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Fruhneuzeitliche Staatsbildung bezeichnet den Prozess der Entstehung des modernen Anstaltstaats in der Fruhen Neuzeit in Europa und den europaischen Kolonien Der Prozess setzte am Ausgang des Spatmittelalters an und endete mit Beginn der Franzosischen Revolution 1789 Inhaltsverzeichnis 1 Die europaische Herrschaftswelt um 1500 2 Begleiterscheinungen Voraussetzungen 2 1 Ideologie 2 2 Militarische Revolution 2 3 Sozialdisziplinierung 2 4 Burokratie 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseDie europaische Herrschaftswelt um 1500 Bearbeiten nbsp Europa um 1470 Hauptartikel Renaissance Um 1500 zu Beginn der Fruhen Neuzeit bestanden in Europa mindestens 80 mehr oder weniger selbstandige Herrschaftsgebilde Bei einer weiter gefassten Definition von Selbstandigkeit bestanden mindestens 500 Herrschaftsgebilde die meisten davon lagen innerhalb des Heiligen Romischen Reichs Im Zentrum und Westen des Kontinents hatten autonome Korperschaften Stande Stadtebunde freie Stadte Ritterguter weitreichende Kompetenzen inne Dazu gehorte die Rechtsprechung in ihren Verfugungsraumen und Bewilligungsrechte von Finanzzahlungen Die Macht der Fursten war auch ohne existierende Gewaltenteilung rein sachbezogen verschrankt Die grossten einheitlichen Staatsstrukturen bildeten Polen Litauen das expandierende Grossfurstentum Moskau Frankreich und Spanien Das Heilige Romische Reich bildete eine Sonderform bedingt durch seinen Verfassungscharakter Goldene Bulle und Landfrieden von 1495 entsprach es einem Konglomerat von relativ autonomen Herrschaften die nur lose zusammengehalten wurden 1 Die zentralstaatlichen Institutionen des Reichs um 1500 waren eher schwach ausgerichtet Das Reich basierte stets auf dem minimalen Konsens der besitzenden Reichsstande Politische Agilitat ging von Reichsstrukturen daher immer nur kurzzeitig und einzelfallbezogen aus Innenpolitische Lahmungstendenzen aufwendige Konsensfindungsprozesse und Blockadehaltungen begrenzten die Gestaltungs und Wandlungsfahigkeiten des mittelalterlichen Staatenbunds und forderten zentrifugal wirkende Krafte die den Reichsbund schwachten Aufgrund seiner betrachtlichen Eigengrosse das Nichtvorhandensein von Ruckstandigkeiten gegenuber ausseren Machten behielt der Reichsverbund trotz aller ausseren und inneren Angriffe seine Struktur bis zum 18 Jahrhundert aufrecht zerfiel dann aber zusehends 2 Herrschaftsrechte und herrschaftliche Gewalt waren in mehrere Berechtigungsarten unterteilt Die Grundherrschaft basierte auf Verfugungsrechten uber Bodenbesitz und allem darauf befindlichen und ermoglichte das Recht auf bauerliche Abgaben Die Herrschaft uber die niedrige und hohe Gerichtsbarkeit lag auch bei landsassigen Edelleuten oder korporativen Stadten das landesherrliche Kirchenregiment in protestantischen Territorien lag bei den vom Landesherren ernannten Bischofen Es gab auch noch informelle zum Teil vertragliche Uberlappungen weltlicher und geistlicher Herrschaft in katholischen Gebieten die nicht von der Sakularisation der Kirchenguter wahrend der Reformation betroffen wurden Die Partizipation an Herrschaft war standisch gegliedert Kaiser und Papst standen an der Spitze gefolgt von den uber ihre Landesherrschaft gebietenden Fursten Landesherrschaft bedeutete zunachst das Monopol der hohen Gerichtsbarkeit in einem Gebiet die Reichsstandschaft Recht an Reichstagen mitzuwirken keine Unterwerfung unter andere Gewalt