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Die Reichsreform war der im 15 und 16 Jahrhundert wiederholt unternommene Versuch Struktur und Verfassungsordnung des Heiligen Romischen Reiches den Erfordernissen des fruhmodernen Staats anzupassen ihm eine einheitliche Regierung entweder unter standischer oder kaiserlicher Vorherrschaft zu geben und die herrschende Rechtsunsicherheit zu beseitigen Maximilian I war einer der wichtigsten Initiatoren der ReichsreformGemalde von Albrecht DurerDie Reformbestrebungen zielten vor allem darauf ab die Machtbalance zwischen Kaiser und Reich neu zu justieren Wahrend das Herrscherhaus der Habsburger die Reichsritterschaft sowie die Freien und Reichsstadte eine Starkung des Kaisertums anstrebten suchten die Landesfursten dessen Zentralgewalt eher zu schwachen Die widerstrebenden Ziele fuhrten dazu dass das furstliche Reichsregiment ebenso Episode blieb wie die Einfuhrung einer allgemeinen Reichssteuer des Gemeinen Pfennigs Bleibende Ergebnisse der Reichsreform waren dagegen der Ewige Landfriede von 1495 die Einrichtung des Reichskammergerichts im selben Jahr sowie die Schaffung der Reichskreise 1500 und 1512 als ubergeordnete territoriale Verwaltungseinheiten Einen gewissen Abschluss fanden die Bemuhungen um eine Reichsreform mit den Beschlussen des Augsburger Reichstags von 1555 etwa zur Reichsexekutionsordnung Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Erste Versuche einer Reichsreform 3 Die Reformen seit 1495 3 1 Reichsregiment 3 2 Gemeiner Pfennig 3 3 Ewiger Landfriede und Reichskammergericht 3 4 Reichskreise 4 Ergebnis der Reichsreform 5 Quellen 6 Literatur 7 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenAnders als etwa den Konigen Frankreichs oder Englands war es den romisch deutschen Kaisern seit dem Hochmittelalter nicht gelungen die wichtigsten Souveranitatsrechte des Staates in ihrer Hand zu vereinigen Vielmehr waren das Recht zur Steuererhebung die Hochgerichtsbarkeit das Munzrecht das Befestigungsrecht und viele weitere Regalien im Laufe der Zeit von ihnen auf die Reichsfursten und Freien Reichsstadte ubergegangen Daher erfolgte die allmahliche Herausbildung des fruhmodernen Staates in Deutschland nicht auf der Ebene des Reichs sondern auf derjenigen der einzelnen Landesherrschaften Massgeblich fur die Entwicklung waren u a die Statuten Friedrichs II zugunsten der Fursten im 13 und die Goldene Bulle Karls IV im 14 Jahrhundert Seit dem Interregnum von 1250 bis 1273 besass auch der jeweilige Kaiser nur noch so viel Einfluss auf die Reichspolitik wie seine eigene Machtbasis als Landesherr seine Hausmacht sie ihm erlaubte Ein einheitliches Handeln des Reichs war zu Beginn der Fruhen Neuzeit nur noch dann moglich wenn es dem Kaiser gelang auf einem Reichstag die Zustimmung der drei Kollegien der Kurfursten der Reichsfursten und der Freien Stadte zu einem bestimmten Beschluss zu erlangen Dies war aufgrund ihrer divergierenden Interessen aber kaum noch moglich Da das Reich weder uber nennenswerte Einnahmen noch uber ein eigenes Heeresaufgebot verfugte und die einzelnen Reichsstande auch ihre jeweils eigene Bundnispolitik betrieben war ein gemeinsames Auftreten gegenuber fremden Staaten kaum moglich Das Reich konnte als solches nur sehr eingeschrankt Aussenpolitik betreiben Das Problem der mangelnden Handlungsfahigkeit wurde im 15 Jahrhundert unter anderem aufgrund der Hussitenkriege auch den ansonsten auf ihre Libertat bedachten Reichsfursten als solches bewusst Erste Versuche einer Reichsreform BearbeitenIn den Jahren 1434 bis 1438 unternahmen die Reichstage in Eger 1437 und Nurnberg Juli und Oktober November 1438 erste Versuche zu einer Reichsreform mal auf Initiative Kaiser Sigismunds mal auf die der Kurfursten Es wurde ein Fehdeverbot eine Neuregelung des Munz und des Geleitrechts und eine Kreiseinteilung des Reiches diskutiert Alle Vorschlage scheiterten aber an den gegensatzlichen Interessen von Kaiser und Reichsfursten Beide strebten zwar eine funktionstuchtigere