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Radhaniten oder Radaniten Hebraisch sing רדהני Radhani pl רדהנים Radhanim arabisch الرذنية DMG ar Raḏaniyya ist die zum ersten Mal von Ibn Chordadbeh um 847 in seinem Buch Kitab al Masalik w al Mamalik Buch der Wege und Lander uberlieferte Bezeichnung fur judische Kaufleute die vom 8 bis ins 11 Jahrhundert die Handelsbeziehungen zwischen den verfeindeten christlichen Landern des Abendlandes und der islamischen Welt und daruber hinaus bis nach Indien und China gewahrleisteten Sie trugen damit zu einem wirtschaftlichen Aufschwung des Abendlandes bei das seit dem Untergang des westromischen Reiches wirtschaftlich zuruckgefallen war Als Handelswege nutzten sie die von alters her bekannten Routen Karte von Eurasien mit dem Handelsnetz der Radhaniten wie es Ibn Chordadbeh beschreibt Inhaltsverzeichnis 1 Etymologie 2 Hintergrund 2 1 Die islamische Eroberung 2 2 Judische Kaufleute als Vermittler zwischen dem Westen und der islamischen Welt 2 3 Handelsbeziehungen zwischen dem Abendland und der islamischen Welt 2 4 Die Handelswege aus den slawischen Grenzgebieten in die islamische Welt 3 Das Ende der judischen Vermittlung im 11 Jahrhundert 4 Eine Kontroverse 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseEtymologie BearbeitenDie Uberlieferung des Begriffs Radhaniten gibt keine zuverlassige Auskunft daruber was er bedeutet Der zur Annales Schule zahlende franzosische Historiker Maurice Lombard 1904 1965 neigt mit anderen 1 zu der Annahme ihn in dem Begriff Rudanu fur Rhone aufgehoben zu sehen weil die judischen Kaufleute in zahlreichen Orten ansassig gewesen seien die sich von der Maas uber die Saone das Rhonetal hinabgezogen hatten und uber Arles ans Mittelmeer und Narbonne ins muslimische Spanien gefuhrt hatten Als Beleg dient Lombard der aus Narbonne abgeleitete Familienname Narboni der noch heute unter den Juden des Mittelmeergebietes verbreitet sei Damit weist er andere Annahmen dass die Bedeutung fur Radhanit auf das persische Wort rahdan Wegekundiger hinweise 2 zuruck wie auch eine andere Ableitung dass es sich um einen Hinweis auf die persische Ruinenstadt Rhaga oder eine Landschaftsbezeichnung um Bagdad 3 herum handle Hintergrund BearbeitenDie islamische Eroberung Bearbeiten Unter den Merowingern war es seit dem Ende des 5 Jahrhunderts zu einem Verfall der Stadte gekommen was zu einem allgemeinen kulturellen Niedergang fuhrte der in der karolingischen Renaissance seine Umkehr erfuhr Henri Pirenne vertrat die fur Jahrzehnte massgebliche These dass erst die im 7 Jahrhundert einsetzende islamische Expansion einen das Abendland beeintrachtigenden Einschnitt dargestellt habe indem es von den wichtigen Handelsbeziehungen uber das Mittelmeer getrennt worden sei und zwischen dem christlichen Abendland und den von der islamischen Expansion vereinnahmten Landern kein Austausch mehr stattgefunden habe Heute gilt Pirennes These als widerlegt Sein Fehler habe vor allem darin bestanden dass er davon ausging dass moslemische Kaufleute nur miteinander handelten und kein Interesse an den jenseits der eroberten Gebiete gelegenen Landern und ihren Erzeugnissen gehabt hatten 4 Maurice Lombard gehort mit seinen Untersuchungen zu den mittelalterlichen Handelswegen zu den entschiedenen Gegnern Pirennes indem er ununterbrochene Handelsbeziehungen zwischen Ost und West nachweist Diese seien zunachst unter den Merowingern neben judischen Kaufleuten deren Lage