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Der Agrarmarkt ist ein Markt auf dem die Marktteilnehmer Agrarprodukte gegen Zahlung des Agrarpreises austauschen Obst und Gemusemarkt in Seattle Washington 2003 Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Marktstruktur 3 Marktregulierung 4 Handelsobjekte 5 Rechtsfragen 6 Agrarmarkte in der EU 7 Volkswirtschaftslehre 8 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenDer Agrarmarkt ist ein Teilmarkt des Konsumgutermarktes Marktteilnehmer des Agrarmarktes sind auf der Angebotsseite die Landwirte und landwirtschaftliche Produktionswirtschaft als Hersteller als Nachfrager fungieren der Handel Grosshandel und Einzelhandel und die Verbraucher Im weiteren Sinne tauschen die Marktteilnehmer auch Landmaschinen aus doch mussen diese als Landtechnik zum Investitionsgutermarkt gerechnet werden Als Marktpreis auf dem Agrarmarkt im engeren Sinne der im Folgenden beschrieben wird fungiert der Agrarpreis Dieser fuhrt als Gleichgewichtspreis zum Marktgleichgewicht wenn das Angebot an Agrarprodukten durch die Nachfrage vollstandig gedeckt wird Entsprechend liegt ein Marktungleichgewicht vor wenn es zu Angebotsuberhang Nachfragelucke oder Angebotslucke Nachfrageuberhang auf dem Agrarmarkt kommt Marktstruktur BearbeitenDas Angebot auf dem Agrarmarkt ergibt sich aus der Agrarproduktion die witterungsbedingt sehr saisonabhangig ist Kommt es durch Naturkatastrophen wie Durre Schadlinge oder Uberschwemmungen zu Missernten so sinkt sofort das Angebot wodurch eine Angebotslucke bei konstanter Nachfrage zu steigenden Agrarpreisen fuhrt Umgekehrt konnen gute Wetterbedingungen gesteigerte Produktivitat oder staatliche Agrarsubventionen fur die Landwirtschaft dazu fuhren dass ein Angebotsuberhang Uberproduktion entsteht der nicht verkauflich ist Butterberg Milchsee Folge ist ein Preisverfall fur betroffene Agrarprodukte In diesem Zusammenhang tauchen drei Eigenheiten des Agrarmarkts auf namlich die meist geringe Lagerfahigkeit der Agrarprodukte die von Klimazonen abhangige Produzierbarkeit der meisten Agrarprodukte sowie die inversen Elastizitaten auf dem Agrarmarkt Letztere lassen sich damit erklaren dass die Hersteller das Ziel verfolgen ihr Einkommen zu sichern was vom Unternehmensziel der Gewinnmaximierung abweicht 1 Das Agrarangebot ist invers elastisch wenn bei einer Agrarpreissenkung etwa durch Bedarfsverschiebung oder Importe die Agrarproduktion nicht zuruckgeht sondern weiter steigt die Nachfrage nach Agrarprodukten ist invers elastisch wenn bei Preissteigerungen die Nachfrage nicht abnimmt sondern weiter zunimmt 2 Es erfolgt mithin eine bewusst marktwidrige Reaktion auf Preisbewegungen 3 Dies zeigt dass niedrige Agrarpreise meist nicht zu hoherer Nachfrage fuhren weil etwa der Bedarf an Butter gedeckt ist und nicht lediglich wegen des niedrigen Butterpreises zunimmt Marktsattigung Besteht beispielsweise auf dem Markt fur Milchprodukte ein Angebotsuberschuss der die Milchpreise sinken lasst so impliziert inverses Angebotsverhalten dass die Milchbauern ihren Kuhbestand vergrossern um ihren Einkommensverlust durch die sinkenden Milchpreise auszugleichen Dieses Marktverhalten ist jedoch nur dann okonomisch rational wenn der daraus erzielte Mehrerlos den zusatzlichen Aufwand des Kaufpreises der Kuhe mindestens deckt 4 Deshalb neigt international vor allem die Agrarproduktion zur Uberproduktion Diese Agraruberschusse sind die Angebotsuberhange auf den Agrarmarkten 5 Die Labilitat der Agrarmarkte und ihre verhaltnismassig grosse Preisflexibilitat beruht deshalb nicht allein auf einer geringen Elastizitat der Nachfrage nach Agrarprodukten sondern ist zugleich auch durch das unelastische Angebot bedingt 6 Der Agrarmarkt besitzt zumindest kurzfristig eine geringe Angebotselastizitat 7 Das unelastische Angebot ist einerseits auf die nicht beeinflussbare Witterung Missernten und andererseits auf den langen Zeitraum zwischen der Investitionsentscheidung und der Verfugbarkeit von Agrarprodukten sowie oft lange Reifezeiten zuruckzufuhren Ein Kaffeestrauch beispielsweise bringt fruhestens funf Jahre nach der Pflanzung die ersten Ertrage das Maximum ist erst