 Dem Kaufer einer Ware stand beispielsweise die actio empti auf Leistung des Kaufgegenstandes zu dem Verkaufer die actio venditi auf Zahlung des vereinbarten Kaufpreises Entsprechend konnten verletzte Mietvertrage mittels der actiones conducti und locati dem Richterspruch zugefuhrt werden Vertragsaufhebung BearbeitenIn der modernen romanistischen Literatur 10 wird davon ausgegangen dass als Kontrarakt zur Aufhebung des gesamten Rechtsverhaltnisses eines Kaufvertrages der contrarius consensus anerkannt gewesen war Teilweise wird darauf abgestellt dass nicht die ganze Schuld Kontrakt nebst den daraus entsprungenen Verpflichtungen sondern lediglich die einzelne Verbindlichkeit aufgehoben worden sei 11 12 Weitere Entwicklung BearbeitenVor Einfuhrung der Konsensualvertrage bestand mit dem umfassend verwendbaren Vertragstyp der Stipulation noch ein hoher Grad an Vertragsfreiheit Dieser konnte uber die klassische Zeit hinaus erst wieder in der byzantinischen Zeit zuruckgewonnen werden Mit der Rezeption des romischen Rechts ab dem glossatorischen Mittelalter wandelten sich die Begrifflichkeiten Die einst unklagbaren pacta verschmolzen mit den stets klagbaren contractus zu einem einheitlichen Vertragsprinzip Dieses war auch auf die schuldrechtlich bislang nicht erfassten Tauschgeschafte anwendbar und ebenso auf die blossen Nebenabreden Der Weg war damit fur die im heutigen Burgerlichen Gesetzbuch verankerte vollstandige Vertragsfreiheit geebnet 13 14 Das machte letztlich auch den Typ der Realvertrage entbehrlich denn Sachubergaben konnten dem Leistungsaustauschgeschaft durch pacta voran und oder nachgehen Literatur BearbeitenJan Dirk Harke Romisches Recht Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen Beck Munchen 2008 ISBN 978 3 406 57405 4 Grundrisse des Rechts 4 Herbert Hausmaninger Walter Selb Romisches Privatrecht Bohlau Wien 1981 9 Aufl 2001 Bohlau Studien Bucher ISBN 3 205 07171 9 S 224 259 Heinrich Honsell Romisches Recht 5 Auflage Springer Zurich 2001 ISBN 3 540 42455 5 S 102 f Max Kaser Divisio obligationum In Max Kaser Ramische Rechtsquellen und angewandte Juristenmethode Koln u a 1986 S 155 172 Anmerkungen Bearbeiten Digesten 18 1 9 Ulpian 28 libri ad Sabinum Jan Dirk Harke Romisches Recht Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen Beck Munchen 2008 ISBN 978 3 406 57405 4 Grundrisse des Rechts 5 Rnr 1 18 Digesten 2 14 1 3 Ulpian 4 ed a b Herbert Hausmaninger Walter Selb Romisches Privatrecht Bohlau Wien 1981 9 Aufl 2001 Bohlau Studien Bucher ISBN 3 205 07171 9 S 224 f Gaius 3 89 ff 128 135 ff Rechtsgeschaftsunterscheidungen 3 139 ff 139 Kaufvertrag 142 Verdingung 148 Gesellschaft 155 Auftrag Digesten 50 16 19 Ulpian 11 ad ed Offen bleibt bei ihm ob auch unvollkommen zweiseitige Vertragstypen beispielsweise das Mandatum das Depositum oder die Geschaftsform des Pignus gegenseitigen Vertragen gleichgestellt waren a b Jan Dirk Harke Romisches Recht Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen Beck Munchen 2008 ISBN 978 3 406 57405 4 Grundrisse des Rechts 4 Rnr 13 39 S 44 53 a b Heinrich Honsell Romisches Recht 5 Auflage Springer Zurich 2001 ISBN 3 540 42455 5 S 102 f Digesten 2 14 Codex Iustinianus 2 3 Max Kaser Das Romische Privatrecht 2 Bande 2 Auflage Beck Munchen 1971 1975 Handbuch der Altertumswissenschaft Abt 10 Teil 3 Bd 3 Band 1 S 642 Wolfgang Kunkel Heinrich Honsell Theo Mayer Maly Walter Selb Romisches Recht 4 Auflage Berlin u a 1987 ISBN 3 540 16866 4 S 267 Heinrich Siber SZ 42 70 Rolf Knutel Contrarius Consensus 1968 S 137 Unter Berufung auf die Digesten Dig 18 5 3 Julian nimmt Knutel an dass die romische Rechtsklassik uber weite Strecken keinen Aufhebungsvertrag kannte und Vertragsloslosungen uber ein einfaches honorarrechtliches pactum gelost habe erst mit Iulius Paulus sei der contrarius consensus im Wege der interpretatio entstanden Vgl insoweit auch Werner Flume Rechtsakt und Rechtsverhaltnis romische Jurisprudenz und modernrechtliches Denken Paderborn Munchen Wien Zurich Schoningh 1990 ISBN 3 506 73356 7 S 45 Azo Summa Azonis Pavia 1506 Neudr Corpus glossatorum juris civilis Bd 2 Azonis Summa super codicem Instituta extraordinaria bearbeitet von Mario Viora Torino 1966 2 3 Samuel Stryk Specimen usus moderni Pandectarum 1690 zu den Digesten 45 1 Nr 1 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Konsensualvertrag amp oldid 226257503