sich im 6 und 7 Jahrhundert im Byzantinischen Reich und im westgotischen Spanien allerdings verschlechtert habe 5 uberwiegend von Kaufleuten unterhalten worden die Syri Syrer genannt wurden und Christen gewesen seien Nach Lombard importierten die Syri vor allem orientalische Luxuswaren aus ihren Zentren im Orient ins barbarische Abendland 6 Die Handelsbeziehungen hatten sich dann mit der islamischen Expansion auch ohne moslemische Fernhandler im christlichen Abendland ausgeweitet denn die muslimischen Eroberer hatten einen grossen Bedarf an Gutern uber die sie in den von ihnen eingenommenen Gebieten nicht verfugen konnten und die sie deshalb importieren mussten Mit dem Siegeszug des Islams sei bis ins 11 Jahrhundert der Hauptanteil des Fernhandels von judischen Kaufleuten ubernommen worden 7 Die Juden befanden sich namlich in der sich entfaltenden islamischen Welt in einer gunstigen Ausgangsposition zumal der Dschihad nicht gegen die Juden sondern gegen die Heiden vom Glauben abgefallene Christen die ihr eigenes Volk unterdruckt haben gefuhrt wurde Allerdings wurde die arabische Halbinsel wo die Juden in Himyar ein Zentrum hatten und ihnen in der Umgebung von Medina bis zum Auftauchen von Mohammed heidnische Stamme gefolgschafts und tributpflichtig waren von der Freizugigkeit der Religionsausubung und der Niederlassung ausgenommen Im Unterschied zu den christlichen Landern konnten sie sich in der islamischen Welt jedoch uberall sonst niederlassen und ihre Religion ausuben Da die Armeen der moslemischen Eroberer nur klein waren habe es sich insgesamt als zweckmassiger erwiesen sich neben den Juden auch der anderen monotheistischen Minderheit namlich der Orientchristen zu versichern da fur den Wiederaufbau und zur Verwaltung der eroberten Lander geeignete Menschen gebraucht wurden Fur die Juden habe aber mehr noch als fur die Christen gegolten dass sie sich im 9 Jahrhundert innerhalb einer neuen Weltmacht vereint sahen die ihnen eine weit reichende Autonomie gewahrte und sie ihr Leben so fuhren liess wie es ihnen gefiel 8 Im 10 Jahrhundert erlebten zahlreiche judische Familien in Al Andalus im Kalifat von Cordoba unter Abd ar Rahman III und seinem Sohn Al Hakam II eine Phase von Prosperitat Judische Kaufleute als Vermittler zwischen dem Westen und der islamischen Welt Bearbeiten Die US amerikanische Historikerin Jane S Gerber City University of New York geht davon aus dass die Radhaniten eine internationale Handelsfirma mit Sitz wahrscheinlich in Sudfrankreich oder in Spanien bildeten Ihr Handel habe sich uber mehrere Kontinente erstreckt und sei durch Filialen unterstutzt worden Sie hatten vier verschiedene Land und Seerouten benutzt von denen eine nordwarts durch Europa uber Prag Bulgarien in das Land der Chasaren gefuhrt habe das ein wichtiger Vorposten fur den Handel mit Zentralasien war zwei seien entlang der Kusten des Mittelmeeres verlaufen und hatten im Irak und im Iran geendet die vierte sei nach China gegangen vgl auch Seidenstrasse Im Allgemeinen legten die Handelsbeauftragten der Radhaniten nur einen Teil der Strecke zuruck an dessen Ende sie Waren von Kollegen ubernahmen welche die nachste Etappe bereisten Ihre Verstandigung untereinander erfolgte uber das Hebraische als Lingua franca denn es sei von allen gebildeten Juden gesprochen worden Um sich vor den Risiken der langen Reisen zu schutzen uber die vor allem die Aufzeichnungen aus der Geniza Auskunft geben und nicht zu viel Geld