www.wikidata.de-de.nina.az
Das Schalenmodell in der Kernphysik ist ein Modell des Aufbaus von Atomkernen 1 Es stutzt sich auf quantenmechanische Gesetzmassigkeiten vor allem auf die Drehimpuls Quantisierung und das Pauli Prinzip und erklart so z B erfolgreich die magischen Zahlen 2 Energie Niveaus nach dem Einteilchen Schalenmodell mit Oszillator Potential mit kleinem negativem l 2 displaystyle boldsymbol l 2 Term links ohne rechts mit Spin Bahn Wechselwirkung Die Nummern rechts neben den Niveaus geben die Multiplizitat 2j 1 an Die Zahlen in Kasten sind die magischen Zahlen Dieser Artikel beschreibt das Schalenmodell fur Atomkerne Fur das Schalenmodell der Atomhulle siehe Schalenmodell Atomphysik Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 2 Die magischen Zahlen 3 Kernspin und Paritat 4 Restwechselwirkung 5 Geschichte 6 Literatur 6 1 Originalarbeiten 6 2 Neuere Literatur 7 EinzelnachweiseBeschreibung BearbeitenWahrend das Tropfchenmodell den Atomkern mit einem Wassertropfen vergleicht dessen Verhalten im Wesentlichen mit der klassischen Mechanik beschrieben werden kann betrachtet das Schalenmodell die einzelnen Nukleonen und ihre Bewegung in einem Potentialfeld nach den Regeln der Quantenmechanik ahnlich wie das Schalenmodell fur Elektronen in der Atomhulle Proton und Neutron haben wie das Elektron die Spinquantenzahl 1 2 Jedoch gibt es wichtige Unterschiede zur Atomhulle der Atomkern besteht aus zwei verschiedenen Teilchenarten es gibt kein gemeinsames Kraftzentrum des Potentials sondern das Feld das auf ein einzelnes Teilchen wirkt wird von den ubrigen Teilchen erzeugt zwischen den Nukleonen wirken viel starkere Krafte Gut geeignet zur Beschreibung erscheint ein Woods Saxon Potential Da sich dieses aber nur numerisch behandeln lasst wahlt man zur analytischen Behandlung beispielsweise ein ahnlich verlaufendes modifiziertes Potential eines harmonischen Oszillators Notwendig ist auch die Berucksichtigung einer Spin Bahn Kopplung Man erhalt als Losungen der Schrodingergleichung diskrete Energieniveaus die je nach Quantenzahlen bestimmte Anzahlen von Teilchen aufnehmen konnen sie werden in Anlehnung an die Beschreibung der Atomhulle als Schalen bezeichnet Die Niveaus fur Protonen und Neutronen sind nicht die gleichen denn die elektrische Ladung der Protonen sorgt durch die gegenseitige Abstossung dafur dass die Protonen Niveaus etwas hoher liegen als die der Neutronen Bei den meisten Nukliden bis hinauf zu etwa 80 Protonen sind die Abstande der Niveaus untereinander aber fur Protonen und Neutronen annahernd gleich die beiden Niveauschemata sind also im Wesentlichen nur gegeneinander verschoben Dies lasst sich an Spiegelkernen bestatigen 3 4 Dieser Verschiebung entspricht im Tropfchenmodell der Coulomb Anteil Die magischen Zahlen Bearbeiten Hauptartikel Magische Zahl Die Anzahl gleicher Teilchen die sich auf einer Schale befinden konnen wird begrenzt durch das Pauli Prinzip Die 1s Schale z B ist mit zwei Nukleonen bereits voll besetzt und ein hinzukommendes Nukleon muss die 1p Schale mit entsprechend hoherer Energie besetzen Wenn in einem Kern alle Protonen oder Neutronenschalen entweder vollstandig gefullt oder leer sind ist dies