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Die Fortschrittliche Volkspartei FVP war eine linksliberale und burgerlich demokratische Partei im Deutschen Kaiserreich die am 6 Marz 1910 aus dem Zusammenschluss der Freisinnigen Volkspartei der Freisinnigen Vereinigung und der Deutschen Volkspartei entstand Die Partei setzte sich fur eine Parlamentarisierung des Reiches ein und nahm auch sozialpolitische Forderungen in ihr Programm auf Punktuell kam es vor dem Ersten Weltkrieg zu einer Zusammenarbeit mit der SPD Gegen Ende des Krieges gehorte sie seit 1917 dem interfraktionellen Ausschuss an und unterstutzte 1918 die Oktoberreformen Sie ging in der Deutschen Demokratischen Partei DDP der Weimarer Republik auf Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Programmatik 3 Organisation 4 Politik 5 Erster Weltkrieg 6 Wichtige oder spater bekannt gewordene Mitglieder 7 Weblinks 8 Literatur 9 EinzelnachweiseVorgeschichte Bearbeiten nbsp Otto Fischbeck war zeitweise Vorsitzender der ParteiDas linksliberale demokratische Lager war wahrend des Deutschen Kaiserreichs von Spaltungen und Zusammenschlussen gepragt Zu Anfang des 20 Jahrhunderts bestanden die Deutsche Volkspartei die Freisinnige Volkspartei und die Freisinnige Vereinigung nebeneinander Die beiden Freisinnigen Parteien schlossen sich 1907 dem Bulow Block an Bei den Reichstagswahlen 1907 kam die Freisinnige Volkspartei auf 28 und die Freisinnige Vereinigung auf 14 Mandate Wegen der Zusammenarbeit mit den Konservativen im Bulow Block spaltete sich im Fruhjahr 1908 von der Freisinnigen Vereinigung die Demokratische Vereinigung um Theodor Barth ab 1 die aber politisch bedeutungslos blieb Daneben gab es auch Bestrebungen die Zersplitterung zu uberwinden Zwischen der Freisinnigen Volkspartei und der Deutschen Volkspartei wurde 1903 ein Wahlbundnis abgeschlossen Im Reichstag von 1907 bildeten die drei linksliberalen demokratischen Parteien bereits eine Fraktionsgemeinschaft Dem folgte 1910 auch der Zusammenschluss der Parteien 2 Zum ersten Mal war es im Deutschen Kaiserreich gelungen die Parteien des linksliberalen und demokratischen Spektrums in einer Organisation zu vereinen Programmatik Bearbeiten nbsp Friedrich Naumann setzte sich fur soziale Reformen und eine Zusammenarbeit mit der SPD ein Foto um 1911 Im Zentrum des Parteiprogramms standen die Vergrosserung des burgerlichen Einflusses und der Ausbau der politischen Freiheit 3 Die neue Fortschrittliche Volkspartei forderte in ihrem Parteiprogramm das allgemeine gleiche und direkte Wahlrecht sowohl im Reich wie auch in den Einzelstaaten Dies zielte insbesondere auf die Beseitigung des preussischen Dreiklassenwahlrechts ab Auch eine Reform des Kommunalwahlrechts wurde angestrebt Die Wahlkreise in Stadt und Land sollten gerecht eingeteilt werden Die Reichsverfassung sollte im konstitutionellen Sinn freiheitlich aufgebaut werden Ziel war die Parlamentarisierung des Deutschen Kaiserreiches Die Partei setzte sich ausserdem fur eine konsequente Trennung von Kirche und Staat ein Daruber hinaus wurde eine allmahliche Senkung der Lebensmittel und Industriezolle gefordert Damit wandte sich die Partei gegen die Schutzzollpolitik Einkommen Vermogen und Erbschaften sollten progressiv besteuert werden Parlamente Regierungen und Selbsthilfeorganisationen sollten zur Hebung der wirtschaftlichen und sozialen Lage von Lohnarbeiter und Angestellten zusammenarbeiten Das Koalitionsrecht der abhangig Beschaftigten sollte gesichert und ausgebaut werden Ebenso sollte der Arbeitsschutz verbessert werden und nach Massnahmen zum Schutz vor Arbeitslosigkeit gesucht werden Auf internationaler Ebene setzte die Partei auf friedlichen Ausgleich unter anderem durch einen Ausbau des