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Als Hostienfrevel oder Hostienschandung bezeichnete die romisch katholische Kirche zwischen dem 13 und 16 Jahrhundert den angeblichen Missbrauch von konsekrierten Hostien Den Beschuldigten meist Juden manchmal auch der Hexerei bezichtigte Personen wurde unterstellt sich geweihte Hostien beschafft und diese zerschnitten oder anderweitig geschandet zu haben um die Marter der Kreuzigung Jesu zum Hohn nachzuvollziehen Entsprechend stereotyp formulierte Vorwurfe fuhrten zu Prozessen mit vorbestimmtem Ausgang Die Beschuldigten wurden nach einem durch peinliche Befragung erpressten Gestandnis meist zur Hinrichtung verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt Infolge derartiger Hostienschanderprozesse wurden oft alle ansassigen Juden enteignet und aus Stadten und ganzen Regionen vertrieben Darstellung eines fiktiven Hostienfrevels Detail Ein Jude sticht mit einem Dolch in eine Hostie mit der Pragung des Antlitzes Jesu Christi ein die Blut verliert Daneben Hostien mit anderen Christussymbolen darunter das Nomen sacrum und das Lamm Gottes Oberhausmuseum Passau 1477Hinter dem Vorwurf eines solchen Hostienfrevels stand Antijudaismus Die Legenden eines im Judentum angelegten zwanghaften und antichristlichen judischen Hostienfrevels standen wie die zuvor aufgekommenen Ritualmordlegenden im Zusammenhang mit dem antijudaistischen Gottesmordvorwurf der sich seit dem 2 Jahrhundert im Christentum verbreitet hatte Nach der 1215 dogmatisierten Lehre von der Transsubstantiation wandeln sich bei der Heiligen Messe die eucharistischen Gestalten von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi Daher gilt die Verunehrung oder das Wegwerfen der eucharistischen Gestalten nach kirchlichem Recht als Sakrileg Das kanonische Recht spricht nicht von Hostienfrevel und Hostienschandung Es stellt jedoch ausdrucklich fest dass jene Glaubigen die die eucharistischen Gestalten wegwerfen oder in sakrilegischer Absicht entwenden oder behalten sich die Tatstrafe der Exkommunikation zuziehen Ein Kleriker kann zudem aus dem Klerus entlassen werden 1 Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Entfaltung im Hochmittelalter 3 Das Beispiel Deggendorf 4 Verbreitung 5 Vorwurfe gegen sogenannte Hexen 6 Hostienfrevel durch Christen 7 Neuzeit 8 Siehe auch 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseEntstehung BearbeitenDie von einigen Kirchenvatern ausformulierte Theorie vom Gottesmord lastete allen Juden an Jesus Christus boswillig ermordet zu haben so dass Gott ihre Nachkommen dafur fur alle Zeiten verflucht habe Dabei beriefen sie sich auf Aussagen des Neuen Testaments wie Mt 27 25 EU siehe Antijudaismus im Neuen Testament Seit dem 4 Jahrhundert behaupteten christliche Legenden Juden versuchten Christusbilder zu schmahen und zu verletzen So beschrieb eine Athanasius von Alexandria 373 zugeschriebene Predigt um 380 wie Juden in Berytos Beirut an einem Christusbild die Marterung und Kreuzigung Jesu nachvollzogen hatten Das Bild habe zu bluten begonnen und Wunder gewirkt was die judischen Augenzeugen zur Taufe bewogen habe Dieser angebliche Bilderfrevel sollte anfangs weniger das Judentum herabsetzen als die Christen in ihrem Glauben an die Heilkraft christlicher Ikonen und anderer sakraler Gegenstande bestarken Er wurde gelegentlich