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Die Kernphysik oder Nuklearphysik ist der Teilbereich der Physik der sich mit dem Aufbau und dem Verhalten von Atomkernen beschaftigt Wahrend die Atomphysik sich mit der Physik der Atomhulle befasst ist die Kernphysik mit der Aufklarung der Kernstruktur also den Einzelheiten des Aufbaus der Atomkerne und ihrer Reaktionsweisen beschaftigt Hierzu werden beispielsweise spontane Umwandlungen der Kerne Radioaktivitat Streuvorgange an Kernen und Reaktionen mit Kernen experimentell und theoretisch untersucht Die Hochenergiephysik und Elementarteilchenphysik haben sich aus der Kernphysik heraus gebildet und wurden daher fruher mit zu ihr gezahlt die eigentliche Kernphysik wurde dann zur Unterscheidung manchmal als Niederenergie Kernphysik bezeichnet Auch die Reaktorphysik ist zu grossen Teilen aus der Kernphysik heraus entstanden Die auf der Kernspaltung und Kernfusion beruhenden Technologien siehe Kerntechnik zur Nutzung von Kernenergie und fur Waffenzwecke haben sich aus bestimmten Forschungsergebnissen der Kernphysik entwickelt Es ist aber irrefuhrend dieses technisch wirtschaftlich politische Gebiet als die Kernphysik zu bezeichnen Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 2 Geschichte 2 1 Radioaktivitat 2 2 Entdeckung des Atomkerns 2 3 Bestandteile und Grosse des Atomkerns 2 4 Kernspin magnetisches Dipolmoment elektrisches Quadrupolmoment 2 5 Massendefekt Bindungsenergie Fusion Spaltung 2 6 Kernmodelle 2 7 Kernreaktionen 2 8 Kernspaltung 2 9 Offentliche Diskussion 3 Bedeutende Kernphysiker Auswahl 4 Siehe auch 5 Literatur 5 1 Einsteiger 5 2 Fachbucher 5 3 Altere Werke 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseBeschreibung BearbeitenKernphysik wird sowohl theoretisch als auch experimentell betrieben Ihr wichtigstes theoretisches Hilfsmittel ist die Quantenmechanik Experimentelle Werkzeuge sind z B Teilchen und Strahlungsdetektoren Teilchenbeschleuniger und auch die Vakuumtechnik Die Aufgabe der reinen Kernphysik im Sinne von Grundlagenforschung ist die Aufklarung und Erklarung der Kernstruktur also der Einzelheiten des Aufbaus der Atomkerne sowie ihres Verhaltens in Kernreaktionen Aus der Untersuchung der Radioaktivitat und von Reaktionen mit Kernen haben sich viele Anwendungen entwickelt beispielsweise Energiegewinnung aus Kernreaktionen mittels Kernreaktoren und Kernfusionsreaktoren medizinische Diagnose und Therapieverfahren etwa Szintigraphie Brachytherapie zusammengefasst Nuklearmedizin genannt chemische Anwendungen in der Radiochemie bzw Kernchemie Verfahren zur vorbeugenden Schadenserkennung in Rohrleitungen mittels Gammastrahlung Herstellung von Materialoberflachen mit besonderen Eigenschaften mittels Ionenimplantation Hilfsmethoden fur andere Forschungsgebiete wie etwa die Radiokohlenstoffdatierung in der Archaologie oder die Kosmochemie Man stellt sich Kerne als eine im einfachsten Fall kugelformige Ansammlung von Protonen und Neutronen vor Typische Grossenordnungen im Bereich der Atomkerne und Kernprozesse sind Langen 1 Fermi 1 fm 10 15 m Energien 100 keV bis 100 MeVEin Atomkern ist aus Z Protonen und N Neutronen aufgebaut zusammen als A Z N Nukleonen bezeichnet Im neutralen Atom kommen Z Elektronen hinzu Die Anzahl Z der Protonen heisst Kernladungszahl und ist auch die die Ordnungszahl des betreffenden chemischen Elementes Die Masse des Kerns wird fast ausschliesslich durch die Gesamtzahl A der Nukleonen bestimmt A wird deshalb auch Massenzahl genannt Atomarten mit gleicher Ordnungszahl gehoren zum selben Element bei unterschiedlicher Neutronenzahl werden sie als Isotope des jeweiligen Elements bezeichnet