Volkerrechts und internationale Schiedsgerichtseinrichtungen 4 Es gab weiterhin wirtschaftsliberale Tendenzen und die Partei vertrat vor allem die Interessen der Exportindustrie des Handels der Banken des Handwerks und des Gewerbes 5 Aber insgesamt trat an die Stelle eines Manchesterliberalismus die Hinwendung zu einer gewissen sozialstaatlichen Orientierung Die Partei wollte die allgemeine Wohlfahrt heben sozialen Fortschritt und die Volksbildung verbessern Die Reichweite dieser Forderungen erscheinen zwar nach heutigen Massstaben begrenzt waren aber fur eine liberale Partei des Kaiserreichs beachtlich 6 Der Historiker Dieter Langewiesche sieht in dem Programm einen zum Teil nur vagen Kompromiss Dennoch wurde das Parteiprogramm den Elan eines sich erneuernden Linksliberalismus zeigen Die Partei verzichtete auf die Forderung nach einer staatsburgerlichen Gleichstellung der Frauen mit den Mannern Friedrich Naumann hatte dies zwar gefordert konnte sich damit aber nicht durchsetzen Die Erneuerung des Linksliberalismus zeigte sich nach Langewiesche vor allem in der Sozialpolitik Selbsthilfe war kein Dogma mehr sondern wurde durch Forderungen nach staatlichen Regelungen erganzt 7 Organisation Bearbeiten nbsp Anton Erkelenz vertrat die Hirsch Dunckerschen Gewerkvereine im Zentralausschuss der Partei Foto um 1943 Die Partei verfugte uber eine recht straffe Organisation An der Spitze stand ein Zentralausschuss Diesem gehorten die Mitglieder der Reichstagsfraktion die Mitglieder des geschaftsfuhrenden Ausschusses 60 Vertreter der Landesverbande sowie einige kooptierte Personen an Im geschaftsfuhrenden Ausschuss waren die Mitglieder der drei ehemaligen Parteien in einem Verhaltnis von 10 5 3 vertreten Politische Fragen wurden von der Reichstagsfraktion entschieden Fur organisatorische Fragen war der geschaftsfuhrende Ausschuss zustandig Die finanzielle Lage der Parteizentrale war haufig schwierig weil die Landesverbande mit ihren Zahlungen haufig in Verzug waren Auch die Beitragszahlung der Mitglieder blieb nicht selten aus Eine Neuerung war 1913 die Grundung eines Werbevereins zur Mitgliedergewinnung und zum Eintreiben von Spenden In den Wahlkreisen wurde von den entsprechenden Organisationen meist recht selbststandig uber die Auswahl der Kandidaten und uber das Verhalten bei Stichwahlen entschieden 8 Im Jahr 1912 hatte die Partei 19 Landes und 14 Bezirksverbande und etwa 1452 lokale Vereine mit zusammen etwa 120 000 Mitgliedern 9 Im Reichsland Elsass Lothringen bildete sich 1912 die Elsassische Fortschrittspartei als Landesorganisation der Fortschrittlichen Volkspartei Ein Organisationsgrad von acht Mitgliedern auf hundert Wahler der Partei war durchaus beachtlich Im Prinzip waren die Lokalvereine demokratisch aufgebaut Diese stammten vor allem aus dem kleinen und mittleren Burgertum Stark vertreten waren Gewerbetreibende Kaufleute mittlere Beamte und Angestellte sowie Akademiker Relativ hoch war die Anzahl der Volksschullehrer und von evangelischen Pfarrern In einigen Gebieten wie in Oldenburg oder in der Provinz Schleswig Holstein hatte die Partei auch Anhanger unter den Bauern Relativ geringen Erfolg hatte die Partei bei unteren Angestellten und Arbeitern Allerdings bemuhte sich die Fortschrittspartei darum den Anteil der Arbeiter zu erhohen Von der Partei wurde die Grundung eigener liberaler Arbeitervereine gefordert Diese hatten 1914 aber erst 5 000 Mitglieder Der Gewerkschafter Anton Erkelenz wurde in den Zentralausschuss aufgenommen 10 Es gab ausserhalb der Partei Verbande die Einfluss ausubten die Partei aber nicht beherrschten Dazu zahlten etwa der Handelsvertragsverein in dem sich Kaufleute und Unternehmer mit freihandlerischen Zielen zusammengeschlossen