Gesamtregierung des Reichs an aber jeweils unter gegensatzlichen Vorzeichen Der Kaiser war an einer Starkung seiner Zentralgewalt interessiert die Fursten dagegen an einer kollegialen standischen Fuhrung an der sie mitwirken konnten In der Publizistik jener Zeit etwa in Schriften wie der Reformatio Sigismundi zeigt sich dass die gebildeten Stande die die kleinen Territorialherrschaften der Grafen und Freiherren sowie der Reichsritterschaft aber auch die Reichsstadte und die kleinen geistlichen Territorien reprasentierten eine starke Machtposition des Kaisers unterstutzten da sie sich von ihr einen besseren Schutz gegen die Anspruche der Landesfursten versprachen Die Kaiser selbst die seit Sigismunds Nachfolger Albrecht II fast nur noch aus dem Haus Habsburg stammten betrieben Reichspolitik aber in der Regel nur insoweit wie es ihrer eigenen Hausmacht dienlich war Die Reformen seit 1495 BearbeitenEine Wiederbelebung erfuhr der Reformgedanke unter dem spateren Kaiser Maximilian I Er suchte nach 1477 die Unterstutzung des Reichs da er seit der Heirat mit Maria von Burgund deren Erbe gegen die Anspruche des franzosischen Konigs verteidigen musste und das Vordringen der Turken auf dem Balkan auch die habsburgischen Besitzungen im Sudosten des Reichs bedrohte Auf dem Wormser Reichstag von 1495 verlangte er von den Reichsstanden nicht nur die Bewilligung einmaliger Geldzahlungen sondern die Einfuhrung einer allgemeinen regelmassig zu erhebenden Reichsteuer und die Stellung von Truppenkontingenten Die Reichsfursten zeigten sich dazu auch bereit allerdings nicht ohne Gegenleistung Reichsregiment Bearbeiten Unter dem Reichsregiment versteht man eine 1495 von den Reichsstanden erstmals geforderte standige Reichsregierung als Gegengewicht zum Herrschaftsanspruch des Kaisers Das Reichsregiment wurde 1500 verwirklicht und bestand mit Sitz in Nurnberg bis 1502 Karl V gestand den Reichsstanden in seiner Wahlkapitulation erneut die Einrichtung eines Reichsregiments zu das 1521 bis 1530 eine starke Wirksamkeit entfalten konnte Wortfuhrer der Reichsstande bei der Forderung nach einem Reichsregiment war der Erzbischof und Kurfurst von Mainz Berthold von Henneberg Als zentrales Projekt der Reichsreform verlangte er die Einfuhrung eines Reichsregiments unter Beteiligung der bedeutendsten Fursten Die Aufgabe dieses neuen Gremiums sollte es sein die Finanzen die Verteidigung und Kriegsfuhrung sowie die Aussenpolitik des Reichs zu uberwachen Es war gedacht als standiger Ausschuss der anstelle des schwerfalligen und nur sporadisch zusammentretenden Reichstages die Regierungsgeschafte ubernehmen sollte und zwar gemeinsam mit dem Kaiser der im Reichsregiment nur den Ehrenvorsitz fuhren sollte Dies stellte eine erhebliche Beeintrachtigung der kaiserlichen Macht dar Dennoch stimmte Maximilian der Bildung des neuen Kollegiums widerstrebend zu da er fur seine Kriege die Unterstutzung der Fursten benotigte Er zogerte die Bildung des Reichsregiments moglichst lange hinaus Erst nachdem der Reichstag zu Augsburg im Jahr 1500 auch seine Zustimmung zu einer Reichsmiliz gegeben hatte berief er das Gremium tatsachlich ein Diesem gehorten neben ihm selbst 20 Vertreter der Fursten und Freien Reichsstadte an Die Uneinigkeit der Fursten untereinander und Maximilians Abneigung gegen das Reichsregiment fuhrten jedoch schon 1502 wieder zu dessen Auflosung Ein zweiter Versuch unter Kaiser Karl V in den Jahren 1521 bis 1531 scheiterte ebenfalls Gemeiner Pfennig Bearbeiten Ein weiterer Beschluss des Reichstags von 1495 betraf die erstmalige Bewilligung einer allgemeinen Reichssteuer Der Gemeine Pfennig sollte von jedem einzelnen Untertanen des Reiches uber 15 Jahre alljahrlich direkt an den Kaiser abgefuhrt werden Die Reichssteuer wurde nach Hohe des Vermogens gestaffelt Der Gemeine Pfennig gab dem Reich erstmals die finanziellen Mittel fur eine eigenstandige Politik ohne die Unterstutzung der Landesfursten an die Hand Seine Erhebung traf jedoch von Beginn an auf zum Teil