auch anderen als Glaubensfeinden definierten Personen auch schlechten Christen selber nachgesagt Die Rolle der schliesslich bekehrten Juden bestand hier darin die Macht des im Bild gegenwartig wirkenden Christus zu veranschaulichen Der Verdacht dass sie christliche Bilder und Symbole misshandeln konnten entstand nicht aus einer konkreten Kenntnis ihrer Religion sondern aus dem Glauben an die Uberlegenheit des Christentums besonders nachdem dieses romische Staatsreligion geworden war So verbot der romische Kaiser Theodosius II den Juden neben erheblichen Benachteiligungen ihrer Religionsausubung 408 am Purimfest ein Kruzifix zu verbrennen Dieser angebliche judische Brauch ist sonst nirgends bezeugt Gregor von Tours 594 erzahlte von einem Juden der in der Kirche ein Christusbild verletzt und dieses dann mit zu sich nachhause genommen habe Die Wunde des abgebildeten Christus habe jedoch zu bluten begonnen die Blutspur habe den Tater verraten so dass dieser sein Verbrechen mit dem Leben habe bezahlen mussen Hier wurde die fruhere Zielaussage der Bekehrung bereits in die Bestrafung des Frevlers gewandelt Im Fruhmittelalter entstanden erste Legenden uber Hostienmissbrauch von Juden Paschasius Radbertus um 860 erzahlte von einem Juden der am Messopfer des Heiligen Syrus teilgenommen und die geweihte Hostie empfangen habe Seine sofort einsetzenden entsetzlichen Schmerzen habe nur der Heilige beenden konnen worauf der Jude sich habe taufen lassen Diese Geschichte wandelte Gezo von Tortona gegen Ende des 10 Jahrhunderts ab Syrus habe den Leib des Herrn im Munde des Juden ergriffen und so seine Heilung bewirkt Ahnliche Legenden tauchten vermehrt im Zusammenhang mit dem Abendmahlsstreit im 11 Jahrhundert auf Auch dabei spielten Juden jedoch nicht immer die Hauptrolle Sie dienten meist nur dazu das Wunder der Realprasenz Jesu im Altarsakrament zu bekraftigen Entfaltung im Hochmittelalter BearbeitenDie dem Athanasios zugeschriebene Legende fand im Hochmittelalter weite Verbreitung und wurde nun vielfach ausgeschmuckt Die Weltchronik des Sigebert von Gembloux 1112 verlegte sie in das Jahr 765 Nach einem Lanzenstich vgl Joh 19 34 EU sei Blut aus dem Bild geflossen das die Juden aufgefangen und in die Synagoge getragen hatten Dort habe es seine Heilkraft bewiesen worauf die Ubeltater sich hatten taufen lassen Hier erschienen Juden als Gruppe und die Darstellung bezog ihren Gottesdienst ein Der alteste Fall eines angeblichen Hostienfrevels den viele damalige Chroniken verzeichneten wurde 1290 aus Paris berichtet Johannes von Tilrode 1298 z B schrieb in seinem Chronicon ein Pariser Jude habe von einer christlichen Magd fur 10 Pfund Silber eine geweihte Hostie gekauft Die versammelte Judengemeinde habe diese dann mit Messern Stiletten und Nageln traktiert aber nicht zerstoren konnen Erst das grosste Messer habe die Hostie in drei Stucke zu teilen vermocht Dabei sei Blut ausgeflossen Zuletzt habe man die Stucke in siedendes Wasser geworfen worauf dieses sich in Blut und die Hostienstucke in ein ganzes Stuck Fleisch verwandelt hatten Dieses Wunder habe viele der Augenzeugen zum christlichen Glauben gebracht so auch den Verfasser des Berichts Diese Legende wurde nicht in Frankreich aber im deutschen Sprachraum rasch weit verbreitet und vielfach abgewandelt Nach einer Version entschwebte die