als Kaiser und Reich Landstandschaft bedeutete das Recht an den Standeversammlungen eines landesherrlichen Territoriums mitzuwirken Der Burgerstatus brachte die Mitwirkung an der Verwaltung der Stadtgemeinde Zum Teil war der Burgerstatus in Ratsfahige und sonstige Burger unterteilt Die Zunfte bestehend aus Handwerkern machten mit dem Patriziat den grossten Teil der Burgerschaft aus Fursten verfugten als eigenes Beratungsorgan nur uber Hofrate die Teil des personlichen Gefolges des Fursten waren An Verwaltung gab es ihre Hofkanzlei und eine Hofkammer Sie betrieben eine Reiseherrschaft innerhalb ihres Territoriums von Landesherrlicher Burg zur nachsten 3 Residenzen hatten sich erst im Ansatz gebildet Das was es an Verwaltung bereits gab fand ohne Probleme Aufnahme innerhalb der Raumlichkeiten der Burgen und Schlosser Es gab kaum geregelte Staatsfinanzen Mit dem Ubergang von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft der Einfuhrung neuer bargeldloser Zahlungsformen auch als kommerzielle Revolution bezeichnet nahmen die wirtschaftliche gesellschaftliche Dynamiken spurbar zu Im Rahmen des sozialen Wandels entstanden neue Gesellschaftsgruppierungen Darunter die Burgerklasse die sich auch als soziale Klasse verstanden 4 Auch erste Formen der Lohnarbeit in den progressiven Regionen Europas fanden Verbreitung Fruhkapitalistische Pachtverhaltnisse entstanden und verdrangten unfreiere feudale Wirtschaftsstrukturen Die Wirtschaftsstrukturen wandelten sich Alte Eliten gerieten in eine okonomische Krise aus der sie sich nicht mehr befreien konnten Humanismus forderte die Schaffung neuer Bildungsinstitute wie Landesuniversitaten die nicht mehr in der Hoheit der Kirchen lagen Das Bildungsniveau stieg insgesamt an Experten wie Juristen oder Mediziner standen fur landesherrliche Aufgaben zur Verfugung Die Individualisierung nahm zu Dazu kamen tief einschneidende Auseinandersetzungen um den rechten Glauben im Zuge der Reformation Die Standeordnungen wankten Eine Mehrzahl hochadeliger europaischer Dynastien konkurrierten um die Verfugung uber materielle Guter Land Leute Guter Geld und immaterielle Ressourcen Ruhm Ehre Dabei stutzten sie sich auf zunehmend professionelle Machteliten mit Expertenwissen wie Gelehrte die ihren Status dem Fursten verdankten und daher gleichgerichtete Interessen hatten Das Wachstum der Staatlichkeit verscharfte die Rivalitat jeder suchte auf Kosten des anderen zu expandieren auch mittels Gewalt Staatsbildung erfolgte als Folge eines zunehmenden Verdrangungswettbewerbs zwischen den Herrschaftstragern Europas 5 Dabei wurden herrschaftliche Kriege immer ressourcenintensiver was zur Entstehung einer staatlichen Organisation bestehend aus einer Zentralverwaltung und einer Finanzeneinnahmeorganisation mit beitrug Vereinheitlichungstendenzen der herrschaftlichen Gewalt verstarkten sich um 1500 Die Fursten versuchten ihre stark eingeschrankten Herrschaftsrechte als Landesherren zu bundeln und einheitlich zu ordnen Teilweise mussten sie im Spatmittelalter ihre Rechte und Besitzungen verpfanden um Zugang zu standischen Finanzbewilligungen und Gelder zu erhalten Sie waren daher bestrebt die standische Rechte wieder einzuschranken und durch eine einheitliche disziplinierte von ihnen gelenkte und auf sie ausgerichtete Untertanengesellschaft zu ersetzen Ihr Ausgreifen richtete sich damit gegen das im Spatmittelalter vielerorts etablierte Standewesen insbesondere Stadte gutsbesitzender Adel und