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Ferdinand Kutsch 1 Januar 1889 in Burg Gemunden 30 April 1972 in Wiesbaden war ein deutscher Prahistoriker und provinzialromischer Archaologe Inhaltsverzeichnis 1 Jugend und fruhe Tatigkeiten 2 Tatigkeit wahrend der NS Herrschaft 3 Nachkriegszeit 4 Schriften Auswahl 5 Einzelnachweise 6 Literatur 7 WeblinksJugend und fruhe Tatigkeiten BearbeitenKutsch wurde am 1 Januar 1889 in Burg Gemunden damals Landkreis Alsfeld in Oberhessen als Sohn eines Oberforsters geboren Nach dem Abitur 1907 in Darmstadt studierte er bis 1912 an den Universitaten Tubingen Munchen Berlin und Giessen die Facher Klassische Archaologie Klassische Philologie Germanistik und Vorgeschichte Es folgte 1913 die Promotion zu dem philologischen Thema Attische Heilgotter und Heilheroen bei Rudolf Herzog in Giessen Nach einem kurzen Aufenthalt als Stipendiat in der Abteilung Rom des Deutschen Archaologischen Instituts DAI war er bis 1919 bei der Romisch Germanischen Kommission des DAI in Frankfurt tatig unterbrochen durch seinen Militardienst bei der Artillerie im Ersten Weltkrieg Danach arbeitete er als Assistent im Landesmuseum Nassauischer Altertumer in Wiesbaden heute Teil des Museum Wiesbaden 1927 wurde er als Nachfolger von Emil Ritterling Leiter des Museums und blieb es bis zum Ruhestand 1956 wiederum unterbrochen durch Kriegsdienst 1941 44 als Hauptmann der Luftwaffe in Frankreich und Deutschland Zugleich mit der Ubernahme des Direktorenpostens wurde er zum Vertrauensmann fur kulturgeschichtliche Bodenaltertumer im Regierungsbezirk Wiesbaden ernannt Kutsch arbeitete von der Vorgeschichte uber die Romerzeit bis zum Mittelalter uber alle relevanten archaologischen Epochen Sein besonderes Interesse galt der Erforschung prahistorischer Ringwallanlagen Neben der Tatigkeit im Museum und der Bodendenkmalpflege war Kutsch in historischen Vereinen und Verbanden engagiert Seit 1931 war er Vorsitzender des Vereins fur Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung und des West und Suddeutschen Verbands fur Altertumsforschung Tatigkeit wahrend der NS Herrschaft BearbeitenKutsch ubernahm den West und Suddeutschen Verband in schwieriger Zeit Zunachst waren es wirtschaftliche Schwierigkeiten die dazu fuhrten dass die jahrlichen Verbandstagungen nicht 1934 oder nur in eingeschranktem Umfang stattfinden konnten 1932 in Hanau 1933 zusammen mit dem Nordwestdeutschen Verband fur Altertumsforschung in Groningen Zudem versuchte Hans Reinerth seit 1934 den Verband in den Reichsbund fur Deutsche Vorgeschichte einzugliedern bzw gleichzuschalten Das gelang Reinerth 1934 im Falle des Ostdeutschen des Mitteldeutschen Verbandes fur Altertumsforschung sowie der gesamtdeutschen Dachorganisation aller Verbande An die Mitglieder des West und Suddeutschen Verbandes sandte Reinerth ein Rundschreiben unter Umgehung des Vorsitzenden Kutsch mit der Aufforderung dem Reichsbund beizutreten Reinerth wahlte wohl diesen Weg weil es ihm auch als Vertreter des Amt Rosenberg an rechtlichen Grundlagen zur Zwangseingliederung mangelte Zur Verbandstagung 1935 in Fulda bemuhte sich Reinerth erneut durch einen Abgesandten die Eingliederung zu beantragen was Kutsch dankend ablehnte wie es kurz zuvor auch der Nordwestdeutsche Verband getan hatte Der Verband hatte zwischenzeitlich Unterstutzung von einer Seite erhalten von der man