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Marie Mimi Grafin von Schleinitz Wolkenstein geb von Buch 22 Januar 1842 in Rom 18 Mai 1912 in Berlin war eine der bedeutendsten Berliner Salonnieren in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts und die wichtigste Gonnerin Richard Wagners Marie von Schleinitz Gemalde von Franz von Lenbach 1873Marie von Schleinitz spielte in dem halben Jahrhundert zwischen preussischem Verfassungskonflikt 1859 1866 und Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 eine fuhrende Rolle in der hofischen und kulturellen Berliner Gesellschaft Als liberal gesinnte Gattin des preussischen Hausministers Alexander von Schleinitz ubte sie gesellschaftlichen Einfluss aus Als Salonniere verlieh sie dem deutschen Salonleben in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts eine entscheidende Pragung Als Mazenatin und Kunstfreundin forderte sie leidenschaftlich Richard Wagner verhalf ihm in Deutschland zum gesellschaftlichen Durchbruch und setzte sich massgeblich fur die Realisierung der Bayreuther Festspiele ein Als eine enge Freundin Wagners und besonders seiner Frau Cosima stand sie mit vielen grossen Musikern der Zeit in Verbindung unter ihnen Franz Liszt Inhaltsverzeichnis 1 Biographische Stationen 2 Familie 2 1 Ehen 2 2 Beruhmte Verwandte 3 Gonnerin Wagners 4 Grande Dame Preussens 5 Gegenspielerin Bismarcks 6 Salonniere 6 1 Soziale Struktur 6 2 Kulturelles Profil 6 3 Wirkung 7 Bekannte Habitues 8 Literatur 8 1 Quellen 8 1 1 Familie von Schleinitz 8 1 2 Familie Wagner 8 1 3 Sonstige 8 2 Sekundarliteratur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseBiographische Stationen BearbeitenMarie von Schleinitz war die Tochter des preussischen Diplomaten Ludwig August Freiherr von Buch 1801 1845 und seiner Frau Marie geb von Nimptsch 1820 1897 die 1847 in zweiter Ehe Hermann Anton Furst von Hatzfeldt zu Trachenberg 1808 1874 heiratete Sie kam in Rom zur Welt wo ihr Vater damals preussischer Ministerresident war Anfang der 1860er Jahre lebte sie in Paris wo ihre Mutter und Grossmutter sie in die feine Gesellschaft einfuhrten bevor sie 1865 heiratete und sich als preussische Ministergattin dauerhaft in Berlin niederliess 1886 ging sie mit ihrem zweiten Mann einem osterreichischen Diplomaten nach Sankt Petersburg 1894 nach Paris 1903 kehrte sie in die deutsche Hauptstadt zuruck Im Alter verbrachte sie mit ihrem Gatten die warme Jahreszeit auf Schloss Ivano im Trentino dem Familienbesitz der Grafen Wolkenstein Trostburg Marie von Schleinitz starb 1912 siebzigjahrig in Berlin und wurde an der Seite ihres ersten Ehemanns auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof I an der Baruther Strasse beerdigt Ihr Grab ist nicht erhalten Familie Bearbeiten nbsp Alexander von Schleinitz Mimis erster Mann Portratstudie von Adolph Menzel 1865Ehen Bearbeiten Marie von Buch heiratete am 1 Januar 1865 den preussischen Minister des koniglichen Hauses Alexander Freiherr von Schleinitz 1807 1885 Ihr Brautigam war 35 Jahre alter als sie Am 11 Juni 1879 wurde er mit seiner Gattin von Kaiser Wilhelm I aus Anlass der Goldenen Hochzeit des Kaiserpaares in den Grafenstand erhoben Alexander starb am 18 Februar 1885 in Berlin Am 16 Juni 1886 ging die verwitwete Grafin Schleinitz eine zweite Ehe mit dem osterreichischen Diplomaten Anton Graf von Wolkenstein Trostburg 1832 1913 ein mit dem sie seit 1879 er war damals Botschaftsrat in Berlin befreundet gewesen war Seither nannte sie sich Grafin Schleinitz Wolkenstein und folgte fortan ihrem Mann in den jeweiligen Ort seiner dienstlichen Bestimmung bis sie sich 1903 dauerhaft in Berlin niederliessen Beide Ehen blieben kinderlos Ihre Freundin Anna von Helmholtz bemerkte uber die zweite Ehe der Grafin Schleinitz Graf Wolkenstein hat sie neun Jahre geliebt und verehrt wie ein wahrer Ritter Toggenburg Er hat nur fur sie gelebt sprach und las taglich stundenlang mit ihr teilte ihre Interessen entsagte dem extremen Katholizismus und flosste ihr dagegen gesunde naturliche humane Anschauungen ein erweckte ihre menschlichen Interessen und ward ihr ein Freund wie man ihn traumt aber kaum findet im Leben Anna von Helmholtz 1886 1 Beruhmte Verwandte Bearbeiten Maries Mutter Marie Furstin Hatzfeldt wirkte ebenfalls als Salonniere Ebenso gehorte sie zum Freundeskreis Wagners Ihre Grossmutter mutterlicherseits und womoglich Vorbild als Salonniere 2 war Leocadie von Nimptsch geb von Gilgenheimb 1802 1867 die in den 1830er Jahren auf ihrem schlesischen Gut Jaschkowitz einen Kreis von Kunstlern und Gelehrten um sich scharte darunter Heinrich Laube und August Heinrich Hoffmann von Fallersleben Maries Halbbruder war der preussische Politiker Hermann Furst von Hatzfeldt Trachenberg 1848 1933 ihre Stiefschwester die Furstin Elisabeth zu Carolath Beuthen 1839 1914 ihre Stieftante die Sozialistin Sophie von Hatzfeldt Gonnerin Wagners Bearbeiten nbsp Richard Wagner den Mimi Schleinitz hingebungsvoll forderte Fotografie von Franz Hanfstaengl 1871 nbsp Cosima Wagner Jugendfreundin und Vorbild Mimis der sie zeitweilig auch ihre Tochter Daniela von Bulow anvertraute Gemalde von Lenbach 1870 nbsp Richard Wagner im Kreis seiner Freunde in der Villa Wahnfried Gemalde von Georg Papperitz vor 1883 Links Cosima und Richard Wagner am Flugel Franz Liszt Vierte von rechts Mimi Schleinitz Mimi Schleinitz wie sie seit Kindertagen und auch als Salonniere genannt wurde 3 erhielt als Kind eine solide pianistische Ausbildung 4 Mit siebzehn Jahren wurde sie Schulerin des beruhmten Virtuosen Carl Tausig 5 der uber sie an seinen Lehrer und Freund Wagner schrieb Sie hat viel Mittel und Begabung und ich rechne darauf eine distinguierte Kunstlerin oder vielmehr eine so weit fortgeschrittene Schulerin aus ihr zu