erbitterten Widerstand Die Schweizer Eidgenossen die in der habsburgischen Macht seit je her eine Bedrohung sahen verweigerten die Zahlung sogar ganz Nach ihrem Sieg im Schwabenkrieg 1499 wurden sie von der Reichssteuer befreit und schieden de facto aus dem Reichsverband aus auch wenn sie ihre volle staatsrechtliche Unabhangigkeit erst im Laufe des 17 Jahrhunderts erlangten Die Reichsbehorden und die Reichskriege wurden in der Fruhen Neuzeit durch Beitrage der einzelnen Reichsstande finanziert Ewiger Landfriede und Reichskammergericht Bearbeiten nbsp Wetzlar Sitz des ReichskammergerichtsEine weitere Forderung der Fursten war die nach der Beendigung des Fehdewesens im ganzen Reich Die gewaltsame Konfliktlosung sollte durch juristische Verfahren ersetzt werden Der Reichstag zu Worms rief daher 1495 einen Ewigen Landfrieden aus Er beendete zwar nicht sofort alle Fehden setzte sich aber langfristig durch Zur Uberwachung des Landfriedens rief der Reichstag ebenfalls auf Betreiben der Fursten das Reichskammergericht ins Leben Es tagte zunachst in Frankfurt am Main seit 1527 in Speyer und seit 1693 in Wetzlar Die Rechtsprechung in letzter Instanz hatte bis dahin allein beim Kaiser gelegen Allerdings war die Ausfuhrung der kaiserlichen Urteile regelmassig am Widerstand der Landesherren gescheitert wenn sie ihren Absichten zuwiderliefen Dennoch lag es nicht in Maximilians Interesse dass die hochste richterliche Gewalt im Reich nun bei einer festen Einrichtung liegen sollte die von der Person des Kaisers losgelost war Er grundete daher 1498 den allein ihm unterstellten Reichshofrat Dieser bildete bis zum Ende des Alten Reiches 1806 neben dem Reichskammergericht die letzte Berufungs und Appellationsinstanz in Deutschland Die Ermoglichung von Untertanenprozessen vor beiden Reichsgerichten trug seit der Mitte des 16 Jahrhunderts entscheidend zu friedlichen Konfliktlosungen im Reich bei Reichskreise Bearbeiten Hauptartikel Reichskreis nbsp Karte der Reichskreise im Jahre 1512 vor der Reichsreform durch Maximillian I nbsp Karte der Reichskreise im Jahre 1560 nach der ReichsreformReichskreise wurden ab 1500 im Zuge der Reichsreform Konig Maximilians I als ubergeordnete territoriale Einheiten zur Verbesserung der allgemeinen Reichsverwaltung geschaffen Sie beinhalteten zumeist mehrere Landesherrschaften jedoch zunachst nicht die Kurfurstentumer die erst auf dem Reichstag zu Worms 1521 hinzukamen Im spateren Rheinland waren der burgundische der kurrheinische der niederrheinisch westfalische und der oberrheinische Reichskreis vertreten Der niederrheinisch westfalische und der oberrheinische Reichskreis wurden bereits 1500 gebildet 1512 kamen der kurrheinische der unter anderem Kurkoln und Kurtrier umfasste und der burgundische Reichskreis hinzu Somit wurden 1512 die ursprunglichen sechs Reichskreise auf zehn erweitert als die neuen Funktionen eine flachendeckendere Erfassung des Reichs notig machten Ausgenommen von der Kreiseinteilung waren nur die Schweizer Kantone Reichsitalien und die Lander der Bohmischen Krone Sollten die Reichskreise zunachst nur als Wahlbezirke fur das Reichsregiment dienen so kamen spater weitere Funktionen hinzu Sie hatten die Aufsicht uber das Munzwesen mussten jeweils Armeekontingente fur die Reichsarmee aufstellen oder unterhalten und Urteile des Reichskammergerichts vollstrecken Des Weiteren waren sie fur die Durchsetzung des Landfriedens von 1521 zustandig Beschlussorgan innerhalb des Reichskreises war der sogenannte Kreistag zu dem jede Herrschaft unabhangig von ihrer Grosse einen Vertreter schickte Dieses Organ wahlte den Kreisobristen der dem Militar vorstand und fur die Sicherung des Landfriedens zustandig war Das hochste Amt war jedoch das des Kreisausschreibenden ein politisches Amt welches schnell in den meisten Kreisen erblich und meist von einem geistlichen und einem weltlichen Fursten gemeinsam ausgeubt wurde Ergebnis der Reichsreform BearbeitenDie Reichsreform blieb am Ende Stuckwerk Die Reichskreise und das