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Das Kastell Heldenbergen ist ein ehemaliges mehrphasiges romisches Lager mit Zivilvicus in der Gemarkung von Heldenbergen einem Ortsteil von Nidderau im Main Kinzig Kreis in Hessen Deutschland Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Forschungsgeschichte 3 Lager und Belegung 4 Lagerdorf 5 Denkmalschutz 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseLage BearbeitenDer Fundplatz liegt am rechten Ufer der Nidder oberhalb eines Prallhangs auf einer hochwasserfreien Lossterrasse in der Ortslage Heldenbergen Heute durchschneidet die Konrad Adenauer Allee die ehemalige Bundesstrasse 45 den Bereich des Bodendenkmals In der Antike befand sich der Platz etwa acht Kilometer hinter dem obergermanisch raetischen Limes auf dem Gebiet der romischen Provinz Germania superior Obergermanien Forschungsgeschichte BearbeitenAufgrund der Lage an der Kreuzung mehrerer romischer Fernstrassen vermutete bereits Georg Wolff Ende des 19 Jahrhunderts in Heldenbergen die Hinterlassenschaften romischer Militareinrichtungen Bei seiner Nachsuche entdeckte Wolff schliesslich 1896 zwei Spitzgraben die offensichtlich zu zwei unterschiedlichen Lagern gehoren mussten Eine weitere Entdeckung gelang dem Friedberger Gymnasiallehrer Paul Helmke in den Jahren 1904 05 mit der Freilegung eines romischen Graberfeldes an der Strasse nach Okarben Danach schwand das offentliche Interesse an dem Fundplatz Bis 1970 wurden grossere Teile der Kastellflache sowie des vicus stillschweigend uberbaut ohne dass hier Fundmeldungen an die zustandigen Denkmalbehorden ergingen Zu Beginn der 1970er Jahre wurden dann weitere Baufelder in diesem Bereich zunachst ohne denkmalrechtliche Auflagen ausgewiesen obwohl der Fundplatz bereits bekannt war Bereits bei der Anlage der ersten Bauflachen kamen zahlreiche romische Artefakte zu Tage Als das damalige hessische Landesamt fur Denkmalpflege LfDH trotz wiederholter Fundmeldungen nicht aktiv wurde begann im Herbst 1972 eine Gruppe interessierter Burger unter der Fuhrung von Rolf Hohmann damit die bei den Bauarbeiten freigelegten Bodendenkmaler zu sichern und zu dokumentieren Dabei entdeckte die Gruppe die sich spater zur Archaologischen und volkskundlichen Arbeitsgemeinschaft sudliche Wetterau Wetterau AG zusammenschloss gut erhaltene Brunnen Topferofen Keller und Fundamente von Gebauden Erst mit zunehmendem offentlichem Druck veranlasste 1973 das Landesamt fur Denkmalpflege eine erste sogenannte Notbergung unter der Leitung von Gerd Rupprecht bei der nun die Entdeckung einer dritten Kastellphase offiziell wurde Weitere Beobachtungen wurden von ehrenamtlichen Mitgliedern des Vereins fur Vor und Fruhgeschichte im unteren Niddertal e V unter der Leitung von Gretel Callesen unternommen Zwischen 1975 und 1979 finanzierte die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG in Heldenbergen mehrere Grabungskampagnen unter der Leitung von Wolfgang Czysz der nun eng mit der Arbeitsgemeinschaft zusammenarbeitete Abgesehen von einer 1989 erschienenen kurzen Ubersicht legte Csysz die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten erst 24 Jahre spater im Jahr 2003 vor wodurch das Kastell Heldenbergen lange unbeachtet blieb Lager und Belegung BearbeitenNach derzeitigem Forschungsstand konnen in Nidderau Heldenbergen drei romische Militarlager unterschiedlicher Zeitstellung und Grosse ausgemacht werden Heldenbergen I Polygonallager Die zeitlich alteste Anlage am Fundplatz Heldenbergen ist