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Agrarproduktion ist in der Volkswirtschaftslehre und Wirtschaft die stark ortsgebundene und saisonabhangige Herstellung von Erzeugnissen der Landwirtschaft Pendant ist die Industrieproduktion Palo Verde Kalifornien Weizenernte am Colorado River Mai 1972 Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Geschichte 3 Arten 4 Erzeugnisse der Landwirtschaft 5 Produktionsprozess 6 Wirtschaftliche Aspekte 7 Statistiken 8 Siehe auch 9 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenDie Agrarproduktion gehort neben Bergbau Fischerei und Forstwirtschaft zum Wirtschaftssektor der Urproduktion auch Primarsektor genannt Die Landwirtschaft kann begriffen werden als die Erzeugung von Agrarprodukten fur die menschliche Ernahrung und Tierernahrung Agrarprodukte sind das Ergebnis der Agrarproduktion die als Subsistenzwirtschaft zwecks Selbstversorgung der Bevolkerung und oder als Agrarexport betrieben werden kann Agrarprodukte sind alle Produkte zu deren Herstellung der Produktionsfaktor Boden wesentlich beitragt 1 Ein Agrarerzeugnis im Sinne des 2 Abs 1 AgrarMSG ist ein im Wege der Urerzeugung gewonnenes Erzeugnis der Landwirtschaft Agrarurerzeugnis oder ein Erzeugnis das aus einem Agrarurerzeugnis durch Bearbeitung oder Verarbeitung gewonnen wird Agrarverarbeitungserzeugnis Die Agrarproduktion war oder ist in manchen Staaten mit dem Staatsziel der Autarkie verbunden die einen Selbstversorgungsgrad von 100 anstrebt Geschichte BearbeitenFur den Physiokraten Francois Quesnay bestand die Volkswirtschaft seinem Tableau economique aus 1758 zufolge aus drei Sektoren namlich der Landwirtschaft mit bauerlichen Pachtern als produktiver Klasse franzosisch classe productive der Grossgrundbesitzer als distributiver Klasse franzosisch classe distributive und der gewerblichen Wirtschaft mit Kaufleuten franzosisch classe sterile 2 Seine Klassifizierung ruckte die Landwirtschaft in den Vordergrund wirtschaftlicher Uberlegungen Im Sinne von Landwirtschaft und Agrarproduktion verstand Quesnay die Natur als gegensatzlich zur Manufaktur und entstehenden Industrieproduktion Die landwirtschaftliche Wertschopfung entspringt nach seiner Auffassung dem Boden und ist die einzige produktive Leistung 3 Er favorisierte 1767 den Agrarstaat franzosisch royaume agricole 4 dessen Grundzuge er aus der naturlichen Ordnung franzosisch ordre naturel ablas 5 Denn der Boden ist die einzige Quelle des Wohlstands franzosisch la terre est l unique source de richesse 6 Adam Smith und Thomas Robert Malthus sahen dagegen den Primarsektor statisch die Agrarproduktion naturgegeben und ihre Steigerung nur uber eine Ausweitung der begrenzten Kulturboden moglich Die Konsequenz dieses agrarischen Produktionspessimismus war die alleinige Vorstellung von der Fortschrittsrolle der Industrie und des Freihandels als Motor der Entwicklung von der bei entsprechendem Abbau des Agrarsektors die klassische Arbeitsteilung von Industriestaaten und Agrarstaaten ausging 7 Der Aufschwung der Landwirtschaft war nach Smith nur durch den Untergang des Feudalismus moglich geworden Dabei hob er in seinem Buch Der Wohlstand der Nationen vom Marz 1776 die Bedeutung des landwirtschaftlichen Angebotsuberschusses hervor denn Stadte konnten nur in dem Masse wachsen wie die Agrarproduktion zunehme 8 Das 1798 von Malthus entwickelte