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Ludwig Otto Blumenthal 20 Juli 1876 in Frankfurt am Main 13 November 1944 1 im Ghetto Theresienstadt war ein deutscher Mathematiker Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Ehrungen 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenEr wuchs in Frankfurt auf und war Schuler des Goethe Gymnasiums Im Alter von 18 Jahren beeinflusst von einem Freund konvertierte er vom Judentum zum evangelischen Glauben Nach seinem Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften in Gottingen wo er Vorlesungen bei Sommerfeld Schoenflies Hilbert und Klein horte und in Munchen 1894 bis 1898 war Blumenthal der erste Doktorand von David Hilbert Der Titel seiner Dissertation lautete Uber die Entwicklung einer willkurlichen Funktion nach den Nennern eines Stieltjesschen Kettenbruches 2 Von 1899 bis 1900 studierte er bei Emile Borel und Camille Jordan in Paris Im Jahre 1901 habilitierte sich Blumenthal in Gottingen mit dem Thema Uber Modulfunktionen von mehreren Veranderlichen Bis zum Jahr 1905 war er Privatdozent in Gottingen und nahm kurze Zeit eine Professurvertretung an der Universitat in Marburg wahr Im Oktober 1905 wurde Blumenthal auf einen Lehrstuhl an der RWTH Aachen berufen Sein mathematisches Hauptinteresse lag zunachst in der Anwendung der Theorie der komplexen Funktionen in der Zahlentheorie Ziel seiner Untersuchungen uber Modulformen in mehreren Variablen war es Funktionen zu finden mit denen algebraische Zahlkorper konstruiert werden konnten Kroneckers Jugendtraum das Zwolfte von Hilberts Problemen Nach ihm benannt sind die Hilbert Blumenthal Flachen und die Hilbert Blumenthalschen Modulformen Blumenthal war ein enger Mitarbeiter von Hilbert und schrieb auch dessen Biographie in den Gesammelten Werken Hilberts Blumenthal befasste sich auch mit der Theorie der ganzen Funktionen insbesondere denen von unendlicher Ordnung und veroffentlichte hieruber 1910 auch ein Buch auf Franzosisch Er verfasste auch mehrere Beitrage zur angewandten Mathematik Seine Beitrage zu Kugelfunktionen finden z B Anwendung in der Nachrichtentechnik Ferner studierte er Spannungen in Flugzeugflugeln Vibration von Membranen etc Von 1906 bis 1938 war er geschaftsfuhrender Herausgeber der Mathematischen Annalen 3 1924 war er Vorsitzender der Deutschen Mathematiker Vereinigung DMV und von 1925 bis 1933 gab er den Jahresbericht der DMV heraus Blumenthal sprach acht Sprachen und hatte viele internationale Kontakte unter anderem mit sowjetischen Mathematikern Im Jahr 1923 wurde Blumenthal zum Mitglied der Gelehrtenakademie Leopoldina gewahlt nbsp Gedenktafel im Hauptgebaude der RWTH Aachen Bereits im Fruhjahr 1933 begannen nun auch an der RWTH Aachen die Denunziationsmassnahmen der Studentenschaft Hierbei liessen der ASTA Allgemeiner Studentenausschuss und die Studentenfuhrer dem hierfur extra eingesetzten Denunziationsausschuss bestehend aus Hermann Bonin Hubert Hoff Felix Rotscher Adolf Wallichs und Robert Hans Wentzel daruber Mitteilungen zukommen welche der Dozenten und Professoren nicht arischer Abstammung waren oder vermeintlich oder tatsachlich eine unerwunschte politische Einstellung hatten Blumenthal sollte nun gemass dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums auf Grund seiner judischen Herkunft und seiner Mitgliedschaft in missliebigen Organisationen wie der Deutschen Liga fur Menschenrechte zusammen mit den anderen nicht arischen Professoren Arthur Guttmann Walter Maximilian Fuchs Ludwig Hopf Theodore von Karman Paul Ernst Levy Karl Walter Mautner Alfred Meusel Leopold Karl Pick Rudolf Ruer Hermann Salmang und Ludwig Strauss ab September 1933 die Lehrerlaubnis entzogen werden Ein Bittschreiben seines amtierenden Rektors Paul Rontgen an den Reichskommissar im Erziehungsministerium Bernhard Rust ihn dennoch halten zu durfen fuhrte zu keinem positiven Ergebnis Da Blumenthals Grosseltern judischen Glaubens waren wurde er von den Nazis trotz seiner Konversion zum Protestantismus aufgrund der Nurnberger Gesetze als