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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig Weitere Bedeutungen sind unter Legende Begriffsklarung aufgefuhrt Die Legende ist eine mit dem Marchen und der Sage verwandte Textsorte bzw literarische Gattung in der historische Ereignisse durch spatere Hinzufugungen uberhoht oder verfalscht wurden Legenden haben meist wie Sagen einen wahren Kern der fantastisch ausgeschmuckt wird Umkreis Paul Bril Wilhelm Tell Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Geschichte und Typologien 3 Anthologien 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenDer Begriff leitet sich von dem mittelalterlich lateinischen Ausdruck legenda ab was so viel bedeutet wie das was zu lesen ist 1 das Vorzulesende 2 bzw die zu lesenden Stucke 3 Die Herkunft des Begriffs deutet somit im Unterschied zur Sage eine enge Beziehung zur literarischen Tradition an Bereits in der Antike entstanden literarische Erzahlungen uber Personen die als uberragende religios sittliche Personlichkeiten und Heilige wahrgenommen wurden 2 In der Hagiographie werden derartige Heiligenlegenden neben Martyrerakten und anderen uberlieferten Texten als Vita untersucht 4 Solche hagiographischen Texte werden auch heute noch von einigen Gelehrten unter Absehung ihres besonderen Charakters der Geschichtsschreibung zugerechnet 5 wobei allerdings zwischen Heiligenlegende und Heiligenbiographie zu unterscheiden ware Nicht zuletzt bei den politischen Legenden ist indessen die Vorstellung verbreitet dass es sich um unzutreffende Tatsachenbehauptungen handele Dennoch konnen einzelne Legenden einen Kern von historischer Wahrheit enthalten indem sie in bildhafter oder szenischer Erzahlform den Kern eines Faktums oder den Sinn eines Geschehens zu vermitteln suchen auch wenn die jeweils erzahlte Geschichte quellenmassig unverburgt ist 6 In der Form der Heiligenlegende zielt die Legende aber uberhaupt nicht auf die fur sie nur vordergrundige historische Wahrheit sondern auf die Verkundigung einer Glaubenswahrheit 7 Es geht in ihr zentral um die Offenbarung des gottlichen Heilswirkens das in der Person eines Heiligen zur Erscheinung kommt zeichenhaft beglaubigt vor allem durch das Signum des Wunders 8 Bekannteste Beispiele sind die Christophorus und Georgslegende die als eine Art narrativer Theologie gelten konnen Hierbei bleibt der Erzahlrahmen der Legende ebenso wie bei der Sage dem Mythos und Marchen im fiktionalen Bereich 8 Legenden von Eremiten oder Asketen konnen jedoch auch historisch stimmige Einzelelemente aufweisen In dem agyptischen Kloster Deir Abu Fana wurde beispielsweise die Mumie des Apa Bane ubersetzt Bruder Monch Palme gefunden die die Krankheit Morbus Bechterew aufwies In seiner in koptischer Sprache niedergeschriebenen Legende wird er als jemand beschrieben der immer fastete nie schlief und fast immer stand Symptome ebenjener Krankheit so der Koptologe Siegfried G Richter 9 Im Medien Sprachgebrauch wird der Begriff auch haufig in der allgemeinen Bedeutung Ruhm und Beruhmtheit verwendet 10 Geschichte und Typologien Bearbeiten Taufe und Martyrium des Hl Bonifatius 11 Jh Bei seiner Klassifizierung von Legenden lehnte sich der Theologe Harald Martin Wahl an die Semantik des Begriffs Legenda an Wahl zufolge wurden im antiken Christentum die Legenden um Jesus Christus Christuslegenden die zum Teil in die apokryphen Evangelien und in die Geschichten der Apostel aufgenommen wurden spater um die Legenden von ersten christlichen Martyrern Martyrerlegenden erganzt speziell um solche von denen die Kirchenvater des 3 Jahrhunderts Tertullian Hippolyt Origenes Cyprian berichtet haben und die von altgriechischen Grabinschriften bezeugt sind Einher ging mit diesen Erzahlungen eine religiose Verehrung der Martyrer im Kult der ab Ende des 4 Jahrhunderts auch fur die Heiligen bezeugt ist Liturgie Reliquienkult Seitdem wurden sowohl die Heiligen als auch die Martyrer im Fall der Bedrohung und Not zusammen mit Engeln und den Aposteln angerufen 11 Der Philologe Benedikt Konrad Vollmann nahm im Rahmen eines Artikels in einem christlichen Worterbuch ebenso religiose Legenden ins Blickfeld Religiose Legenden entstunden ihm zufolge im Schwerefeld der jeweiligen Hochreligion Beispielhaft fuhrte er fur den Buddhismus die Buddhalegende und