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Der Bulow Block ist benannt nach dem Reichskanzler Bernhard von Bulow und bezeichnet ein Wahlbundnis bei der Reichstagswahl von 1907 Bis 1909 hat die daraus hervorgegangene Reichstagsmehrheit die Politik von Bulows gestutzt Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Anspruch auf Reformpolitik 3 Grenzen der Gemeinsamkeiten 4 Reichsfinanzreform und Ende des Blockes 5 Literatur 6 BelegeVorgeschichte BearbeitenNachdem die Parlamentsmehrheit vor allem aus Zentrum und Sozialdemokraten einen Nachtragshaushalt fur die Weiterfuhrung des Krieges in Deutsch Sudwestafrika verweigert hatte wurde der Reichstag aufgelost und vorzeitige Wahlen wurden anberaumt Daraufhin bildeten Konservative und Nationalliberale sowie Linksliberale ein Wahlbundnis um den Reichskanzler von Bulow zu unterstutzen Es war ein Abwehrbundnis gegen das katholische Zentrum und vor allem gegen die dynamische Sozialdemokratie Durch die Einbindung der Linksliberalen wurden die staatstragenden Gruppen gewissermassen nach links in das fortschrittliche Bildungs und Wirtschaftsburgertum hinein erweitert Im Wahlkampf hatten die Parteien der Regierung mit nationalistischen antisozialdemokratischen und gegen das Zentrum gerichteten Parolen Erfolg Im Vorfeld der Wahl trafen sie bereits Stichwahlabkommen Der Bulow Block siegte in den sogenannten Hottentottenwahlen 1907 Der Erfolg konnte aber nur wegen des Mehrheitswahlrechts zustande kommen Die absolute Stimmenzahl des Blocks war geringer als die der oppositionellen Parteien SPD und Zentrum Anspruch auf Reformpolitik BearbeitenFur von Bulow war der Block nicht nur ein Wahlbundnis sondern war als fortdauerndes Bundnis im Parlament zur Stutzung der Regierung gedacht Die politische Existenz von Bulows hing in den folgenden Jahren von Bestehen des Blocks ab Daher wurden Regierungsmitglieder wie Arthur von Posadowsky Wehner oder der preussische Kultusminister Heinrich Konrad Studt die fur eine Zusammenarbeit mit dem Zentrum standen abgelost Fur Posadowsky als Innenstaatssekretar des Reiches und Vizekanzler wurde Theobald von Bethmann Hollweg ernannt der zugleich auch stellvertretender Vorsitzender des preussischen Staatsministeriums wurde Die bisher im Auswartigen Amt angesiedelte Kolonialabteilung wurde als Reichskolonialamt unter dem liberalen und als Reformer geltenden Staatssekretar Bernhard Dernburg selbststandig Der Anspruch von Bulows war es die Stagnation der letzten Jahre zu uberwinden Im Reichstag gab er die Losung aus Nicht Ruckschritt und nicht Stillstand sondern Fortschritt 1 Allerdings zwangen die Mehrheitsverhaltnisse von Bulow zu einem Lavieren zwischen Nationalliberalen und Konservativen Insbesondere die Konservativen sperrten sich gegen wirkliche Veranderungen Liberal anmutende Regierungsvorlagen wurden abgelehnt wahrend diese den Liberalen nicht weit genug gingen Insgesamt war die Handlungsfahigkeit und Stabilitat des Blockes begrenzt Wahrend Konservative und Linksliberale sehr entgegengesetzte Ziele verfolgten und bereit waren notfalls das Bundnis zu sprengen hatten sich die Nationalliberalen am starksten mit ihm identifiziert Zusammengehalten wurde der Block zunachst einmal vom Einsatz des Kanzlers und zum anderen durch die gemeinsame Gegnerschaft gegenuber den Sozialdemokraten und dem Zentrum In den ersten Jahren schien es allerdings tatsachlich zu Reformen zu kommen Im Sinne einer inneren Liberalisierung gelang eine Neufassung des Straftatbestandes der Majestatsbeleidigung Die grosse Masse der Bagatellfalle wurde seither nicht mehr bestraft Auch das Borsengesetz das in den 1890er Jahren auf Drangen der Agrarier umgestaltet worden war wurde wieder liberalisiert Die Widerspruchlichkeit des Bundnisses zeigte sich etwa beim 1908 verabschiedeten Reichsvereinsgesetz Insgesamt war es relativ liberal und ermoglichte erstmals Frauen die Mitgliedschaft andererseits enthielt es einen Sprachenparagraphen der die nichtdeutschsprachigen Minderheiten diskriminierte Grenzen der Gemeinsamkeiten BearbeitenDer zentrale Streitpunkt zwischen Liberalen und Konservativen war vor allem die preussische Wahlrechtsfrage Fur die Liberalen insbesondere fur Friedrich Naumann war die Demokratisierung des preussischen Wahlrechts die zentrale Aufgabe des Blockes Aber auch die Nationalliberalen wollten Reformen in diesem Bereich Dagegen verteidigten die Konservativen das Dreiklassenwahlrecht mit aller Kraft da darauf ihr uberproportionaler Einfluss auf die preussische Politik und indirekt auf die Reichspolitik beruhte Allerdings gab es