diese nicht unbedingt erwartet hatte Der von Heinrich Himmler gefuhrte der SS nahestehende Verein Ahnenerbe hielt schutzend seine Hand uber den Verband 1 An der Tagung in Fulda nahm als Vertreter des Reichsfuhrers SS Alexander Langsdorff Archaologe und SS Fuhrer teil Man betrachtete wohl die SS gegenuber Reinerth als das kleinere Ubel 2 Reinerth geriet dadurch in eine komplizierte Dreiecksbeziehung und muss sehr wutend gewesen sein denn auf der Zweiten Reichstagung des Reichsbundes fur Deutsche Vorgeschichte im September 1935 in Bremen liess er seinen Hetztiraden freien Lauf Die Bremer Zeitung gab den Inhalt von Reinerths Rede folgendermassen wieder Dann ergriff Prof Reinerth das Wort zu einer grundsatzlichen Abrechnung mit den Gegnern der volkischen Vorgeschichte Die dritte Gruppe von Forschern schliesslich sei die gefahrlichste Es sei der romisch germanische Kreis um Ludwig Lindenschmit gewesen der diese Entwicklung von Norden nach Suden 3 angenommen und dadurch den Vorrang der sudlichen Kulturen uber die germanische behauptet habe Auch heute noch gebe es Vertreter dieser Richtung die notwendigerweise Gegner der volkischen Vorgeschichte sein mussten Der Bundesfuhrer wies reaktionare Angriffe zuruck und schilderte anhand einer kurzlich in Fulda stattgefundenen merkwurdigen Tagung reaktionarer Kreise die Arbeit solcher Machte die heute noch in gemeinsamer Verbruderung mit Judentum und politischem Katholizismus die Arbeit zu sabotieren versuchten die der Reichsbund leistet 4 Teilnehmer aus Halle an der Fuldaer Tagung erwahnten sogar man habe selten mit Heil Hitler gegrusst Parteiabzeichen seien kaum zu sehen gewesen und es sei sogar vorgekommen dass auf den Gruss Heil Hitler mit Guten Tag geantwortet sei 5 Auf Anraten Langsdorffs und Hans Joachim Apffelstaedts Landesrat und Leiter des Kulturreferats des Rheinischen Provinzialverbandes verhielt sich Kutsch zunachst ruhig Dann unternahm er in einem gewagten Schritt die Flucht nach vorn Er richtete am 13 Oktober 1935 eine offizielle Beschwerde an die Gestapo und bat um den Schutz des Staates gegen die Ehrverletzungen der ihm dem Verband angeschlossenen Anstalten Museen und Vereine durch Herrn Reinerth 6 Die Eingabe blieb fur beide Seiten folgenlos und das Amt Rosenberg setzte seine Versuche zur Gleichschaltung fort Im Januar 1936 richtete Reinerth erneut ein Schreiben an alle Mitgliedsvereine unter Umgehung Kutschs mit der Aufforderung sich nicht dem nationalsozialistischen Einigungswerk zu entziehen Kutsch antwortete darauf mit einem vertraulichen Rundschreiben in dem er die Vereine zur Stellungnahme aufforderte Diesem legte er eine Liste mit den Verfehlungen Reinerths dem Ausschnitt der Bremer Zeitung sowie einer Kopie seiner Anzeige bei der Gestapo bei Letzteres war fur ihn nicht ganz ungefahrlich zeigte es doch dass die Gestapo nicht geantwortet hatte und Kutsch auf sich alleine gestellt war Zahlreiche positive Antworten auf dieses Schreiben belegen dass Reinerths Verhalten auch den Mitgliedsvereinen ein Dorn im Auge war Der Nordwestdeutsche Verband war in der Zwischenzeit dem Reichsbund beigetreten die Mitglieder haben dies allerdings sehr bald bereut Man fuhlte sich nicht mehr an diese in Bremen gefassten Entschlusse gebunden und lud den West und Suddeutschen Verband zur Jahrestagung 1936 nach Bonn ein Kurz vor dieser Tagung entschloss sich Hitler anscheinend