Hostie zuletzt unzerteilt wobei das Abbild des Gekreuzigten erschien In anderen Berichten sollte sie verbrannt werden wobei Engel oder das Jesuskind erschienen seien Alle spateren Varianten ahnelten jedoch strukturell ihrem Vorbild Sie beschuldigten fast nur Juden dass sie eine heimlich gestohlene oder gekaufte Hostie kollektiv gemartert und zu zerstoren versucht hatten Dies sollte zunachst den nachlassenden Glauben an die Segens und Heilkraft der Hostie bei Christen starken indem auf angebliche Bekehrungen von Juden verwiesen wurde Zugleich nahmen die Christen an dass Juden einen angeborenen Hang zum Gottesmord hatten Die zum Foltern der Hostie benutzten Werkzeuge bildeten die sogenannten Leidenswerkzeuge nach Auch der Zerteilungsversuch stellte den judischen Angriff auf die christliche Trinitatslehre dar Das griff den langst etablierten Christusmordvorwurf auf und unterstellte der gesamten gegenwartigen Generation der Juden Christi Passion fortsetzen und seine Ermordung wiederholen zu wollen Alle Juden galten nun als potentielle religiose Kriminelle die einzige Losung sahen die Tradenten in ihrer Konversion zum Christentum Historiker deuten dieses damals neu erfundene religiose Vergehen deshalb als enge Variante und Folgerung aus der antijudaistischen Ritualmordlegende 2 Hinter dem gegen Juden erhobenen Vorwurf der Hostienschandung stand das christliche Bedurfnis die Ketzer mochten das Wunder anerkennen das vielen Christen unglaubwurdig schien Der Vorwurf des Hostienfrevels ist in gewisser Weise eine Erweiterung der Ritualmordluge Wenn die Hostie der Leib Christi ist braucht der bose Jude keinen leibhaftigen Christen mehr um einen Ritualmord zu vollziehen es genugt wenn er die Hostie durchsticht oder in kochendes Wasser wirft Ab 1298 dienten solche Legenden nur noch zur Rechtfertigung von Judenpogromen Damals behauptete der verarmte Ritter Rintfleisch eine Hostienschandung im frankischen Rottingen was gleichlautende Vorwurfe u a in Iphofen Lauda Weikersheim Mockmuhl und Wurzburg ausloste Rintfleisch sah sich durch eine personliche Botschaft vom Himmel zum Vernichter aller Juden ernannt und zog ein halbes Jahr lang mit einer Bande von Totschlagern durch uber 140 frankische und schwabische Ortschaften Sie vergewaltigten folterten und verbrannten bis zu 5000 Juden und Judinnen und toteten deren Kinder Nur die Burger von Augsburg und Regensburg schutzten ihre judischen Einwohner Auch konnte ein Anteil der Verfolgten nach Polen Litauen fliehen Eine weitere Verfolgungswelle erfolgte zwischen 1336 und 1338 Damals fanden sich verarmte Bauern und umherziehende Rauberbanden unter der Fuhrung des Raubritters Konig Armleder zur Armledererhebung zusammen Sie nannten sich Judenschlager und rotteten etwa 60 judische Gemeinden im Elsass in Schwaben Hessen an der Mosel Bohmen und Niederosterreich aus Das Beispiel Deggendorf Bearbeiten1337 wurde auch die judische Gemeinde von Deggendorf in Niederbayern vernichtet Dort sollten Juden angeblich gemarterte Hostien in einen Brunnen geworfen haben Dazu schrieb ein anonymer Monch 1390 In diesem Jahr 1337 wurde der Leib des Herrn den die Juden gemartert haben in Deggendorf gefunden und sie wurden deswegen im Jahre 1338 verbrannt Der tatsachliche Grund war moglicherweise die Beseitigung von Schuldbriefen 3 Der Ort wurde daraufhin Ziel einer Wallfahrt