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Aquae Mattiacorum auch Aquae Mattiacae oder Mattiacum ist der Name der antiken romischen Siedlung auf dem Stadtgebiet von Wiesbaden Seit der fruhen romischen Kaiserzeit ist in Wiesbaden von einer militarischen Prasenz gegenuber dem Legionslager Mogontiacum Mainz auszugehen Im Hinterland des Limes konnte sich im 2 Jahrhundert eine bedeutende Zivilsiedlung entwickeln die zum Hauptort der Civitas Mattiacorum erhoben wurde Zivilisten und Soldaten schatzten die warmen Wiesbadener Heilquellen weshalb der Ort den Namenszusatz Aquae trug Nach dem Ruckzug der Romer uber den Rhein im 3 Jahrhundert ist in Wiesbaden weiterhin eine militarische Prasenz greifbar zu deren bedeutendsten Uberresten die sogenannte Heidenmauer zahlt Plan des romischen Wiesbaden im Limeswerk 1909Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Kastelle 3 Thermen 4 Zivilsiedlung 5 Spatantike 6 Siehe auch 7 Literatur 8 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie altesten romischen Funde stammen aus einer Moorschicht zwischen Mauritiusstrasse Hochstatte oberer Kirchgasse und Mauritiusplatz Die Funde aus der Wiesbadener Moorschicht enden mit einem Zerstorungshorizont in flavischer Zeit wahrscheinlich infolge des Bataveraufstands 69 70 n Chr und reichen bis in augusteische Zeit zuruck 1 Es ist nicht zu entscheiden ob diese Funde von einem Militarlager oder einer Zivilsiedlung stammen wobei ersteres auf dem zu dieser Zeit noch weitgehend unbesetzten rechten Rheinufer wahrscheinlicher ist Emil Ritterling konnte zwischen 1899 und 1923 auf dem Heidenberg mehrere Verteidigungsgraben aus vorflavischer Zeit nachweisen die sich aber nicht zu einem Lager rekonstruieren liessen Ritterlings Grabungstatigkeit wurde spater von seinen Nachfolgern Ferdinand Kutsch und Helmut Schoppa als Leiter der Sammlung Nassauischer Altertumer im Museum Wiesbaden fortgesetzt Als spatestes Wiesbadener Kastell wurde in den 80er Jahren des ersten Jahrhunderts im Anschluss an den Chattenkrieg Kaiser Domitians auf dem Heidenberg das Steinkastell errichtet Es wurde in spattrajanischer oder fruhhadrianischer Zeit mit der Vorverlegung der Truppen an den Limes geraumt spatestens im Jahr 122 n Chr Ein ahnlicher Vorgang ist an vielen ruckwartigen Truppenstandorten der Region wie in Nida Frankfurt Heddernheim oder den Kastellen Okarben und Gross Gerau zu beobachten Bereits im 1 Jahrhundert durfte sich in Nachbarschaft zu den Kastellen eine Zivilsiedlung Vicus befunden haben Mit dem Abzug der Truppen wurde dieser zum Verwaltungshauptort der umgebenden Civitas die sich nach dem germanischen Stamm der Mattiaker benannte Erstmals wird der Name greifbar auf einem in Kastel gefundenen Meilenstein der die Entfernung von Aquae Mattiacorum angibt und in das Jahr 122 n Chr datiert 2 Wie das gesamte Hinterland des Limes erlebte der Ort im 2 und fruhen 3 Jahrhundert einen Aufschwung der neben der Funktion als Verwaltungsmittelpunkt vor allem auf die Heilquellen zuruckgeht Bedeutende Kur und Baderorte waren in der romischen Welt nicht selten bekannte Beispiele in Deutschland sind etwa Baden Baden Aquae oder Badenweiler Erst mit dem Fall des Limes um 260 n Chr sank die Bedeutung des Ortes drastisch Obwohl aus dieser Zeit mehrere Brandhorizonte eine teilweise Zerstorung belegen weisen Munzfunde auf eine Fortsetzung der zivilen Besiedlung im sudlichen Teil des Vicus bis in das 4 Jahrhundert hin darunter mehrere Munzschatze In der zweiten Halfte des 4 Jahrhunderts wurde mit der Heidenmauer das einzige heute noch sichtbare romische Monument Wiesbadens erbaut wobei nicht sicher geklart ist welchem fortifikatorischen Zweck sie diente Kastelle Bearbeiten nbsp Detailplan des Steinkastells nach E Ritterling 