Volljude angesehen Er wurde im Mai 1933 zunachst von seiner Stelle beurlaubt und am 22 September 1933 dann aus politischen Grunden entlassen wenig spater wurden seine Dienstbezuge eingestellt Seine Entlassung erfolgte angeblich nicht aus rassischen Grunden sondern wegen seiner Zugehorigkeit zu pazifistischen Vereinigungen Er hielt zahlreiche Vortrage im In und Ausland konnte jedoch keine feste Stelle finden 1938 wurde ihm schliesslich in Deutschland ein vollstandiges Arbeitsverbot erteilt und er musste auch seine uber 30 jahrige Arbeit als geschaftsfuhrender Herausgeber der Mathematischen Annalen aufgeben Im Juli 1939 emigrierte er mit seiner Frau Mali in die Niederlande und lebte in Utrecht Hier waren sie mit einer Reihe anderer deutsch judischer Emigranten befreundet u a mit der Historikerin Hedwig Hintze Nachdem das Ehepaar im August 1942 noch durch Intervention eines Pastors von der Deportation verschont blieb wurden sie im April 1943 beide zunachst in das KZ Herzogenbusch dann in das Durchgangslager Westerbork verschleppt Seine Frau starb im Mai 1943 in Westerbork er kam im Januar 1944 in das Ghetto Theresienstadt und starb dort im November an einer Lungenentzundung Bei einer Gelegenheit war er schon in einen Zug nach Auschwitz gedrangt worden dann aber doch noch von den Nazis aus dem Zug herausgeholt worden 4 Blumenthal den Constance Reid in ihrer Hilbert Biographie als aufgeschlossen lebensfroh und umganglich beschrieb 5 war zeitlebens als Hilberts altester Student bekannt und er stand Hilbert sehr nahe Er schrieb dessen Biographie fur die Gesammelten Werke von Hilbert eine wichtige Quelle zu Hilbert 6 und fur eine Ausgabe der Naturwissenschaften 1938 besuchte er noch die Geburtstagsfeier von Hilbert der auf die Nachricht von der Entlassung Blumenthals unglaubig und emport reagierte er meinte seine ehemaligen Studenten wollten ihm einen bosen Scherz spielen Fur die anwesenden Schuler war dies ein Zeichen der zunehmenden Weltfremdheit und Isolation des alten Hilbert 7 Blumenthal widmete Hilbert in Holland noch eine Veroffentlichung zum 80 Geburtstag Als er verhaftet wurde war Hilbert aber schon mehrere Monate tot Ehrungen Bearbeiten nbsp Gedenkstein in der Limburger StrasseVor seinem letzten Wohnsitz in der Limburger Strasse 22 in Aachen erinnert eine im Boden gelassene Gedenktafel des Projektes Wege gegen das Vergessen an die Verfolgung Blumenthals durch die Nationalsozialisten Sie tragt die Inschrift In diesem Haus wohnte von 1933 bis zu seiner Emigration 1939 Otto Blumenthal Seit 1905 wirkte er als Professor fur Mathematik an der RWTH Aachen Trotz seines Engagements fur die Hochschule wurde er 1933 aus rassischen und politischen Grunden entlassen 1938 beendete ein Arbeitsverbot auch seine anderen wissenschaftlichen Tatigkeiten Er emigrierte 1939 in die Niederlande wurde dort nach der deutschen Besetzung 1940 interniert und starb 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt In Aachen und Herzogenrath Stadteregion Aachen sind Strassen nach ihm benannt Im Hauptgebaude der RWTH Aachen erinnert eine Gedenktafel an das Schicksal von Otto Blumenthal Eine Gedenkstele der Leopoldina zum Andenken von neun Mitgliedern der Akademie die in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten ermordet wurden oder an den unmenschlichen und grausamen Bedingungen der Lagerhaft starben erinnert auch an Otto Blumenthal 8 Literatur BearbeitenPaul Butzer Lutz Volkmann Otto Blumenthal 1876 1944 in retrospect In Journal of Approximation Theory 138 2006 S 1 36 Volkmar Felsch Otto Blumenthals Tagebucher Ein Aachener Mathematikprofessor erleidet die NS Diktatur in Deutschland den Niederlanden und Theresienstadt Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn Hartung Gorre Verlag Konstanz 2011 ISBN 978 3 86628 384 8 Ernst Milkutat Blumenthal Ludwig Otto von In Neue Deutsche Biographie NDB Band 2 Duncker amp Humblot Berlin 1955 ISBN 3 428 00183 4 S 332 f Digitalisat David E Rowe Otto Blumenthal Ausgewahlte Briefe und Schriften I 1897 1918 Springer Spektrum Berlin 2018 