ein Holz Erde Lager mit einer ungewohnlich grossen Grundflache von ca 8 5 Hektar und der Form eines zur Nidder hin offenen Trapezes Der zum Fluss hin steil abfallende Hang war als Schutz fur das Lager an dessen nordlicher Flanke offenbar ausreichend Es wurde vermutlich unter Domitian im Zuge der Chattenkriege oder kurz danach erbaut und war nur kurzfristig belegt Da auch eine Innenbebauung bislang nicht nachgewiesen werden konnte liegt eine Interpretation als Marschlager nahe Heldenbergen II Das in der chronologischen Abfolge zweite Lager war ein ebenfalls nur temporar belegtes Holz Erde Kastell das einen annahernd quadratischen Grundriss mit einer Seitenlange von 127 Meter 117 Meter aufweist was einer Flache von etwa 1 5 Hektar entspricht Dieses zweite Lager entstand wohl im Zuge der Wiederbesetzung der Wetteraukastelle bald nach dem Aufstand des Saturninus von 89 nach Christus Es wurde 1973 von Rupprecht definiert Umwehrt war das Lager mit einem einphasigen Spitzgraben der bei den Ausgrabungen noch bis 2 50 Meter tief erhalten war wobei die obere Breite bei 1 70 bis 1 90 Meter angetroffen wurde 1 Spuren einer Innenbebauung konnte Czysz nicht nachweisen 2 Heldenbergen III Kleines Erdkastell Das jungste Lager ist ein kleines Holzkastell mit einer Seitenlange von 91 Meter mal 94 Meter also einer Grundflache von 0 86 Hektar Es wurde bereits 1896 von Wolff entdeckt Es ist ebenfalls mit einem einphasigen Spitzgraben umwehrt der bei den Ausgrabungen noch bis zu drei Meter tief erhalten war und eine obere Breite von etwa 2 50 Meter aufwies Der archaologische Befund weist auf mehrmalige Ausbesserungen des Grabens hin 3 Eine Innenbebauung in Holzbauweise wurde von Czysz lediglich ausschnitthaft nachgewiesen ohne dass es dem Ausgraber gelang eine Binnenstruktur zu erkennen 4 Nach der Errichtung des Obergermanisch Raetischen Limes verlor das Lager Heldenbergen III seine strategische Funktion und wurde von den romischen Truppen aufgegeben Es entstand vermutlich nur wenige Jahre zuvor und diente beim Ausbau des Limes als Depot und ruckwartiger Stutzpunkt Bei den Untersuchungen Ende des 19 Jahrhunderts stiess Wolff ausserhalb der Umwehrung auf ein grosseres Gebaude in Steinbauweise das dem Nordwesttor des Kastells etwa 180 Meter vorgelagert war Aufgefundene gestempelte Ziegel tragen die Stempelmarken der Legio XXII Primigenia Pia Fidelis die im letzten Jahrzehnt des 1 Jahrhunderts nach Mainz verlegt wurde Wolff interpretierte den Befund aufgrund des Fundes von Hypocaustziegeln als Kastellbad Czysz bezweifelt Wolffs Ansprache und schlagt seinerseits eine Interpretation als militarischen Wachturm vor der nach Abzug der Lagerbesatzung eine militarische Prasenz an diesem Ort aufrecht hielt 5 Bei allen drei Lagern konnte bislang nicht hinreichend geklart werden welche Truppenteile die jeweiligen Anlagen erbaut und genutzt hatten Die beim Lager Heldenbergen III gefundenen Stempelmarken der Legio XXII Primigenia Pia Fidelis sind kein Indiz fur eine Stationierung von Truppenteilen dieses Verbandes Vielmehr produzierte die XXII Legion nach ihrer Verlegung nach Mainz Ziegel im grossen Stil fur diverse staatliche und zivile Bauwerke in Obergermanien Lagerdorf BearbeitenWestlich der Sudwestecke des Lagers Heldenbergen III erstreckte sich ein typischer Strassenvicus aus 50 bis 70 Streifenhausern die sich entlang der romischen Strasse nach Okarben aneinanderreihten Wahrend der Ausgrabungen wurden Handwerksbetriebe namentlich Topferbetriebe sowie Schmieden und mindestens