1909Die von Ritterling nachgewiesenen Graben an der Platter Strasse werden als Lager A B und C angesprochen von allen liegen nur Teile des Grabens vor vom wahrscheinlich altesten Lager A zusatzlich ein Torbereich mit vorgelagertem Schutzgraben titulum Durch Funde lasst sich Lager B in die vorflavische Zeit datieren Lager C ging moglicherweise dem Steinkastell in der Zeit nach dem Bataveraufstand 69 70 n Chr voraus Von dem 2 2 ha grossen Steinkastell auf dem Heidenberg wurden vorrangig die Hauptgebaude im Inneren ergraben darunter die Wohnung des Kommandanten praetorium ein Lazarett valetudinarium zwei Speicherbauten horrea sowie das Stabsgebaude principia Das Kommandantenhaus wurde nach dem Abzug der Truppen in eine Werkstatt fabrica umgewandelt Vor der Mauer lagen zwei Spitzgraben als Annaherungshindernis 3 nbsp Militardiplom CIL XVI 62 aus dem KastellbereichEinige Soldatengrabsteine aus der Kastellzeit Wiesbadens geben Hinweise auf die hier stationierte Truppe Es handelt sich hierbei um die altesten Denkmaler ihrer Art rechts des Rheins Jeweils wahrend ihrer Dienstzeit verstarben Soldaten der Cohors V Delmatarum 4 Cohors I Pannoniorum 5 und der Cohors IIII Thracum 6 wobei nicht gesagt werden kann wann und in welcher Reihenfolge die Truppen in Wiesbaden stationiert waren Aussagekraftigere Quellen liegen vor fur die Cohors II Raetorum civium Romanorum die wahrscheinlich die Besatzung des Steinkastells gebildet hatte Von dieser Kohorte verstarben zwei Soldaten wahrend ihrer Dienstzeit in Wiesbaden 7 Ein Militardiplom das im Bereich des Steinkastells gefunden wurde weist ebenfalls diese Truppe aus 8 Die zweite Raeterkohorte wurde um 90 n Chr in das Kastell Butzbach in der Wetterau verlegt Ihr konnte fur kurze Zeit die Cohors III Delmatarum als Besatzung des Steinkastells gefolgt sein von der mehrere Ziegelstempel vorliegen Diese ist spater als Besatzung des Kastell Ruckingen belegt Thermen Bearbeiten nbsp Bleirohr mit Inschrift der Legio XIIII Gemina aus Wiesbaden nbsp Heutiger KochbrunnenDie Errichtung des Kastells im Wiesbadener Stadtgebiet durfte nicht allein der Uberwachung des Taunuskamms gedient haben Schon im 1 Jahrhundert setzte ein reger Thermenbetrieb ein wie sich aus Baumassnahmen und den damit zusammenhangenden Funden fruher Ziegelstempel der Legio XXII Primigenia aus dem benachbarten Mainz erschliessen lasst Bereits Plinius der Altere erwahnt die Wiesbadener heissen Quellen 9 Der Dichter Martial nennt den Wiesbadener Quellsinter als Haarfarbemittel 10 In Wiesbaden sind insgesamt drei Thermenkomplexe fassbar von denen die Thermen am Kranzplatz sudlich des Kochbrunnens am besten erforscht sind Sie weisen zwei grossere Becken sowie mehrere kleinere Wannen in der Nachbarschaft dazu auf Ein grosseres Gebaude sudostlich davon wird als Herberge mansio gedeutet In der Nahe der Adlerquelle wurde eine weitere Thermenanlage zwischen Coulinstrasse und Langgasse aufgedeckt die einen grossen Rundbau vermutlich ein Laconicum sowie drei anschliessende langrechteckige Gebaude aufwies Am wenigsten bekannt ist uber die Thermen an der Schutzenhofstrasse von denen eine Reihe Inschriften vorliegt Es handelte sich jedenfalls nicht um ein ubliches Kastellbad obwohl mehrere Inschriften auf eine staatliche oder militarische Verwendung hinweisen Soldatengrabsteine von Einheiten wie der Ala I Scubulorum oder der Ala I Flavia die niemals in Wiesbaden stationiert waren belegen das 11 Bleirohre mit Inschriften der Legio XIIII Gemina fuhrten das Wasser aus einer gefassten Quelle in das Bad Ein weiterer Hinweis auf den Kurbetrieb ist die Weihung der Antonia Postuma Gattin des Mainzer Legionslegaten Titus Porcius Rufianus die fur das Wohl ihrer Tochter der Diana Mattiaca eine Statue mit Sockel