der Deggendorfer Gnad Die 1360 geweihte Grabkirche von Deggendorf tragt die Bauinschrift Do bart Gotes Laichenam funden Die Legende vom Deggendorfer Hostienfrevel wurde jahrhundertelang weiter tradiert Der 1390 erhobene Hostienfrevelvorwurf wurde in zahlreichen popularen Traktaten immer wieder erneuert Altarbilder von 1725 zeigen was ihre Unterschriften aussagen Das 1776 in Deggendorf erschienene Gebets und Andachtsbuch trug den Titel Das obsiegende Glaubens Wunder des ganz christlichen Chur Landes Bayern Will sagen Unlaugbarer Bericht der Gegenwart des angemenschten gottlichen Sohnes in 10 kleinen Hostien welche im Jahre 1337 in der Stadt Deggendorf von den Juden misshandelt Holzschnitte von 1776 zeigten den vermeintlichen Hostienfrevel in allen Details Buhnenstucke fuhrten ihn auf so 1800 in Regen im Bayerischen Wald Die Deggendorfer Grabkirche blieb bis 1992 Wallfahrtsziel nbsp Die Heiligen Hostien werden von den verschalekten Juden biss auf das Heilige Blut mit Dornern gekratzt und es er scheint unter solcher Marter ein kleines Kindlein ein dergleiche Dorn ist noch zu sehen nbsp Die Heilige Hostien werden von denen Gottlosen Juden mit einer spitzigen Schuhall so heint noch gegenwartig bis zu Vergiessung des Allerhei ligsten Bluts gestochen nbsp Das Heilige Sacrament wird in einem gehaitzten Bachoffen geschossen bleibt doch mehr mall die gestalt eines Kind lein vorbildend unverletzt der Stein von dem Mundloch dieses Bachoffens wird noch heint gewissen nbsp Die unmenschliche Judenhand ergreiffen die Hamer schlagen die Heilige Hostien doch mehr mall unverletz auf einem Schmid amboss dessen Stock biss dato zu sehen ist nbsp Umb ihren Muethwillen ein end zu machen und ihre unmenschliche ubel thaten sambt dem Heiligen Sacra ment zu vertuschen wollen sol ches die Juden in ihre verflucht Rachen verschlucken aber ein wi derumb erscheinendes kleines Kind widersetzt sich mit Hand und Fuss lein dan dieses Brod gehort nit vor die Hund nbsp Die Heilige Hostien werden in einen Bronnen geworf fen dass wasser vergifft es sterben vil Christen Verbreitung BearbeitenAlle spateren Legenden eines Hostienraubs folgten dem Muster der Deggendorfer Legende In ihren Detailschilderungen spiegeln sich die Foltermethoden der kirchlichen und weltlichen Behorden so der Inquisition Wo vom versuchten Verbrennen der Hostie die Rede war wurde der Scheiterhaufen fur die Juden auf diese selbst projiziert Die durchweg fingierten Vorwurfe sollten oft eine Enteignung ortlicher Judengemeinden und einen Hostienkult begrunden um dem Ort zu Einnahmen durch Wallfahrer zu verhelfen Dazu baute man an den Platzen der vermeintlichen Freveltaten Kapellen oder Kirchengebaude oft direkt uber zuvor niedergebrannten Synagogen Darin wurden Bluthostien ausgestellt In Klosterneuburg hatte ein Priester schon 1298 im Jahr der Pariser Erstlegende eine blutende Hostie als Beweisstuck eines angeblichen Hostienfrevels von Juden selbst hergestellt Dies wies ihm eine vom Papst entsandte bischofliche Untersuchungskommission nach Auch in Pulkau sollte 1338 nach Deggendorfer Vorbild eine Bluthostie ausgestellt werden Vor deren Verehrung warnte Papst Benedikt XII den Konig Albrecht von Osterreich Von einer weiteren gefalschten Anschuldigung berichtet sogar die sonst sehr unkritische um 1345 verfasste Chronik des Johannes von Winterthur Eine