die Kirche Begleiterscheinungen Voraussetzungen BearbeitenIdeologie Bearbeiten nbsp Frontispiz von Hobbes Leviathan Zu sehen ist der Souveran der uber Land Stadte und deren Bewohner herrscht Sein Korper besteht aus den Menschen die in den Gesellschaftsvertrag eingewilligt haben In seinen Handen halt er Schwert und Krummstab die Zeichen fur weltliche und geistliche Macht Uberschrieben ist die Abbildung durch ein Zitat aus dem Buch Hiob 41 25 EU Keine Macht auf Erden ist mit der seinen vergleichbar 6 nbsp Buchdeckel von Il Principe und La Vita di Castruccio Castracani da Lucca 1550 Hauptartikel Politische Theorie Zur Bildung eines ubergeordneten geistigen Ideals eine Art moralisches Leitprinzip oder richtungsweisender Kompass fur die damaligen Herrscher bedurfte es der Entwicklung neuer geistiger Ansatze Diese pragten die Vorstellungswelten der Fursten bei ihrer Ausbildung fur ihr Herrscheramt von klein auf und wirkten sozialisierungsbildend auf die Herrscher ein Sie definierten zulassige und nicht zulassige Herrscherrollen und richteten die Person des Herrschers in ein Gesellschaftssystem das keine offizielle Verfassung kannte aus Den Staat gab es noch nicht in der Vorstellungswelt weltlicher Herrscher Es war zunachst nur ihr privates Besitztum eine Art uberdimensioniertes Grundstuck mit Wohnsitz und Wildparkcharakter Ein hoheres Verantwortungs und Pflichtgefuhl fur die eigenen Untertanen war ebenso wenig bei den Fursten ausgepragt Furstliche Souveranitat Staatsraison Herrschaftsvertrag spater der aufgeklarte Absolutismus wurden neue Kernelemente politischer Theorien die sich aus mehreren Entwicklungsetappen von 1500 bis um 1650 stufenweise entwickelte und der Furstenherrschaft einen hoher entwickelten Aufgaben und Pflichtenkatalog verordnete Nur das Militar sicherte im Mittelalter die Furstenherrschaft Legitimation basierte nur auf Starke Drohung und die Fahigkeit zur Sanktionierung Der Furst konnte bis dahin allenfalls mit einem symbolisch verliehenen Gottesgnadentum seine Herrschaft legitimieren Mit politischen Staats und Vertragstheorien liess sich von und vor den geistigen Eliten zusatzliche neue Herrscherlegitimation begrunden Sie verknupften die Furstenherrschaft mit der Aufgabe der Forderung der Allgemeinwohlfahrt Fursten sollten nun nach den gemeinsamen Nutzen fur die Sache streben Daran wurden sie fortan gemessen Widerstandsrechte waren daran gekoppelt 7 In der Zeit des Spatmittelalters dominierte der Typ des Desperados und Raubritters im Adel Bedingt war dies auch durch die Spatmittelalterliche Agrarkrise Ein guter Furst war ein guter Krieger der fur Ordnung im Gefolge sorgte und das uberbordende Fehdewesen klein hielt Der Aufwuchs des Selbstverstandnis der Landesherren mehr zu sein als nur eine ordnende Macht als Primus inter Pares erforderte die Schaffung des Leitbildes eines Potenten nach Macht strebenden Renaissancefursten der zugleich die Fahigkeit zur Ordnung Zentralisierung und Sachlichkeit besass Auf heutige Massstabe ubertragen entsprache dies einem General mit betriebswirtschaftlichen Managementkompetenzen Bis zum Beginn der Fruhen Neuzeit existierte das Ideal einer Christenheit als Herrschaftsverband unter der Doppelspitze von romischem Kaiser und Papst mit abgestufter Herrschaftsteilhabe der ubrigen Machttrager Karl V 1519 20 1556 Kaiser versuchte als letzter eine darauf hin ausgerichtete Universalmonarchie zu errichten Unterstutzt durch politische Theorien bildete sich bis ins 