zu transportieren hatten sie als fruhkapitalistisches Instrument Kreditbriefe suftadscha mitgefuhrt 9 Die erste Erwahnung der Radhaniten bei Ibn Chordadbeh lautet unter der Uberschrift Weg der judischen Kaufleute der so genannten Radhaniten folgendermassen Diese Kaufleute sprechen Persisch Romanisch Griechisch und Lateinisch Arabisch frankische Sprachen Spanisch und Slawisch Sie reisen vom Okzident in den Orient und vom Orient in den Okzident bald zu Lande und bald zu Wasser Aus dem Okzident bringen sie Eunuchen weibliche Sklaven und Knaben Seide 10 Pelztierwaren und Schwerter Sie schiffen sich im Land der Franken auf dem Mittelmeer ein und steuern Farama an nahe den Ruinen des alten Pelusium gelegen dort laden sie ihre Waren auf Lasttiere und begeben sich bei einer Entfernung von 20 farsakhs Masseinheit von ungefahr 5 6 km in funf Tagesmarschen nach Kolzoum Suez Auf dem ostlichen Meer Rotes Meer fahren sie nach El Djar Hafen von Medina und nach Djeddah dann begeben sie sich nach Sind Persien Indien und China Auf ihrem Ruckweg haben sie Moschus Aloe Kampfer Zimt und andere Produkte aus den orientalischen Gegenden geladen und erreichen Kolzoum dann Farama wo sie sich wieder auf dem Mittelmeer einschiffen Manche setzen die Segel nach Konstantinopel um dort ihre Waren zu verkaufen andere begeben sich in das Land der Franken Manchmal nehmen die judischen Kaufleute auf dem Mittelmeer Kurs auf Antiochia am Orontes Nach drei Tagesmarschen gelangen sie an die Ufer des Euphrat und kommen nach Bagdad Dort befahren sie den Tigris bis nach Basra von wo sie nach Oman segeln nach Persien Indien und China Sie konnen also ohne Unterbrechung reisen 11 Handelsbeziehungen zwischen dem Abendland und der islamischen Welt Bearbeiten Bernard Lewis schreibt dass von den Waren Zentral und Westeuropas allerdings nur drei die Aufmerksamkeit moslemischer Schriftsteller geweckt hatten namlich slawische Sklaven frankische Waffen und englische Wolle 12 Maurice Lombard fuhrt zusatzlich Pelze und Holz vor allem fur den Schiffsbau auf Die slawischen Sklaven waren wie aus arabischen Aufzeichnungen hervorgeht der begehrteste Artikel fur die moslemische Sklavenhaltergesellschaft 13 Bernard Lewis halt fest dass neben den Juden viele Europaer mit dem Export von Sklaven zu tun gehabt hatten Darunter seien Christen gewesen Burger der grossen Handelsstadte Italiens und Frankreichs ebenso wie griechische Sklavenhandler die im ostlichen Mittelmeer tatig waren Eine bedeutende Stellung nahmen die Venezianer ein die schon im 8 Jahrhundert begannen den Griechen Konkurrenz zu machen 14 Besonders hinzuweisen ist auf die Rolle der Warager und des Volkes der Rus die eifrige Sklavenjager waren und ihre slawischen Gefangenen entweder direkt verkauften oder uber italienische Kaufleute oder die Radhaniten nach Spanien Byzanz in die moslemischen Lander oder nach Zentralasien weitervermitteln liessen 15 Maurice Lombard betont dass durch die Nachfrage aus den grossen Verbrauchszentren der islamischen Welt uber die jeweiligen Zwischenhandler die wirtschaftliche Aktivitat des barbarischen Abendlandes wiederaufgelebt sei und dessen Handel Geldzirkulation und stadtische Bewegung unter diesem Nachfrageschub wieder zu pulsieren begannen 16 Insgesamt handle es sich um eine Tatsache von immenser Bedeutung die Austauschrichtung kehrt sich um der Okzident wird vom Importeur zum Exporteur An die Stelle des Abflusses von Zahlungsmitteln kommt es gegen Ende des 