Bevolkerungsgesetz ging davon aus dass der Bodenertrag nur in arithmetischer Progression exponentiell 1 2 3 4 5 displaystyle 1 2 3 4 5 nbsp usw wachsen konne die Bevolkerung jedoch in geometrischer Progression 1 2 4 8 16 displaystyle 1 2 4 8 16 nbsp usw wachse mit der Folge von Hunger und Armut 9 Hunger Kriege oder Epidemien erhohten die Sterberate als tatsachliche Hemmnisse englisch positive checks so dass das Existenzminimum erhalten bleibe aber das Wirtschaftswachstum gehemmt werde Malthusianische Katastrophe Durch steigenden Mineraldungerverbrauch und fortschreitende Motorisierung der Landwirtschaft versuchte der Nationalsozialismus ab 1936 Autarkie der Nahrungsmittelversorgung herzustellen was allerdings bis zum Zweiten Weltkrieg nicht gelang 10 Die Zeiten der beiden Weltkriege und deren Nachkriegsjahre waren in Europa durch gravierende Probleme in der Agrarproduktion und Nahrungsmittelversorgung gekennzeichnet Die Agrarpolitik beschrankte sich nicht nur auf den Schutz des landwirtschaftlichen Aussenhandels sondern auch auf Agrarsubventionen zur Stutzung der Landwirtschaft 11 In der DDR wurde im Juli 1952 die Bildung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften auf der 2 Parteikonferenz der SED bekanntgegeben Agrarprodukte unterlagen auch in marktwirtschaftlichen Staaten haufig der staatlichen Marktregulierung denn strukturelle Fehlentwicklungen versuchte der Staat durch Interventionen zu korrigieren Seit Grundung der EWG im Marz 1957 erhielt der Begriff Marktregulierung einen interventionistischen Inhalt denn die EWG griff in den Agrarmarkt durch Aufkaufe der Uberproduktion landwirtschaftlicher Produkte Milch und Molkereiprodukte durch Produktionsquoten preisstabilisierend ein Butterberg Milchschwemme Um die landwirtschaftlichen Erzeugnisse in den freien Warenverkehr der neu gegrundeten EWG einzubeziehen und zugleich die offentliche Unterstutzung der Landwirtschaft zu erhalten wurden die bisherigen nationalstaatlichen Interventionsmechanismen auf die Ebene der EWG ubertragen 12 Auch der im Dezember 2009 in Kraft getretene Vertrag uber die Arbeitsweise der Europaischen Union AEUV sieht in Art 39 Abs 1c AEUV die Stabilisierung der Markte vor nbsp Zwiebelernte bei Regensburg September 2010 Arten BearbeitenTeilsektoren der Agrarproduktion sind der Pflanzenbau und die Tierproduktion Die Agrarproduktion umfasst die Herstellung von Nahrungs und Genussmitteln durch den Anbau von Nutzpflanzen wie beispielsweise Futtermittel Gemuse Getreide Obst Tabak oder Wein ausser Nutzholz das zur Forstwirtschaft gehort und die Haltung von Nutztieren wie etwa Haushuhnern Hausrindern Hausschweinen oder Schafen und Ziegen ausser Speisefischen die zur Fischerei gehoren Aus Nutzpflanzen werden Mehl oder Speisefette und Speiseole hergestellt Nutztiere konnen zur Gewinnung von Naturprodukten wie Eiern Milch Kase oder Tierfetten eingesetzt oder zu Fleisch verarbeitet werden Anders als bei dieser volkswirtschaftlichen Abgrenzung ist in Art 38 Abs 1 AEUV vorgesehen dass auch die Fischerei sowie die mit dieser in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Erzeugnisse der ersten Verarbeitungsstufe zu den Agrarprodukten gehoren Erzeugnisse der Landwirtschaft BearbeitenDie Agrarproduktion wird wie folgt eingeteilt Agrarerzeugnisse Produktgruppe ProdukteAgrarprodukte Gemuse Getreide Gewurze Obst Gemusespargel Gurken