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Das Motiv franzosisch motif Beweggrund Antrieb mittellateinisch motivum aus lateinisch movere bewegen motus Bewegung in der Literatur ist der Malerei und der Musik entlehnt ein erzahlerischer Baustein eine kleinere stoffliche Einheit die zwar noch nicht einen ganzen Plot eine Fabel umfasst aber doch bereits ein inhaltliches situationsmassiges Element darstellt 1 Das Motiv ist von innerer struktureller Einheit ohne jedoch eine Handlung oder einen Inhalt zu konkretisieren Es ist der elementare keim und kombinationsfahige Bestandteil eines Stoffes 2 ist ein Akkord ein Handlungsansatz ohne an feststehende Namen und Ereignisse gebunden zu sein 3 So findet sich beispielsweise das Motiv der Feindesliebe von der Figur des biblischen Jesus bis in Werfels Roman Verdi das des Verbrechens das ans Licht kommt von Sophokles Oedipus tyrannos uber Hartmann von Aues Gregorius bis zu Dostojewskijs Schuld und Suhne das des Mannes zwischen zwei Frauen von der Figur des Abraham bis zu Martin Walsers Figur des Gottlieb Zurn in Der Augenblick der Liebe oder das Motiv der feindlichen Bruder von den biblischen Figuren Kain und Abel uber Romulus und Remus bis zu Schillers Die Rauber Die inhaltliche Grundform des Motivs kann dabei in der Regel schematisiert beschrieben werden beispielsweise als Motiv der Dreiecksbeziehung des unbekannten Heimkehrers oder des Doppelgangers bzw der feindlichen Bruder Gleiches gilt fur das Typusmotiv beispielsweise das des Einzelgangers des Bohemiens usw wie auch fur das Raum und Zeitmotiv beispielsweise das der Ruine des Wettlaufs mit der Zeit des Unterweltbesuchs oder des Wiedererkennens Anagnorisis usw 4 Inhaltsverzeichnis 1 Begriffsgeschichte 2 Abgrenzung 3 Gattungstypische Motive 4 Rand Nebenmotiv 5 Das blinde Motiv 6 Das Leitmotiv 7 Literatur 8 Weblinks 9 FussnotenBegriffsgeschichte BearbeitenDer Motivbegriff entstammt der mittelalterlichen Gelehrtensprache in der das Motiv einen intellektuellen Impuls oder eine Idee bzw einen Einfall bezeichnet der die Charakteristik oder Eigenschaften einer Rede pragt Im 18 Jahrhundert wird der Begriff zunehmend auf die musischen und bildenden Kunste ubertragen zunachst im Bereich der Tonkunst als Bezeichnung fur die kleinste melodische Einheit einer musikalischen Komposition Gegen Ende des 18 Jahrhunderts wird der Motivbegriff ebenso in der Fachsprache der italienischen Malschulen verwendet fur die Bezeichnung eines ornamentalen oder figurativen Elementes innerhalb eines Gemaldes oder Kunstwerks Johann Wolfgang Goethe fuhrt den Motivbegriff als kunstkritische Kategorie im Bereich der Literatur ein der sowohl strukturelle Momente wie die Funktion des Motivs fur den Aufbau eines literarischen Werkes bzw Textes als auch ein grundlegendes anthropologisches Interesse im Hinblick auf das Phanomen des Menschengeistes beruhrt Darauf aufbauend verwenden die Bruder Grimm den Begriff des Motivs ebenso in der literaturwissenschaftlichen Forschung und Analyse ab Mitte des 19 Jahrhunderts wird in der Literaturwissenschaft der Forschungszweig der Motivgeschichte begrundet Der Motivbegriff findet hier auf zwei unterschiedlichen Ebenen Verwendung einerseits im Hinblick auf die immanente Strukturanalyse von Texten andererseits aber ebenso im Hinblick auf die intertextuellen Bezuge 5 Abgrenzung BearbeitenWahrend sich das Motiv nach oben von dem Stoff abgrenzt in dessen Konkretisierung es nur einen Baustein bildet grenzt es sich nach unten hin von dem allgemeiner und beliebiger gefassten Thema oder sofern dies auf Figuren bezogen ist dem Typus aber auch dem anschaulich gehaltenen Symbol oder Bild ab Im Gegensatz zum Stoff weist das Motiv weder eine Handlungskontinuitat noch eine Fixierung an bestimmte Personen auf und enthalt auch keinen erzahlbaren inhaltlichen Verlauf Vom Thema das grundsatzlich durch grossere Abstraktheit gekennzeichnet ist unterscheidet sich das Motiv im Allgemeinen dadurch dass es konkretere Manifestationsformen aufweist 4 In der deutschen literaturwissenschaftlichen Terminologie bezeichnet der Begriff des Motivs in der Regel die kleinste semantische Einheit wahrend der Stoff sich aus einer Kombination von Motiven zusammensetzt und das Thema sich auf die abstrakte Grundidee eines literarischen Werkes bezieht 5 In der englischen und amerikanischen Literaturwissenschaft hat sich dagegen der Begriff motif neben dem allgemeineren Begriff theme durchgesetzt der zugleich den Stoff das Thema die Idee bzw den Gehalt eines literarischen Werkes mit einschliesst 5 Die Ubergange zwischen diesen Begriffen sind dementsprechend haufig fliessend Zwischen dem Thema der Eifersucht und dem Typus des eifersuchtigen Gatten und dem Motiv des Hahnreis oder betrogenen Ehemannes beispielsweise ist kaum eine Grenzlinie auszumachen Fiele nun zudem das handlungsauslosende Momentum aus das einem Motiv innewohnt kann