Christin aus Ehingen habe um 1330 konsekrierte Hostien gestohlen um damit Zauberei zu treiben Sofort wurden die Juden des Ortes dieses Diebstahls verdachtigt 80 von ihnen seien unschuldig hingerichtet worden nbsp Antijudaistischer Holzschnitt von 1478 mit der Bildfolge eines angeblichen Hostienfrevels durch Passauer Juden Links oben Juden mit dem gelben Fleck tragen eine Schachtel mit Hostien in die SynagogeRechts oben Ein Jude sticht in die Hostie Blut fliesst herausLinks unten Die Juden werden festgenommenRechts unten Die Juden werden verbrannt Der papstliche Gesandte Nikolaus von Kues bemuhte sich 1450 auf seiner Legationsreise darum diesen Hostienkult vollstandig zu unterbinden Doch gerade in der zweiten Halfte des 15 Jahrhunderts nahmen die Anklagen wegen Hostienfrevels enorm zu 1477 wurde in Passau dem Christen Christoph Eysengreissheimer vorgeworfen er habe den judischen Feinden des Heilands acht gestohlene Hostien verkauft die diese dann gemartert hatten Die Angeklagten wurden inhaftiert gefoltert und nach Gestandnissen teils enthauptet sofern sie sich vorher taufen liessen teils mit gluhenden Zangen zerfleischt und verbrannt Aus dem Material der Synagoge liess Furstbischof Ulrich von Nussdorf die Suhnekirche St Salvator erbauen Der Versuch einen Kult zu etablieren fand hier jedoch weit weniger Anklang da der benachbarte Deggendorfer Kult fur die Pilger attraktiver blieb Weitere Hostienfrevelvorwurfe gab es in Enns vor 1420 Die Mesnerin der St Laurenzkirche wurde beschuldigt dem Ennser Juden Israel Isserlein und seiner Frau mehrere Hostien ubergeben haben Der Vorfall soll zwar bereits etliche Jahre zuvor stattgefunden haben aufgekommen durfte ein politisch relevanter Vorwurf allerdings erst wahrend der Diozesansynode des Bistums Passau im November 1420 in der St Laurenzkirche in Enns Das Bistum war von Papst Martin V erst im Mai 1420 unter Berufung auf die angebliche Stellung der St Laurenzkirche als ehemaligen Bistumssitz aus dem Metropolitanverband Salzburg entlassen worden Herzog Albrecht V hatte bereits am 23 Mai 1420 alle osterreichischen Juden inhaftieren lassen und verschiedene Massnahmen gegen sie durchgefuhrt Nachdem Papst Martin V zur Jahreswende 1420 21 scharf gegen Zwangstaufen protestiert hatte kam es in der Folge zu einer Untersuchung die zur Verhaftung und einem entsprechenden Gestandnis der Ennser Mesnerin fuhrte Am 12 Marz 1421 liess Herzog Albrecht das Todesurteil uber die verbliebenen Juden verkunden Am 16 April 1421 wurde die in den angeblichen Hostienfrevel von Enns verwickelte Mesnerin verbrannt vermutlich an derselben Stelle wie zuvor die Juden Der Ennser Vorfall diente als Vorwand fur die Wiener Gesera die Vernichtung der judischen Gemeinden im Herzogtum Osterreich 4 Breslau 1453 Nachdem ein Bauer die Juden in Breslau beschuldigt hatte einen Hostienfrevel begangen zu haben wurden am 2 Mai 1453 alle 318 Juden der Stadt ins Gefangnis geworfen Der erst 13 jahrige Konig Ladislaus von Bohmen setzte den Judenschlachter und Franziskaner Johannes Capistrano zur Untersuchung des Vorfalls ein 41 Juden wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt und der Rest aus der Stadt ausgewiesen Das Eigentum der Juden wurde konfisziert Im Jahre 1926 fand der Historiker Willy Cohn heraus dass in den Akten der Stadt Breslau viele Dokumente der Beschlagnahmen