Wahrend die chemischen Eigenschaften fast nur von der Ordnungszahl des Kerns abhangen werden seine physikalischen Eigenschaften sowohl von der Ordnungszahl als auch von der Neutronenzahl bestimmt Bei der Beschreibung von Kernreaktionen und Stossvorgangen ist der Begriff des Wirkungsquerschnitts von Bedeutung Der Wirkungsquerschnitt fur einen bestimmten Vorgang ist ein Mass fur die Wahrscheinlichkeit dass dieser Vorgang im Einzelfall eintritt Geschichte BearbeitenDie Darstellung orientiert sich vor allem an Friedrich Hund Geschichte der physikalischen Begriffe 1 und Jorn Bleck Neuhaus Elementare Teilchen 2 Radioaktivitat Bearbeiten Siehe auch Entdeckung der Radioaktivitat Die naturliche Radioaktivitat wurde 1895 von Antoine Henri Becquerel anhand der Schwarzung einer Fotoplatte entdeckt aber erst gegen 1915 richtig als kernphysikalische Erscheinung eingeordnet Wichtige Entdeckungen zunachst vor allem durch Pierre Curie und Marie Curie waren dass es verschiedene radioaktive Elemente gibt die zum Teil auch erst in dem Prozess entstehen Becquerel und das Ehepaar Curie erhielten fur ihre Versuche zur Radioaktivitat die man als den historischen Beginn der Kernforschung bezeichnen konnte 1903 den Nobelpreis fur Physik Die Strahlen wurden anfangs nur durch ihre verschiedene Durchdringungsfahigkeit unterschieden und 1900 von Ernest Rutherford Alpha Beta und Gammastrahlen benannt Er entdeckte 1900 dass die radioaktiven Elemente sich in andere Elemente umwandeln sowie das Zerfallsgesetz das den exponentiellen Zerfall einer reinen radioaktiven Substanz beschreibt Da die Radioaktivitat sich nicht durch chemische oder physikalische Beeinflussung beschleunigen oder verzogern lasst schloss er richtig dass es sich bei den Umwandlungen um rein zufallige Prozesse handeln muss Der Zufallscharakter der ganzen Erscheinung wurde durch Egon von Schweidler 1905 anhand der erwarteten statischen Fluktuationen nachgewiesen und konnte auch durch Szintillation William Crookes 1903 und Teilchenspuren in der Nebelkammer Charles Wilson 1911 sichtbar gemacht werden Solche Beobachtungen haben nicht unwesentlich dazu beigetragen aus der Hypothese dass es Atome gabe eine wissenschaftliche Gewissheit zu machen 1909 zeigt Rutherford weiter dass es sich bei Alphateilchen um doppelt ionisierte Heliumatome handelt Nach den 1912 13 von Kasimir Fajans und Frederick Soddy gefundenen Verschiebungssatzen war klar dass das chemische Element sich bei Alpharadioaktivitat um D Z 2 displaystyle Delta Z 2 andert bei Betaradioaktivitat um D Z 1 displaystyle Delta Z 1 und dasselbe bleibt bei Gammaradioaktivitat D Z 0 displaystyle Delta Z 0 Unerklarbar war die hohe Energie der einzelnen Alpha oder Betateilchen um Grossenordnungen hoher als die Energieumsatze pro Atom bei chemischen Reaktionen Gammastrahlen wurde 1914 von Rutherford durch Beugung an Kristallen als extrem kurzwellige elektromagnetische Wellen identifiziert Die lange Lebensdauer der Alphastrahler wurde 1928 von George Gamov auf den quantenmechanischen Tunneleffekt zuruckgefuhrt der vor allem auch ihre Abhangigkeit von der Energie der Alphateilchen erklaren konnte Zur Erklarung der Betaradioaktivitat postulierte Enrico Fermi 1934 eine eigene schwache Wechselwirkung in der die emittierten Elektronen zusammen mit den damals hypothetischen Neutrinos nach der Einsteinformel E m c 2 E m c 2 erst entstehen Die Entstehung der Gammastrahlung wurde wie die Lichtemission von Atomen durch die 1928 von Paul Dirac vorgeschlagene und 1932 von Fermi weiter ausgearbeitete Quantenelektrodynamik beschrieben Die z T extrem langen Lebensdauern die bei isomeren Kernen auch hier auftreten wurden 1935 durch