eine besonders stabile Konfiguration vergleichbar den Edelgasen in der Chemie die besondere Stabilitat zeigt sich in vielen Eigenschaften und Messgrossen Solche Kerne werden auch magische Kerne genannt Die magischen Zahlen die an naturlich vorkommenden Nukliden beobachtet werden sind 2 8 20 28 50 82 126 Protonen2 8 20 28 50 82 126 184 NeutronenKerne bei denen sowohl Protonen als auch Neutronenzahl magisch sind heissen doppelt magisch Beispiele sind Helium 4 2 Protonen 2 Neutronen oder Calcium 48 20 Protonen 28 Neutronen Die magischen Zahlen unterscheiden sich von den entsprechenden Zahlen in der Atomhulle Der Grund ist die im Atomkern starker wirkende Spin Bahn Kopplung Der Energieabstand zwischen erlaubten Zustanden entsteht bei insgesamt 28 Teilchen einer Art nicht durch volle Besetzung einer Schale sondern durch die Spin Bahn Kopplung des 1f Niveaus f Niveau bedeutet wie bei den Elektronen dass die Nebenquantenzahl Bahndrehimpulsquantenzahl l 3 ist Mit der Spinquantenzahl s 0 5 ergeben sich daher als mogliche Gesamtdrehimpulse j l s die Werte 3 5 und 2 5 wobei j 3 5 energetisch tiefer liegt als j 2 5 Sind alle Zustande mit j 3 5 besetzt so erhalt man ein stabileres Niveau bei der magischen Zahl 28 Die Spin Bahn Kopplung ahnelt grundsatzlich der Feinstrukturaufspaltung der Elektronenniveaus im Atom Jedoch tritt im Atomkern die starke Kernkraft an die Stelle der elektromagnetischen Wechselwirkung die Aufspaltung der Nukleonen Orbitale ist dadurch sowohl absolut als auch relativ viel grosser als bei Hullenelektronen und der Zustand mit j 3 5 liegt hier energetisch gunstiger tiefer als der mit j 2 5 Anschaulich ausgedruckt Elektronen wollen den Gesamtdrehimpuls j minimieren Nukleonen wollen ihn maximieren Entsprechend sind die magischen Zahlen 50 82 und 126 auf die Spin Bahn Kopplungen der 1g 1h und 1i Orbitale zuruckzufuhren Kernspin und Paritat BearbeitenDas Schalenmodell sagt auch den Kernspin und die positive oder negative Paritat fur den Grundzustand der meisten Nuklide richtig voraus Zum Beispiel haben alle gg Kerne im Grundzustand den Spin Null und positive Paritat 5 Restwechselwirkung BearbeitenKerne mit Valenznukleonen ausserhalb geschlossener Schalen werden mit einem Hamiltonoperator mit einer effektiven Nukleon Nukleon Restwechselwirkung zwischen den Valenznukleonen beschrieben die uber die Beschreibung durch ein mittleres Potential wie im ursprunglichen Schalenmodell hinausgeht Die Restwechselwirkung ist angelehnt an die Wechselwirkung freier Nukleonen mit realistischen Wechselwirkungspotentialen aber nicht mit ihr identisch da der Zustandsraum der Valenznukleonenkonfigurationen in denen der Hamiltonoperator diagonalisiert wird beschrankt ist 6 7 Schalenmodellberechnungen mit Berucksichtigung der Restwechselwirkung angelehnt an ein realistisches Nukleon Nukleon Potential fuhrten Thomas Kuo und Gerald Gerry Brown 1966 erstmals erfolgreich fur die Kerne O 18 und F 18 aus 8 diese Kerne konnen als bestehend aus dem doppelt magischen Kern O 16 mit zwei zusatzlichen Valenznukleonen angesehen werden Dies war der erste Versuch Kernstruktureigenschaften mit einer aus der freien Nukleon Nukleon Wechselwirkung abgeleiteten realistischen