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Die Daily Telegraph Affare war ein Staatsskandal im Deutschen Kaiserreich Die Veroffentlichung eines Gesprachs des britischen Obersten Edward Montagu Stuart Wortley mit dem deutschen Kaiser Wilhelm II am 28 Oktober 1908 im Daily Telegraph sorgte fur Emporung in der deutschen Offentlichkeit Ausschnitt aus der Zeitungsmeldung des Daily Telegraph Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Folgen 3 Politische Konsequenzen 4 Literatur 5 Weblinks 6 FussnotenEntstehung BearbeitenAusloser des Skandals waren mehrere private Gesprache mit Oberst Wortley die Wilhelm II wahrend eines Urlaubsaufenthaltes in Highcliffe Castle in Sudengland fuhrte Wilhelm war ein Enkel von Konigin Victoria und Englisch seine zweite Muttersprache Oberst Wortley fasste diese Gesprache zu einem kunstlichen Interview zusammen und liess es dem Daily Telegraph zukommen Dort schickte man traditionell korrekt das Manuskript zu Wilhelm nach Berlin und bat um Bestatigung Schon des Ofteren war der Kaiser uber seine eigene undiplomatische Art gestolpert er hatte deshalb das Bestatigen seiner Regierung uberlassen Eigentlich ware Reichskanzler Bernhard von Bulow diese Aufgabe zugekommen Da dieser jedoch Urlaub auf Norderney machte leitete er das ihm zugeschickte Papier angeblich ungesehen weiter Da sein Pressechef Otto Hammann ebenfalls im Urlaub war landete der Artikel auf dem Schreibtisch eines untergeordneten Beamten des Auswartigen Amtes der ihn autorisierte In der Forschung ist umstritten ob Bulow das Interview tatsachlich nicht gelesen hat Wahrend etwa eine 2002 erschienene Studie von Peter Winzen Bulows Kenntnis annimmt 1 sind altere biographische Arbeiten zu Bulow hier skeptisch Eine haufiger zitierte Interviewpassage in der sich Wilhelm als Freund Englands darstellte der missverstanden werde lautete You English are mad mad mad as March hares What has come over you that you are so completely given over to suspicions quite unworthy of a great nation What more can I do than I have done I declared with all the emphasis at my command in my speech at Guildhall that my heart is set upon peace and that it is one of my dearest wishes to live on the best of terms with England Have I ever been false to my word Falsehood and prevarication are alien to my nature My actions ought to speak for themselves but you listen not to them but to those who misinterpret and distort them That is a personal insult which I feel and resent Ihr Englander seid verruckt verruckt verruckt wie Marzhasen Was ist uber euch gekommen dass ihr euch so vollstandig den Verdachtigungen hingebt die einer grossen Nation unwurdig sind Was kann ich mehr tun als ich schon getan habe Ich habe in meiner Rede in Guildhall mit allem Nachdruck der mir zur Verfugung steht erklart dass mein Herz nach Frieden verlangt und dass es zu meinen innigsten Wunschen gehort mit England in einem guten Verhaltnis zu leben Habe ich jemals mein Wort gebrochen Falschheit und Verdrehung der Wahrheit sind mir fremd Meine Taten sollten fur sich selbst sprechen aber ihr hort nicht darauf sondern auf diejenigen die diese falsch auslegen und verdrehen Dies empfinde ich als personliche Beleidigung und nehme das ubel Wilhelm II The Daily Telegraph 28 Oktober 1908 2 Die Emporung uber das Interview entzundete sich vor allem an vier Behauptungen des Kaisers Er gehore zu einer englandfreundlichen Minderheit im Deutschen Reich womit er entgegen seinen Intentionen leichtfertig die englische Angst vor der deutschen Aufrustung starkte Er habe ein russisch franzosisches Vorgehen gegen England im Burenkrieg nicht nur abgelehnt sondern dies auch Queen Victoria mitgeteilt womit er sich als eigenstandiger Aussenpolitiker im europaischen Bundnis prasentierte Durch einen von ihm entworfenen Schlachtplan sei der Burenkrieg gewonnen worden was eine denkbar grosse Anmassung war als ob die Briten operative Nachhilfe von ihm notig gehabt hatten dabei hatte Wilhelm in der Kruger Depesche 1896 dem Prasidenten der Burenrepublik Transvaal gratuliert nachdem es den Buren gelungen war den Jameson Raid der Briten abzuwehren 3 Der deutsche Flottenbau richte sich nicht gegen