stiftete 12 Zivilsiedlung BearbeitenDie Zivilsiedlung entwickelte sich zunachst im Schutz der Kastelle im Bereich sudostlich des Steinkastells Die Bebauungsgrenze verlief ungefahr entlang der Schwalbacher Strasse zum Kochbrunnen von dort nach Sudosten bis zur Muhlgasse im Suden erstreckte sich der Vicus bis sudlich der Maurergasse Ein Bezug zu den Ausfallstrassen des Kastells ist nicht erkennbar Der Ort selbst hatte wie viele Civitas Hauptorte die nicht den Status einer Colonia oder eines Municipiums erreichten den Status eines Vicus wie aus einer Inschrift aus dem Jahr 194 n Chr hervorgeht welche die Bewohner als vicani Aquenses erwahnt 13 Eine weitere Inschrift nennt einen praefectus aque nsium 14 und verweist ebenfalls auf die Selbstbezeichnung der Bewohner als Aquenses die auch aus allen anderen Orten mit dem Namensbestandteil Aquae gelaufig ist 15 Neben dem Status als Verwaltungssitz durften die Heilthermen einen wesentlichen Teil der wirtschaftlichen Grundlage ausgemacht haben uber die ansonsten wenig bekannt ist Eine Inschrift nennt ein Versammlungshaus der Handler schola der negotiatores civitatis Mattiacorum 16 eine weitere einen Keramikhandler negotiator artis cretariae 17 Als einziges Heiligtum der Stadt ist ein Mithraum bekannt das 1902 nahe der Coulinstrasse gefunden wurde Der Kultraum war teilweise in den Osthang des Schulberges gebaut Er besass seitliche Podien als Sitzbanke eine Nische fur das Kultbild sowie eine Opfergrube in der Mitte des Raums Das Mithraum wurde im 3 Jahrhundert erbaut und um 360 n Chr zum Bau der Heidenmauer abgetragen Weitere Heiligtumer fur Iupiter Dolichenus 13 und die keltische Gottin Sirona 18 lassen sich nur durch Inschriften erschliessen Spatantike Bearbeiten nbsp Heidenmauer und RomertorIn der Spatantike konzentrierte sich die verbleibende Besiedlung auf den sudlichen Vicusbereich zwischen Mauritiusplatz und Friedrichstrasse Nicht vollstandig geklart ist die Funktion der sogenannten Heidenmauer die nordlich davon in Richtung WNW OSO verlief Sie bestand aus einem Gussmauerwerk mit einer Fundamentbreite von drei Metern und ist auf einer Lange von 520 m zu verfolgen erhalten jedoch nur auf etwa 80 m Lange Mindestens vier Turme sind nachweisbar von denen noch einer erhalten ist Die Funktion der Mauer ist unklar weil es keine entsprechenden Wehrmauern an den anderen Seiten der Siedlung gab Ritterling vermutete dass es sich um eine Sperrmauer clausura im Vorland des Mainzer Legionslagers handelte In neuerer Zeit geht man eher davon aus dass die Mauer insgesamt unvollendet blieb 19 Der Bau der Mauer erfolgte anscheinend sehr hastig da sehr unterschiedliches Steinmaterial auch Spolien mittelkaiserzeitlicher Steindenkmaler zum Beispiel Saulenkapitelle verwendet wurden 20 Im Umfeld und unmittelbar im Mauerwerk selbst gibt es Ziegelfunde mit Stempeln spatromischer Militareinheiten Die Martenses Vindices Secundani und Portissenses gehorten zum Mainzer Kommandobezirk 1902 wurde die Heidenmauer zum Bau der Coulinstrasse durchbrochen und der Durchbruch durch einige romanisierende Anbauten erganzt Unterhalb des so entstandenen Romertores wurden Kopien einiger romischer Steindenkmaler aufgestellt Kopien von Steindenkmalern aus der Sammlung Nassauischer Altertumer nbsp Grabstein des Reiters Dolanus Bessus Dolanus Bessus Sohn des Esbenius Reiter der 4 Thrakischen Kohorte 46 Jahre alt 24 Dienstjahre liegt hier begraben nbsp Bauinschrift fur ein Versammlungshaus ortsansassiger Handler nbsp Inschrift zur Wiederherstellung eines Dolichenus HeiligtumsSiehe auch BearbeitenGeschichte der Stadt Wiesbaden Liste der Kastelle des Donau Iller Rhein LimesLiteratur BearbeitenFriedrich Gustav Habel Das Romer Castell bei Wiesbaden In Nassauische Annalen 3 1842 