Carl Friedrich von Weizsacker darauf zuruckgefuhrt dass anders als in der Atomhulle in diesen Fallen die betreffenden Gammaquanten mit einem hohen Drehimpuls erzeugt werden mussen Entdeckung des Atomkerns Bearbeiten Das Schlusselexperiment das zur uberraschenden Entdeckung des Atomkerns fuhrte gelang dem Doktoranden Ernest Marsden im Labor des Nobelpreistragers Ernest Rutherford am 20 Dezember 1910 Bei Kontrollversuchen zur Herstellung eines scharf begrenzten Strahls von a Teilchen hatte er bemerkt dass die Teilchen durch dunne Metallfolien zwar zu 99 99 fast ohne Ablenkung hindurchgehen in vereinzelten Fallen aber auch um mehr als 90 abgelenkt werden Die starke Ablenkung stand im Widerspruch zu dem erwarteten Ergebnis Nach dem damals angenommenen Thomsonschen Atommodell Rosinenkuchen Modell englisch plum pudding model hatte das Atom aus Elektronen bestanden die in einer diffusen positiv geladenen Wolke schwebten Bekannt war dass a Teilchen ionisierte Atome des Edelgases Helium sind und weder von den positiv geladenen Wolken noch von zahlreichen Zusammenstossen mit den Elektronen so weit von ihrer Bahn abweichen konnten Zweck der Versuche war es eigentlich die Eigenschaften dieser Wolke naher zu untersuchen Rutherford interpretierte das unerwartete Ergebnis so dass die Atome der Folie grosstenteils aus leerem Raum bestanden der die Alphateilchen ungehindert passieren liess wahrend kleine elektrisch geladene und sehr massive Partikel darin existierten die die Alphateilchen bei einem der seltenen besonders engen Zusammenstosse sehr stark aus ihrer Bahn werfen konnten Kurze Uberschlagsrechnungen zeigten Rutherford dass diese Kerne mindestens 1000 Mal kleiner als das Atom sein aber praktisch seine ganze Masse enthalten mussten Diese Vorstellung wurde unterstutzt durch Henry Moseley der 1915 bei 40 Elementen nachwies dass die Photonen der charakteristischen Rontgenstrahlung mit den hochsten Energien genau der Formel genugten die 1913 von Niels Bohr fur die innersten Bahnen des Elektrons im Coulombfeld einer Punktladung aufgestellt worden waren wenn die richtige Ordnungszahl fur die Kernladung eingesetzt wurde Diese Bahnen sind um ein entsprechendes Vielfaches kleiner als der Atomdurchmesser Die endliche Grosse des Atomkerns war ebenfalls von Rutherford 1919 dadurch nachgewiesen worden dass die Ablenkung von Alphateilchen die dem Mittelpunkt des Coulombpotentials naher als einige fm gekommen waren nicht mehr der fur Punktladungen berechneten Haufigkeitsverteilung folgte Dies Phanomen heisst anomale Rutherfordstreuung und diente noch bis in die 1950er Jahre zur genaueren Bestimmung der Kernradien Bestandteile und Grosse des Atomkerns Bearbeiten 1919 fand Rutherford auf einer Aufnahme mit der Nebelkammer den Beweis dass ein energiereiches Alphateilchen aus einem Stickstoffkern einen Wasserstoffkern herausgeschlagen hatte Er sah im Wasserstoffkern einen universellen Baustein aller Kerne und gab ihm den Namen Proton Da durch die Massenspektrometrie um diese Zeit schon festgestellt worden war dass die Atome aller Elemente nahezu ganzzahlige Atomgewichte A hatten nahm Rutherford an die Kerne mit Massenzahl A und Ordnungszahl Z seien aus einer Anzahl A Protonen und A Z Elektronen zusammengesetzt Dieses Proton Elektron Modell wurde lange Zeit als gultig angenommen bis 1932 von James Chadwick das Neutron entdeckt wurde Kernspin magnetisches Dipolmoment elektrisches Quadrupolmoment Bearbeiten Die Hyperfeinstruktur eine Aufspaltung der Spektrallinien von der Grossenordnung 1 10 5 im optischen Bereich wurde 1924 entdeckt und durch die Existenz eines Kernspins gedeutet der ein magnetisches Moment des Kerns bedingt