Karotten Kartoffeln Kohl Petersilien usw Gerste Hafer Hirse Mais Reis Roggen Triticale Weizen Anis Gewurznelken Kapern Kummel Paprika Pfeffer Safran Zwiebeln Beerenobst Kernobst Schalenobst Steinobst SudfruchteAgrarrohstoffe Nahrungsmittel Genussmittel Hackfruchte technische Agrarrohstoffe Milch Kaffeebohnen Kakaobohnen Tabak Tee Maniok Zuckerrohr Zuckerruben usw Baumwolle Kautschuk WolleTierprodukte Lebensmittel Futtermittel Schmuck Sonstiges Eier Fette Fleisch Honig Innereien Milch Tran usw Getreide Raps Soja usw Elfenbein Horn Tierzahnschmuck usw Dungemittel Gelatine Leder Pelze Wolle usw Die Zuordnung kann je nach Verwendungszweck variieren Weintrauben sind Agrarprodukte bei der Weinherstellung gelten sie als Agrarrohstoffe Kaffeebohnen sind ein Agrarrohstoff der Rostkaffee ist ein Endprodukt Beerenobst und die anderen Produkte bilden jeweils wiederum eine eigene Produktgruppe zum Beerenobst gehoren demnach als Produkte unter anderem Brombeeren Erdbeeren oder Heidelbeeren Speisesalz Senf oder Zucker sind keine Gewurze Produktionsprozess BearbeitenDer Produktionsprozess von Agrarprodukten beginnt bei Pflanzen mit der Saat von Saatgut oder der Anpflanzung die dem Wachstum uberlassen werden einschliesslich Pflanzenschutz bis zur Fruchtreife es folgen Ernte und eine mehr oder weniger intensive Weiterverarbeitung Diese geschieht durch Mahlen Rosten Schalen Trocknen oder Veredeln Die Nutztierhaltung einschliesslich Zucht und Veterinarmedizin ist Kern des Produktionsprozesses bei Nutztieren zu dem auch die Herstellung von Milch Kase oder Tierfetten gehort Die Weiterverarbeitung der Nutztiere geschieht durch ihre Schlachtung zu Fleischprodukten Beim Produktionsprozess fallen einige Sondermerkmale im Vergleich zur Industrie auf Der Produktionsprozess ist relativ lang jahrliche Ernterhythmen und sehr witterungsabhangig 13 so dass anhaltende Extremwetterlagen wie Durreperioden oder Dauerregen zu Missernten fuhren konnen Die Witterung ist damit der Hauptfaktor der das Guterangebot an Agrarprodukten beeinflusst Wirtschaftliche Aspekte BearbeitenUberwiegt in einem Staat die Agrarproduktion so wird von einem Agrarstaat gesprochen bei uberwiegend industrieller Produktion handelt es sich um einen Industriestaat In letzteren herrscht wiederum die industrielle Landwirtschaft durch starken Einsatz von Agrartechnik vor Sie erfolgt haufig durch Massenproduktion nach dem Gesetz der Massenproduktion mit Fixkostendegression daher besteht eine Tendenz zur Bildung landwirtschaftlicher Grossunternehmen die Skaleneffekte besser ausnutzen konnen Charakteristisch ist hierbei die Massentierhaltung im Gegensatz hierzu steht in der Agrarproduktion die okologische Landwirtschaft Ein grosser Teil der Agrarprodukte ist standardisierbar und kann deshalb als Commodities auch an Warenborsen gehandelt werden Der Handel an Borsen vereinheitlicht das Aufeinandertreffen der Marktteilnehmer Landwirte Grosshandel Einzelhandel Verbraucher die nicht mehr ausschliesslich auf Grossmarkten oder lokalen Produktmarkten prasent sein mussen Die Einkommenselastizitat der Nachfrage nach Agrarprodukten misst das Verhaltnis der relativen Zunahme des Einkommens und der relativen Zunahme der Ausgaben fur den Nahrungskonsum 14 In der Fachliteratur wird von einer inversen oder antizyklischen Reaktion der landwirtschaftlichen Produzenten gesprochen wobei vorauszuschicken