Reichskammergericht waren die einzigen Institutionen die auf Dauer aus ihr hervorgingen Auf strafrechtlichem Gebiet kann man zu diesen Bestrebungen den Ewigen Landfrieden von 1495 und die Constitutio Criminalis Carolina von 1532 zahlen 1 Es erwies sich dass die Formierung des fruhmodernen Staats in den einzelnen Furstentumern und Herrschaften des Reichs schon zu weit fortgeschritten war als dass sie noch einmal zugunsten des Kaisertums hatte zuruckgedrangt werden konnen Andererseits waren auch die Kaiser nicht bereit zugunsten einer standischen Zentralregierung auf ihre Machtbefugnisse zu verzichten Alle Versuche eine starke kaiserliche Zentralmacht gewaltsam zu erzwingen scheiterten Die erste Moglichkeit dazu ergab sich fur Karl V nach seinem Sieg im Schmalkaldischen Krieg 1548 Auf dem Geharnischten Reichstag diktierte er den Reichsstanden das Augsburger Interim die Regelung der Religionsfrage weitgehend im katholischen Sinne Gegen diese Machtdemonstration formierte sich sofort eine Opposition sowohl katholischer als auch protestantischer Fursten die 1552 im Furstenaufstand gipfelte Mehr als 70 Jahre spater uberspannte auch Ferdinand II nach den ersten Siegen Wallensteins im Dreissigjahrigen Krieg seine Ambitionen Es bildete sich eine starke Koalitionen deutscher und auslandischer Machte die alles daran setzten die Ausdehnung der kaiserlichen Macht auf ganz Deutschland zu verhindern Quellen BearbeitenKarl Zeumer Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit 2 vermehrte Auflage Mohr Tubingen 1913 Volltext auf Wikisource Lorenz Weinrich Hrsg Quellen zur Reichsreform im Spatmittelalter De reformando regni Teutonici statu in medioaevo posteriore fontes selectae Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2001 ISBN 3 534 06877 7 Ausgewahlte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 39 Literatur BearbeitenKarl Friedrich Krieger Konig Reich und Reichsreform im Spatmittelalter 2 durchgesehene Auflage Oldenbourg Munchen 2005 ISBN 3 486 57670 4 Enzyklopadie Deutscher Geschichte 14 Enthalt eine umfangreiche Bibliographie Peter Moraw Konigliche Herrschaft und Verwaltung im spatmittelalterlichen Reich ca 1350 1450 In Reinhard Schneider Hrsg Das spatmittelalterliche Konigtum im europaischen Vergleich Sigmaringen 1987 S 185 200 Online Version Peter Moraw Furstentum Konigtum und Reichsreform im deutschen Spatmittelalter In Walter Heinemeyer Hrsg Vom Reichsfurstenstande Koln Ulm 1987 S 117 136 Heinz Angermeier Die Reichsreform 1410 1555 Die Staatsproblematik in Deutschland zwischen Mittelalter und Gegenwart Beck Munchen 1984 ISBN 3 406 30278 5 Heinz Angermeier Reichsreform und Reformation Schriften des Historischen Kollegs Vortrage Band 5 Munchen 1983 Digitalisat Ausstellungs Katalo 1495 Kaiser Reich Reformen Der Reichstag zu Worms Ausst zum 5oojahrigen Jubilaum des Wormser Reichstages Worms Andreasstift Koblenz 1995 Mattias G Fischer Reichsreform und Ewiger Landfrieden Uber die Entwicklung des Fehderechts im 15 Jahrhundert bis zum absoluten Fehdeverbot von 1495 Scientia Verlag Aalen 2007 ISBN 978 3 511 02854 1 Untersuchungen zur deutschen Staats und Rechtsgeschichte Neue Folge 35 zugleich Dissertation an der Universitat Gottingen 2002 Hermann Heimpel Studien zur Kirchen und Reichsreform des 15 Jahrhunderts Winter Heidelberg 1974 ISBN 3 533 02338 9 Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Philosophisch Historische Klasse 1974 1 Victor von Kraus Das Nurnberger Reichsregiment Grundung und Verfall 1500 1502 Ein Stuck deutscher Verfassungs Geschichte aus dem Zeitalter Maximilians Nach archivalischen Quellen dargestellt Wagner Innsbruck 1883 Neudruck Scientia Verlag Aalen 1969 Malte Prietzel Das Heilige Romische Reich im Spatmittelalter WBG Darmstadt 2004 ISBN 3 534 15131 3 Einzelnachweise Bearbeiten Rainer Schroder Rechtsgeschichte Alpmann und Schmidt Munster W nbsp Dieser Artikel wurde am 28 Juni 2005 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Reichsreform Heiliges Romisches Reich amp oldid 237181909