fur den Islam die Legenden um die Heldentaten von Mohammeds Schwiegersohn Ali an Bei den im Christentum entstandenen Legenden unterschied er zwischen Marienlegenden Marienmirakel Apostellegenden z B Andreas Thomas Jacobus Bischofslegenden Nikolaus Martinus Monchslegenden Antonius Eremita Benedikt Franziskus Jungfrauenlegenden Agnes Agatha Caecilia und Busserlegenden Gregorius 2 Zu den fruhesten Legendensammlungen werden die Dialogi de miraculis patrum Italicorum von Papst Gregor dem Grossen 540 604 gezahlt 12 Vor 959 schloss die Kanonissin Hrotsvit die als die erste deutsche Dichterin und Geschichtsschreiberin gilt 13 ihre erste Legendensammlung ab 14 Inhalt ihrer in epischer und elegischer Form geschriebenen Legenden war unter anderen das Leben von Maria die Auferstehung Christi sowie das Leben von Gangolf und Pelagius 15 Die in Deutschland entstandenen Legenden gipfelten am Ende des Hochmittelalters in mittelhochdeutsche Versepen Mit zu den bekanntesten gehoren diejenigen von Hartmann von Aue Konrad von Wurzburg oder Rudolf von Ems Im Hoch und Spatmittelalter fanden dann vor allem auch Legendensammlungen in Form literarisch komponierter Legendare meist Sammlungen von Berichten die Heiligen gelten 16 weite Verbreitung Am wirkmachtigsten wurde die Legenda aurea des Jacobus de Voragine 1228 29 1298 der die gewaltige Legendenstofffulle seiner Zeit erfasste und fur kultische Zwecke ebenso wie auch fur die private Frommigkeit verfugbar machte Der Einfluss dieses Werks auch auf die bildende Kunst jener Zeit ist kaum zu uberschatzen Im Zeitalter der Renaissance und Reformation bildete sich ein scharfer kritischer Standpunkt gegenuber den Legenden heraus Erasmus von Rotterdam unterschied die fabulae fictae frei erfundene Erzahlungen 17 von den historischen facta Tatsachen Letztere konnten mit der historisch philologischen Kritik auf ihre Echtheit gepruft werden Zudem seien nach Erasmus nur die facta fur die educatio Bildung des Humanisten geeignet 18 Seine damit verbundene Haltung die fabulae fictae aus der humanistischen Bildungsidee auszuschliessen wurde ebenso von dem Kirchenreformator Martin Luther geteilt 19 Luther der die fromme Legende zur Erbauungsliteratur zahlte 18 wendete sich im Rahmen seiner Forderung nach historischer Wahrheit vor allem gegen die ausschmuckenden Wunderdetails der Heiligenviten da sie ihm zufolge so viele Lugen enthielten Uber die Legende von ihm mehrfach als die Lugende bezeichnet schrieb er Da doch niemand weis Wo her sie komen Wenn sie angefangen Item wer der heiligen Lugenden S Christoff Georg Barbara Catherin Ursula und der on zal mit iren Wundern auffbracht 19 Trotz seiner grundsatzlichen Kritik liess Luther bestimmte Motive der Wundererzahlung bei einigen heiligen Gestalten als Ausnahmen gelten um sie der katechetischen Allegorese dienstbar zu machen Dies insbesondere bei den auch abwertend zitierten Figuren Christophorus und Georg aber auch bei Nikolaus Martin Elisabeth und Katharina Im Gegensatz zu den Heiligenviten insgesamt begriff Luther diese Ausnahmemotive als produktive Fiktionen sie seien nicht Lugen sondern Gedichte 19 Der Protestantismus griff Luthers Kritik auf was ab der zweiten Halfte des 16 Jahrhunderts bei den Kontroversisten zu einer ausgedehnten Polemik gegenuber den Legenden fuhrte 19 Nachdem Legenden in der Zeit der Aufklarung dem kritischen Interesse nicht standhielten wurden sie in der Romantik wieder geachtet Zahlreiche Schriftsteller des 19 Jahrhunderts beginnend mit einem Pladoyer Herders schufen neue Legenden Dazu zahlten Goethes Legende vom Hufeisen und Kleists Die heilige Cacilie oder die Gewalt der Musik Im 20 Jahrhundert fand die Legende bis hin zur Parodie der Antilegende eine neue Beachtung Zeitgenossische Legenden sind meist so genannte Urban Legends Anthologien BearbeitenHans Peter Ecker Hrsg Legenden Heiligengeschichten vom Altertum bis zur Gegenwart Reclam Stuttgart 1999 ISBN 3 15 058019 6Literatur BearbeitenHans Peter Ecker Die Legende Kulturanthropologische Annaherung an eine literarische Gattung Germanistische Abhandlungen Band 76 Metzler Stuttgart Weimar 1993 ISBN 3 476 00899 1 Habilitationsschrift Universitat Passau 1991 XI 397 Seiten Hubertus Halbfas Die Wahrheit der Legende In Ewald Volgger Hrsg Sankt Georg und sein Bilderzyklus in Neuhaus Bohmen Jindrichuv