8 Jahrhunderts langsam wieder zu einem Zufluss der sich vom 9 zum 11 Jahrhundert vergrossert 17 nbsp Das muslimische Spanien war mit Cordoba ein haufiger Bestimmungsort fur die slawischen Sklaven mit denen die Radhaniten handelten Fur den Umfang des Sklavenhandels mit Al Andalus stellt Lombard fur einen Abschnitt des 10 Jahrhunderts folgende Bilanz auf Innerhalb von 50 Jahren zwischen 912 und 961 steigt ihre Zahl von 3 750 auf 13 750 und vermehrt sich um 10 000 Individuen worin sich neue Kaufe niederschlagen die mannlichen Wesen werden meistens kastriert Ein Sklave bringt 100 Dinare im Durchschnitt ein so dass 10 000 Sklaven einen Wert von einer Million Dinar darstellen was einer Goldmenge von 5 000 kg entspricht allein fur Cordoba sind jahrlich 100 kg Gold fur den Kauf von Slawen zu veranschlagen Zahlt man hierzu die Summen die fur die anderen grossen Stadte Spaniens und die Residenz des Kalifen zu veranschlagen sind ausserdem noch die Summen die fur den Transit in den muslimischen Orient anzusetzen sind dann wird vorstellbar was Liutprand mit immensum lucrum immenser Gewinn gemeint hat den die Handler von Verdun machten und Adalbert von Prag als er dieses infelix aurum ungluckliche Gold beweinte dieses Gold das das Ungluck mit sich bringt 18 Die beiden in Deutschland und Litauen geborenen und in Berlin ausgebildeten US Historiker Max Leopold Margolis 1866 1932 und Alexander Marx 1878 1953 veroffentlichten 1927 in Philadelphia A History of the Jewish People die bis 1974 wiederholt aufgelegt wurde Sie beschreiben die judischen Kaufleute die in Al Andalus mit der Versorgung der muslimischen Herrscher mit Sklaven beschaftigt waren Man konnte in Seide gekleidete und mit Prachtturbanen ausgestattete reiche Juden sehen die mit dem Glanz der Muslime rivalisierten in stattlichen Wagen fuhren oder wie Herren zu Pferd ritten Ihr Reichtum ruhrte vor allem aus dem Sklavenhandel Sie belieferten die Harems mit Bewohnerinnen und Eunuchen die sie bewachten und versorgten die Armee mit Nachwuchs Sie importierten eine grosse Anzahl von Slawen die von germanischen Volkern gefangen genommen und an die Sarazenen verkauft worden waren bei denen sie die Garde des Kalifen und ganze Regimenter bildeten 19 Die Handelswege aus den slawischen Grenzgebieten in die islamische Welt Bearbeiten Der russischstammige franzosische Historiker Alexandre Skirda stellt fest dass man sich in der europaischen Nationalgeschichtsschreibung schwer damit tue das Sklavenhandelserbe anzuerkennen Man versteht besser warum fast alle Historiker und Kommentatoren sich uber dieses Phanomen ausschweigen Es fallt ihnen schwer anzuerkennen dass die wirtschaftliche Wiedergeburt des Okzidents zwischen dem 8 und 11 Jahrhundert uber den Handel mit menschlichen Wesen verwirklicht wurde 20 Inzwischen sind die Wege auf denen sich der Handel mit der sprechenden Ware vor allem im Ostfrankenreich vollzog ziemlich umfangreich beschrieben was neben Charles Verlinden 21 vor allem ein Verdienst von Maurice Lombard und ihn erganzend des russischen Orientalisten Dimitri Michine mit einer an der Russischen Akademie der Wissenschaften Sektion Institut fur islamische Studien in Moskau im Jahr 2002 vorgelegten Arbeit 22 sei Sakaliba slaviane v islamskom mire Saqaliba Die Slawen in der islamischen Welt 23 Lombard beschreibt die Handelswege so Die erste ihrer Richtungen verbindet die Bereiche der Elbe und Bohmens mit den Gebieten des Rheins und den Regionen der Maas