hatten Des Weiteren gehorten dazu der Hansabund fur Gewerbe Handel und Industrie liberale Bauern und Landarbeiterorganisationen der Allgemeine Deutsche Lehrerverband und die Hirsch Dunckerschen Gewerkvereine mit etwa 100 000 Mitgliedern und teilweise die evangelischen Arbeitervereine 11 Politik Bearbeiten nbsp Friedrich von Payer wurde 1917 VizekanzlerDurch ihre linksliberale Ausrichtung stand die Partei in der Innen Wirtschafts und Finanzpolitik zumeist in Opposition zur Regierung Parteipolitische Hauptgegner waren die Konservativen und in den ersten Jahren auch die katholische Zentrumspartei 12 Eine zentrale Frage war im gesamten Liberalismus die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten Von Friedrich Naumann wurde das Schlagwort eines Blocks von Bassermann bis Bebel gepragt Unterstutzt wurde dies vom Hansabund Dieser wollte jenseits der konservativ agrarischen Krafte einen Reformblock schaffen Als Vorbild konnte der Grossblock in Baden dienen Aber dieser Kurs war in der Fortschrittspartei stark umstritten Der Vorsitzende Otto Fischbeck sprach mit Blick auf die Reichsebene von einer Grossblockutopie Auch Ernst Bassermann von den Nationalliberalen und August Bebel lehnten dies ab 13 Allerdings waren die parteipolitischen Fronten weniger erstarrt als fruher Liberale Zentrum und Sozialdemokratie hatten 1911 die Reform der Verfassung des Reichslandes Elsass Lothringen ermoglicht Insbesondere Linksliberale und Sozialdemokraten naherten sich an Im Jahr 1912 schloss die Partei mit den Sozialdemokraten ein umfassendes Stichwahlabkommen ab 14 Diese Vereinbarung der Parteispitze fuhrte bei Teilen der Mitgliederschaft zu Protesten und wurde nur von etwa der Halfte der Wahler befolgt 15 Auch bei den Sozialdemokraten stiess dies teilweise auf Ablehnung 16 Bei der Reichstagswahl 1912 bekam die Partei 12 3 der Stimmen und gewann 42 Mandate Dies bedeutete im Vergleich der Mandatszahl von 49 der Grunderparteien eine parlamentarische Schwachung des Linksliberalismus seit der letzten Reichstagswahl Allerdings war der Stimmenanteil im Vergleich zu 1907 um 1 4 Prozentpunkte gestiegen 17 Im Reichstag arbeiteten Linksliberale und Sozialdemokraten und zeitweise auch die Nationalliberalen zusammen Dies fuhrte dazu dass August Bebel beinahe zum Reichstagsprasidenten gewahlt worden ware Die Liberalen trugen dann die Wahl von Philipp Scheidemann zum Vizeprasidenten mit Im Jahr 1913 setzten die Liberalen zusammen mit den Sozialdemokraten gegen die Konservativen eine Vermogenszuwachssteuer durch um damit die Erhohung der Heeresstarke zu finanzieren Es deutete sich also schon in der Vorkriegszeit die Moglichkeit der Weimarer Koalition an 18 Erster Weltkrieg Bearbeiten nbsp Ludwig Quidde setzte sich fur einen Verstandigungsfrieden ein Foto ca 1918 In der ersten Zeit des Weltkrieges gab es unterschiedliche Ansichten uber die Kriegsziele Es gab im Wesentlichen drei Positionen Die einen befurworteten einen Siegfrieden Friedrich Naumann pladierte etwa fur ein von Deutschland beherrschtes Mitteleuropa Dazu forderte diese Gruppe auch Annexionen und die Bildung von Pufferstaaten Eine mittlere Gruppe forderte einen Sicherungsfrieden Die dritte Gruppe wollte einen Verstandigungsfrieden 19 Ein Gegner von Annexionen war der spatere Friedensnobelpreistrager Ludwig Quidde Zwischen den Positionen kam es zu Konflikten Insgesamt aber vertrat die Partei hinsichtlich der Kriegsziele eine gemassigte Richtung 20 Die Partei arbeitete mit Zentrum und Sozialdemokraten und zeitweise auch mit den Nationalliberalen seit Juli 1917 im interfraktionellen Ausschuss zusammen Sie trug die Forderung nach einer Parlamentarisierung des Reiches mit und beteiligte sich 1917 an der Friedensresolution des