von 1453 vorhanden waren die seiner Ansicht nach belegten dass es bei der Verfolgung und Ermordung der Juden um die Aneignung der Guter der Juden ging 1455 verfugte Ladislaus als Konig von Bohmen die Erlaubnis de non tolerandis Judaeis Privileg zur Nichtduldung der Juden die Breslau erlaubte fur ewige Zeiten die Juden aus der Stadt fernzuhalten Nach Darstellung Cohns dauerte das Verbot nicht allzu lange da die Juden unter anderem fur den Handel mit Polen gebraucht wurden 5 Mecklenburg 1492 Im Sternberger Hostienschanderprozess wurden 27 Juden aus ganz Mecklenburg zum Feuertod verurteilt und verbrannt Alle Juden mussten Mecklenburg verlassen Ihr Vermogen wurde von den Herzogen eingezogen und samtliche Schulden fur ungultig erklart Die judischen Gemeinden ausserhalb Mecklenburgs verhangten daraufhin einen Bann uber das Land Dieser verbot es den Juden fortan sich in Mecklenburg niederzulassen Erst als Anfang des 18 Jahrhunderts der Bann seine Wirkung verlor siedelten wieder judische Familien in Mecklenburg Sternberg selbst etablierte sich als Wallfahrtsort Die Opfergaben teilten sich die romisch katholische Kirche und die Mecklenburger Herzoge 6 7 8 Mark Brandenburg 1510 Im Berliner Hostienschanderprozess wurden aufgrund von Hostienschandungsvorwurfen und aus sukzessiver Folter resultierenden Kindesmordanklagen mehr als 100 Juden aus der Mark Brandenburg und Berlin verhaftet und angeklagt Sie wurden beschuldigt Teile der geweihten Hostie in ihre Mazzen eingebacken zu haben Diese Beweisstucke wurden entdeckt und dann im Brandenburger Dom ausgestellt jedoch ohne die Resonanz beim glaubigen Volk die sich der Klerus davon erhofft hatte Auf dem Neuen Markt in Berlin wurden daraufhin 38 Juden auf einem dreistockigen Gerust verbrannt zwei weitere Juden nach einer Taufe zum Tod durch das Schwert begnadigt und der christliche Dieb der Hostie der die Verfolgung ausgelost hatte geradert und auf einem eigenen Scheiterhaufen verbrannt Alle uberlebenden Juden mussten eine Urfehde schworen und wurden mit ihren Familien aus der Mark Brandenburg vertrieben 9 nbsp Hostienfrevel von Sternberg 1492 Der Priester Peter Dane verkauft dem Juden Eleasar geweihte Hostien die von den Juden durchbohrt werden und zu bluten beginnen Fiktive Darstellung von Diebold Schilling 1513 Ausschnitt Diese Pogrome gingen nicht von der Bevolkerung aus sondern waren Ergebnis gezielter Intrigen die bestimmte kirchliche und standische Interessengruppen vor Ort initiierten Zahlreiche Druckschriften dokumentierten die angeblichen Hostienwunder weit uber Mecklenburg und das damalige Bistum Brandenburg hinaus Vorwurfe gegen sogenannte Hexen BearbeitenAuch vermeintliche Hexen wurden okkulter oder satanischer Praktiken mit gestohlenen Hostien bezichtigt etwa im Zusammenhang mit schwarzen Messen 10 Dies hatte fast immer verheerende Folgen fur die so Beschuldigten und fuhrte auch zu ihrer Vertreibung und Ermordung Hostienfrevel durch Christen BearbeitenDer Hostienfrevel gilt irrtumlich als ein vornehmlich von Heiden und Randgruppen verubtes fiktives Verbrechen Die jungere Forschung weist darauf hin dass Hostien real geschandet wurden v a im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen was besonders dann der Fall war wenn es darum ging den religiosen Kult des Feindes als Gotzenwerk blosszustellen dessen Altare und