Die Sklavenhandler benutzten die westfalischen Hellwege die uber eine Reihe von Lichtungen Bardowick mit Xanten oder Duisburg Aachen Luttich Dinant und Verdun verbanden oder die Maintal Richtung die von Bohmen kommend Erfurt einbezieht und nach Mainz geht bevor sie Verdun erreicht oder noch die Oberdonau Richtung die Bayern auf der Hohe von Passau und Regensburg durchquert und uber Schwaben und Franken mit Worms als Station ebenfalls Verdun erreicht Am Ende aller dreier Wege befand sich als grosses Zentrum Verdun das seine Kaufleute nach Spanien schickte und wo viele dieser Sklaven in Eunuchen verwandelt wurden Verdun grosses Zwischenlager Sammlungs und Kastrationsort liegt an der Maas wo sie nach Suden hin nicht mehr schiffbar ist ein Landweg fuhrte zum Saone Tal die in Saint Jean de Losne schiffbar wird Lyon Arles Narbonne waren wichtige Zwischenstationen fur den Sklavenhandel In Lyon mussten die Schiffe die fur die gemachliche Saone geeignet waren gegen solidere und kleinere Schiffe getauscht werden damit die schnellere Rhone gemeistert werden konnte In Arles wurde der Flussweg verlassen und man gelangte auf dem Landweg nach Septimanien in Narbonne wurde schliesslich der Weg nach Katalonien und in das muslimische Spanien eingeschlagen In Arles konnte man sich auch nach Narbonne einschiffen von wo es an der Kuste entlang nach Barcelona Tortosa Valencia und Almeria weiterging Von Narbonne gingen auch Schiffe in Richtung moslemischer Levante Die Wichtigkeit Narbonnes war betrachtlich und ist mit der von Verdun vergleichbar es war das grosse Verteilungszentrum der slawischen Sklaven fur das moslemische Mittelmeer 24 Dimitri Michine erganzt folgende Orte Prag Magdeburg 25 als grosse Zentren Prag auch fur die Kastration Erfurt Hallstadt Forchheim Nurnberg Premberg Regensburg Raffelstetten Lorch Oberosterreich dann vom Rheintal mit Worms Mainz Koblenz und Koln nach Dortmund Soest Paderborn und Goslar und aus den slawischen Grenzgebieten in umgekehrter Richtung 26 Fur die deutsche Geschichtsschreibung stellt Johannes Fried fur die Sachsen die in den Kriegen mit Karl dem Grossen als noch nicht christianisierte Heiden selbst noch zu sprechender Ware und verkauft werden konnten fest Das fruchtbare Land zwischen Saale und Elbe mit seinen versklavbaren Menschen geriet im Laufe des 10 Jahrhunderts fest in die Gewalt der Sachsen 27 Sachsen die Machtbasis Heinrichs I aus liudolfingischem Haus war ohne Zweifel von allen seinen Landern das barbarischste das am wenigsten zivilisierte der mittelmeerischen Kultur entfernteste und auf fremde Hilfe in hochstem Masse angewiesene Gebiet 28 Allein fur die Voraussetzungen zum Erwerb der Konigsherrschaft sei bereits neben dem reichen Grundbesitz der Verkauf von jungen gefangenen Slawen ins muslimische Spanien oder nach Byzanz und weiter ins Reich der Kalifen notig gewesen denn zum Griff nach der Konigskrone habe es unerlasslichen Reichtums bedurft 29 In der Kriegfuhrung gegen die slawischen Nachbarn sei der Sklavenhandler noch vor dem Priester den erobernden Truppen gefolgt Die regelmassig erbeuteten Slawen fullten uber den Verkaufserlos den Konigsschatz eine Geldquelle die auch die sachsischen Grossen zu regelmassigen Uberfallen auf slawische Siedlungen verlockt habe 30 Neben den judischen Kaufleuten die begunstigt durch das seit karolingischer Zeit entstehende Judenprivileg fur ihre Kaufmannsrechte 31 an allen Brennpunkten grosser Wirtschaftsaktivitaten anzutreffen