ISBN 978 3 662 56724 1 David E Rowe und Volkmar Felsch Otto Blumenthal Ausgewahlte Briefe und Schriften II 1919 1944 Springer Spektrum Berlin 2019 ISBN 978 3 662 58355 5 Blumenthal Ludwig Otto von in Werner Roder Herbert A Strauss Hrsg International Biographical Dictionary of Central European Emigres 1933 1945 Band 2 1 Munchen Saur 1983 ISBN 3 598 10089 2 S 125Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Otto Blumenthal Sammlung von Bildern John J O Connor Edmund F Robertson Otto Blumenthal In MacTutor History of Mathematics archive Vortrag von Volkmar Felsch uber den Aachener Mathematikprofessor Otto Blumenthal 2003 PDF 152 kB Erinnerung an die vertriebenen Professoren der RWTH Otto Blumenthal Autoren Profil in der Datenbank zbMATH Mitgliedseintrag von Otto Blumenthal bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina abgerufen am 26 Januar 2017 Otto Blumenthal 1876 1944 in Retrospect PDF 531 kB Blumenthal Ludwig Otto Hessische Biografie Stand 15 April 2021 In Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen LAGIS Einzelnachweise Bearbeiten Die Angaben zum genauen Todestag sind widerspruchlich Das in der Literatur verbreitete Datum vom 12 November 1944 stammt aus einem Bericht den ein Mithaftling aus Theresienstadt Ende 1945 fur die Familie Blumenthal aufgeschrieben hat Ein bisher nicht beachteter zeitgleicher Bericht eines anderen Mithaftlings bestatigt jedoch den in den Originalunterlagen von Theresienstadt angegebenen 13 November als Todestag Siehe dazu das unter Literatur angegebene Buch von Felsch S 483 488 Das im niederlandischen Joods Monument angegebene Todesdatum vom 18 November durfte auf eine falsch ausgelesene 13 zuruckgehen Es wird dort jedoch nicht mehr geandert weil es nach dem Krieg vom niederlandischen Justizministerium so festgelegt wurde Otto Blumenthal im Mathematics Genealogy Project englisch Vorlage MathGenealogyProject Wartung id verwendet Ab Band 101 1929 wurden nur noch Hilbert Blumenthal und Erich Hecke als Herausgeber genannt Reid Hilbert and Courant Springer 1986 S 215 Constance Reid Hilbert Courant Springer 1986 S 97 Das Buch von Reid uber Hilbert ist Blumenthal gewidmet Hilbert Gesammelte Werke Band 3 1935 Reid Courant Hilbert Springer 1986 S 210f Leopoldina errichtet Stele zum Gedenken an NS Opfer 2009 Vorsitzende und Prasidenten der Deutschen Mathematiker Vereinigung Georg Cantor Paul Gordan Heinrich Weber Alexander von Brill Felix Klein Aurel Voss Max Noether David Hilbert Walther von Dyck Wilhelm Franz Meyer Paul Stackel Alfred Pringsheim Martin Krause Friedrich Engel Friedrich Schur Karl Rohn Carl Runge Sebastian Finsterwalder Ludwig Kiepert Kurt Hensel Otto Holder Hans von Mangoldt Robert Fricke Edmund Landau Arthur Schoenflies Erich Hecke Otto Blumenthal Heinrich Tietze Hans Hahn Friedrich Schilling Erhard Schmidt Adolf Kneser Rudolf Rothe Ernst Sigismund Fischer Hermann Weyl Richard Baldus Oskar Perron Georg Hamel Walther Lietzmann Wilhelm Suss Kurt Reidemeister Erich Kamke Georg Nobeling Hellmuth Kneser Karl Heinrich Weise Emanuel Sperner Gottfried Kothe Willi Rinow Wilhelm Maak Ott Heinrich Keller Friedrich Hirzebruch Wolfgang Haack Heinrich Behnke Karl Stein Wolfgang Franz Martin Barner Heinz Bauer Hermann Witting Gerd Fischer Helmut Werner Albrecht Dold Wolfgang Schwarz Willi Tornig Friedrich Hirzebruch Winfried Scharlau Martin Grotschel Ina Kersten Karl Heinz Hoffmann Gernot Stroth Peter Gritzmann Gunther Wildenhain Gunter Ziegler Wolfgang Luck Christian Bar Jurg Kramer Volker Bach Michael Rockner Friedrich Gotze Ilka Agricola Joachim Escher Normdaten Person GND 116209623 lobid OGND AKS LCCN n87831038 VIAF 111448130 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Blumenthal OttoALTERNATIVNAMEN Blumenthal Ludwig Otto von vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher MathematikerGEBURTSDATUM 20 Juli 1876GEBURTSORT Frankfurt am MainSTERBEDATUM 13 November 1944STERBEORT Ghetto Theresienstadt Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Otto Blumenthal Mathematiker amp oldid 232809664