Anzeichen dafur dass sich in der Sache etwas bewegte Auch als Reaktion auf die sozialdemokratischen Massendemonstrationen versprach der Kaiser in seiner Thronrede vom 20 Oktober 1908 eine organische Weiterentwicklung des Wahlrechts sei eine der wichtigsten Aufgaben der Gesetzgebung Angesichts der Mehrheitsverhaltnisse lavierte der Kanzler auch in seiner Eigenschaft als preussischer Ministerprasident in dieser Frage allerdings zwischen Liberalen und Konservativen hin und her Der Kanzler und mit ihm die von ihm vertretene Politik wurde durch die Daily Telegraph Affare im Jahr 1908 stark geschwacht Er versuchte seine eigene Mitschuld zu verschleiern ubernahm aber nach aussen hin die Verantwortung doch dies brachte dem Kaiser in der Offentlichkeit keine Entlastung Zwar bekam von Bulow in der entsprechenden Reichstagsdebatte immerhin die Unterstutzung von den Blockparteien aber selbst im Regierungslager gab es erhebliche Kritik an dem ungeschickten Verhalten des Kaisers Entscheidender aber war dass von Bulow das Vertrauen des Kaisers verlor Von da an war er nur noch Kanzler auf Abruf Die Chance einer starkeren Parlamentarisierung angesichts der angeschlagenen Position Wilhelms II wurde anschliessend zwar diskutiert aber nicht genutzt Reichsfinanzreform und Ende des Blockes BearbeitenDer Block zerbrach schliesslich 1909 am Scheitern der Reichsfinanzreform Das Problem der Reichsfinanzen hatte sich mit den wachsenden Staatsausgaben etwa durch die Sozialpolitik und den Flottenbau verscharft Die Hauptfrage war seit langem ob das Reich das Recht erhalten sollte eigene direkte Steuern zu erheben Alle bisherigen Finanzreformen hatten dieses Problem auf die lange Bank geschoben dies war angesichts der Haushaltslage nun nicht mehr moglich Notwendig war es kunftig jahrlich 500 Millionen Mark aufzubringen Die Liberalen waren der Meinung dass dies wenigstens teilweise nur uber direkte Steuern moglich sei Die Regierung stellte einen Gesetzentwurf vor der neben Konsumsteuern auf Tabak Bier und Schnaps die zusammen vier Funftel des Gesamtvolumens ausmachten auch eine Erbschaftssteuer vorsah Diese traf auf den entschiedenen Widerstand der Konservativen die dabei in der Offentlichkeit vom Bund der Landwirte massiv unterstutzt wurden Dieser sprach gar von drohenden Enteignungen Grundsatzlich wollten die Kritiker einem nach demokratischem Wahlrecht gewahlten Reichstag keinen Zugriff auf Besitzsteuern einraumen Die Konservativen machten ohne jeden Zweifel deutlich dass sie bei Beibehaltung der geplanten Erbschaftssteuer den Block platzen lassen wurden Auch Peter Spahn vom Zentrum kundigte die Ablehnung seiner Partei an Die Frage der Erbschaftsteuer hat die Offentlichkeit polarisiert Nicht zuletzt die Demagogie der Landwirtschaftsbunde fuhrte zur Grundung des liberalen Hansabundes Im Reichstag stimmten die Konservativen das Zentrum und die Vertreter der Polen gegen die Vorlage die Liberalen und die Sozialdemokraten dafur Die Mehrheit bei der Erbschaftssteuer 194 zu 186 war damit gegen von Bulows Gesetzentwurf Daraufhin reichte von Bulow seinen Rucktritt ein Allerdings brachte er die Finanzreform vor dem Ende seiner Kanzlerschaft mit veranderten Mehrheiten und Inhalten noch zu Ende An die Stelle der Erbschaftsteuer wurden nunmehr verschiedene Verbrauchssteuern erhoht oder neu geschaffen Eine Mehrheit von Konservativen und Zentrum segnete dies ab Damit war es den agrarischen Interessenvertretern gelungen Besitz und Landwirtschaft zu schonen Die Finanzprobleme des Reiches waren damit zunachst behoben allerdings war damit auch die angestrebte Modernisierung der Steuergesetzgebung gescheitert Von Bedeutung war der Rucktritt von Bulows insofern als er aus einer Niederlage im Reichstag die Konsequenzen gezogen hatte Dies konnte als eine Annaherung an ein parlamentarisches System gedeutet werden Ebenfalls neu war die Zustimmung der Sozialdemokraten zu einer Regierungsvorlage Auch dies deutete eine mogliche Abkehr von der bisherigen Oppositionsrolle an In diesem Sinne war der Sturz von Bulows fur die Konservativen trotz des Erfolgs in der Steuerfrage eher kontraproduktiv Literatur BearbeitenHans Ulrich Wehler Deutsche Gesellschaftsgeschichte Band 3 Von der deutschen Doppelrevolution bis zum Ende des Ersten Weltkrieges Munchen 1995 ISBN 3 406 32263 8 S 1009 1011 Thomas Nipperdey Deutsche Geschichte 1866 1918 Band II Machtstaat vor der Demokratie Munchen 1998 ISBN 3 406 44038 X S 729 741 Belege Bearbeiten Zitiert nach Nipperdey S 732 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bulow Block amp oldid 192008107