waren beteiligten sich nach J Fried auch Friesen Slawen freie und unfreie Deutsche am Fernhandel 32 Das Ende der judischen Vermittlung im 11 Jahrhundert BearbeitenDer franzosische moslemische Religionsanthropologe und Philosoph Malek Chebel spricht in seinem Buch uber die Sklaverei im Islam 2007 ironisch von der schonen Solidaritat der Monotheisten gegenuber den noch heidnischen Slawen 33 Im 11 Jahrhundert waren es aber zunachst die Radhaniten die in Europa aus dem Fernhandel verdrangt wurden Italienische Handels und Bankhauser deren Einflussnahme bereits in dem Brief des Dogen von Venedig an Heinrich I 932 spurbar wurde 34 und armenische Handler im Orient setzten sich nach Maurice Lombard gegenuber den Juden durch Hinzu kamen die Massaker im Rheinland anlasslich des ersten Kreuzzuges Nur auf den Festlandsverbindungen zwischen Oberdonau und den slawischen Landern hatten sie sich noch gehalten Weitere Erschwernisse hatten sich schon Ende des 10 Jahrhunderts aus dem Zusammenbruch des Reiches der Chasaren ergeben die von den Kiewer Rus besiegt worden waren So seien sie in die Rolle von Ladeninhabern Geldleihern und Wucherern gedrangt worden 35 Mit dem Herausdrangen der judischen Fernhandler wurde der Sklavenhandel in Mitteleuropa in mehr oder weniger christianisierten Gebieten noch eine Weile fortgefuhrt So berichtet Helmold von Bosau fur das Jahr 1168 davon wie slawische Piraten als Sklavenverkaufer auftraten und zu Mecklenburg an einem Markttage 700 gefangene Danen gezahlt wurden alle verkauflich wenn Kaufer genug da gewesen waren 36 In Osteuropa zum Schwarzen Meer hin blieb Sklavenhandel mit Slawen bis ins 18 Jahrhundert eine kaum je unterbrochene Angelegenheit und wurde zuletzt von den auf der Krim ansassigen moslemischen Tataren betrieben die die benachbarten Turken versorgten Zwischen 1482 und 1760 sollen zwischen 2 und 2 5 Mio Ukrainer Polen und Russen zu ihren Opfern geworden sein 37 Eine Kontroverse BearbeitenDer in Jerusalem lehrende Mittelalterhistoriker Michael Toch 38 veroffentlichte 1998 in der Enzyklopadie deutscher Geschichte als Band 44 Die Juden im mittelalterlichen Reich Dort stellt er mit Kritik an Hermann Kellenbenz Friedrich Lotter und Charles Verlinden bei denen er polemische bzw apologetische Tendenzen sieht denn Sklavenhandel wurde als moralisch anruchig betrachtet die These auf dass es keinen judischen Sklavenhandel im Fruhmittelalter gegeben habe und ein judisches Handelsmonopol ein modernes ideologisches Konstrukt sei Er halt fest Nach Erkenntnis des Verfassers kann im Reich seit der Sesshaftwerdung der Juden etwa zur Mitte des 10 Jahrhunderts uberhaupt nicht von einem berufsmassig betriebenen Sklavenhandel die Rede sein allein vom Erwerb meist slawischer Sklaven als Dienstboten fur den Hausgebrauch 39 Friedrich Lotter antwortete mit verschiedenen Aufsatzen zuletzt 2004 in der Historischen Zeitschrift 40 indem er darauf hinweist dass die Tatigkeit judischer Handelsherren bereits in der Merowingerzeit nicht an das Sesshaftsein gebunden war und dass von Juden wie von anderen betriebener Sklavenhandel von kirchlichen wie weltlichen Autoritaten gefordert wurde weil er nichts Anruchiges an sich gehabt habe 41 An anderer Stelle heisst es dass die Bewertung deutsch judischen Zusammenlebens im Mittelalter bei Toch eine postmodern anmutende Auffassung zu erkennen gebe die allen Bezug zwischen Text und Welt bestreitet 42 Literatur BearbeitenBernard Lewis Die Welt der Unglaubigen