Je nach Einstellwinkel zum Drehimpuls bzw magnetischem Moment der Atomhulle ergeben sich diese extrem geringen Zusatzenergien Aus der Zahl der durch die Aufspaltung entstandenen Linien und ihrer Verschiebung in einem zusatzlich angelegten Magnetfeld Zeeman Effekt konnte 1927 zum ersten Mal der Spin eines schweren Kerns bestimmt werden 83 209 B i I 9 2 displaystyle 83 209 mathrm Bi I 9 2 Der Spin 1 2 des Protons wurde 1927 anhand eines scheinbar sehr fernliegenden Phanomens nachgewiesen einer Anomalie in der Temperaturabhangigkeit der spezifischen Warme von Wasserstoff bei Temperaturen unter 100 K Die Erklarung beruht darauf dass das H2 Molekul bei diesen Temperaturen in einer von zwei stabilen allotropen Formen vorliegt bei denen sich die Spins der beiden Protonen zu 0 oder zu 1 koppeln Der Energieunterschied beider Formen ist extrem klein ca 10 12 eV die quantenmechanischen Zustande der Molekule haben aber entgegengesetzte Symmetrie und zeigen daher verschiedene Rotationsspektren Diese drucken sich bei tiefen Temperaturen in der spezifischen Warme aus Das magnetische Moment des Protons wurde von Otto Stern u a nachgewiesen indem an einem extrem eng fokussierten H2 Molekulstrahl in einem inhomogenen Magnetfeld eine geringe Aufweichung beobachten konnten Der Versuch ist analog zur Aufspaltung eines Atomstrahls mit Atomen mit einem ungepaarten Elektron Stern Gerlach Versuch von 1923 Die Ablenkung der Molekule durch die Kraft auf die Momente der beiden Protonen war ca 700 Mal kleiner als die die vom magnetischen Moment der beiden Elektronen verursacht wurde und blieb uberhaupt nur sichtbar weil die beiden Elektronen im H2 Molekul ihre magnetischen Momente exakt antiparallel ausrichten Der ermittelte Protonen g Faktor von mindestens g 5 statt wie beim Elektron g 2 oder gar wie klassisch erwartet g 1 zeigte dass Proton und Elektron grundlegend verschiedene Elementarteilchen sind 1937 erweiterte Isidor Rabi die Apparatur so dass die magnetische Energieaufspaltung mittels einer Resonanzmethode nachzuweisen war Damit steigerte er die Genauigkeit auf 4 Dezimalstellen und mass auch das magnetische Moment anderer Kerne u a das des Deuterons das naherungsweise die Summe der Momente von Proton und Neutron ist Der Spin des Neutrons war bereits durch Beobachtung der optischen Hyperfeinstruktur an geeigneten Kernen zu 1 2 ermittelt worden Ab 1935 wurde in der Hyperfeinstruktur von Kernen mit Kernspin 1 entdeckt dass die Niveauabstande nicht genau der linearen Abhangigkeit folgten die bei Wechselwirkung von Dipolen gilt sondern einen quadratischen Beitrag hatten Die mogliche Erklarung war das elektrische Quadrupolmoment aufgrund einer permanenten Abweichung von der Kugelgestalt Dies wurde erst im Lauf der 1940er Jahre allmahlich akzeptiert Massendefekt Bindungsenergie Fusion Spaltung Bearbeiten Um 1920 war durch die immer genaueren Massenbestimmungen der Kerne in Massenspektrometern erwiesen dass alle Kerne etwas leichter sind als die Summe der Massen ihrer Bausteine damals als Protonen und Elektronen angenommen Einen Zusammenhang mit der Bindungsenergie vermutete erstmals Arthur Eddington das war die erste praktische Anwendung der Einsteinschen Formel E m c 2 E m c 2 auf gemessene Daten Eddington sah in der Fusion von Wasserstoff zu Helium auch schon die Quelle der sonst physikalisch nicht zu erklarenden Energieabstrahlung der Sonne Allerdings fusionieren die Protonen in der Sonne grosstenteils nicht direkt sondern uber den durch Kohlenstoff katalysierten Bethe Weizsacker Zyklus benannt nach seinen Entdeckern 1938 Hans Bethe und Carl Friedrich von Weizsacker Anfang der 1930er Jahre war bei allen Kernen