England sondern gegen die Fernost Staaten was insbesondere eine Provokation gegenuber Japan darstellte Diese ungeschickten Aussagen waren demnach stark von Anmassung und diplomatischer Taktlosigkeit gekennzeichnet Dort wo man sich durchaus in weltpolitischer Konkurrenz zum Britischen Empire sah war man uber die Anbiederung des Kaisers und die scheinbare Indiskretion sowie die offenbare Unfahigkeit des Regierungsapparates entsetzt sie entzundeten aber keinen Sturm der Entrustung 4 Verstarkt wurde dies noch dadurch dass der Kaiser auf dem Hohepunkt der Krise nach Donaueschingen zur Jagd beim Fursten Furstenberg reiste Folgen BearbeitenDies fuhrte im Folgenden zu einer veritablen Staatskrise in deren Verlauf der Reichskanzler seinen Rucktritt anbot und Teile der Offentlichkeit die Abdankung Wilhelms II forderten Das schon lange schwelende Missbehagen selbst kaisertreuer Kreise an dem personlichen Regiment Wilhelms brach sich Bahn und mundete in die Forderung der Kaiser solle sich mit der Rolle eines gemassigt auftretenden konstitutionellen Monarchen begnugen Dem deutschen Volk wurde durch diesen Vorfall die unbefriedigende verfassungsmassige Situation im Reich erneut vor Augen gefuhrt Die Rolle des Kanzlers von Bulow in der Affare ist zwiespaltig Er behauptete spater das Interview nicht gelesen zu haben weil es auf dunnem Papier in einer schlecht leserlichen englischen Handschrift geschrieben sei Es stellte sich aber spater heraus dass von Bulows Kopie auf schweren Bogen der Londoner Zeitung mit der Maschine geschrieben war Es wurde spekuliert dass von Bulow damit eine Parlamentarisierung des Deutschen Reiches einleiten wollte Wahrscheinlicher ist aber dass er dem Kaiser eine Lektion erteilen wollte um den Machtwillen Wilhelms zu brechen und seine eigene Position zu starken 5 Politische Konsequenzen BearbeitenIm Nachgang fiel auf dass sich im Reichstag und in der Offentlichkeit alle politischen Parteien uber den Kaiser emporten inklusive der Konservativen Deren Meinung war aufgrund der seit 1907 schwelenden Harden Eulenburg Affare dem Kaiser gegenuber ohnehin bereits kritisch geworden Auch der Kanzler distanzierte sich vom Kaiser um so zugleich von seinem eigenen Versagen bei der Durchsicht des Interviews abzulenken Diese Entzweiung war trotz eines vermittelten Gespraches Ausgangspunkt fur Bulows Entlassung am 14 Juni 1909 Auch der Kaiser zog zumindest gewisse Konsequenzen aus dem Skandal Wahrend er bis zu diesem Zeitpunkt immer wieder gerne auf die Pauke gehauen hatte z B mit seiner Hunnenrede hielt er sich in den folgenden Jahren mit martialischen Ausserungen deutlich zuruck Wilhelm II prasentierte sich als englandfreundlich wahrend im Februar 1909 Eduard VII und seine Gattin Alexandra das Kaiserpaar in Berlin besuchten 6 Dies war der erste offizielle Staatsbesuch Eduards der vom Januar 1901 bis zu seinem Tod im Mai 1910 regierte in Deutschland Literatur BearbeitenPeter Winzen Das Kaiserreich am Abgrund Die Daily Telegraph Affare und das Hale Interview von 1908 Darstellung und Dokumentation Franz Steiner Stuttgart 2002 Weblinks BearbeitenDas Interview engl Original Auszuge Das Interview deutsch Ubersetzung Memento vom 11 Juli 2014 im Internet Archive John C G Rohl Der Kaiser spricht In Die Zeit Nr 43 2008 vom 16 Oktober 2008 S 98 Katharina Kellmann Die Daily Telegraph Affare von 1908 auf katharinakellmann historikerin deFussnoten Bearbeiten Peter Winzen Das Kaiserreich am Abgrund Die Daily Telegraph Affare und das Hale Interview von 1908 Darstellung und Dokumentation Franz Steiner Stuttgart 2002 S 34 The Daily Telegraph Affair October 28 1908 German History in Documents and Images GHDI abgerufen am 16 Januar 2021 englisch Michael Frohlich Imperialismus Deutsche Kolonial und Weltpolitik 1880 1914 dtv Munchen 1994 S 115 Michael Frohlich Imperialismus Deutsche Kolonial und Weltpolitik 1880 1914 dtv Munchen 1994 S 115 John C G Rohl Wilhelm II Der Weg in den Abgrund 1900 1941 C H Beck Munchen 2008 ISBN 978 3 406 57779 6 S 706 ff zur Rezeption seines Besuchs siehe z B Reichstagsrede von v Bulow am 29 Marz 1909 S 178f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Daily Telegraph Affare amp oldid 225165805