Kirchen man demonstrativ verwustete Da der Hostie innerhalb einer Kultur der Gabe eine ganz besondere ideologische Bedeutung zukam sollte der Gegner auf diese Weise nicht nur materiell sondern auch ideell entehrt werden 11 Neuzeit BearbeitenSeit der Reformation im 16 Jahrhundert traten auch in katholischen Landern kaum noch Anklagen wegen Hostienfrevels auf Das reformatorische Verstandnis des Abendmahls wirkte hier massigend auf die christliche Volksfrommigkeit ein Dies galt jedoch nicht fur die damals ebenso gangigen Ritualmord und Hostienfrevellegenden Diese antijudaistischen Stereotype unterstutzte der Vatikan unter Papst Pius IX und Leo XIII noch im 19 Jahrhundert Es blieb in einigen Regionen Europas bis weit ins 20 Jahrhundert hinein aktuell nbsp Inschrift an der Deggendorfer Grabkirche 1993 In Lauda und Iphofen zeigen Wallfahrtskirchen noch heute Bilder die an die angeblichen Hostienfrevel der Juden zur Zeit der Rintfleisch Pogrome erinnern sollen Noch 1960 schrieb ein Benediktinerpater in seinen Geschichtlichen Nachrichten uber die hl Hostien in der Grabkirche zu Deggendorf 12 Betrachtet man die vorgefuhrten Tatsachen und wie ununterbrochen Gross und Klein Hoch und Nieder Geistlich und Weltlich aus der Nahe und Ferne dem in der Grabkirche aufbewahrten hl Fronleichnam so mannigfach ihre Anbetung und Verehrung zollten so ist der Wahnwitz derjenigen nicht leicht zu begreifen welche in neuerer Zeit das hl Mirakel als Unsinn und Schwindel verhohnen und die Andacht und Wallfahrt zu ihm als Verherrlichung des Judenmordes ausschreien Erst aufgrund der von kirchlichen Kreisen veranlassten Doktorarbeit Manfred Eders wurde die Wallfahrt 1992 eingestellt 1993 liess Bischof Manfred Muller eine Tafel anbringen deren Inschrift den Hostienfrevel ausdrucklich als Legende zur Rechtfertigung eines Verbrechens bezeichnet und die Juden um Vergebung fur das ihnen zugefugte Unrecht bittet Siehe auch BearbeitenBlutwunderLiteratur BearbeitenPeter Browe Die Hostienschandungen der Juden im Mittelalter In Romische Quartalschrift fur christliche Altertumskunde Band 34 1926 S 167 197 online gibt trotz apologetischer Tendenz eine Ubersicht der Falle Gerhard Czermak Christen gegen Juden Geschichte einer Verfolgung Von der Antike bis zum Holocaust von 1945 bis heute Rowohlt Reinbek 1997 ISBN 3 499 60216 4 C R Konig Das Wunder des blutenden Brodes und der blutenden Hostien In Die Gartenlaube Heft 37 1867 S 591 592 Volltext Wikisource Friedrich Lotter Hostienfrevelvorwurf und Blutwunderfalschung bei den Judenverfolgungen von 1298 Rintfleisch und 1336 1338 Armleder In Falschungen im Mittelalter Teil 5 Fingierte Briefe Frommigkeit und Realienfalschungen Monumenta Germaniae Historica Band 33 5 Hannover 1988 S 533 583 Ritualmord und Hostienfrevel In Stefan Rohrbacher Michael Schmidt Judenbilder Kulturgeschichte antijudischer Mythen und antisemitischer Vorurteile Rowohlt Reinbek 1991 ISBN 3 499 55498 4 S 269 303 Karl Heinrich Rengsdorf Hrsg Kirche und Synagoge Handbuch zur Geschichte von Christen und Juden Darstellung mit Quellen Band 1 DTV Klett Cotta TB Nr 4478 Munchen 1988 ISBN 3 12 906720 5 Miri Rubin Gentile Tales The Narrative Assault on Late Medieval Jews Yale University Press New Haven 1999 ISBN 0 300 07612 6 Andrea Theissen Hrsg Das Verhangnis der Mark Brandenburg Der Hostienschandungsprozess von 