der Massendefekt mit ca 1 Genauigkeit bestimmt worden Zur gleichen Zeit erreichten die Teilchenbeschleuniger Energien knapp unter 1 MeV sodass es moglich war bei Reaktionen wie 3 7 L i 1 1 H 2 4 H e 2 4 H e displaystyle 3 7 mathrm Li 1 1 mathrm H to 2 4 mathrm He 2 4 mathrm He eine vollstandige Bilanz der Massen und kinetischen Energien aufzustellen Einsteins Formel wurde damals mit 10 Genauigkeit bestatigt Demnach war Kernspaltung energetisch moglich galt aber als ausgeschlossen bis sie durch Otto Hahn Fritz Strassmann und Lise Meitner 1938 39 uberraschend entdeckt wurde Mit dem Ziel die Energiefreisetzung von uber 200 MeV pro Urankern fur eine Bombe nie dagewesener Zerstorungskraft auszunutzen setzte in Deutschland Grossbritannien und den USA eine intensive staatliche Forschung ein Die Fulle der dabei gewonnenen Daten und Erkenntnisse wurde grossenteils erst in den 1950er Jahren der allgemeinen Wissenschaft zur Verfugung gestellt 1942 wurde in den USA der erste Kernreaktor in Betrieb gesetzt Das erste neue chemische Element Plutonium Z 94 das auch fur eine Bombe geeignet war wurde in Reaktoren durch Neutroneneinfang an Urankernen tonnenweise hergestellt Die Fusion von Wasserstoff zu Helium in der Form 1 3 H 1 2 H 2 4 H e 0 1 n displaystyle 1 3 mathrm H 1 2 mathrm H to 2 4 mathrm He 0 1 mathrm n wurde 1952 in der erste H Bombe realisiert Bei weiteren Testexplosionen mit immer starkeren Bomben wurden in den Uberresten weitere durch vielfachen Neutroneneinfang neu gebildete Transurane nachgewiesen um 1960 etwa bis Z 103 Zu den Einzelheiten siehe Kernwaffe und Kernwaffentechnik Kernmodelle Bearbeiten Bezuglich der Zusammensetzung der Kerne wurde das Proton Elektron Modell von 1920 nach der Entdeckung des Neutrons durch das Proton Neutron Modell abgelost Fur die einzigartige Starke der Anziehungskrafte wurde eine eigene Starke Wechselwirkung postuliert deren mogliches Zustandekommen zusammen mit ihrer kurzen Reichweite erstmals 1937 von Hideki Yukawa durch den standige Erzeugung Austausch und Absorption eines hypothetischen Teilchens gedeutet wurde Dieses Teilchen wurde von Cecil Powell 1947 in der Hohenstrahlung entdeckt und Pion genannt Fur die Bindungsenergie und damit den Massendefekt stellte Carl Friedrich v Weizsacker 1935 das Tropfchenmodell auf in dem das Zusammenwirken von starker Kernkraft und elektrostatischer Abstossung rein phanomenologisch modelliert wird Ein daruber hinausgehendes Verstandnis der Struktur der Kerne wurde erst 1949 durch das Schalenmodell von Maria Goeppert Mayer und unabhangig J Hans D Jensen moglich die analog zum Schalenmodell der Atomhulle die Nukleonen als gebundene Teilchen in einem gemeinsamen spharischen Potentialtopf betrachteten Damit setzten sie sich daruber hinweg dass das Zustandekommen dieses gemeinsamen Potentials aus der kurzreichweitigen Kernkraft heraus nicht zu begrunden war Das Schalenmodell war ausserst erfolgreich u a bei der Erklarung der magischen Zahlen die die Kerne mit besonders fester Bindung auszeichneten sowie der Abfolge von Kernspins und magnetischen Momenten bei einem sukzessiven Aufbau der Kerne aus Protonen und Neutronen Im Jahr 1963 wurden Wigner fur Symmetrie Prinzipien Goeppert Mayer und Jensen jeweils fur das Schalenmodell der Nobelpreis fur Physik verliehen 3 Allerdings konnte das Schalenmodell mit seinem kugelsymmetrischen Potentialtopf weder die Quadrupolmomente noch die kollektiven Anregungen deuten die sich mit der Entwicklung der Gammaspektroskopie mit Szintillationszahlern in immer mehr Anregungsspektren von Kernen zwischen den magischen Zahlen zeigten Basierend auf Ideen von James Rainwater schlugen Aage Bohr und Ben