Potentialform Hamada Johnston Potential zu berechnen Fur die effektive Restwechselwirkung benutzten sie den Formalismus der G Matrix von Keith Brueckner Verzichtet man auf die Beschreibung durch ein mittleres Feld aller Nukleonen auch derer in abgeschlossenen Schalen so erhalt man die ab initio Methode des Schalenmodells ohne Kern No core shell model Auch hier werden effektive an realistische Potentiale freier Nukleonen wie das Bonn Potential angelehnte Zweiteilchenwechselwirkungspotentiale verwendet es mussen aber zusatzlich Dreiteilchenwechselwirkungen berucksichtigt werden 9 Geschichte BearbeitenDas Schalenmodell wurde erstmals 1932 von Dmitri Iwanenko und Jewgeni Gapon vorgeschlagen 10 1949 wurde es von Maria Goeppert Mayer und unabhangig im gleichen Jahr von J Hans D Jensen und seinen Mitarbeitern Otto Haxel und Hans E Suess ausgearbeitet Goeppert Mayer und Jensen erhielten dafur 1963 den Nobelpreis fur Physik Dass das Schalenmodell trotz der starken Nukleon Nukleon Kraft s oben sinnvoll anwendbar ist wurde erst ab 1955 durch Keith Brueckner u M verstandlich gemacht die Naherungslosungen fur das Vielkorperproblem entwickelten 11 Schon in den 1950er Jahren wurden kollektive Effekte wie die rotierender Kerne berucksichtigt mit einem in Ellipsenform deformierten Potential fur das Schalenmodell Nilsson Modell nach Sven Gosta Nilsson 12 Aage Bohr Ben Mottelson sowie James Rainwater entwickelten das Schalenmodell weiter und erhielten fur die Entdeckung des Zusammenhangs zwischen kollektiver Bewegung und Teilchenbewegung in Atomkernen und die Entwicklung der Theorie der Struktur des Atomkerns auf der Grundlage dieses Zusammenhangs jeweils zu einem Drittel den Nobelpreis in Physik 1975 13 Literatur BearbeitenSiehe auch Kernphysik Originalarbeiten Bearbeiten Maria G Mayer On Closed Shells in Nuclei In Physical Review Band 74 Nr 3 1 August 1948 S 235 239 doi 10 1103 PhysRev 74 235 englisch Maria Goeppert Mayer On Closed Shells in Nuclei II In Physical Review Band 75 Nr 12 15 Juni 1949 S 1969 1970 doi 10 1103 PhysRev 75 1969 englisch Maria Goeppert Mayer Nuclear configurations in the spin orbit coupling model I Empirical evidence Phys Rev 78 16 1950 II Theoretical considerations Phys Rev 78 22 1950 Maria Goeppert Mayer J H D Jensen Elementary Theory of Nuclear Shell Structure New York John Wiley amp Sons 1955 Otto Haxel J H D Jensen H E Suess On the magic numbers in nuclear structure Phys Rev 75 1949 1766 Haxel Jensen Suess Zur Interpretation der ausgezeichneten Nukleonenzahlen im Bau des Atomkerns Naturwissenschaften Band 35 1949 S 376 Band 36 1949 S 153 155 Haxel Jensen Suess Modellmassige Deutung der ausgezeichneten Nukleonenzahlen im Kernbau Zeitschrift fur Physik Band 128 1950 S 295 311 Haxel Jensen Suess Das Schalenmodell des Atomkerns Ergebnisse der exakten Naturwissenschaften 26 1952 S 244 290Neuere Literatur Bearbeiten Amos de Shalit Igal Talmi Nuclear Shell Theory Academic Press 1963 Reprint bei Dover Xing Wang Pan Da Hsuan Feng Michel Vallieres Hrsg Contemporary Shell Models Proc Int Workshop Philadelphia 1996 Springer Lecture notes in physics 482 1997 Xing Wang Pan T T S Kuo Michel Vallieres Da Hsuan Feng Nuclear shell model calculations