17 Jahrhundert das Konzept des souveranen Fursten Staats Im Westfalischen Frieden 1648 wurden erstmals die als souveran betrachteten Volkerrechtssubjekte aufgezahlt und damit ein internationales Staatensystem konstituiert Jean Bodin definierte in Six Livres de la Republique 1583 die Attribute von furstlicher Souveranitat Dazu gehorten die Entscheidungsgewalt uber Krieg und Frieden Begnadigungs Gesetzgebungs Steuergewalt Kontrolle eines Regierungs und Verwaltungsapparats Souveranitat wird Fursten zugeschrieben die diese direkt von Gott und ohne Zwischenschaltung von Kaiser und Papst erhalten haben Entsprechend ist es Pflicht der anderen Mitglieder einer politischen Gemeinschaft sich dem Fursten zu unterwerfen Dies bildet auch die Basis fur die Vorstellung einer absoluten Herrschaft im Innern Absolutismus Anfange der Staatsraison finden sich bei Niccolo Machiavelli im Il principe 1513 1532 Ausbildung fand die Vorstellung bei Giovanni Botero im Werk Della ragion di stato 1589 Die Erhaltung des stato also des Zustands der Herrschaft mit welchen Mitteln auch immer war nun oberstes Ziel politischen Handelns Der Staat wurde damit abgelost vom herrschaftlichen Personenverband gedacht Seine Fuhrung wurde zum Objekt ausschliesslich auf die Vernunft gestutzter Uberlegungen Praktische Durchsetzung fand dies Haltung gegen Ende des Dreissigjahrigen Kriegs als der spanische Konig in seinem Selbstverstandnis katholischer Konig angesichts der militarisch politischen Lage necessitas Vertrage mit den haretischen niederlandischen Generalstaaten und evangelischen Eidgenossen abschloss Unterwerfung und Kontrolle der Kirche verstarkte den Staatsbildungsprozess Der konfessionelle Pluralismus der sich in den europaischen Religionskriegen langfristig etablierte zwang die Fursten dazu die Legitimation der zentralen Herrschaft von der Konfession unabhangig zu machen und fuhrte zur Herausbildung neuer Legitimationsgrundlagen Naturrecht wohlfahrtsstaatlicher Utilitarismus Grundlegend fur den Gesellschaftsvertrag wurde Thomas Hobbes Werk Leviathan von 1651 Die Schrift leistete eine theoretische Begrundung und Rechtfertigung einer zentralen Staatsgewalt Im Naturzustand ohne Gesetz und Staat kampften alle Menschen gegen alle um knappe Ressourcen Auch ein Rechtschaffener musste von der Absicht eines Ubergriffs seitens seines Nachsten ausgehen und deshalb bestrebt sein diese Bedrohung vorsorglich auszuschalten Der Nutzen in Form von Sicherheit und Wohlfahrt fur alle steigt wenn alle Mitglieder eines Gemeinwesens ihre Macht und ihr Selbstbestimmungsrecht einem Einzelnen oder einer Versammlung ubertragen die der Gewalt hat Alle zum inneren Frieden und zu gegenseitiger Hilfe gegenuber aussere Feinde zu zwingen Autokratie und Absolutismusbestrebungen standen stets im Widerspruch zu Mitwirkmoglichkeiten der landstandischen Parlamente und politische Reprasentation Seit dem Spatmittelalter gab es Standeversammlungen in der Form von Landtagen die dem Herrscher als Beratungsgremium gegenubertraten England Magna Charta 1215 Reich 1495 Ohne Konsens der Stande konnten Fursten keine Steuern einfordern und kein neues Recht setzen Im Unterschied zu einem modernen Parlament setzten sich vormoderne Parlamente aber nicht aus gleichberechtigten gewahlten Vertretern der Staatsburger zusammen sondern vielmehr aus Herrschaftstragern bzw ihren Gesandten Im Reichstag wirkten Kurfursten Fursten Grafen Pralaten und Reichsstadte mit Parlamente reprasentierten