machen dass sie spater Ihre Ratschlage verstehen kann 6 Sie war sehr gebildet kannte und verehrte Johann Wolfgang von Goethe 7 und Arthur Schopenhauer 8 las spater Friedrich Nietzsche und stand zu vielen grossen Musikern ihrer Zeit in mehr oder weniger engem Kontakt so zu Franz Liszt der seit ihrer Pariser Zeit mit Serenissima wie er Mimi brieflich nannte befreundet war 9 und ihr zwei seiner Wagner Bearbeitungen fur Klavier widmete Isoldens Liebestod aus Tristan und Isolde und Am stillen Herd zur Winterszeit aus den Meistersingern Sowohl durch ihr Ausseres als auch durch ihre geistigen und musischen Fahigkeiten wusste sie ihre Zeitgenossen zu beeindrucken Marie Lipsius beschrieb sie so Baronin spater Grafin Schleinitz Gattin des preussischen Hausministers blond schlank hochgewachsen ein liebenswurdiges Lacheln auf den feinen Lippen zeigte in ihrem gehaltenen Wesen den Typus der deutschen Aristokratin 10 Vor allem aber gehorte Mimi zu den ersten bedingungslosen Anhangerinnen und enthusiastischen Forderinnen Richard Wagners Ihre Zeitgenossin die Sangerin Lilli Lehmann schatzte ihre Rolle so ein Nebst dem Konig von Bayern und den Kunstlern war es wohl die Grafin hauptsachlich die sich um das Zustandekommen Bayreuths das grosste Verdienst erwarb 11 Nachdem sie Wagner bei einem Konzert im Dezember 1863 in Breslau naher kennengelernt hatte 12 bereits 1860 waren sie einander fluchtig begegnet wurde Mimi Schleinitz alsbald neben Malwida von Meysenbug seine liebste und werteste Freundin 13 Sie engagierte sich massgeblich im von Tausig ins Leben gerufenen Bayreuther Patronatsverein der sich Ende 1870 mit dem Ziel konstituiert hatte die Bayreuther Festspiele durch Spenden in einer angestrebten Hohe von 300 000 Talern zu ermoglichen warb unermudlich in Hofkreisen fur die Wagnersche Musik 14 und verhalf dem Komponisten bei vielen Furstlichkeiten und bei der feinen Gesellschaft ihrer Zeit in den 1860er und fruhen 1870er Jahren zum Durchbruch als sein Erfolg noch keineswegs gewiss war 15 Schon bald galt sie wie Liszt schrieb als Patronin der neuen Musik in Berlin 16 Unablassig bemuht dem Unternehmen durch neuangeworbene Patrone sowie durch materielle Zuschusse eine Kraftigung zuzufuhren hatte die edle Frau durch den unwiderstehlichen Einfluss ihrer Schonheit und Liebenswurdigkeit eine Anzahl hervorragender Maler dazu vermocht wenn sie dem Bayreuther Werke nicht direkt auf finanziellem Wege dienen konnten es doch durch Schenkung von Gemalden ihrer Hand zu unterstutzen 17 Mimi selbst schwarmte nicht nur fur Wagner sondern organisierte teils sogar die Proben fur seine Opern 18 Bald ging sie in Wagners neu geschaffenem Bayreuther Domizil der Villa Wahnfried ein und aus wurde die engste Freundin Cosima Wagners und genoss im privaten Familienkreis der Wagners eine privilegierte und nicht einflusslose Stellung 19 So nahm sie in den 1880er Jahren auf Cosimas Wunsch deren Tochter aus erster Ehe Daniela von Bulow spatere Frau Henry Thodes in ihre Obhut und fuhrte sie in die grosse Berliner Gesellschaft ein 20 Dass sie auch ganz personlich von der Musik ihres Idols eingenommen war belegt ein Brief Carl Friedrich Weitzmanns an Hans von Bulow aus dem Jahr 1869 Fr au v Schl einitz will zur Auffuhrung der Meistersinger nach Dresden reisen und dann Liszt der uns freundlichst hat einladen lassen ihn in Weimar zu besuchen zu bewegen suchen auf einige Zeit nach Berlin zu kommen Sie lebt noch am liebsten mit den Meistersingern spielt ganze Scenen derselben auswendig und lasst sich von Betz den sie selbst auf dem Piano begleitet dessen ganze gemuthvolle Partie vorsingen 21 Im Jahr 1876 schliesslich erreichte Mimis Einsatz fur Wagner seinen gesellschaftlichen Hohepunkt Sie bat Kaiser Wilhelm I der bereits 1870 auf ihre Ermunterung hin die deutsche Erstauffuhrung der Meistersinger besucht hatte 14 bei der Eroffnung der Festspiele am 13 August in Bayreuth zu erscheinen und damit fur zusatzliche Werbung zu sorgen und der alte Grandseigneur obwohl selbst eher nuchternen Geschmacks erwies der hubschen phantasievollen und kunstlerisch begabten Aristokratin die stets fur junger gehalten wurde als sie war 22 tatsachlich den Gefallen wenngleich wie Cosima Wagner wohl richtig vermutete mehr aus Courtoisie ihr gegenuber als aus musikalischer Begeisterung 23 Wagner selbst war ihr herzlich zugetan Er widmete ihr seinen Aufsatz Das Buhnenfestspielhaus zu Bayreuth von 1873 24 und revanchierte sich fur ihr aufopferndes Engagement mit diesem Gedicht nbsp Cosima Wagner mit Graf und Grafin Wolkenstein vor dem Festspielhaus Bayreuth An Marie Schleinitz Bei Ubersendung der Gotterdammerung In Dammerung sinkt mir wohl die Welt allein die Gotter seh ich nicht mir fehlt der gottgezeugte Held dem ich mich bote zum Gericht Dass ich an s Licht mich nun getrau wahl ich mir eine edle Frau die hohen Sinn s der Mitwelt Zins dem Gotter Dammerer gewann Hier ist das Buch Marie Buch Freifrau von Schleinitz nehm es an 25 Indem Marie Schleinitz sich fur die Finanzierung von Wagners gewohnt ausgreifenden Projekten einsetzte etwa durch Kunstbasare und Auktionen betrieb sie sogar eine Vorform von Kulturmanagement Als geistreiche Vermittlerin zwischen Kultur und Gesellschaft vermochte sie noch bis ins fruhe 20 Jahrhundert hinein einen Kontrapunkt gegen das von Nietzsche fruh beklagte Phanomen der Exstirpation des deutschen Geistes zugunsten des deutschen Reiches 26 zu setzen Ihre Wirkung auf die Wagner Gemeinde im Haus Wahnfried beschreibt Wagners Biograph Carl Friedrich Glasenapp Fur das ganze Haus Wahnfried war der jedesmalige Besuch seiner liebenswurdigen edlen Gonnerin Grafin Schleinitz immer ein Fest so auch in diesem Fruhjahr 1878 wo sie mit ihrer freundlichen Anmut den Meister und die Seinen in der ersten Marzwoche