trotz der Bedenken Himmlers gegen Reinerth 7 diesen mit dem neu zu schaffenden Reichsinstitut fur Archaologie und Vorgeschichtsforschung zu betrauen Kutsch betrieb deshalb beschleunigt die Grundung eines westdeutschen Dachverbandes die in Bonn beschlossen wurde Die Leitung wurde dem Landeshauptmann der Rheinprovinz Heinrich Haake ubertragen fur den praktisch eher Apffelstaedt tatig war Parteifuhrer war der Essener Gauleiter Josef Terboven Der Dachverband hatte die eher defensive Aufgabe die Verbande vor den Ubergriffen Reinerths zu sichern Dies gelang durch die Einbindung hochrangiger NSDAP Funktionare Praktisch ist er kaum in Erscheinung getreten In den folgenden Jahren wurden die Aktivitaten des Verbandes weniger 1937 hielt man es fur richtig nicht zu tagen um den grossen Krach zu vermeiden Kutsch selbst fasst die Ereignisse von 1936 bis zum Kriegsausbruch knapp in folgenden Worten zusammen 1936 versuchten der NW deutsche und unser Verband bei gemeinsamer Tagung in Bonn durch Grundung eines lockeren Dachverbandes unter Aegide des rheinlandischen Landeshauptmannes aktionsfahig zu bleiben Aber es erschien 1937 doch untunlich wieder zu tagen 1938 kam der Westwall 1939 der Krieg 8 Trotzdem gelang Kutsch 1938 die Grundung des Landesamtes fur kulturgeschichtliche Bodenaltertumer eines Vorlaufers der Abteilung Archaologische und palaontologische Denkmalpflege des Landesamtes fur Denkmalpflege Hessen Kurt Bohner Nachfolger als Vorsitzender des West und Suddeutschen Verbandes stellte in einem Nachruf uber diese Zeit fest dass Ferdinand Kutsch damals weder Muhen noch Gefahren scheute um die Vor und Fruhgeschichtsforschung vor politischer Bevormundung zu bewahren 9 Nachkriegszeit BearbeitenKutsch kehrte noch vor Kriegsende nach Wiesbaden zuruck und nahm bereits am 30 Dezember 1944 sein Amt als Museumskustos wieder auf Er widmete sich zunachst dem Fortbestand des Museums sowie des Landesamtes fur kulturgeschichtliche Bodenaltertumer Zwar gelang es ihm den ersten amerikanischen Kulturoffizier zu uberzeugen die Wiesbadener Museen und wissenschaftlichen Vereine weiter arbeiten zu lassen Nebenbei erreichte er auch beim Kultusministerium die Rettung der Romisch Germanischen Kommission und der Saalburg Doch uber den West und Suddeutschen Verband entspann sich ein Streit uber Neugrundung und fehlende Satzung Er betrachtete sich auch weiterhin als Vorsitzender des West und Suddeutschen Verbandes fur Altertumsforschung obwohl dieser erst 1949 mit einer Tagung in Regensburg seine Arbeit wieder aufnehmen konnte Besonders wichtig war es ihm schon in Regensburg auch wieder auslandische Kollegen begrussen zu konnen Er war bemuht verlorene Kontakte nach dem Krieg wieder anzuknupfen und organisierte gewissenhaft die jahrlichen Verbandstagungen 1956 trat er als Museumskustos in den Ruhestand Nach uber drei Jahrzehnten trat Ferdinand Kutsch 1962 aus gesundheitlichen Grunden von den beiden Amtern im West und Suddeutschen Verband fur Altertumsforschung sowie dem Verein fur Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung zuruck wurde aber jeweils postwendend zum Ehrenvorsitzenden gewahlt Ebenso ernannte ihn der Hanauer Geschichtsverein zu seinem Ehrenmitglied da er diesem seit seiner Arbeit zum Hanauer Museumskatalog erschienen 1926 verbunden war Schriften Auswahl BearbeitenAttische Heilgotter und Heilheroen Giessen 1913 Dissertation