Reichstages Zentrum Fortschrittspartei und SPD forderten einen Frieden ohne Annexionen Friedrich von Payer ubernahm im selben Jahr in der Regierung von Georg von Hertling die Position des Vizekanzlers Damit waren die Linksliberalen zu so etwas wie einer Regierungspartei geworden 21 Die Oktoberreformen von 1918 der Regierung von Max von Baden wurden von der Fortschrittlichen Volkspartei unterstutzt 22 Wahrend der Novemberrevolution loste sich die Partei auf und schloss sich mit dem linken Flugel der Nationalliberalen Partei zur Deutschen Demokratischen Partei DDP der Weimarer Republik zusammen Wichtige oder spater bekannt gewordene Mitglieder BearbeitenGertrud Baumer Heinrich Wilhelm Dove Anton Erkelenz Otto Fischbeck Theodor Heuss Karl Heussenstamm Johannes Kaempf Georg Kerschensteiner Julius Kopsch Helene Lange Franz von Liszt Friedrich Naumann Otto Nuschke Hermann Pachnicke Friedrich von Payer Hugo Preuss Ludwig Quidde Karl Schrader Paul Stettiner Rudolf Oeser Reinhold Maier Otto WiemerWeblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Der Linksliberalismus In Handbuch der Politik 1914 Quellen und Volltexte Die Fortschrittliche Volkspartei 1910 1918 In Lebendiges Museum Online Abgerufen am 22 Oktober 2013 Literatur BearbeitenDieter Langewiesche Liberalismus in Deutschland Suhrkamp Frankfurt am Main 1988 ISBN 3 518 11286 4 Karlheinz Reich Die liberalen Parteien in Deutschland 1918 bis 1933 Demokratisches Bildungswerk Niedersachsen Osnabruck 1979 DNB 99454250X James J Sheehan Der deutsche Liberalismus Von den Anfangen im 18 Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg 1770 1914 Munchen 1983 ISBN 3 406 33109 2 Einzelnachweise Bearbeiten Konstanze Wegner Theodor Barth und die Freisinnige Vereinigung Tubingen 1968 S 134 ff Walter Tormin Geschichte der deutschen Parteien seit 1848 Stuttgart u a 1967 S 114 Peter Losche Kleine Geschichte der deutschen Parteien Stuttgart 1993 S 47 f Walter Tormin Geschichte der deutschen Parteien seit 1848 Stuttgart u a 1967 S 114 f Hans Boldt Deutsche Verfassungsgeschichte Politische Strukturen und ihr Wandel Band 2 Von 1806 bis zur Gegenwart Munchen 1990 S 382 Peter Losche Kleine Geschichte der deutschen Parteien Stuttgart 1993 S 48 Dieter Langewiesche Liberalismus in Deutschland Frankfurt am Main 1988 S 225 Walter Tormin Geschichte der deutschen Parteien seit 1848 Stuttgart u a 1967 S 115 Peter Losche Kleine Geschichte der deutschen Parteien Stuttgart 1993 S 49 Walter Tormin Geschichte der deutschen Parteien seit 1848 Stuttgart u a 1967 S 115 Peter Losche Kleine Geschichte der deutschen Parteien Stuttgart 1993 S 149 Walter Tormin Geschichte der deutschen Parteien seit 1848 Stuttgart u a 1967 S 115 f Peter Losche Kleine Geschichte der deutschen Parteien Stuttgart 1993 S 49 Die Fortschrittliche Volkspartei 1910 1918 auf dhm de Dieter Langewiesche Liberalismus in Deutschland Frankfurt am Main 1988 S 226 f James J Sheehan Der deutsche Liberalismus Munchen 1983 S 315 ff Walter Tormin Geschichte der deutschen Parteien seit 1848 Stuttgart u a 1967 S 115 Peter Losche Kleine Geschichte der deutschen Parteien Stuttgart 1993 S 48 Walter Tormin Geschichte der deutschen Parteien seit 1848 Stuttgart u a 1967 S 116 Dieter Langewiesche Liberalismus in Deutschland Frankfurt am Main 1988 S 227 Dieter Langewiesche Liberalismus in Deutschland Frankfurt am Main 1988 S 229 Dieter Langewiesche Liberalismus in Deutschland Frankfurt am Main 1988 S 228 Peter Losche Kleine Geschichte der deutschen Parteien Stuttgart 1993 S 48 Walter Tormin Geschichte der deutschen Parteien seit 1848 Stuttgart u a 1967 S 116 Normdaten Korperschaft GND 118093 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Fortschrittliche Volkspartei amp oldid 227858298