durch eine funftagige Anwesenheit begluckte In solchen Fallen gehorte ihr der grosste Teil des Tages sie nahm an den Mahlzeiten selbst auch an den Spaziergangen teil und an zwei aufeinanderfolgenden Abenden ward der erste Akt des Parsifal fur sie vorgenommen 27 Freilich hatte Maries Einsatz fur Wagner bisweilen sektiererische Zuge die auch ihr eigenes Naturell ihre geistige und emotionale Orientierung pragten Die nuchternere Anna von Helmholtz schrieb wenige Tage nach dem Tod Wagners 1883 an ihre Schwester uber den Wagner Fanatismus ihrer Freundin welcher mit ihrer Schopenhauer Manie sich erganzte 22 Dass wir ganz niedergeschmettert sind vom Tode des grossen Mannes kannst Du Dir denken Grafin Schleinitz sieht Niemanden fur sie tut es mir fast am meisten leid unter allen seinen Freunden weil sie ihre ganze Eigentumlichkeit die Vertiefung ihrer Natur durch Richard Wagner erhalten hat Er gab ihrem Leben ein einheitliches Streben das zwar einseitig wurde weil sie von anderen Dingen auch nur das pflegte was von Wagner gewunscht wurde 28 Grande Dame Preussens Bearbeiten nbsp Marie von Schleinitz Portrat von Franz von Lenbach 1872 nbsp Anna von Helmholtz mit der Mimi seit den 1870er Jahren Freundschaft verband Gemalde von Wilhelm Fussli 1869 nbsp Marie Grafin Donhoff spatere Furstin Bulow Sie und Mimi gehorten zum Kreis um Liszt und Wagner Portrat von Lenbach um 1873Neben ihrem besonderen Verhaltnis zu Cosima Wagner verband Mimi Schleinitz mit anderen prominenten Salonnieren ihrer Zeit teils enge Freundschaft so vor allem mit Anna von Helmholtz Frau von Schleinitz galt nicht nur als ausserordentlich gebildete sondern auch als schone und elegante Frau mit vollendeten Umgangsformen der zahlreiche beruhmte Manner den Hof machten bis hin zu Prinz Wilhelm von Preussen Der spatere Kaiser Wilhelm II soll ihr Blumen geschickt haben 29 und im Fruhjahr 1879 schrieb er der mit ihm befreundeten Marie von Donhoff der spateren Furstin Bulow die wie Mimi zum Kreis um Liszt und Wagner gehorte er habe eine neue intime Freundin gefunden die er anbete Es ist jemand den auch Du sehr liebst es ist Fr v Schleinitz Fur den jungen Prinzen war seine um siebzehn Jahre altere Brieffreundin Marie von Schleinitz fast die einzige Dame in der ganzen Berliner Gesellschaft mit der man uber andere Dinge reden kann als uber Kleider und das Flirten 30 Besonders nahe standen Mimi der zeitweilige preussische Botschafter in Paris Furst Munster zu Derneburg und ihr chevalresker Verehrer Botho von dem Knesebeck ein Mitinitiator der Goethe Gesellschaft 31 Gleichwohl scheint sie sich weitgehend fur platonische Beziehungen begeistert zu haben 32 wenngleich sie der Diplomat Anton Graf von Monts in seinen Memoiren als durchaus nicht prude 33 schildert Zeitgenossen betonten zuweilen das Abgehobene Esoterische an ihrer Erscheinung und Wesenshaltung 34 und Anna Helmholtz bemerkte allerdings ohne Vorwurf sie sei ganz auf das Sein sehr wenig auf das Tun eingerichtet 35 Jedenfalls wurde Mimi von Schleinitz auch wenn Bernhard von Bulow sie anerkennend als echte Preussin 36 bezeichnete von vielen Zeitgenossen als Ausnahmeerscheinung in der rauen mannlich militarisch gepragten deutsch preussischen Gesellschaft wahrgenommen Noch 1871 schrieb Anna von Helmholtz aus Berlin an ihre Schwester Die einzige elegante Frau welche ich hier kenne ist Frau von Schleinitz die aussieht wie aus einer anderen Welt 37 Ungefahr zur selben Zeit als der Salon Schleinitz gerade einmal einige Jahre existierte gelangte auch der franzosische Botschafter Elie de Gontaut Biron zu einem vergleichbaren Urteil und dies unmittelbar nach der Niederlage seines Landes gegen Preussen Deutschland im Deutsch Franzosischen Krieg 1870 71 La baronne de Schleinitz par la grace de son esprit son intelligence ses talents de musicienne est une des femmes les plus distinguees sinon la plus distinguee de la societe allemande Die Baronin Schleinitz ist durch die Anmut ihres Geistes ihren Verstand und ihre musikalischen Talente einer der hervorragendsten wenn nicht die bedeutendste Erscheinung der deutschen Gesellschaft 38 Als Salonniere von naturlicher Grazie und franzosischem Stil 39 die den Kunsten und liberalen Anschauungen huldigte setzte Mimi Schleinitz einen Gegenpol zum politischen Salon den ihre Zeitgenossin die eher konservative intellektuell konventionelle Bismarck Verehrerin Baronin Spitzemberg ebenfalls in Berlin zur Blute brachte Unter den nicht politischen Salons zog Mimi eher Kunstler an ihre Freundin Anna von Helmholtz eher Wissenschaftler Uber das gegenseitige Verhaltnis dieser beiden ausserlich unterschiedlichen aber ahnlich gesinnten Frauen die die bedeutendsten Berliner Salons des Kaiserreichs 22 fuhrten urteilt Petra Wilhelmy Die Freundschaft der beiden Damen schuf das Bundnis eines adeligen mit einem burgerlichen Salon Dass beide Salons in engem Kontakt mit dem Kronprinzenpaar standen und den Liberalen standen kann als Symptom gelten fur den Versuch einer inneren Reichsgrundung auf gesellschaftlichem Gebiet Es wurde eine Verbindung zwischen der kultivierten Geburtsaristokratie und der wissenschaftlichen Geistesaristokratie unter liberalen Vorzeichen angestrebt Die Salons waren ein geeignetes Medium fur dieses Programm 40 Schon in den 1870er Jahren war Marie von Schleinitz eine der beruhmtesten Frauen Berlins 41 die trotz der Kanzlerschaft Bismarcks der jeden fremden Einfluss auf seinen Kaiser furchtete einen festen Stand bei Hofe und in der kaiserlichen Familie hatte Georg Brandes danischer Schriftsteller und in der Saison 1880 81 am Berliner Hof uberliefert folgende Ballszene Das kaiserliche Paar hat den Saal betreten Zuerst beginnt der Kaiser seinen Rundgang dann die Kaiserin ein jeder fur sich Der alte Herr grusst zuerst