somit nicht einen politischen Verband sondern konstituierten ihn selbst Entschieden wurde nicht nach Mehrheitsprinzip sondern getrennt nach standischen Kammern Adel Klerus Stadte Die politische Ordnung baute somit auf der sozialen Hierarchie auf Im Bestreben zur Etablierung einer absolutistischen Herrschaft versuchten Fursten mit unterschiedlichem Erfolg die Standeversammlungen auszuschalten Frankreichs Herrscher verzichteten nach 1614 auf eine Einberufung der Generalstande Die Person des Herrscher verkorperte den Staat Diese Grundhaltung hielt sich bis zum Ende des Absolutismus in Form des Ausspruchs L etat c est moi Eine andere Sichtweise betraf den Korporatismus der den Staat als Leib betrachtete und alle die Lehnstrager und damit Landsassige waren gehorten zum Staatskorper Personen bildeten Glieder eines Staates der organisch verwachsen war Diese biologische Begrifflichkeit eines Staats verdinglichte materialisierte und entpersonalisierte sich als mehr und mehr neue Behorden gegrundet wurden die ausserhalb und fernab des Hofs angesiedelt wurden Es entstand eine Expertokratie Auch der aufgeklarte Absolutismus der die Stellung des Fursten als Ersten Diener des Staates definierte brachte eine weitere Herabsetzung des Fursten in der Stellung zum Staat mit sich Der Furst war von diesem Zeitpunkt an vom Staatsbegriff externalisiert worden und gestaltete den nun zum Anstaltstaat gewandelten offentlichen Einrichtungskomplex als eigenstandiger Akteur von aussen Probleme daraus ergaben sich aus legitimatorischer Basis 8 Es fehlte die Gewaltenteilung und die Begrifflichkeit und Stellung des Volkes Beide Ansatze wurden zeitgleich entwickelt von Montesquieu Rousseau und Voltaire Sie fuhrten zur Weiterentwicklung des furstlichen Anstaltstaats in den Verfassungsstaat der ab dem 19 Jahrhundert Durchsetzung fand Der Fruhneuzeitliche Staat blieb auf halber Entwicklungsstrecke stehen Er veraltete ab Beginn der franzosischen Revolution schlagartig neue Konzepte die den dritten Stand politisch berucksichtigten waren entstanden Militarische Revolution Bearbeiten Hauptartikel Militarische Revolution Die gestiegenen militarischen Bedurfnisse die sich aus technisch gesellschaftlichen Revolutionen ergaben wurden Antrieb und Motor zur Ausweitung der landesherrlichen Staatstatigkeit Die Ablosung des Feudalgefolges zu der traditionell die Stellung von Lehnspferden gehorten durch frei geworbene Soldner fuhrte zur dauerhaften Ablose der uberkommenen Ritterheere Der Adel verlor damit seine Rolle als traditioneller feudaler Heerfuhrer 9 Es entstanden Landsknechtsheere die zunehmend mit Handfeuerwaffen ausgestattet waren Disziplin und Ordnung brachten die Oranischen Heeresreformen die zum Muster fur ganz Europa wurde Verbesserungen des Fortifikationswesen wurden mit Einfuhrung von Feldartillerie notig Diese konnte senkrecht aufragende Strukturen wie Stadtmauern zerstoren Befestigungen mussten nun so gebaut werden dass sie keine geraden Fronten mehr boten Hauptform Zitadelle Festungsbauten benotigten zusatzliche Finanzressourcen die der Furst nicht hatte Die Grosse der mobilisierbaren Heere stieg von 10 000 Mann um 1500 auf bis zu 150 000 Mann im Dreissigjahrigen Krieg an und danach weiter auf bis zu 400 000 Mann im Spanischen Erbfolgekrieg 1701 1713 All dies erhohte den Ressourcenbedarf der Kriegsfuhrung 10 Bis ins 17 Jahrhundert dominierten Soldnerheere danach wurden allmahlich stehende Heere auf Basis von fruhen Wehrdienstformen