nach zehn bis zwolf Jahren zu erwarten 8 Unterschiedliche Klimazonen sorgen dafur dass nicht alle Agrarprodukte uberall auf der Welt produziert werden konnen Wahrend Strumpfe theoretisch uberall hergestellt werden konnten gedeihen Bananen nur im tropischen bis subtropischen westlichen Pazifikraum Asien und Afrika 9 Westliche Industriestaaten mussen sie also importieren ihr Selbstversorgungsgrad ist dabei stets 0 Marktregulierung BearbeitenDer Agrarmarkt wird aus diesen Grunden als nicht funktionierender Markt eingestuft so dass der Staat im Rahmen seiner Agrarpolitik durch Agrarprotektionismus und Marktregulierung eingreift Dies geschieht durch Interventionspreise Mindest oder Hochstpreise mit denen der Staat als Kaufer oder Verkaufer im Rahmen des Staatsinterventionismus eingreift oder durch Produktionsquoten die die Hochst oder Mindestmengen herzustellender Agrarprodukte festlegen Im September 1959 erhohten sich beispielsweise die Uberschusse an Zucker auf dem Weltmarkt auf 12 6 Millionen Tonnen wodurch Kuba mit seinen weiteren 3 52 Millionen Tonnen Zucker in ernste Exportschwierigkeiten geriet 10 Im Marz 1961 noch vor Beginn der Kubakrise senkten die USA die Zuckerquote von Kuba auf null was einem Importverbot von kubanischem Zucker gleichkam In der heutigen EU gab es vom Juli 1968 bis September 2017 eine Zuckerquote aufgrund der Zuckermarktordnung Damit die Zuckerquote nicht unterlaufen wurde musste sogar die Produktion etwaiger Substitutionsguter quotiert werden So dehnte sich das Zuckerquotensystem der EU zunachst auf Isoglukose und spater auf Inulin aus Hiermit reduzierten sich die Anreize neue Produkte und Produktionsverfahren durch Produktinnovation zu entwickeln um die Zuckerquote zu unterlaufen Die Milchquote als Reglementierung der Milchmenge musste eingefuhrt werden nachdem es vor Juli 1978 zu EWG weiten Angebotsuberschussen gekommen war Ein Richtmengensystem des Marktordnungsgesetzes schrieb seit 1979 eine Kontingentierung der Milchproduktion vor Die erste Milchquote fuhrte die EWG im April 1984 ein und setzte sie bis April 2015 fort Fur Koppelprodukte wie Butter Butterberg wurde ein staatlicher Interventionspreis eingefuhrt so dass staatliche Interventionsstellen die Lagerung mit entsprechenden Lagerkosten zu ubernehmen hatten Der Interventionspreis ist fur den Erzeuger ein Mindestpreis mit dem er fest kalkulieren kann 11 Das EU Recht unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen der Produktionsquote die das einzelne Unternehmen betrifft und der Begrenzung der Gesamtproduktion eines EU Mitgliedstaates durch die Garantieschwelle 12 Handelsobjekte Bearbeiten nbsp Gemusemarkt in Bayaguana Dominikanische Republik 2008 Teilmarkte des Agrarmarkts sind der Pflanzenbau und die Tierproduktion Handelsobjekte des Pflanzenbaus sind Agrarprodukte aus Nutzpflanzen wie beispielsweise Gemuse Getreide Obst Tabak oder Wein Die Tierproduktion umfasst die Haltung von Nutztieren wie etwa Haushuhnern Hausrindern Hausschweinen oder Schafen und Ziegen Auf dem Agrarmarkt gehandelt werden Agrarprodukte aus direkter und indirekter Produktion Direkte Produktion Agrarprodukte die nach der Ernte unmittelbar verkauft werden Sie werden nicht mit anderen Produkten vermischt und meist nach einer nur geringfugigen Weiterverarbeitung vermarktet Hierzu gehoren unter anderem Gemuse wie Gemusekohl Kartoffeln Salate oder Zwiebeln und Obst wie Apfel Birnen oder Erdbeeren Indirekte Produktion Agrarprodukte die nicht unmittelbar nach der Ernte verkauft oder verwendet werden konnen Sie werden zunachst mit anderen Produkten vermischt oder weiterverarbeitet und erst dann als markttaugliches Endprodukt vermarktet Hierzu zahlen Kakaobohnen Kaffeebohnen Speisefette und Speiseole oder Wein Nutztiere konnen zur Gewinnung von Naturprodukten wie Eiern Milch Kase oder Tierfetten eingesetzt oder zu Fleisch verarbeitet werden Nicht zum Agrarmarkt gehort die Fischerei mit Speisefischen als Produkt und die Forstwirtschaft mit Nutzholz als Produkt Anders als bei dieser volkswirtschaftlichen Abgrenzung ist in Art 38 Abs 1 AEUV vorgesehen dass auch die Fischerei sowie die mit dieser in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Erzeugnisse