die Grafin Schleinitz Er ist zu sehr Schelm als dass er an einer sehr schonen Dame voruber ginge ohne sich einige Minuten mit ihr zu unterhalten von den weniger schonen nimmt er keine Notiz 42 Die geistesgeschichtliche Bedeutung ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Erscheinung die zugleich auf ihr gespanntes Verhaltnis zu Otto von Bismarck hinweist enthullt eine freilich zugespitzte Bemerkung Nicolaus Sombarts wonach sich noch im Berlin der siebziger Jahre der Salon von Mimi Schleinitz und die barbarische total unkultivierte Meerkatzenhohle der Bismarcks feindselig gegenuber standen Beide an der Wilhelmstrasse Dort wurde der Kultur gelebt hier der Macht 43 Doch auch die weniger polemische Maximiliane von Oriola die Frau von Schleinitz eine anmutige Erscheinung mit schonen Augen und die eleganteste und einflussreichste Frau in der Berliner Gesellschaft 44 nannte konnte sich keinen grosseren Kontrast denken als die gepflegte von feinster Kultur und Kunst erfullte Geselligkeit in den schonen Raumen des Hausministeriums und die fast spartanische Einfachheit der Bismarckschen Hauslichkeit 44 Gegenspielerin Bismarcks Bearbeiten nbsp Otto von Bismarck kampfte vergeblich gegen Mimis Einfluss anHistorische Bedeutung hat die Gegnerschaft die Marie von Schleinitz mit dem Reichskanzler und preussischen Ministerprasidenten Otto von Bismarck und dessen Frau Johanna verband Schon in der Spatzeit des Verfassungskonflikts stand sie mit ihrem Mann Alexander einem liberal gesinnten Protagonisten der Neuen Ara und Favoriten der fortschrittlichen Konigin Augusta in Opposition zum damals noch wenig beliebten Ministerprasidenten Bismarck der den ihm ranggleichen Schleinitz Hausministerium und Staatsministerium waren zwei voneinander unabhangige Institutionen noch in seinen Memoiren sauerlich den Specialpolitiker 45 der Prinzessin Augusta oder schlicht ihren Minister 46 seine Behorde aber das Gegenministerium der Konigin 47 nannte 48 Obgleich Mimi von Schleinitz sich viel mehr fur Literatur und Musik als fur Politik interessierte galt ihr Salon nicht nur als kulturelles Zentrum sondern gleichermassen als Treffpunkt der zahlreichen Bismarckfronde Siegfried von Kardorff 49 Grafin spater Furstin Bismarck revanchierte sich ihrerseits mit heftigen Ausserungen gegen die greuliche unausstehliche affektierte Mimi 50 die man im Hause Bismarck wegen ihres breiten Lachelns Haifisch genannt haben soll 51 Dabei bemuhte Mimi selbst sich um Ausgleich 1873 gelang es ihr unter Vermittlung des Botschafters Joseph Maria von Radowitz sogar Bismarck allerdings ohne Damenbegleitung zu einem Diner ins Hausministerium einzuladen bei welchem sich der eiserne Kanzler mit Exzellenz Mimi 52 blendend verstanden haben soll Mimi Schleinitz hat oft versucht in ein freundliches Verhaltnis zu Bismarck zu kommen und dadurch eine Versohnung zwischen ihm und ihrem Gatten anzubahnen Aber Bismarck war wo er einmal hasste nicht leicht wirklich zu versohnen Wenige Tage spater brachte ein Bismarck nahestehendes Blatt einen Artikel gegen Alexander von Schleinitz der nicht weniger scharf war als fruhere 53 An Bismarcks grundsatzlicher Abneigung gegen das Ehepaar Schleinitz anderte dieses Intermezzo also langfristig nichts Sehr wahrscheinlich spielte diese Abneigung auch eine entscheidende Rolle bei seiner absoluten Weigerung einer Heirat seines altesten Sohnes Herbert mit seiner Geliebten der Furstin Elisabeth zu Carolath Beuthen im Jahr 1881 zuzustimmen Die Furstin war eine Tochter aus erster Ehe des Fursten Hatzfeldt Mimis Stiefvater zugleich war ihre Schwester Franziska von Hatzfeldt in erster Ehe mit Mimis Onkel Paul von Nimptsch verheiratet Zeitlebens verfolgte Bismarck das Haus Hatzfeldt Schleinitz Loe 54 mit gluhendem Hass und sah in diesem verwickelten genealogischen Rattenkonig 55 eine reichsfeindliche Clique der er mit staatlicher Gewalt nicht beikommen konnte Diese Einstellung nahm wahrend des Kulturkampfes noch an Scharfe zu als ihn die Freundschaft des freilich evangelischen Ehepaars Schleinitz gegen dessen Erhebung in den Grafenstand 1879 er sich vergeblich erbittert stemmte 56 mit der katholikenfreundlichen Kaiserin Augusta zu wilden Spekulationen anregte 57 Bei Cosima Wagner findet sich 1877 auf der Hohe des Kulturkampfes ein Tagebucheintrag der die an Verfolgungswahn grenzende Antipathie des Reichskanzlers belegt Frau v Schl einitz teilt allerlei Absonderliches von Berlin mit Bismarck welcher sie und ihren Gemahl formlich hasst in den Zeitungen behaupten lasst sie verabreiche dem Kaiser die katholische Zeitung Reichsglocke Bayreuth sei nur der Mantel fur ihre ultramontanen Intrigen u s w 58 Salonniere Bearbeiten nbsp Abendgesellschaft bei Frau von Schleinitz Zeichnung von Adolph Menzel 1875 Vorn links Mimi links mit Stuhl und rechts von ihr das Ehepaar Helmholtz in der Mitte das Kronprinzenpaar rechts daneben Herr von Schleinitz 59 nbsp Der Pianist und Liszt Schuler Carl Tausig Er war Mimis Klavierlehrer und erster Prasident des Bayreuther Patronatsvereins nbsp Verkehrte sowohl bei Frau von Schleinitz als auch bei Bismarcks Philipp zu Eulenburg der in seinen Erinnerungen ein authentisches Bild vom Ehepaar Schleinitz zeichnet nbsp Der junge Harry Graf Kessler der im Salon Schleinitz in Berlin und Paris seine ersten Schritte in die elegante Gesellschaft machte nbsp Spart in seinen Memoiren nicht mit Spitzen gegen Mimi Reichskanzler Bernhard von BulowSoziale Struktur Bearbeiten Marie von Schleinitz fuhrte seit 1865 bis zu ihrem Tode 1912 einen literarischen Salon in Berlin mit einer langeren Unterbrechung von 1886 bis 1903 In Petersburg und Paris wo ihr zweiter Gatte in diesem Zeitraum jeweils den Posten des osterreichischen Botschafters versah fuhrte sie ebenfalls Salons dort