Mottelson 1954 das Kollektivmodell mit stabiler ellipsoidischer Deformation vor Rainwater Bohr und Mottelson wurden im Jahr 1975 dafur zur gleichen Teilen der Nobelpreis verliehen 4 Mit dem Schalenmodell als einem Modell unabhangiger Teilchenbewegungen schien das zunachst schwer zu vereinbaren Das schliesslich erfolgreiche vereinheitlichte Modell wurde in den 1960er Jahren ausgearbeitet 5 6 Kernreaktionen Bearbeiten Nach dem elastischen Stoss von Heliumkernen an Goldkernen im Rutherfordexperiment von 1910 wurde eine echte Reaktion zwischen zwei Kernen erstmals 1919 in einer Nebelkammeraufnahme beobachtet ebenfalls von Rutherford Sie fuhrte zu der Entdeckung dass der Wasserstoffkern in anderen Kernen als Baustein enthalten ist weshalb er einen eigenen Namen erhielt Proton Reaktion 7 14 N 2 4 a 8 17 O 1 1 p displaystyle 7 14 mathrm N 2 4 alpha to 8 17 mathrm O 1 1 mathrm p Um dieselbe Zeit wurden durch anomale Rutherfordstreuung s o die ersten Kernradien bestimmt James Chadwick zeigte 1930 durch elastische Streuung von Alphastrahlen in Heliumgas erstmals die Verdoppelung der 90 Ablenkung die von der Quantenmechanik allein aufgrund der Ununterscheidbarkeit der stossenden Teilchen vom Typ Boson vorhergesagt wird 1933 zeigte Christian Gerthsen der theoretischen Vorhersage entsprechend an der Streuung von Protonen in Wasserstoff den umgekehrten Effekt beim Stoss von identischen Fermionen 1932 wurde durch Chadwick das Neutron als Baustein der Kerne nachgewiesen indem er die Strahlung schwerer neutraler Teilchen nach dem Beschuss von Be mit Alphateilchen analysierte Reaktion 4 9 B e 2 4 a 6 12 C 0 1 n 4 9 mathrm Be 2 4 alpha to 6 12 mathrm C 0 1 mathrm n Die bei der Streuung von Neutronen an Kernen bei bestimmten Energien zu beobachtenden scharfen Maxima im Wirkungsquerschnitt Resonanzen wurden 1936 durch Niels Bohrs Modell der kurzzeitigen Bildung eines angeregten Compoundkerns erklart der seine Energie dann in verschiedener Form abgeben kann Darunter ist der endgultige Einfang des Neutrons der zu einem schwereren Isotop fuhrt als es in der Natur vorkommt und der sich in einem nachfolgender Betazerfall zum Kern eines schwereren Elements umwandelt ab 1939 zuerst 93 239 N p 94 239 P u displaystyle 93 239 mathrm Np 94 239 mathrm Pu spater in den Uberresten von H Bomben Explosionen bis etwa Z 100 1938 wurde durch Hahn Strassmann und Meitner entdeckt dass Neutroneneinfang auch Kernspaltung auslosen kann Ab 1946 wurden neue Elementarteilchen entdeckt die in Kernreaktionen der Hohenstrahlung und an Teilchenbeschleunigern entstanden waren Pion Lambdateilchen etc Die Moglichkeit einen Kern durch das elektrische Feld beim Vorbeiflug eines schnellen zweiten Kerns anzuregen Coulombanregung wurde ab 1949 zum Studium kollektiver Anregungen genutzt Zugleich begann die Erforschung der Teilchenubertragung in Reaktionen mit schnellen Projektilen z B Abstreifen eines Neutrons aus einem vorbeifliegenden Deuteron die durch den neuen Reaktionsmechanismus der direkten Reaktion erklart wurde und eine Fulle von Daten zur Struktur der Kerne in den so gebildeten Zustanden hervorbrachte Ab den 1960 70er Jahren wurden zunehmend an Schwerionenbeschleunigern die Reaktionen von zwei schweren Kernen bei hochenergetischen Stossen untersucht Als neuer Typ zeigte sich dabei die tiefinelastische Reaktion bei der das Projektil tief in den Targetkern eindringt die Kernmaterie gleichsam zum Aufkochen bringt und Anzeichen eines Phasenwechsels analog zur Verdampfung einer Flussigkeit hervorruft Mit solchen Reaktionen wurden auch die extrem schweren und meist kurzlebigen Kerne oberhalb von etwa Z 99 hergestellt Ist das hochenergetische Projektil