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Als Kanonissin oder Kanonisse auch Stiftsdame Stiftsfraulein wird eine Frau bezeichnet die in einer geistlichen Gemeinschaft in einem weltlichen Frauenstift lebt ohne Ordensgelubde abzulegen Der Begriff entspricht damit dem des Kanonikers bei den Mannern wobei katholische Kanonissen abweichend von diesen nie geistlich geweiht werden Daruber hinaus werden auch die Augustiner Chorfrauen der verschiedenen Augustinischen Orden und Kongregationen als Kanonissen oder Regular Kanonissen bezeichnet obwohl sie Ordensgelubde abgelegt haben Hier ist Kanonisse die weibliche Entsprechung des Begriffs Regularkanoniker Rekonstruktion der Tracht einer Stiftsdame um 1760 im Museum fur Klosterkultur Weingarten Es handelte sich fruher um Frauen die in einem Stift eine Pfrunde Unterhalt genossen und eine gemeinschaftliche Wohnung hatten Die Frauenstifte wurden zumeist von einer Abtissin oder Propstin geleitet die den Kanonissen gegenuber weisungsbefugt war Die geistliche Betreuung erfolgte durch einen Propst der oft auch die Vertretung des Damenstifts nach aussen wahrnahm Oft gehorten die Kanonissen dem Adel an genossen weitgehende Freiheit des Lebenswandels und machten ihre Einrichtungen zu rein weltlichen Versorgungsanstalten sodass selbst nach dem Ubertritt zum Protestantismus mehrere solcher Stifte zum Beispiel die von Gandersheim Herford Quedlinburg oder Gernrode als Pfrundenanstalten fur adlige Fraulein bestehen blieben Bis heute gibt es katholische und evangelische Stiftsdamen die zu unterschiedlichen Bedingungen in einem Stift leben Sie legen in keinem Fall ein Gelubde ab die Aufnahmebedingungen sind allerdings sehr unterschiedlich So verlangt beispielsweise das Stift Borstel von seinen Stiftsdamen christliche Orientierung Ehelosigkeit die Damen durfen verwitwet oder geschieden sein die Moglichkeit von eigenen Einkunften zu leben und verpflichtet sie zur Residenz Im Stift Fischbeck hingegen mussten die Stiftsdamen noch bis 1924 sechzehn adlige Vorfahren nachweisen konnen heute mussen sie uber eine gesicherte finanzielle Grundlage zur Lebensfuhrung verfugen und sollten bei der Aufnahme nicht alter als 60 Jahre sein Inhaltsverzeichnis 1 Aufnahmeverfahren und Ausbildung 2 Pflichten und Aufgabenbereiche 3 Lebensbedingungen und Freiheiten innerhalb der Gemeinschaft 4 Literatur 5 WeblinksAufnahmeverfahren und Ausbildung BearbeitenAnders als in Klostern wahlten die Abtissin und das Kapitel die zukunftigen Kanonissen aus Ursachen waren eine festgelegte Anzahl von Pfrunden durch die das Kanonissenstift finanziert wurde Eine einheitliche Altersgrenze fur die Aufnahme der Frauen war im Mittelalter nicht gegeben Die Frauen stammten meist aus wohlhabenden oder adligen Verhaltnissen und erhielten Stipendien durch Pfrunde Zunachst mussten die neu aufgenommenen jungen Madchen die Stiftsschule besuchen und eine Unterweisung von Moral und Sitten erhalten Hierbei wurde besonders viel Wert auf eine umfassende und wissenschaftliche Ausbildung gelegt die nicht wie bei anderen Ordensgemeinschaften auf aszetischer Basis beruhte Neben dem Verstandnis lateinischer Kirchenschriftsteller und vieler Klassiker wurde den Schulerinnen auch die Kenntnis schwieriger Notenschriften und kirchlicher Zeremonien gelehrt Die Ausbildung zur Kanonissin liess sich mit einem zeitgenossischen Studium der Kirchengeschichte vergleichen und dauerte mehrere Jahre wobei die genaue Dauer von Ort zu Ort unterschiedlich verzeichnet war Der erfolgreiche Abschluss der Stiftschule erfolgte erst bei Beherrschung des Chorgesangs und des Lesens lateinischer Texte Nach erfolgreich abgeschlossener Schulausbildung konnte die Aufnahme als vollberechtigte Kanonisse in das Kapitel stattfinden Dies erfolgte jedoch ausschliesslich mit der Genehmigung der Abtissin durch das Kapitel Ein offentliches Gelubde wurde bei der Aufnahme zur vollberechtigten Kanonisse nicht abgelegt Lediglich das Versprechen gegenuber der Abtissin Gehorsam und Keuschheit wahrend der Zeit des Aufenthalts im Stift zu wahren wurde gefordert In den Essener Kanonissenstiften des 18 Jahrhunderts betraf die Regelung einer mehrjahrigen Schulausbildung zur Aufnahme als Kanonisse fortan ebenso erwachsene Frauen Pflichten und Aufgabenbereiche BearbeitenDie Hauptaufgabe der Kanonissen in einer geistlichen Gemeinschaft war der Chordienst Dieser wird bereits in der Schulausbildung