jeweils in der Residenz ihres Mannes Ihr Berliner Salon gelegen erst in dem Palais das ihr erster Mann als Koniglich Preussischer Hausminister in der Wilhelmstrasse 73 bezogen hatte nach 1903 im feinen Palast Hotel am Potsdamer Platz war in Deutschland der beruhmteste seiner Zeit und zog Personlichkeiten des offentlichen Lebens aus allen Richtungen an besonders aber Kunstler Literaten und vor allem Musiker Der Historiker Michael Freund schreibt Bei Frau von Schleinitz trafen sich die Grossen des Landes Kaiser und Konige Kronprinzessinnen und Kronprinz Generale Diplomaten und Staatsmanner aber auch fuhrenden Vertretern des Geisteslebens wurde Achtung bezeigt Wer in den exklusiven Salon der Frau von Schleinitz zugelassen war hatte das Zulassungsexamen fur die hohere Gesellschaft Preussens bestanden 60 Der Salon dessen Exklusivitat freilich vor allem durch seine kulturelle und intellektuelle Gute begrundet war galt schnell als Zentrum des zweiten Berliner Rokoko und orientierte sich in Stil und Habitus stark an zeitgenossischen franzosischen Vorbildern wie dem Pariser Salon der Pauline von Metternich vor allem aber an den Salons die Dorothea von Kurland und Luise Radziwill im Berlin Friedrich Wilhelms III gefuhrt hatten 61 Die Stimmung im Hause Schleinitz umschreibt Lilli Lehmann Graf und Grafin Schleinitz gaben in ihrer Privatwohnung ebenso gemutliche Tees wie in Berlin im Hausministerium wo man in eleganter Behaglichkeit von auserlesenen Menschen umgeben sich stets wohl befand 11 Obwohl selbst Aristokratin zog Mimi fruh bewusst Burgerliche in ihren Kreis und erschloss ihnen die vormals exklusive Hofgesellschaft zu der sie selbst als Gattin des Hausministers wie selbstverstandlich Zugang hatte 62 Umgekehrt machte sie die Welt der Kunstler fur die tonangebenden Zirkel der Hauptstadt interessant und konnte viele Standesgenossen fur ihren Favoriten Richard Wagner begeistern dem ihr Salon selbstverstandlich ein erstrangiges gesellschaftliches Forum bot 63 Indem sie versuchte eine Bresche in die Exklusivitat der Berliner Hofgesellschaft zu schlagen 64 nahm sie eine ausgezeichnete Vorreiterrolle ein wie auch der durchaus konservative Fedor von Zobeltitz feststellte In der scharf bureaukratischen Luft der Hauptstadt hielt man bis zum franzosischen Feldzuge noch strenger als heute auf Absonderung der Kasten und auf standesgemasse Gliederung Der Schleinitzsche Salon war eigentlich der erste der mit seiner gesellschaftlichen Zusammensetzung eine Bresche in die Vorurteile legte die gerade von einer bestimmten Partei des Hofadels mit grosser Zahigkeit gepflegt wurden 65 Kulturelles Profil Bearbeiten nbsp Baronin Spitzemberg Mimis grosse Konkurrentin in der Berliner Salongesellschaft Gemalde von Wilhelm von Kaulbach 1869In einem Artikel fur die Illustrirte Frauen Zeitung aus dem Jahr 1875 ruckte der Maler und Schriftsteller Ludwig Pietsch den Salon Schleinitz in die Tradition der aristokratischen franzosischen Salons des 17 und 18 Jahrhunderts und beschrieb die Wilhelmstrasse zwischen den Linden und der Leipziger Strasse wo sich das Hausministerium befand als eine Art Faubourg Saint Germain 66 Der Vergleich mit den Stadtpalasten im Pariser Luxusviertel bezog sich auch auf das Interieur denn die Gastgeberin hatte auch eine Passion fur die brillante harmonische Innenausstattung von Raumen 22 entwickelt Frau von Schleinitz beherrschte die schwierige oder zumindest selten geubte Kunst bei der Einrichtung ihres Salons Eleganz Atmosphare und praktische Aspekte gleichermassen zu berucksichtigen Es gab Anklange an die Wohnkultur des 18 Jahrhunderts Himbeerfarbener Damast war vorherrschend ein erlesenes Teeservice und kostbare Blumenarragmenets setzten vornehme Akzente Das Ambiente und die Geselligkeit waren eng verknupft 67 Inhaltlich bildeten Musik und Kunst Schwerpunkte des Salons Schleinitz 22 vor allem die Musik Wahrend beruhmte Musiker und Sanger oder auch talentierte Laien im Salon Schleinitz musizierten bildeten Wissenschaftler und Literaten das Publikum 64 Hier traten viele grosse Musiker ihrer Zeit auf so der Dirigent Hans von Bulow der Geiger Joseph Joachim und die Pianisten Anton Rubinstein 68 und Carl Tausig Aber auch Graf Eulenburg Amateurkomponist und Intimus des letzten Deutschen Kaisers trug von ihm gedichtete Balladen im Hause Schleinitz vor 64 Bei ihrer enthusiastischen Wagnerverehrung war es selbstverstandlich dass Mimi ihren Salon voll in den Dienst der Werbung fur den Meister stellte ja ihn zu einem gesellschaftlichen Mittelpunkt des Wagnertums machte und in ungezahlten Matineen und Soireen um ideelle und materielle Unterstutzung des Bayreuther Werkes warb 69 was nicht bei allen ihren Gasten auf Gegenliebe stiess Im Jahr 1873 notierte die Baronin Spitzemberg in ihr Tagebuch Freitag abend sollten wir zu Frau von Schleinitz wo Richard Wagner den Text zu seinen Nibelungen vorlesen soll Carl von Spitzemberg hatte aber wenig Lust dazu und obendrein furchteten wir die Sache mochte mit einer Geldsammlung fur Bayreuth enden wozu wir keineswegs geneigt waren 70 Auf den Soireen der Grafin Schleinitz bildeten neben der musikalischen Unterhaltung philosophische und spiritualistische Reflexionen meist aus dem Umkreis des zeitgenossischen Pessimismus aber nie ohne idealistischen Einschlag den Grundbestand der Konversation die die impulsive Gastgeberin die aus einem Guss wirkte 22 nicht nur inspirierte sondern meistens auch engagiert in die Hand nahm und selbstbewusst lenkte Dazu wieder ihre Freundin Anna von Helmholtz Graf und Grafin Wolkenstein fuhren ihr Leben in Paris genau wie hier in Berlin oder in Bayreuth oder in Ivano mit Goethe und Schopenhauer als steten Gefahrten mit rotem Damast als Hintergrund und etlichen bevorzugten Menschen die sie taglich