und Werbung aufgebaut Festungsbau Waffenbeschaffung Produktion Invalidenunterstutzung und die einsetzende Kasernierung inklusive Verpflegung als Nachfolge der Einquartierung bei Zivilisten waren ebenfalls kostenintensive Faktoren Die Grosse musste wiederum durch Vergrosserung der Heeresverwaltung Rechnung getragen werden Neue Amter entstanden und mussten unterhalten werden Auch Magazine Waffendepots und Enrollierungen benotigten eine dauerhafte Verwaltung Die Ablosung der Kompaniewirtschaft wurde zu einem Ziel der Landesherren um die Kontrolle auf den Militarapparat zu wahren und die Soldateska zu zugeln Um Kriege erfolgreich bestehen zu konnen musste die Ressourcenbasis eines Herrschaftsverbands ausgeweitet werden Untertanen waren als Soldaten zu gewinnen durch Zolle Akzisen auf Salz Bier Wein Getreidemahlen Steuern und verstarkte Nutzung der Krondomanen wurden die Einkunfte erhoht Die Aufbringung dieser Mittel erforderte den Aufbau eines kontinuierlich tatigen Regierungs und Verwaltungsapparats Zunehmende Ressourcenerweiterung traf auf den Widerstand seitens von Standeversammlungen zum Beispiel in Frankreich Fronde 1648 1653 und Untertanen Im Ergebnis erfolgten Einschrankungen der Rechte von Standeversammlungen und Untertanen Die dorfliche Autonomie bezuglich der kommunalen Selbstverwaltung wurde vielerorts eingeengt Es gab einen gesamtgesellschaftlichen Zwang zur Unterordnung unter die Landesherrlichen Strukturen Landesfursten versuchten auch unter Umgehung des traditionellen Rechts in die kommunalen Strukturen einzuwirken Die steigende Ressourcenintensitat im Zuge der Militarischen Revolution begunstigte grosse Staaten Diese konnten durch ihre hoheren Einnahmen und Bevolkerungsbasis ein grosseres Machtpotenzial aufbauen und unterhalten Eine Reihe kriegerischer Auseinandersetzungen bewirkte die Herausbildung eines internationalen Staatensystems Aus temporaren Gesandtschaften wurden um 1700 dauerhafte Einrichtungen an auswartigen Hofen Die Kommunikation zwischen den Herrschaftszentralen verdichtete sich Staatsvertrage wurden immer haufiger geschlossen Es manifestierte sich ein dichtes Kommunikationsnetz der Landesfursten und Konige in Europa Dies wirkte im Herrschaftsgefuge nach innen stabilisierend und brachte dem Fursten Informationsvorteile und Initiative Die kleinteilig organisierten Stande wurden auf ihre Provinzen zuruckgeworfen und hielten nicht mehr Schritt mit der Entwicklung Gesellschaftliche Selektionskampfe der sich beginnenden formierenden Sozialklassen um die Stellung im Herrschaftsgefuge begannen und mundeten in einen allgemeinen Klassenkampf Fruhburgerlicher Revolutionen Im Kampf um die Hegemonie unter den formal gleichwertigen Staaten um die Vormachtstellung in Europa zum Beispiel Reunionskriege Dominium Maris Baltici Sammlung der Russischen Erde musste ein tragfahiges Gleichgewicht erreicht werden Dies wurde durch das Kabinettkriegssystem erreicht Erbfolgekriege waren Ausdruck der engen Bindung staatlicher Identitat an Herrscherdynastien in der Fruhphase der Staatsentwicklung Die bekanntesten Beispiel waren der Spanische Erbfolgekrieg 1701 1713 und der osterreichische Erbfolgekrieg 1740 1748 Sozialdisziplinierung Bearbeiten nbsp Titelblatt der von Joseph Clemens erlassenen Policeyordnung von 1723 fur das Herzogtum Westfalen Hauptartikel Sozialdisziplinierung Die Sozialdisziplinierung zielte darauf ab das geordnete Leben in der Gesellschaft im Blick auf den Staat zu starken und