der ersten Verarbeitungsstufe zu den Agrarprodukten gehoren Rechtsfragen BearbeitenAus Art 38 Abs 1 Satz 1 AEUV ergibt sich dass die nationalen Agrarmarkte bestehend aus Pflanzenbau Viehzucht und Fischerei zu einem alle EU Mitgliedstaaten umfassenden Binnenmarkt zusammengefasst sind Die wichtigsten Ziele der europaischen Agrarpolitik sind in Art 39 AEUV zusammengefasst Produktivitatssteigerung Sicherstellung der Versorgung Versorgungssicherheit Stabilisierung der Agrarmarkte und Sicherung einer angemessenen Lebenshaltung der Landwirte Agrarmarkte in der EU BearbeitenDie Gemeinsame Agrarpolitik der EU beruht auch auf dem Grundgedanken dass ein freier Binnenmarkt mit Agrarprodukten ohne dirigistische Eingriffe mit Rucksicht auf die Einkommenssituation der Landwirte nicht realisierbar ist 13 Im Januar 1962 einigte man sich auf eine einheitliche Preisfestsetzung fur die meisten Agrarprodukte auf die Bevorzugung von EU Agrarprodukten die Stabilisierung der Einkommenssituation der Landwirte und auf die Einrichtung eines Garantiefonds fur die Landwirtschaft Im Dezember 1969 einigte man sich auch uber die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik Eine erste Agrarreform 14 sorgte 1983 1984 dafur dass es Produktionsquoten fur einige Agrarprodukte gab etwa Milchquote und Preisgarantien fur Uberschussprodukte entfielen 15 Eine grundlegende Agrarreform folgte im Mai 1992 und brachte im Pflanzenbau Anderungen fur Getreide Olsaat und Hulsenfruchte in der Tierproduktion fokussierte sich die Reform auf die Rindfleischerzeugung Volkswirtschaftslehre BearbeitenBesondere Bedeutung hat aus volkswirtschaftlicher Sicht der Agrarmarkt in Agrarstaaten weil er hier die gesamte Wirtschaftsstruktur beherrscht Auch in Industriestaaten kommt jedoch dem Agrarmarkt wegen seiner strategischen Bedeutung eine besondere Rolle zu 16 weil er mit seinen Agrarprodukten wie kein anderer Markt das menschliche Grundbedurfnis an Nahrung deckt Besondere Bedeutung kommt deshalb der Versorgungssicherheit zu die vor allem bei Versorgungskrisen die Selbstversorgung durch einen moglichst hohen Selbstversorgungsgrad sicherstellen soll In Europa ist in der Feldwirtschaft meist nur eine Ernte pro Jahr moglich wodurch eine kritische Erlos und Kostenstruktur vorgegeben ist Ausserhalb Europas ist dagegen eine extensive Landnutzung moglich mit entsprechend niedrigeren Stuckkosten Weizen in den USA und Kanada Rinderzucht in Argentinien und den USA 17 Die Tendenz zur Massenproduktion nach dem Gesetz der Massenproduktion mit Fixkostendegression fuhrt zur Bildung landwirtschaftlicher Grossunternehmen die Skaleneffekte besser ausnutzen konnen Charakteristisch ist hierbei die Massentierhaltung im Gegensatz hierzu steht die okologische Landwirtschaft Einzelnachweise Bearbeiten Georg Blass Franz J Lammert Allgemeine Wirtschaftslehre 1974 S 39 Georg Blass Franz J Lammert Allgemeine Wirtschaftslehre 1974 S 39 Martin Gester Mindestpreis Systeme im Agrar Aussenhandel 1963 S V Michael Fritsch Marktversagen und Wirtschaftspolitik 2018 S 301 Dirk Piekenbrock Gabler Kompakt Lexikon Volkswirtschaftslehre 2009 S 6 Hans Heinrich Herlemann Grundlagen der Agrarpolitik Die Landwirtschaft im Wirtschaftswachstum 1961 S 96 Werner Pepels Hrsg Paul Ammann B2B Handbuch Operations Management 2009 S 40 Werner Lachmann Entwicklungspolitik Band 3 1994 S 83 f Rafael Govaerts Hrsg Musa World Checklist of Selected Plant Families des Royal Botanic Gardens Kew Science Universitat Rostock Wissenschaftliche Zeitschrift der Universitat Rostock Gesellschafts und sprachwissenschaftliche Reihe Band 11 1962 S 624 Christian Grimm Agrarrecht 2004 Rn 380 Urs Egger Agrarstrategien in verschiedenen Wirtschaftssystemen 1989 S 171 f Karl Werner Hansmann Hrsg Europa 1992 1990 S 9 Dirk Piekenbrock Gabler Kompakt Lexikon Volkswirtschaftslehre 2009 S 6 Karl Werner Hansmann Hrsg Europa 1992 1990 S 10 Karl Ernst Detering Wi e der den okonomischen Unsinn 1995 S 80 Karl Ernst Detering Wi e der den okonomischen Unsinn 1995 S 80 f Normdaten Sachbegriff GND 4000767 4 lobid OGND AKS Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Agrarmarkt amp oldid 232591466