sehen das Conventionelle geht neben her nimmt aber wenig Zeit weg 71 Nach dem Zeugnis des amerikanischen Diplomaten Andrew Dickson White der Mimis Salon sowohl in Berlin als auch in St Petersburg besuchte horte man dort the best talk by the most interesting men 72 Ein Kuriosum war im Jahre 1880 die Ausstellung mehrerer Bilder Franz von Lenbachs wodurch das Konterfei ihres Intimfeindes Bismarck gleich mehrfach im Hause Schleinitz auftauchte 32 Wirkung Bearbeiten Mimi von Schleinitz eine der letzten grossen Damen 73 war unter ihren Zeitgenossen ungewohnlich beliebt und scharte bis ins hohe Alter eine Vielzahl von Bewunderern um sich 74 Hans von Bulow bemerkte einmal er habe an Bismarck nur dies eine auszusetzen dass er Frau von Schleinitz nicht leiden moge 75 und der franzosische Schriftsteller Pierre de Lano resumiert die Stimmung in der Berliner Gesellschaft nachdem die Grafin 1886 ihrem neuen Gatten nach Sankt Petersburg gefolgt war La comtesse de Schleinitz a ete tres regrettee car elle est femme d esprit et possede un grand talent musical car elle aimait a reunir des gens intelligents autour d elle a faire echange de pensees avec les hommes en vue a discuter meme les evenements et a tirer de leur marche bonne ou mauvaise quelque philosophie Die Grafin Schleinitz wurde sehr vermisst denn sie ist eine Frau von Geist und besitzt ein grosses musikalisches Talent Sie liebt es intelligente Leute um sich zu versammeln mit den grossen Mannern Gedanken auszutauschen die Geschehnisse zu erortern und aus ihrem guten oder schlechten Ausgang eine Art Philosophie abzuleiten 76 Gleichwohl fehlen nicht kritische Stimmen die der eleganten und klugen Grafin 77 Affektiertheit Exaltiertheit 78 die Baronin Spitzemberg etwa nannte sie geziert und schreiig 79 und ein allzu forciertes Abgehobensein von der praktischen Seite des Lebens vorwarfen 34 Bernhard von Bulow der ihr als Bismarck Zogling reserviert gegenuberstand 39 und in einem Brief an Herbert von Bismarck behauptete Mimi wurde ihn in the bottom of her soul hassen 80 beschreibt sie so Neben grossen Eigenschaften besass Mimi Schleinitz auch grosse Fehler Sie war manieriert in Haltung Mienenspiel Sprache in der ganzen Art sich zu geben oft auch in ihren Gedankengangen Die Precieuses ridicules von Moliere wurden sie als Schwester begrusst haben Sie war sehr eitel in einer Weise die bisweilen den Spott herausforderte 81 In karitativen oder frauenpolitischen Belangen damals das Hauptbetatigungsfeld vieler Aristokratinnen hat sie sich nie engagiert 34 Dennoch bleibt ihr das Verdienst im jungen Berlin der Grunderzeit und der Belle Epoque mit ihrem Salon dieser Nahtstelle zwischen dem Hof und der Gesellschaft unter Wilhelm I 82 und Mittelpunkt der Berliner Wagnergemeinde 14 eine kultivierte feinsinnige Geselligkeit entfaltet und jahrzehntelang bewahrt zu haben wie sie zuletzt wohl zur Zeit Rahel Varnhagens bestanden hatte mit der sie obgleich ganzlich anders sozialisiert einige Ahnlichkeit aufweist und daher wohl nicht zu Unrecht gelegentlich verglichen wird Harry Graf Kessler der grosse Chronist der high society Alteuropas vor ihrem Untergang meinte in Mimis geistreichen etwas preziosen Bemerkungen und romantischen Einfallen noch den Duft Bettinas und Rahels 83 zu verspuren und spater nach der grossen Katastrophe des Ersten Weltkrieges erschien sie ihm der in den 1890er Jahren als junger Literat und homme du monde in ihrem Pariser Salon verkehrt hatte wie eine letzte etwas kunstlich konservierte Blute aus dem Zaubergarten meiner Kindheit 84 Kaum schon aber einen sicheren Bestand madchenhafter Jugendlichkeit klug pflegend erschien sie abends in einer Wolke von Spitzen und Tull bei gedampftem Licht in den Prunksalen ihrer Botschaft und begann mit den gerade Anwesenden fast ohne Ubergang eine Konversation die wie ein Kapitel aus den Wahlverwandtschaften So gab sie jedem etwa auf einen Edelstein zu nennen und dann einen oder eine Anwesende deren Wesen dem dieses Edelsteins entspreche Junge Attaches gerieten in Verlegenheit Freundinnen wurden suss sauer oder giftig Sie aber sass dem Gerichtshof vor wie eine Turnierkonigin 85 Kessler bezeichnete sie als Sinnbild der von Blut und Eisen von Schwerindustrie und Militar verdrangten Goethezeit 86 Das friedlich vornehme Haus wo philosophiert musiziert und gelacht wurde wo niemand sich zu langweilen furchten musste 87 war eine der letzten Statten echter warmer und menschlicher Kultur in der Welt von gestern vor 1914 ein wahres Kunstwerk von Arrangement und Farbenwirkung dabei so brauchbar und behaglich wie Anna von Helmholtz fand 88 seine Gastgeberin Mimi Schleinitz aber eine Lebenskunstlerin die versuchte auch aus dem Alltagsleben ein Kunstwerk zu gestalten in gewisser Analogie zu Rahel 14 nbsp Grafin Schleinitz Portrat von Lenbach ohne Datum nbsp Salon des Hotel Matignon in Paris wo Graf und Grafin Wolkenstein von 1894 bis 1903 residiertenNoch zu Lebzeiten charakterisierte Graf Paul Vasili i e Catherine Radziwill der haufig in ihrem Salon verkehrte es handelte sich eher nicht um Auguste Gerard dem fruheren franzosischen Vorleser und Vertrauten der Kaiserin Augusta 89 die Grafin folgendermassen Elle n a ni preventions ni prejuges etroits d aucune sorte Avec cela femme du monde accomplie nullement bas bleu sachant dissimuler son savoir jeter un voile discret sur ses qualites bienveillante par nature et aussi trop occupee pour avoir le temps de medire ou de soupconner Sie hat keinerlei Vorbehalte noch besondere Vorurteile Vollkommen Frau von Welt uberhaupt nicht blaustrumpfig weiss sie ihr Wissen zu verbergen und einen Schleier uber ihre Fahigkeiten zu werfen ist wohlwollend von Natur und uberhaupt viel zu beschaftigt fur Verleumdungen und Verdachtigungen 90 Die Atmosphare