Wie der Islam Europa entdeckte Ullstein Frankfurt am Main Berlin 1987 ISBN 3 548 34427 5 Maurice Lombard Blutezeit des Islam Eine Wirtschafts und Kulturgeschichte 8 11 Jahrhundert Fischer Taschenbuch Band 10773 Fischer Frankfurt am Main 1992 ISBN 3 596 10773 3 Johannes Fried Der Weg in die Geschichte Die Ursprunge Deutschlands bis 1024 Propylaen Frankfurt am Main Berlin 1998 ISBN 3 548 26517 0 Nicholas de Lange Hrsg Illustrierte Geschichte des Judentums Campus Frankfurt am Main New York NY 2000 ISBN 3 593 36389 5 Michael McCormick Origins of the European Economy Communications and Commerce AD 300 900 Cambridge University Press Cambridge NY 2001 ISBN 0 521 66102 1 Jacques Heers Les negriers en terres d islam VIIe XVIe siecle Perrin Paris 2007 ISBN 978 2 262 02764 3 Alexandre Skirda La traite des Slaves L esclavage des Blancs du VIIIe au XVIIIe siecle Les Editions de Paris Paris 2010 ISBN 978 2 84621 130 7 Mark R Cohen Unter Kreuz und Halbmond Die Juden im Mittelalter Beck Munchen 2011 ISBN 978 3 406 62434 6 Weblinks BearbeitenRadhaniten in der Encyclopaedia Judaica Wege der Radhaniten in der Encyclopaedia Judaica Einzelnachweise Bearbeiten Gene W Heck Charlemagne Muhammad and the Arab Roots of Capitalism Walter de Gruyter Berlin 2006 S 275 Jane S Gerber Im Osten weilt mein Herz S 174 In Nicholas de Lange Hrsg Illustrierte Geschichte des Judentums Campus Frankfurt New York 2000 S 161 221 Maurice Lombard Blutezeit des Islam Eine Wirtschafts und Kulturgeschichte 8 11 Jahrhundert Frankfurt a M 1992 S 211 Ebenda in Anm 10 eine Vielzahl von Arbeiten zur Wortbedeutung Radhan Gene W Heck Charlemagne Muhammad and the Arab Roots of Capitalism Walter de Gruyter Berlin 2006 S 177 G W Heck hebt immer wieder hervor von welcher Wichtigkeit die ausser aus Europa auch aus Asien und Afrika importierten Sklaven als Energielieferanten fur die islamische Herrschaft waren vgl zusammenfassend S 315 318 Imperatives of Trade and the Transformation of Europe Vgl Jane S Gerber Im Osten weilt mein Herz S 164 in Nicholas de Lange Hg Illustrierte Geschichte des Judentums Campus Verlag Frankfurt New York 2000 S 161 221 Zu Spanien Friedrich Lotter Zur sozialen Hierarchie der Judenheit in Spatantike und Fruhmittelalter in Aschkenas Zeitschrift fur Geschichte und Kultur der Juden 13 2003 H 2 de Gruyter Online Maurice Lombard 1992 S 212 215 Maurice Lombard 1992 S 210 f Jane S Gerber 2000 S 164 169 Zitat S 169 Jane S Gerber 2000 S 174 Im Okzident gab es bereits in der Fruhzeit der islamischen Eroberung in Sudspanien und auf Sizilien Seidenraupenzucht und Seidenweberei deren Produkte den Handel mit chinesischen Erzeugnissen erganzte und entsprechend nicht fur den Handel mit China sondern fur den innereuropaischen Markt bestimmt waren Anstatt von Seide wird hier in anderen Uberlieferungen auch von Brokat gesprochen Le Livre des routes et des provinces par Ibn Khordadbeh publie traduit et annote par Charles Barbier de Meynard 1865 Bernard Lewis Die Welt der Unglaubigen Wie der Islam Europa entdeckte Frankfurt M Berlin 1987 S 193 Jacques Heers Les negriers en terres d islam VIIe XVIe siecle Perrin Paris 2007 S 12 Bernard Lewis 1987 S 195 Bemerkenswert fur die Konkurrenz unter den Handlern ist ein Brief des Dogen von Venedig an Konig Heinrich I Ostfrankenreich im Jahr 932 mit der folgenlosen Aufforderung die Juden aus seinem Herrschaftsbereich zu vertreiben Gerd Mentgen Die Judenvertreibungen im mittelalterlichen Reich Ein