Die Grabung im Mainzer Legionslager 1919 Vorlaufiger Bericht In Germania 4 1920 S 25 30 Hanau 1 Teil Frankfurt a M 1923 2 Teil Frankfurt a M 1926 Kataloge west und suddeutscher Altertumssammlungen 5 Das Landesmuseum Nassauischer Altertumer in Wiesbaden Ein Wegweiser Wiesbaden 1924 Der Ringwall auf der Burg bei Rittershausen In Nassauische Annalen 47 1926 1 37 Die Zisterzienserabtei Eberbach Rheinische Kunstbucher Band 4 Wiesbaden 1927 Der romische Burgus bei Niederlahnstein In Rheinische Heimatblatter 4 1927 Michelsberger und Rossener Funde bei Schierstein In Nassauische Annalen 48 1927 S 5 23 Die Vor und Fruhgeschichte in Henche Der ehemalige Landkreis Wiesbaden 1930 S 42 86 Zur Geschichte des Limes bei Kastell Holzhausen In Nassauische Annalen 54 1934 Neue Funde zu einem valentinianischen Bruckenkopf von Mainz in Festschrift fur August Oxe 1938 S 204 206 Stratigraphisch festgelegte palaolithische Funde in Wiesbaden und Umgebung In Nassauische Annalen 65 1954 S 17 26 Das romanische Refektorium in Kloster Eberbach im Rheingau 1 Der Befund nach den Ausgrabungen In Nassauische Annalen 71 1960 S 201 204 Einzelnachweise Bearbeiten Reinhard Bollmus Das Amt Rosenberg und seine Gegner Zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem Studien zur Zeitgeschichte Stuttgart 1970 S 178 Das Ahnenerbe nahm im weiteren Verlauf aber keinen Einfluss auf den Verband aus Grunden die wohl in der Beziehung zwischen Himmler und Rosenberg zu suchen sind Bollmus S 186 Wohl ein Fehler des Redakteurs denn es musste von Suden nach Norden heissen Gemeint ist wohl Ludwig Lindenschmit der Altere Bremer Zeitung Nr 271 vom 1 Oktober 1935 Brief von Dr W Butler an Kutsch zitiert bei Pinsker 2000 S 56 Schreiben Kutschs an die Gestapo das er personlich nach Berlin brachte Gegenuber seinem handschriftlichen Entwurf verzichtete er jedoch wortlich auf die Vorwurfe Reinerths einzugehen Zitiert bei Pinsker 2000 S 56 Bollmus S 183 Personliche Aufzeichnungen Kutschs zitiert bei Pinsker 2000 S 60 Kurt Bohner Zum Gedenken an Ferdinand Kutsch In Prahistorische Zeitschrift 47 1972 S 3 Literatur BearbeitenKurt Bohner Zum Gedenken an Ferdinand Kutsch In Prahistorische Zeitschrift 47 1972 S 1 4 Karl Dielmann In Neues Magazin fur Hanauische Geschichte 6 1973 S 8ff Helmut Schoppa Ferdinand Kutsch 1889 1972 Museumsdirektor i R In Nassauische Annalen 84 1973 S 354 355 Heinz Eberhard Mandera Martina Mandera Schriftenverzeichnis Ferdinand Kutsch In Nassauische Annalen 84 1973 355 363 Fritz Rudolf Herrmann Zur Erinnerung an Ferdinand Kutsch In Fundberichte aus Hessen 17 18 1977 78 1980 S 491 492 Bernhard Pinsker 100 Jahre West und Suddeutscher Verband fur Altertumsforschung Ferdinand Kutsch und der West und Suddeutsche Verband fur Altertumsforschung 1931 1962 In Archaologisches Nachrichtenblatt 5 1 2000 S 49 80 Bernhard Pinsker Ferdinand Kutsch und der West und Suddeutsche Verband fur Altertumsforschung 1931 1962 In Nassauische Annalen 112 2001 S 497 500 Weblinks BearbeitenKutsch Ferdinand 1899 1972 im PropylaeumNormdaten Person GND 116627603 lobid OGND AKS VIAF 52446623 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Kutsch FerdinandKURZBESCHREIBUNG deutscher ArchaologeGEBURTSDATUM 1 Januar 1889GEBURTSORT Burg GemundenSTERBEDATUM 30 April 1972STERBEORT Wiesbaden Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ferdinand Kutsch amp oldid 229508648