1510 Dokumentation der Ausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums im Zeughaus der Zitadelle Spandau Berlin 2010 Birgit Wiedl Die angebliche Hostienschandung in Pulkau 1338 und ihre Rezeption in der christlichen und judischen Geschichtsschreibung PDF 186 kB In medaon de Magazin fur judisches Leben in Forschung und Bildung Fritz Backhaus Die Hostienschandungsprozesse von Sternberg 1492 und Berlin 1510 und die Ausweisung der Juden aus Mecklenburg und der Mark Brandenburg In Jahrbuch fur Brandenburgische Landesgeschichte Band 39 1988 S 7 26 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Hostienfrevel Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Originalbericht uber einen angeblichen Hostienfrevel in Glogau 1406 Memento vom 22 September 2007 im Internet Archive Fall aus der Stadtgeschichte Blomberg 15 Jahrhundert Memento vom 8 Dezember 2004 im Internet Archive Fall aus der Weltchronik des Heinrich von Herford Hintergrunde der Salzburger Judenverfolgung Memento vom 13 Marz 2007 im Internet Archive Das Blutwunder als mikrobiologisches und massenpsychologisches Phanomen Historische Beispiele Collasius archivierte Version Einzelnachweise Bearbeiten Codex Iuris Canonici Canon 1367 Israel Yuval Zwei Volker in deinem Leib Gegenseitige Wahrnehmung von Juden und Christen in Spatantike und Mittelalter Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2007 ISBN 978 3 525 56993 1 S 214 Kurt Schubert Judische Geschichte 8 Auflage 2017 C H Beck Munchen 1995 ISBN 978 3 406 44918 5 S 57 Norbert Haslhofer Politik mit Ennser Geschichte 1419 1421 Passauer Kirchenpolitik und Wiener Judenpolitik Hintergrunde der Wiener Geserah Forschungen zur Geschichte der Stadt Enns im Mittelalter Band 2 Norderstedt 2019 ISBN 978 3 7528 6701 5 Willy Cohn Capistrano ein Breslauer Judenfeind in der Monchskutte In Menorah Judisches Familienblatt fur Wissenschaft Kunst und Literatur Jg 4 1926 Nr 5 Mai S 262 265 Digitalisat Memento vom 28 April 2014 im Internet Archive Johannes Erichsen Geschichte und Kunst einer europaischen Region Landesausstellung Mecklenburg Vorpommern 1995 Katalog zur Landesausstellung im Schloss Gustrow 23 Juni 15 Oktober 1995 Staatliches Museum Schwerin Rostock 1995 Hinstorff Verlag ISBN 3 356 00622 3 S 247 248 Heinz Hirsch Spuren judischen Lebens in Mecklenburg In Reihe Geschichte Mecklenburg Vorpommern Hrsg Friedrich Ebert Stiftung Landesburo Mecklenburg Vorpommern Nr 4 Schwerin 2006 S 12 Digitalisat PDF 5 4 MB Jurgen Borchert Dr Donaths Geschichte der Juden In Des Zettelkastens anderer Teil Hinstorff Verlag Rostock 1988 ISBN 3 356 00149 3 S 81 83 unter Bezug auf Ludwig Donath Geschichte der Juden in Mecklenburg Leipzig 1874 Reena Perschke Andrea Theissen Das Verhangnis der Mark Brandenburg Der Hostienschandungsprozess von 1510 In MuseumsJournal Nr 2 Jg 24 Heft April Juni 2010 Berlin 2010 S 82 83 H T F Rhodes The Satanic Mass 1954 Gerhard Zacharias The Satanic Cult 1980 Konstantin Moritz Langmaier Hass als historisches Phanomen Graueltaten und Kirchenschandungen im Alten Zurichkrieg am Beispiel einer Luzerner Quelle von 1444 In Deutsches Archiv fur Erforschung des Mittelalters Band 73 2 2017 S 639 686 online Rohrbacher Schmidt Judenbilder S 294f Normdaten Sachbegriff GND 4574328 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hostienfrevel amp oldid 236056751