zwei Bronzegiessereien nachgewiesen die den Charakter der Siedlung als Gewerbevicus pragten 6 Insbesondere die mindestens funf nachgewiesenen Topferbetriebe waren von regionaler Bedeutung Uber gefundene Stempelmarken ist ein Topfer namentlich bekannt Es handelt sich um einen Dorfbewohner namens Lucius Primus Ein weiterer Topfername ist lediglich fragmentarisch als S erhalten Der vicus nahm eine Flache von etwa 2 5 Hektar ein Das zugehorige Graberfeld mit ca 230 dokumentierten Grabern war bereits 1904 05 von Paul Helmke entdeckt worden Das Lagerdorf entstand etwa kurz vor dem Jahr 100 7 und bestand nach dem Abzug der im Lager Heldenbergen III stationierten Truppenteile als reine Zivilsiedlung innerhalb der civitas Taunensium weiter Die Ausgrabungsergebnisse legen nahe dass die Gewerbesiedlung bald nach der Grundung prosperierte ab der Mitte des 2 Jahrhunderts jedoch einen raschen Niedergang erfuhr Im Zusammenhang mit den Germanenuberfallen von 233 wurde das Dorf endgultig geraumt bevor es angegriffen und zerstort wurde 8 Bei den Ausgrabungen wurden Skelettteile von etwa einem Dutzend Manner gefunden die todliche Kampfverletzungen in Form von Schwerthieben und Stichwunden aufwiesen Bei den Toten handelt es sich moglicherweise um von einer romischen Reiterei niedergemachte germanische Kampfer Anthropologisch nachgewiesene Frassspuren von Hunden und wilden Tieren lassen darauf schliessen dass die beim Angriff getoteten Manner nicht bestattet wurden und der vicus nach der Zerstorung nicht wiederaufgebaut wurde Denkmalschutz BearbeitenDie Kastell und vicus Bereiche sind Bodendenkmale im Sinne des hessischen Denkmalschutzgesetzes Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig Zufallsfunde an die Denkmalbehorden zu melden Literatur BearbeitenWolfgang Czysz Nidderau Heldenbergen HU In Dietwulf Baatz Fritz Rudolf Herrmann Hrsg Die Romer in Hessen Theiss Verlag Stuttgart 1989 ISBN 3 8062 0599 X S 450 455 Wolfgang Czysz Heldenbergen in der Wetterau Feldlager Kastell Vicus Mainz 2003 ISBN 3 8053 2834 6 Limesforschungen 27 Peter Jungling Nidderau Heldenbergen Romische Kastelle und zivile Besiedlung In Fuhrer zu archaologischen Denkmalern in Deutschland 27 Hanau und der Main Kinzig Kreis Theiss Stuttgart 1994 ISBN 3 8062 1119 1 S 221 225 Weblinks BearbeitenAusgrabungen im Romerkastell Heldenbergen auf der Seite des Geschichtsvereins WindeckenEinzelnachweise Bearbeiten Czysz 2003 S 38 Czysz 2003 S 40 Czysz 2003 S 40 Czysz 2003 S 44 Czysz 2003 S 48 Czysz 2003 S 129 140 Czysz 2003 S 70 Czysz 2003 S 183 193 Ruckwartige Kastelle des Obergermanischen Limes Kastell Andernach Antunnacum Kastell Koblenz Confluentes Kastell Kesselstadt Kastell Heldenbergen Kastell Okarben Kastell Friedberg Kastell Nida Heddernheim Kastell Frankfurt am Main Domhugel Kastell Hochst Kastell Hofheim Kleinkastell Heidekringen Legionslager Mainz Kastell Wiesbaden Kastell Mainz Kastel Kastell Bingen Bingium Kastell Gross Gerau Kastell Gernsheim Kleinkastell Allmendfeld Kastell Worms Borbetomagus Kastelle von Ladenburg Lopodunum Kastelle von Heidelberg Kastell Rheingonheim Kastell Eislingen Salach Legionslager Strassburg Argentoratum Kastelle von Offenburg Kastelle von Sasbach Kastelle von Riegel Kastell Biesheim Argentovaria Romerlager Untereggingen Romerlager Dangstetten Bruckenkopfkastell Zurzach Tenedo Legionslager Windisch Vindonissa 50 233014 8 86433 Koordinaten 50 13 58 9 N 8 51 51 6 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kastell Heldenbergen amp oldid 216799959