Hradec Historische kunsthistorische und theologische Beitrage Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens Band 57 Elwert Marburg 2002 ISBN 3 7708 1212 3 Siegfried Ringler Zur Gattung Legende Versuch einer Strukturbestimmung der christlichen Heiligenlegende des Mittelalters In Peter Kesting Hrsg Wurzburger Prosastudien II Untersuchungen zur Literatur und Sprache des Mittelalters Festschrift fur Kurt Ruh zum 60 Geburtstag Medium Aevum Band 31 Munchen 1975 S 255 270 DNB 750315571 Hellmut Rosenfeld Legende Sammlung Metzler Band 9 4 verbesserte Auflage Metzler Stuttgart 1982 ISBN 3 476 14009 1 Herbert Walz Hrsg Legende Themen Texte Interpretationen Band 7 Buchner Bamberg 1986 ISBN 3 7661 4337 6 Aufsatze zur Gattungstheorie sowie beispielhafte Texte Weblinks Bearbeiten Wiktionary Legende Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Wiktionary Marchen Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Wiktionary Sage Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Wikiquote Legende Zitate Commons Legenden Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Harald Martin Wahl Die Jakobserzahlungen Studien zu ihrer mundlichen Uberlieferung Verschriftung und Historizitat Berlin New York 1997 ISBN 3 11 015758 6 S 87 f a b c Benedikt Konrad Vollmann Sage und Legende In Volker Drehsen Hermann Haring u a Hrsg Worterbuch des Christentums 1500 Stichworter von A Z Munchen 2001 ISBN 3 572 01248 1 S 1109 f Silke Muller Susanne Wess Studienbuch neuere deutsche Literaturwissenschaft 1720 1848 Lern und Arbeitshilfen fur Schule und Universitat 2 durchges Aufl Wurzburg 1999 S 151 ISBN 3 8260 1713 7 Cristina Andenna Heiligenviten als stabilisierende Gedachtnisspeicher in Zeiten religiosen Wandels In Peter Strohschneider Hrsg Literarische und religiose Kommunikation in Mittelalter und Fruher Neuzeit Berlin New York 2009 S 526 573 hier S 526 ISBN 978 3 11 020061 4 Meinolf Vielberg Jurgen Dummer Zwischen Historiographie und Hagiographie Ausgewahlte Beitrage zur Erforschung der Spatantike Stuttgart 2005 S 7 ISBN 3 515 08661 7 Gerd Krumeich Die Dolchstosslegende In Etienne Francois Hagen Schulze Hrsg Deutsche Erinnerungsorte 4 durchges Aufl Munchen 2002 S 586 ISBN 3 406 47222 2 Siehe Ringler s o Literatur S 260f 267 a b Jo Reichertz Die Macht der Worte und der Medien 2 Auflage Wiesbaden 2008 S 77f ISBN 978 3 531 16307 9 Ringler s o Literatur S 257 259 Siegfried G Richter Das koptische Agypten Schatze im Schatten der Pharaonen mit Fotos von Jo Bischof Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2019 ISBN 978 3 8053 5211 6 S 67 Peter Tepe Mythos amp Literatur Selbstanzeige In Archiv fur Begriffsgeschichte 44 Ausg 25 26 Hamburg 2002 S 258 Quelle Peter Tepe Mythos amp Literatur Wurzburg 2001 ISBN 3 8260 2136 3 Harald Martin Wahl Die Jakobserzahlungen Berlin New York 1997 S 88 Angegebene Quelle Hellmut Rosenfeld Legende Stuttgart 1982 S 23 Claus Trager Worterbuch der Literaturwissenschaft 2 Aufl Leipzig 1989 S 291 ISBN 3 323 00015 3 Gerhard Muller Hrsg Theologische Realenzyklopadie Bd 15 Berlin New York 1986 S 611 ISBN 3 11 008585 2 Max Planck Institut fur Geschichte Festschrift fur Hermann Heimpel zum 70 Geburtstag am 19 September 1971 Gottingen 1971 S 47 DNB Max Manitius Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters Handbuch der Altertumswissenschaft IX Abt 2 Teil 1 Band 4 Nachdruck der 1911 erschienenen 1 Auflage Munchen 1974 S 620 ISBN 3 406 01400 3 Karl August Barack Hrsg Die Werke der Hrotsvitha Nurnberg 1858 1 Guy Philippart Legendare In Verfasserlexikon Band V Sp 644 657 Der Begriff fabulae fictae wird bei Hasubek mit Bezug auf die griechische und romische Literatur mit frei erfundene Erzahlungen ubersetzt vgl Peter Hasubek Hrsg Die Fabel Theorie Geschichte und Rezeption einer Gattung Berlin 1982 S 61 ISBN 3 503 01684 8 a b Wolfgang Bruckner Hrsg Volkserzahlung und Reformation Ein Handbuch zur Tradition und Funktion von Erzahlstoffen und Erzahlliteratur im Protestantismus Berlin 1974 S 37 ISBN 3 503 00540 4 a b c d Rolf Wilhelm Brednich u a Hrsg Enzyklopadie des Marchens Handworterbuch zur historischen und vergleichenden Erzahlforschung Bd 8 Klerus Maggio Berlin New York 1996 S 1296 f ISBN 3 11 014339 9 Normdaten Sachbegriff GND 4035028 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Legende amp oldid 234875996