S 131 158 Max Ihm Aquae Mattiacae In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band II 1 Stuttgart 1895 Sp 302 Emil Ritterling Ludwig Pallat Romische Funde aus Wiesbaden In Annalen des Vereins fur Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 29 1897 98 S 115 169 Emil Ritterling Das Kastell Wiesbaden In Ernst Fabricius Felix Hettner Oscar von Sarwey Hrsg Der obergermanisch raetische Limes des Roemerreiches Abt B 2 3b Nr 31 1909 Helmut Schoppa Aquae Mattiacorum und Civitas Mattiacorum In Bonner Jahrbucher 172 1972 S 228 237 Helmut Schoppa Aquae Mattiacae Wiesbadens Romische und alamannisch merowingische Vergangenheit Steiner Wiesbaden 1974 Hans Gunther Simon Wiesbaden WI Kastelle und Civitas Hauptort Aquae Mattiacorum In Dietwulf Baatz Fritz Rudolf Herrmann Hrsg Die Romer in Hessen Theiss Stuttgart 1989 Lizenzausgabe 1989 Nikol Hamburg 2002 ISBN 3 933203 58 9 S 485 492 Walter Czysz Wiesbaden in der Romerzeit Theiss Stuttgart 1994 ISBN 3 8062 1088 8 Karlheinz Dietz Aquae III 4 Mattiacae In Der Neue Pauly DNP Band 1 Metzler Stuttgart 1996 ISBN 3 476 01471 1 Sp 929 930 Armin Becker Mattiacum In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 19 Walter de Gruyter Berlin New York 2001 ISBN 3 11 017163 5 S 440 443 Anne Wieland Die Civitas Mattiacorum Forschungen zur romerzeitlichen Siedlungsgeschichte Dissertation Universitat zu Koln 2009 online Margot Klee Wiesbaden in der Spatantike In Alexander Reis Hrsg Das Rhein Main Gebiet in der Spatantike Beitrage zur Archaologie und Geschichte Akten der Tagung in Obernburg am Main vom 12 13 April 2018 Verlag Dr Faustus Buchenbach 2022 ISBN 978 3 946387 39 8 S 117 134 Einzelnachweise Bearbeiten Hans Ulrich Nuber Ein stratigraphischer Aufschluss im Bereich der Wiesbadener Moorschicht In Fundberichte aus Hessen 19 20 1979 80 S 645 677 Gabriele Seitz Neue stratigraphische Aufschlusse in der Wiesbadener Moorschicht In Denkmalpflege in Hessen 1 1988 online CIL 13 9124 Zu den Kastellen siehe Emil Ritterling Das Kastell Wiesbaden In Ernst Fabricius Felix Hettner Oscar von Sarwey Hrsg Der obergermanisch raetische Limes des Roemerreiches Abt B 2 3b Nr 31 1909 CIL 13 7581 CIL 13 7582 CIL 13 7585 CIL 13 7583 CIL 13 7584 CIL 16 62 Plinius Naturalis historia 31 20 sunt et Mattiaci in Germania fontes calidi trans Rhenum Martial Epigrammata 14 27 CIL 13 7580 CIL 13 7579 CIL 13 7565 a b CIL 13 07566a CIL 13 7279 Werner Eck Ein praefectus Aquen sium kein praefectus aqu a e Zur Inschrift CIL XIII 7279 aus Mainz Kastel In Nassauische Annalen 125 2014 S 21 28 hier S 26 CIL 13 7587 CIL 13 7588 CIL 13 7570 H G Simon in Baatz Herrmann 1989 S 491 H Schoppa Aquae Mattiacorum und Civitas Mattiacorum In Bonner Jahrbucher 172 1972 S 232 Walter Czysz Wiesbaden in der Romerzeit Theiss Stuttgart 1994 S 224 Ruckwartige Kastelle des Obergermanischen Limes Kastell Andernach Antunnacum Kastell Koblenz Confluentes Kastell Kesselstadt Kastell Heldenbergen Kastell Okarben Kastell Friedberg Kastell Nida Heddernheim Kastell Frankfurt am Main Domhugel Kastell Hochst Kastell Hofheim Kleinkastell Heidekringen Legionslager Mainz Kastell Wiesbaden Kastell Mainz Kastel Kastell Bingen Bingium Kastell Gross Gerau Kastell Gernsheim Kleinkastell Allmendfeld Kastell Worms Borbetomagus Kastelle von Ladenburg Lopodunum Kastelle von Heidelberg Kastell Rheingonheim Kastell Eislingen Salach Legionslager Strassburg Argentoratum Kastelle von Offenburg Kastelle von Sasbach Kastelle von Riegel Kastell Biesheim Argentovaria Romerlager Untereggingen Romerlager Dangstetten Bruckenkopfkastell Zurzach Tenedo Legionslager Windisch Vindonissa 50 083802 8 23833 Koordinaten 50 5 N 8 14 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aquae Mattiacorum amp oldid 236861420 Kastelle