ist dass die Bezeichnung invers erstmals 1952 von Walter Adolf Johr fur eine inverse Produktionsanpassung der Landwirtschaft bei sinkenden Agrarpreisen gepragt wurde 15 Sie beschreibt eine Situation welche der Konjunkturbewegung durch gegenlaufige Mengen und Preiskurven entgegenwirkt Empirische Untersuchungen nahrten jedoch Zweifel am Vorhandensein dieser inversen Produktionsanpassung 16 Statistiken BearbeitenIn Deutschland entwickelten sich die Verkaufserlose aus der Agrarproduktion wie folgt 17 Agrarprodukt Verkaufserlosein Mrd Euro 2012 Verkaufserlosein Mrd Euro 2017 Getreide 5 843 5 071Kartoffeln 1 383 1 842Nutzpflanzen 17 416 17 025Tierprodukte 27 451 28 664Gesamterlose 52 033 52 602Mit 54 4 aller Verkaufserlose besassen die Tierprodukte den grossten Anteil gefolgt von pflanzlichen Produkten 32 4 und Getreide 9 6 In den EU Mitgliedstaaten belief sich im Jahre 2018 der Produktionswert der Agrarproduktion zu Herstellungskosten auf 435 9 Mrd Euro 2015 417 3 Mrd Euro Die Hauptproduzenten waren 18 Land Anteil in desProduktionswerts EU 2015 Anteil in desProduktionswerts EU 2018Deutschland nbsp Deutschland 10 9 12 2Frankreich nbsp Frankreich 17 4 18 1Italien nbsp Italien 13 0 13 3Niederlande nbsp Niederlande 6 6 6 4Spanien nbsp Spanien 12 2 12 3Vereinigtes Konigreich nbsp Vereinigtes Konigreich 6 9 7 9Grosste Produzenten sind die Flachenstaaten weil bei diesen fur die Agrarproduktion eine grossere Agrarflache zur Verfugung steht Siehe auch BearbeitenListe der grossten Agrarproduzenten Liste von NutzpflanzenEinzelnachweise Bearbeiten Ulrich Koester Grundzuge der landwirtschaftlichen Marktlehre 2016 S 16 Rolf Walter Wirtschaftsgeschichte Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart 2011 S 49 f Ralph Anderegg Grundzuge der Agrarpolitik 1999 S 23 seine Heimat Frankreich war ein solcher Agrarstaat Francois Quesnay Maximes generales du gouvernement economique d un royaume agricole 1767 S 330 ff Francois Quesnay Getreide franzosisch Grains in Encyclopedie vol 7 November 1757 S 44 Artur Woll Klaus Glaubitt Hans Bernd Schafer Hrsg Nationale Entwicklung und Internationale Zusammenarbeit 1983 S 30 Adam Smith An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations 1776 1974 S 174 Thomas Robert Malthus An Essay on the Principle of Population 1798 1924 S 18 Hansjorg Kuster Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa 1999 S 354 Gunther Linckh Hubert Sprich Holger Flaig Hans Mohr Nachhaltige Land und Forstwirtschaft 1997 S 179 Europaisches Parlament Kurzdarstellungen zur Europaischen Union 2017 Reinhold Sellien Helmut Sellien Hrsg Gablers Wirtschafts Lexikon Band 1 1988 Sp 105 Landwirtschaftsverlag Hrsg Berichte uber Landwirtschaft Sonderheft Band 161 1955 S 45 Walter Adolf Johr Die Konjunkturschwankungen Theoretische Grundlagen der Wirtschaftspolitik Band II 1952 S 319 Karl P Steiner Die Problematik der inversen Produktionsanpassung und das Phanomen der zyklischen Angebots und Preisentwicklung in der schweizerischen Agrarwirtschaft 1957 S 11 Bundesministerium fur Ernahrung und Landwirtschaft Verkaufe wichtiger Erzeugnisse der Landwirtschaft Stand 2018 Abgerufen am 19 Mai 2019 Eurostat Output of the agricultural industry basic and producer prices Juni 2019Normdaten Sachbegriff GND 4068471 4 lobid OGND AKS Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Agrarproduktion amp oldid 230342593