der jungen Frauen ausfuhrlich thematisiert und stellt somit einen der wichtigsten Aufgabenbereiche dar Die kanonischen Stundengebete und Heilige Messen wurden von vielfaltigen und kunstvollen Chorgesangen der Kanonissen unterstutzt besonders an Festtagen Neben dem Chordienst gehorte auch die Teilnahme an Messen Prozessionen und kirchlichen Begrabnisfeiern zu den Aufgaben einer Kanonisse sodass sie ein von der Aussenwelt abgeschiedenes Leben fuhrten Durch die Zuteilung und Verwaltung verschiedener Stiftsamter waren altere Kanonissen oftmals zustandig fur die Versorgung und Verpflegung der Armen und Kranken sowie die Beherbergung der Pilgerinnen Auch der Umgang mit dem Webstuhl und der Nadel gehorte zu den Fahigkeiten die Kanonissen erlernten Auch lehrten sie neben den Abtissinnen in den Stifterschulen und forderten auf diese Weise die folgenden Kanonissengenerationen Trotz der erhohten Verantwortung und Befugnisse im Frauenstift standen Kanonissen unter strenger Beobachtung der zustandigen Abtissin des Klosters Lebensbedingungen und Freiheiten innerhalb der Gemeinschaft BearbeitenAhnlich wie bei anderen Ordensgemeinschaften lebten Kanonissen in einer gemeinsamen Lebensgemeinschaft Vita communis unter den Aachener Regeln In den Kanonissenstiften des Spatmittelalters gab es klare Vorschriften zur gemeinsamen Bettruhe Dormitorium und zusammenkommen zu Mahlzeiten Refektorium die das gemeinschaftliche Leben unterstreichen sollten Das Stillschweigen bei Tisch und die Lesung aus der heiligen Schrift wahrend der Mahlzeit gehorten zu den taglichen Riten in Kanonissenstiften Durch die unterschiedliche Pfrunde der Kanonissen entwickelte sich jedoch im 16 Jahrhundert die Problematik dass das Aufrechterhalten des gemeinsamen Tisches nicht mehr moglich war Grund war die zunehmende Individualisierung der Mahlzeiten durch die Einkommensunterschiede aufgrund der unterschiedlichen Amts und Wurdegrade der einzelnen Kanonissen Aus diesem Grund wurde ihnen die freie Wahl geboten und von dem Ritus abgesehen Neben der freien Wahl des Mahls war es Kanonissen gestattet in eigenen Behausungen zu leben die sich im Klosterbezirk befanden Denjenigen welche sich keine eigene Wohnung finanzieren konnten wurde durch die Abtissin ein besonderer Aufenthaltsraum zugeteilt Die privaten Wohnungen standen jedoch in keinem Widerspruch zu dem Ritus der gemeinsamen Bettruhe da die Kanonissen nachts weiterhin das Dormitorium aufsuchen mussten Die eigenen Wohnungen dienten somit lediglich als privater Ruckzugsort und als Raumlichkeit um private Dinge zu besitzen und aufzuwahren Die jungeren Kanonissen welche sich noch in der Ausbildung befanden oder ein gewisses Alter noch nicht erreicht hatten lebten zusammen und erhielten keine eigene Wohnung vollig unabhangig ihres sozialen Standes Meistens lebten die Schulerinnen wahrend ihrer Ausbildung im Haus der Abtissin jedoch bestand auch die Moglichkeit in der Wohnung einer familiar verwandten Kanonissin zu leben Nicht nur durch die private Behausung unterschied sich das Kanonissenstift von anderen Ordensgemeinschaften Durch die altkirchlichen Freiheiten war es den Kanonissen ebenfalls moglich uber eine eigene Dienerschaft zu verfugen Eine besondere Freiheit stellt das Recht des Austritts und die Verehelichung dar denn den Kanonissen ist es im Vergleich zu Nonnen gestattet gewesen das Stift zu verlassen Literatur BearbeitenBarbara Henze Kanonissen In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche LThK 3 Auflage Band 5 Herder Freiburg im Breisgau 1996 Sp 1187f ISBN 3 451 22005 9 K Heinrich Schafer Die Kanonissenstifter im deutschen Mittelalter Ihre Entwicklung und innere Einrichtung mit dem altchristlichen Sanktimonialentum F Enke Stuttgart 1907 Kirchenrechtliche Abhandlungen 43 44 archive org Franz J Felten Wie adelig waren Kanonissenstifte und andere weibliche Konvente im fruhen und hohen Mittelalter In Irene Crusius Hrsg Studien zum Kanonissenstift Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2001 ISBN 3 525 35326 X S 39 128 Agnes Schormann Identitaten und Handlungsmoglichkeiten von Kanonissen im 15 und 16 Jahrhundert ISBN 978 3 631 81930 2Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Kanonissinnen Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Stift auf zeno orgNormdaten Sachbegriff GND 4163207 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kanonissin amp oldid 228223887