die Grafin Mimi Wolkenstein in der osterreichischen Botschaft in Paris im Gebaude des Hotel Matignon dem heutigen Amtssitz des franzosischen Premierministers entfaltete hat Anna von Helmholtz eine typische Vertreterin burgerlicher deutscher Intellektualitat anschaulich beschrieben Ich wandere uber eine rote Marmortreppe in deren Windung eine grosse hohe sage bluhende Palme steht hinauf zu den lieben Wirten und komme mir vor wie zu Gast bei Friedrich dem Grossen In diesen Gemachern ist bis dato noch kein Erzherzog gewesen nur Knesebecks Cosima die Furstin Hatzfeld und ich 91 Bekannte Habitues BearbeitenKaiser Wilhelm I Kaiserin Augusta Kaiser Wilhelm II Heinrich von Angeli Desiree Artot Prinz Max von Baden Reinhold Begas Franz Betz Gustav Friedrich von Beyer Otto von Bismarck Arnold Bocklin Marianne Brandt Lothar Bucher Bernhard von Bulow Daniela von Bulow Hans von Bulow Marie von Bunsen Ernst Dohm Eleonora Duse Karl Anton Eckert Philipp zu Eulenburg Arthur de Gobineau Ferdinand Graf von Harrach Victor Hehn Anna von Helmholtz Hermann von Helmholtz Hermann Furst zu Hohenlohe Langenburg Bogdan Graf von Hutten Czapski Joseph Joachim Harry Graf Kessler Robert von Keudell Hermann Graf Keyserling Karl Klindworth Ludwig Knaus Botho von dem Knesebeck Lilli Lehmann Franz von Lenbach Karl Max Furst von Lichnowsky Franz Liszt Walter von Loe Leopold von Loen Adolf von Menzel Ottmar von Mohl Robert von Mohl Helmuth Graf von Moltke Kuno Graf von Moltke Theodor Mommsen Georg Furst Munster zu Derneburg Albert Niemann Helene von Nostitz Hedwig von Olfers Luise Grafin von Oriola Maximiliane Grafin von Oriola Ludwig Pietsch Joseph Maria von Radowitz Leopold von Ranke August Reichensperger Gustav Richter Raoul Richter Anton Rubinstein Odo Russell Thassilo von Scheffer Wilhelm Scholz Hildegard von Spitzemberg Otto von Taube Carl Tausig Guido von Usedom Cosima Wagner Richard Wagner Johanna Wagner Jachmann Carl Friedrich Weitzmann Anton von Werner Adolf von Wilbrandt Anton von Wolkenstein Trostburg Hans von Wolzogen 92 Literatur BearbeitenQuellen Bearbeiten Familie von Schleinitz Bearbeiten Otto Freiherr von Schleinitz Hrsg Aus den Papieren der Familie v Schleinitz Mit einer Vorbemerkung von Fedor von Zobeltitz Berlin 1904 Familie Wagner Bearbeiten Cosima Wagner Die Tagebucher 2 Bande Munchen 1976 f Richard Wagner Schriften und Dichtungen 16 Bande Fritzsch Leipzig 1911 Richard Wagner Stiftung Bayreuth Hrsg Richard Wagner Samtliche Briefe 13 Bande Leipzig 2000 2003 Sonstige Bearbeiten Otto von Bismarck Gedanken und Erinnerungen Hrsg v Ernst Friedlaender Stuttgart 1959 Bernhard von Bulow Denkwurdigkeiten 4 Bande Berlin 1930 f Hans von Bulow Briefe und Schriften 8 Bande Hrsg v Marie von Bulow Leipzig 1895 1911 Marie von Bunsen Zeitgenossen die ich erlebte Leipzig 1932 Philipp zu Eulenburg Aus funfzig Jahren Paetel Berlin 1923 S 58 f Anna von Helmholtz Anna von Helmholtz Ein Lebensbild in Briefen Hrsg v Ellen von Helmholtz Siemens 2 Bande Berlin 1929 Harry Graf Kessler Gesichter und Zeiten Gesammelte Schriften Band 1 Frankfurt am Main 1988 Lilli Lehmann Mein Weg Band 1 Leipzig 1913 Maximiliane von Oriola Maxe von Arnim Tochter Bettinas Grafin Oriola 1818 1894 Ein Lebens und Zeitbild aus alten Quellen geschopft Hrsg v Johannes Werner Leipzig 1937 Hildegard von Spitzemberg Tagebuch Hrsg v Rudolf Vierhaus Gottingen 1960 Fedor von Zobeltitz Chronik der Gesellschaft unter dem letzten Kaiserreich 2 Bde Hamburg 1922 Sekundarliteratur Bearbeiten Hans Joachim Bauer Schleinitz Marie Grafin von In Richard Wagner Lexikon Bergisch Gladbach 1988 S 437 Carl Friedrich Glasenapp Das Leben Richard Wagners 6 Bande Leipzig 1905 1912 Martin Gregor Dellin Richard Wagner Sein Leben sein Werk sein Jahrhundert Munchen 1980 La Mara i e Marie Lipsius Marie Grafin Schleinitz jetzt Grafin Wolkenstein Marie Grafin Donhoff jetzt Furstin Bulow In Liszt und die Frauen Leipzig 1911 S 259 272 David C Large The Political Background of the Foundation of the Bayreuth Festival 1876 In Central European History Band 11 Nr 2 Juni 1978 S 162 172 George R Marek Cosima Wagner Ein Leben fur ein Genie 3 Auflage Hestia Bayreuth 1983 Richard Du Moulin Eckart Cosima Wagner Ein Lebens und Charakterbild Berlin 1929 Kurt von Reibnitz Grafin Schleinitz Wolkenstein In Die grosse Dame Von Rahel bis Kathinka Dresden 1931 S 138 f Winfried Schuler Der Bayreuther Kreis von seiner Entstehung bis zum Ausgang der wilhelminischen Ara Wagnerkult und Kulturreform im Geiste volkischer Weltanschauung Aschendorff Munster 1971 zugleich Dissertation Munster 1969 Petra Wilhelmy Der Berliner Salon im 19 Jahrhundert Walter de Gruyter Berlin u a 1989 S 274 81 345 48 531 533 820 29 Hans von Wolzogen Nachruf auf Marie Grafin von Wolkenstein Trostburg In Bayreuther Blatter 1912 S 169 72 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Marie von Schleinitz Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Die Grande Dame Preussens Zum 100 Todestag der Marie von Schleinitz Aus der Sendereihe ZeitZeichen Westdeutscher Rundfunk 18 Mai 2012 auf wdr de 14 41 Min Einzelnachweise Bearbeiten Vgl Helmholtz Band 1 S 289 8 April 1886 Vgl Wilhelmy S 563 ad En 1184 Vgl Bulow Band 4 S 307 sowie Wilhelmy S 246 Sie war die einzige Berliner Salonniere neben Rahel und Bettina von der man zumindest in der Zeit ihres ersten Salons sehr haufig nur den Vornamen nannte Dass sich Mimi als Chiffre fur sie nicht vollig durchsetzen konnte hing vor allem mit ihrem hohen Rang zusammen der zumindest in den schriftlichen Ausserungen der ihr ferner stehenden und standesmassig unterlegenen Gaste eine gewisse Distanz forderte Uber eine Soiree mit musikalischen Amateuren der hoheren Gesellschaft 1875 berichtet Anna von Helmholtz Band 1 S 196 9 Marz 1875 Es war aber alles