with fundamental nucleon nucleon interactions Physics Reports Band 164 1996 S 311 323 Arxiv E Caurier G Martinez Pinedo F Nowacki A Poves A P Zuker The shell model as unified view of nuclear structure Reviews of Modern Physics Band 77 2005 S 427 488 Arxiv L Coraggio u a From Kuo Brown to today s realistic shell model calculations Nucl Phys A Band 928 2014 S 43 ArxivEinzelnachweise Bearbeiten Klaus Bethge Gertrud Walter Bernhard Wiedemann Kernmodelle In Kernphysik Springer Berlin Heidelberg Berlin Heidelberg 2008 ISBN 978 3 540 74566 2 S 77 116 doi 10 1007 978 3 540 74567 9 4 springer com abgerufen am 3 April 2023 Alexander Belyaev Douglas Ross The Nuclear Shell Model In The Basics of Nuclear and Particle Physics Springer International Publishing Cham 2021 ISBN 978 3 03080115 1 S 53 66 doi 10 1007 978 3 030 80116 8 4 englisch springer com abgerufen am 4 April 2023 Bethge Walter Wiedemann Kernphysik 3 Aufl Berlin Springer 2008 S 92 ISBN 978 3 540 74566 2 Bogdan Povh Klaus Rith Christoph Scholz Frank Zetsche Werner Rodejohann Teilchen und Kerne Springer Lehrbuch Springer Berlin Heidelberg Berlin Heidelberg 2014 ISBN 978 3 642 37821 8 doi 10 1007 978 3 642 37822 5 springer com abgerufen am 3 April 2023 E B Paul Nuclear and particle physics North Holland Amsterdam 1969 S 266 englisch archive org abgerufen am 3 April 2023 E Caurier G Martinez Pinedo F Nowacki A Poves A P Zuker The shell model as a unified view of nuclear structure In Reviews of Modern Physics Band 77 Nr 2 16 Juni 2005 S 427 488 doi 10 1103 RevModPhys 77 427 arxiv nucl th 0402046 englisch aps org abgerufen am 3 April 2023 L Coraggio A Covello A Gargano N Itaco T T S Kuo Shell model calculations and realistic effective interactions In Progress in Particle and Nuclear Physics Band 62 Nr 1 1 Januar 2009 ISSN 0146 6410 S 135 182 doi 10 1016 j ppnp 2008 06 001 arxiv 0809 2144 abs englisch sciencedirect com abgerufen am 3 April 2023 T T S Kuo G E Brown Structure of finite nuclei and the free nucleon nucleon interaction An application to 18O and 18F In Nuclear Physics Band 85 Nr 1 1 September 1966 ISSN 0029 5582 S 40 86 doi 10 1016 0029 5582 66 90131 3 englisch sciencedirect com abgerufen am 3 April 2023 Bruce R Barrett Petr Navratil James P Vary Ab initio no core shell model In Progress in Particle and Nuclear Physics Band 69 1 Marz 2013 ISSN 0146 6410 S 131 181 doi 10 1016 j ppnp 2012 10 003 arxiv 0902 3510 abs englisch sciencedirect com abgerufen am 3 April 2023 E Gapon D Iwanenko Zur Bestimmung der Isotopenzahl In Die Naturwissenschaften Band 20 Nr 43 Oktober 1932 ISSN 0028 1042 S 792 793 doi 10 1007 BF01494007 springer com abgerufen am 3 April 2023 Bernard L Cohen Concepts of Nuclear Physics In E U Condon Hrsg McGraw Hill series in fundamentals in physics an undergraduate textbook program McGraw Hill 1971 englisch archive org abgerufen am 3 April 2023 Sven Gosta Nilsson Binding states of individual nucleons in strongly deformed nuclei Nr 16 1955 englisch cern ch abgerufen am 13 Juni 2023 The Nobel Prize in Physics 1975 The Nobel Foundation abgerufen am 13 Juni 2023 amerikanisches Englisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schalenmodell Kernphysik amp oldid 235146558