Forschungsbericht In Aschkenas Zeitschrift fur Geschichte und Kultur der Juden 16 2006 H 2 Online Alexandre Skirda La traite des Slaves L esclavage des Blancs du VIIIe au XVIIIe siecle Les Editions de Paris Paris 2010 S 11 f Vgl dazu auch das Kapitel Les Russes et les Bulgares de la Volga in Jacques Heers 2007 S 18 21 Maurice Lombard 1992 S 234 Maurice Lombard Monnaie et histoire d Alexandre a Mahomet Paris La Haye 1971 Wiederauflage 2001 Mouton u Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales S 198 Maurice Lombard 1971 2001 S 202 203 Vgl Jacques Heers 2007 S 16 18 Zitiert aus der franzosischen Ausgabe Max L Margolis Alexandre Marx Histoire du peuple juif Payot Paris 1930 S 291 Zugleich unterstreichen Margolis und Marx dass die slawischen Soldaten zusammen mit den Berbern die Desintegration der islamischen Macht in Europa herbeifuhrten und den Fall des Kalifats von Cordoba verursachten Alexandre Skirda 2010 S 112 Vgl Ch Verlinden Wo wann und warum gab es einen Grosshandel mit Sklaven wahrend des Mittelalters Koln 1970 Dmitrij Evgen evic Misin Sakaliba slavi a ne v islamskom mire v rannee srednevekovʹe IV RAN Moskau 2002 ISBN 5 93675 017 5 Alexandre Skirda La traite des Slaves L esclavage des Blancs du VIIIe au XVIIIe siecle Paris 2010 S 11 14 119 Maurice Lombard 1971 2001 S 199 200 Erste Erwahnung im Diedenhofener Kapitular von 805 Siehe Alexandre Skirda 2010 S 119 Johannes Fried Der Weg in die Geschichte Die Ursprunge Deutschlands bis 1024 Propylaen Frankfurt M Berlin 1998 S 557 Johannes Fried 1998 S 571 f Johannes Fried Das Mittelalter Geschichte und Kultur C H Beck Munchen 2008 ISBN 978 3 406 57829 8 dtv 2011 ISBN 3 423 34650 7 S 114 Johannes Fried 1998 S 580 u 935 Vgl Johannes Fried 1998 S 937 Johannes Fried 1998 S 931 f Malek Chebel L Esclavage en Terre d Islam Un tabou bien garde Fayard Paris 2007 S 80 Siehe Gerd Mentgen 2006 Maurice Lombard 1992 S 212 f Helmold von Bosau Slawenchronik 6 Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2002 S 377 Siehe dazu auch Robert Bartlett Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt Eroberung Kolonisierung und kultureller Wandel von 950 1350 Kindler Munchen 1996 S 366 Alexandre Skirda 2010 S 171 f Der amerikanische Historiker Robert C Davis veroffentlichte 2004 eine Untersuchung uber die Versklavung durch Muslime im Mittelmeerraum aber auch daruber hinaus bis nach England und Island wo zwischen 1530 und 1780 1 25 Mio Christen den Piraten des Maghreb zum Beispiel aus Algier Tunis und Tripolis in die Hande gefallen sein sollen In Algier fand die Piraterie erst seit der Eroberung durch Frankreich 1830 ein Ende Robert C Davis Christian Slaves Muslim Masters White Slavery in the Mediterranean the Barbary Coast and Italy 1500 1800 Palgrave Macmillan 2004 Michael Toch Curriculum Vitae Michael Toch Die Juden im mittelalterlichen Reich Oldenbourg Munchen 1998 ISBN 3 486 55054 3 S 96 f Siehe dazu auch Michael Toch Dunkle Jahrhunderte Gab es ein judisches Fruhmittelalter 3 Arye Maimon Vortrag an der Universitat Trier 15 November 2000 Kliomedia Trier 2001 ISBN 3 89890 091 6 Historische Zeitschrift 278 2 2004 Dazu die Besprechung bei H SOZ U KULT wo es heisst dass Lotter die von Toch angewandte Methode und deren Ergebnisse als unhaltbar erweise Friedrich Lotter 2003 Online Neues Osteuropa Kolner Forum fur Geschichte und Kultur Osteuropas 1 2010 S 26 f PDF 7 1 MB Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Radhaniten amp oldid 235555877