Dilettantengenuss nur Frau von Schleinitz Leistung war kunstlerisch kurz und reizend gespielt Vgl Walter G Armando Franz Liszt Hamburg 1961 S 322 Vgl La Mara S 260 Von ihrer ausserordentlichen Goethe Belesenheit und Goethe Verehrung spricht Wilhelmy S 346 vgl auch Bunsen S 66 Goethe war ihr Himmelsstern ihm hat sie die geistige Vornehmheit verdankt Dass sie ihren zweiten Mann Wolkenstein von einem extremen Katholizismus zu einem vergnuglichen Schopenhauer schen Pessimismus bekehrt habe berichtet Helmholtz Band 1 S 289 8 April 1886 Vgl La Mara S 263 269 vgl La Mara S 259 a b Vgl Lehmann S 304 Vgl Gregor Dellin S 514 Vgl Glasenapp Band 6 S 507 a b c d Vgl Wilhelmy S 278 Vgl Gregor Dellin S 642 Hatte nicht Marie von Schleinitz die Frau des preussischen Hausministers einfallsreich und energisch fur Wagner geworben und sich an die Spitze der Berliner Patronats Bewegung gesetzt Bayreuth ware vermutlich nie zustande gekommen Vgl La Mara S 261 Vgl Glasenapp Band 5 S 150 f Vgl Cosima Wagner Band 1 S 207 9 Marz 1870 Die Ministerin Schleinitz bewacht mit Enthusiasmus die Proben der M eister Singer Vgl Schuler S 235 Vgl Wilhelmy S 534 ad Endnote 783 Vgl Bulow Briefe Band 4 S 271 a b c d e f Vgl Wilhelmy S 288 Vgl Cosima Wagner Die Tagebucher 2 Bande Munchen 1976 f Band 2 S 347 10 Mai 1879 Vgl Wagner Schriften und Dichtungen Band 9 S 322 345 Vgl Wagner Schriften und Dichtungen Band 12 S 383 Vgl Nietzsche Erste Unzeitgemasse Betrachtung In Werke in vier Banden hrsg v Karl Schlechta Band 1 Munchen 1954 S 137 Vgl Glasenapp Band 6 S 75 Vgl Helmholtz Band 1 S 263 17 Februar 1883 So Marie von Bunsen S 67 Vgl John Rohl Wilhelm II Band 1 Munchen 1993 S 265 Vgl Wilhelmy S 348 a b Vgl Wilhelmy S 280 Vgl Monts Erinnerungen und Gedanken Berlin 1932 S 154 a b c Vgl Wilhelmy S 347 Vgl Helmholtz Band 2 S 178 13 Februar 1899 vgl Bulow Band 4 S 307 Vgl Helmholtz Band 1 S 165 24 Juni 1871 Gontaut Biron Mon ambassade en Allemagne 1872 1873 Paris 1906 S 34 dt Wilhelmy S 275 a b Vgl Wilhelmy S 275 Vgl Wilhelmy S 289 Vgl Ludwig Pietsch zit n Wilhelmy S 277 Mehr und mehr ist sie zu einer der meist beruhmten Frauen Berlins geworden Von kaum einer zweiten Dame der Gesellschaft spricht man in Berlin eben so viel und so oft als von Frau von Schleinitz Vgl Brandes Hofball 18 Februar 1881 in Berlin als deutsche Reichshauptstadt Erinnerungen aus den Jahren 1877 1883 dt v Peter Urban Halle Berlin 1989 S 407 Vgl Sombart Wilhelm II Sundenbock und Herr der Mitte Berlin 1996 S 165 a b Vgl Oriola S 258 Vgl Bismarck S 100 Vgl Bismarck S 217 Vgl Bismarck S 489 Vgl auch Wilhelmy S 246 ff Vgl Wilhelmy S 247 f So Furst Bulow Band 4 S 555 Vgl Bunsen S 64 Vgl Joseph Maria von Radowitz Aufzeichnungen und Erinnerungen Band 1 Stuttgart 1925 S 268 Bulow Band 4 S 308 f NB General Walter von Loe der einzige katholische Generaladjutant des Kaisers und Kritiker des Kulturkampfes war mit Franziska von Hatzfeldt in deren zweiter Ehe verheiratet So Bulow Band 4 S 307 Vgl Wilhelmy S 246 Vgl Bismarck S 488 ff v a 490 Vgl Tagebucher Band 1 S 1062 26 Juli 1877 Die zum Betrachter gewandten Personen von links nach rechts Hermann Helmholtz Heinrich von Angeli Mimi Schleinitz Anna Helmholtz Hofmarschall Gotz Graf von Seckendorff die Hofdame Hedwig Grafin von Bruhl Kronprinzessin Victoria Wilhelm Graf von Pourtales Kronprinz Friedrich Alexander von Schleinitz Anton von Werner Hermann Furst zu Hohenlohe Langenburg Vgl Abendglanz Europas Stuttgart DVA 1967 S 201 Eine eingehendere anschauliche Beschreibung des Salons Schleinitz liefert Lilli Lehmann S 239 f Vgl Anton von Werner Erlebnisse und Eindrucke 1870 1890 Berlin 1913 S 95 Ausser am kronprinzlichen Hofe und im Salon Schleinitz begegnete man damals nur in wenigen anderen den Hofkreisen oder der Aristokratie angehorigen Hausern Kunstlern oder kunstlerischen Neigungen Vgl Helmholtz Band 1 S 184 26 Januar 1873 Bei Frau von Schleinitz war wiederum eine grosse Soiree wo Richard Wagner eine Vorlesung hielt vor einer Zuhorerschaft von Prinzen und Ministern Botschaftern schonen Damen und allen Spitzen der Kunst und Wissenschaft a b c Vgl Wilhelmy S 276 Zobeltitz Band 2 S 78 Vgl Wilhelmy S 277 Vgl Wilhelmy S 274 Vgl etwa Helmholtz Band 1 S 185 16 Mai 1873 Vgl Schuler S 127 Vgl Spitzemberg S 138 17 Januar 1873 Vgl Helmholtz Band 2 S 171 16 November 1898 Vgl Andrew Dickson White Autobiography New York 1905 Band 2 S 46 dt die besten Unterhaltungen der interessantesten Leute So Nicolaus Sombart in Eine grosse Dame Essay uber Helene von Nostitz in Die Zeit Nr 40 1991 Vgl Wilhelmy S 274 Die meisten Urteile uber sie sind ausserordentlich positiv Vgl Bulow Briefe S 394 Lano La cour de Berlin Paris 1894 S 275 Vgl Wilhelmy S 533 ad En 759 Zit n Wilhelmy S 275 Vgl Spitzemberg S 140 4 Marz 1873 Zit n Walter Bussmann Hrsg Staatssekretar Graf Herbert von Bismarck Gottingen 1964 S 435 dt im Grunde ihrer Seele Bulow Band 4 S 308 So Hans Philippi Der Hof Kaiser Wilhelms II in Karl Mockl Hrsg Hof und Hofgesellschaft in den deutschen Staaten im 19 und beginnenden 20 Jahrhundert Boppard 1990 S 363 Vgl Kessler S 16 Vgl Kessler S 15 Kessler S 15 f Kessler S 16 Vgl Lehmann S 239 Vgl Helmholtz Band 1 S 288 Vgl Wilhelmy S 281 Vgl Le Comte Paul Vasili La societe de Berlin Augmente de lettres inedites Paris 1884 S 163 f Helmholtz Band 2 S 175 8 Februar 1899 Vgl Wilhelmy S 823 29 Normdaten Person GND 117432997 lobid OGND AKS VIAF 69707759 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Schleinitz Marie vonALTERNATIVNAMEN Schleinitz Wolkenstein Marie Grafin von Schleinitz Mimi von Buch Marie von Geburtsname KURZBESCHREIBUNG Berliner SalonniereGEBURTSDATUM 22 Januar 1842GEBURTSORT RomSTERBEDATUM 18 Mai 1912STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Marie von Schleinitz amp oldid 238746945