aber auf der anderen Seite ein Thema wie das der Eifersucht auch zu einem simplen Charakter Zug zusammenschmelzen Der Unterschied konstituiert sich hier vor allem aus Gewichtung und Funktion 6 Auch wenn also Hoffmanns Kater Murr in reichem Masse Zuge des Hochmutes tragt wird dieser Hochmut im Gegensatz zum Faust I hier nicht zum Motiv Vor allem in der Lyrik kann sich das Motiv dann aber bis an den Rand eines Bildes verkurzen da die gedrangte Form des Gedichtes in sich besser zu Konzentration und Intertextualitat geeignet ist So wird der Topos des Brunnens der biblischen Vatergeschichten der die Wasserstelle einem locus amoenus ahnlich zu einem Ort der Liebesgeschichten werden lasst dann aber mit dem Verkauf Josephs auch die Bedeutungsnuance des Gefangnisses transportiert in der Lyrik Celans ebenso wie Rilkes noch als Bild verstehbare Rose bereits zum Motiv Gattungstypische Motive BearbeitenManche Motive sind typisch fur bestimmte Literaturgattungen in anderen treten sie nicht oder nur selten auf So sind Nacht Abschied oder Einsamkeit typische Motive in der Lyrik Verwandtenmord und feindliche Bruder treten vorwiegend im Drama auf Lenore und die Erscheinung des verstorben geglaubten Geliebten sind typische Balladenmotive wahrend die Ringprobe typisch fur Marchen ist zum Beispiel Allerleirauh 7 Rand Nebenmotiv BearbeitenNeben dem Zentralmotiv auch Kernmotiv oder Hauptmotiv das den Text durchzieht kennt die Literatur auch das der Dramatik entnommene Randmotiv auch Nebenmotiv oder Fullmotiv das eine ausschmuckende Funktion hat So findet sich mit den Figuren der Melusine und der Armgard in Theodor Fontanes Der Stechlin beispielsweise das Motiv der ungleichen Geschwister das aber keine zentrale Funktion in der Anlage des Romans einnimmt Durch den wenigen Raum der den Nebenmotiven zur Entfaltung eingeraumt werden kann ist der kulturelle oder intertextuelle Ruckgriff auf einen Fundus von schon uberlieferten Motiven umso deutlicher notig Um in seiner Universalitat verstandlich zu sein muss sich das Motiv also auf eine Form des kollektiven Gedachtnisses beziehen in dem es zu seiner Allgemeinverstandlichkeit aufbewahrt ist Es ist somit auch das kleinste Element der Erzahlung das die Kraft hat sich in der Uberlieferung zu erhalten 8 Die Motivgeschichte widmet sich der Erforschung der Entstehung und Entwicklung einer solchen Uberlieferung eines Motives Das blinde Motiv BearbeitenMisslingt die Setzung eines Neben Motives und behindert den Fluss des Textes oder der Handlung oder wird ein Motiv gesetzt das mit einem anderen in Widerspruch gerat nennt man dies auch ein blindes Motiv Ein blindes Motiv ist also ein ablenkendes fur den Handlungsablauf irrelevantes Motiv 9 Eine psychoanalytische Interpretation der Motive und nicht des umgangssprachlichen Motivs im Sinne eines psychologisierten Beweggrundes liefern Sperber und Spitzer wie auch Korner Die hier vorgenommene Verengung auf eine allgemeine menschliche Grundsituation 10 versucht eine einengende Kategorisierung die dann einen interdisziplinaren und kulturgeschichtlichen Vergleich erleichtert und so den Jungschen Archetypen nahekommt Das Leitmotiv BearbeitenHat das Motiv einen vordringlichen Einfluss auf den Text sei es durch einen ordnenden Eingriff oder durch alleinige systematische Wiederholung wird es auch Leitmotiv genannt Der genaue asthetische Aufbau des terminologisch aus der Musik entlehnten Leitmotivs ist dabei strittig Wahrend formelhaft wiederkehrende bestimmte Wortfolgen 11 als nicht ausreichend angesehen werden um von einem Leitmotiv zu reden scheint die Forderung dass ein dichtes symbolisches Motivgewebe als Einheit stiftendes Prinzip 10 anzustreben sei ebenso uberfordernd wie quantitativ unprazise zu sein Zumeist haben Leitmotive jedoch die Funktion die Stimmung vorangegangener Situationen wieder anklingen zu lassen Sie dienen ebenso der anschaulichen Strukturierung des Textes sowie der symbolischen Vertiefung 5 und stellen teilweise eine Art von emotionalem Gedachtnis im literarischen Text dar Literatur Bearbeiten Portal Stoffe und Motive BibliographieWeblinks BearbeitenLiMoSt Forschungsdatenbank zu Ermittlung von literarischen Motiven Stoffen und ThemenFussnoten Bearbeiten Frenzel 1966 Frenzel 1962 V Frenzel 1976 VI a b Heike Gfrereis Hrsg Motiv In Heike Gfrereis Hrsg Grundbegriffe der Literaturwissenschaft Metzler Verlag Stuttgart und Weimar 1999 ISBN 978 3 476 10320 8 S 130 a b c d Christine Lubkoll Motiv literarisches In Ansgar Nunning Hrsg Grundbegriffe der Literaturtheorie Metzler Stuttgart und Weimar 2004 ISBN 3 476 10347 1 S 184 f vgl Frenzel 1976 VII Gero von Wilpert Sachworterbuch der Literatur Kroners Taschenausgabe Band 231 4 verbesserte und erweiterte Auflage Kroner Stuttgart 1964 DNB 455687854 S 441 Luthi Wilpert 1979 526 a b Killy Wilpert Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Motiv Literatur amp oldid 212680018