hingegen ein Proton findet haufig eine Spallation statt das ist im ersten Schritt eine Verteilung der Einschussenergie auf alle Nukleonen des getroffenen Kerns gefolgt von Abregung durch Verdampfung von vorzugsweise Neutronen oder Spaltung Kernspaltung Bearbeiten Otto Hahn und sein Assistent Fritz Strassmann entdeckten im Dezember 1938 dass durch Bestrahlung mit Neutronen Urankerne gespalten werden induzierte Kernspaltung Spater wurde nachgewiesen dass bei diesem Prozess ein grosser Energiebetrag sowie weitere Neutronen freigesetzt werden sodass eine Spaltungs Kettenreaktion und damit die Freisetzung technisch nutzbarer Energiemengen in kurzer Zeit also bei hoher Leistung moglich ist Darauf begannen etwa gleichzeitig mit dem Zweiten Weltkrieg Forschungsarbeiten zur Nutzung dieser Energie fur zivile oder militarische Zwecke In Deutschland arbeiteten unter anderem Carl Friedrich von Weizsacker und Werner Heisenberg an der Entwicklung eines Kernreaktors die Moglichkeit einer Kernwaffe wurde gesehen aber nicht ernsthaft verfolgt weil die voraussehbare Entwicklungsdauer fur den herrschenden Krieg zu lang erschien In Los Alamos forschten im Manhattan Projekt unter der Leitung von Robert Oppenheimer die Physiker Enrico Fermi Hans Bethe Richard Feynman Edward Teller Felix Bloch und andere Obwohl dieses Projekt von Anfang an der Waffenentwicklung diente fuhrten seine Erkenntnisse auch zum Bau der ersten zur Energiegewinnung genutzten Kernreaktoren Offentliche Diskussion Bearbeiten Kaum ein Gebiet der Physik hat durch seine Ambivalenz der friedlichen als auch zerstorerischen Nutzung die offentliche Diskussion mehr angeheizt Fur Fortschrittskritiker war die Kernphysik die Buchse der Pandora fur Fortschrittsglaubige eine der nutzlichsten Entdeckungen des 20 Jahrhunderts Die Kernspaltungstechnik war der Ausloser einer neuen Wissenschaftsethik Hans Jonas Carl Friedrich von Weizsacker Die politische Auseinandersetzung um den vernunftigen und verantwortbaren Umgang mit der Kernenergie findet bis heute in der Auseinandersetzung um den Atomausstieg Deutschlands statt Bedeutende Kernphysiker Auswahl BearbeitenAage Niels Bohr 1922 2009 danischer Physiker Nobelpreis fur Physik 1975 Theorie der kollektiven Bewegung der Atomkerne Sohn von Niels Bohr Harriet Brooks 1876 1933 kanadische Atomphysikerin Radioaktivitat radioaktiver Ruckstoss James Chadwick 1891 1974 englischer Physiker Nobelpreis fur Physik 1935 Entdeckung des Neutrons Entwicklung der Atombombe Manhattan Projekt John Douglas Cockcroft 1897 1967 englischer Kernphysiker Nobelpreis fur Physik 1951 Atomkernumwandlung durch beschleunigte Teilchen Kernreaktionen Cockcroft Walton Beschleuniger Klaus Fuchs 1911 1988 deutsch britischer Kernphysiker Manhattan Projekt Atomspion Otto Hahn 1879 1968 deutscher Chemiker Pionier der Radiochemie u a Entdecker der Kernisomerie Uran Z und der Kernspaltung des Urans Nobelpreis fur Chemie 1944 Er gilt als Vater der Kernchemie Igor Kurtschatow 1903 1960 russischer Kernphysiker Heinz Maier Leibnitz 1911 2000 Physiker und Prasident der Deutschen Forschungsgemeinschaft Lise Meitner 1878 1968 osterreichische Physikerin erste physikalisch theoretische Deutung der Kernspaltung zusammen mit ihrem Neffen Otto Robert Frisch Juri Zolakowitsch Oganesjan 1933 russischer Kernphysiker Mitentdecker von schweren Elementen Ernest Walton 1903 1995 irischer Experimentalphysiker Nobelpreis fur Physik 1951 Hochspannungskaskade Cockcroft Walton Beschleuniger erste kunstlich eingeleitete Kernreaktion Carl Friedrich Freiherr von Weizsacker 1912 2007 deutscher Kernphysiker Philosoph und Friedensforscher Bethe Weizsacker Zyklus Bethe Weizsacker Formel Patente zur Atombombe Gottinger AchtzehnWeitere bekannte Namen ca 453 Stand 2023 siehe auch die Kategorie Kernphysiker Siehe auch BearbeitenSubatomares TeilchenLiteratur BearbeitenSiehe auch Teilchenphysik und Atomphysik Einsteiger Bearbeiten Hans Paetz gen Schieck Atome Kerne Quarks Alles begann mit Rutherford essentials Springer Fachmedien Wiesbaden Wiesbaden 2019 ISBN 978 3 658 24810 9 doi 10 1007 978 3 658 24811 6 Fachbucher Bearbeiten Noboru Takigawa Kouhei Washiyama Fundamentals of Nuclear Physics Springer Japan Tokyo 2017 ISBN 978 4 431 55377 9 doi 10 1007 978 4 431 55378 6 englisch Anwar Kamal Nuclear Physics Graduate Texts in Physics Springer Berlin Heidelberg Berlin Heidelberg 2014 ISBN 978 3 642 38654 1 doi 10 1007 978 3 642 38655 8 englisch Bogdan Povh Klaus Rith Christoph Scholz Frank Zetsche Werner Rodejohann Teilchen und Kerne Springer Lehrbuch 9 Auflage Springer Berlin Heidelberg Berlin Heidelberg 2014 ISBN 978 3 642 37821 8 doi 10 1007 978 3 642 37822 5 Klaus Bethge Gertrud Walter Bernhard Wiedemann Kernphysik Springer Lehrbuch 3 Auflage Springer Berlin Heidelberg Berlin Heidelberg 2008 ISBN 978 3 540 74566 2 doi 10 1007 978 3 540 74567 9 John M Blatt Victor F Weisskopf Theoretical Nuclear Physics Springer New York New York NY 1979 ISBN 978 1 4612 9961 5 doi 10 1007 978 1 4612 9959 2 Dover 1991 ISBN 978 0 486 66827 7Altere Werke Bearbeiten Heinz Pose Einfuhrung in die Physik des Atomkerns Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1971 Aleksandr S Dawydow Theorie des Atomkerns Otto Lucke Robert Rompe Hrsg Hochschulbucher fur Physik Band 35 1 Auflage Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1963 uni leipzig de Gustav Hertz Hrsg Lehrbuch der Kernphysik II Physik der Atomkerne Werner Dausien Edition Leipzig Hanau Main 1961 L D Landau Ya Smorodinsky Lectures on Nuclear Theory Springer US Boston MA 1959 ISBN 978 1 4899 6222 5 doi 10 1007 978 1 4899 6457 1 archive org Leonard Eisenbud Eugene P Wigner Nuclear Structure Investigations in Physics Band 8 Rev ed Princeton University Press Princeton NJ 1958 archive org Deutsche Ubersetzung Einfuhrung in die Kernphysik BI Hochschultaschenbucher 1966 Hans A Bethe Philip Morrison Elementary Nuclear Theory Dover Publications Mineola NY 2006 ISBN 978 0 486 45048 3 englisch englisch Elementary Nuclear Theory 1956 Weblinks Bearbeiten Wiktionary Kernphysik Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen CERN Dokumentenserver National Nuclear Data Center engl umfangreiche Homepage des Brookhaven National Laboratory zu verschiedensten Aspekten der Kernphysik inklusive Nuclear Wallet Cards Versuche und Aufgaben zur Kernphysik auf Schulerniveau LEIFI Einzelnachweise Bearbeiten Friedrich Hund Geschichte der physikalischen Begriffe 2 Auflage Bibliographisches Institut Mannheim 1978 Band 2 Die Wege zum heutigen Naturbild ISBN 3 411 05544 8 Jorn Bleck Neuhaus Elementare Teilchen Von den Atomen uber das Standard Modell bis zum Higgs Boson 2 uberarbeitete Auflage Springer 2013 ISBN 978 3 642 32578 6 ISSN 0937 7433 doi 10 1007 978 3 642 32579 3 The Nobel Prize in Physics 1963 Abgerufen am 10 April 2023 amerikanisches Englisch The Nobel Prize in Physics 1975 Abgerufen am 10 April 2023 amerikanisches Englisch Walter Greiner Joachim A Maruhn Collective Models In Nuclear Models Springer Berlin Heidelberg Berlin Heidelberg 1996 ISBN 978 3 540 78046 5 S 99 206 doi 10 1007 978 3 642 60970 1 6 englisch springer com abgerufen am 10 April 2023 Collective model physics Britannica Abgerufen am 10 April 2023 englisch Normdaten Sachbegriff GND 4030340 8 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kernphysik amp oldid 234801316