hierfur das menschliche Verhalten in Beruf und Lebensmoral zu disziplinieren Aus einem ungelenkten und ungefuhrten Gesellschaftshaufen der undiszipliniert gewalttatig und chaotisch wirkte entstand durch Anwendung von Zwang und offentliche Gewalteinwirkungen eine Befehls und Gehorsamsstruktur 11 vor allem in urbanen Raumen sollte eine klarere Ordnung durchgesetzt werden die die landlich feudale Gesellschaftsordnung nicht zu losen vermochte Adressaten waren die korporativ hierarchische Standegesellschaft mit Geistlichkeit Adel stadtischer und landlicher Bevolkerung einerseits die absolutistisch hierarchische Staatsgesellschaft in Hof Burokratie und Militar andererseits Dabei wurde eine Ausrichtung des Handelns an individualethischen Gesichtspunkten angestrebt Wichtige Mittel der Sozialdisziplinierung der breiten Bevolkerung waren die Policey Gesetzgebung und die Kirchendisziplin katholische Beichte reformierte Sittenzucht Sie enthielten verfassungsrechtliche und strafrechtliche Bestimmungen und wurden oft vom Rathaus aus verkundet 12 Das Herrscherregiment versuchte damit uberall den eigenen Herrschaftsuberbau durchzusetzen Angesichts einer geringen Erfassung der lokalen Ebene durch den fruhmodernen Staat mit seinen ungenugenden Behordenunterbau war dieser aber durch ein Vollzugsdefizit gepragt Erfolg von Zivilisationsprozess und Sozialdisziplinierung war somit begrenzt Absolutismus war eher eine politische Idealvorstellung als gelebte Realitat Die Entfaltung des Staats erfolgte auf Reaktion gestiegener Bedurfnisses der Rechtsnutzung durch lokale Gemeinschaften Im Zuge sinkender Einkommen der Unterschicht und wachsender sozialer Ungleichheit nahm der Bedarf an hoheren rechtsordnenden Institutionen zu um den gesellschaftlichen Frieden zu wahren Staatsbildung ging mit dem Ausbau von Hofen und Residenzen einher Dier Herrscher versuchten den Adel von ihren Gutern in die eigene Nahe zu holen um sie so besser zu kontrollieren und Adelskonfoderationen die sich gegen sie richteten im Ansatz zu verhindern Es bildete sich die Schicht des Hofadels 13 Die Stellung des Adels hing deshalb zunehmend von seiner Nahe zum Fursten und von dessen Gunst ab Der hofische Alltag wurde in eine Abfolge von Zeremonien zur dauernden Darstellung der hofischen Gesellschaft rationalisiert Um sozial erfolgreich zu sein mussten sich deren Mitglieder strengen Verhaltenscodes unterwerfen Fremdzwang verwandelte sich in Selbstzwang Uber die Ausstrahlung von Hofen mit ihren Hofreglements und Zeremonien verbreitete sich zivilisiertes hofliches Verhalten in die weitere Gesellschaft Der Hof forderte die Zivilisation durch Bildung einer Avantgarde Politische Kommunikation wurde nun zelebriert Hoflichkeit Zuvorkommenheit uberspielten Rohheit und dem Naturzustand ahnliche Formen Diplomatie und Staatsakte differenzierten sich in alle Spharen furstlicher Umgangsformen und bezogen privateste Verrichtungen mit ein Deren tragende Bedeutungskraft fur heutige Menschen ausserst befremdlich wirken 14 Burokratie Bearbeiten Hauptartikel Burokratismus Vorreiterstaaten der fruhneuzeitlichen Staatsbildung wurden die einzelnen Furstenstaaten des Heiligen Romischen Reichs das einen dezentralen Aufbau besass und die nord westeuropaischen Staaten die einen zentralistischen Ansatz verfolgten Die Abweichung des Romischen Reichsmodells von den Ansatzen anderer Staaten erklart sich auch mit dem politischen Scheitern der Habsburgischen Kaiser im 16 und fruhen 17 Jahrhundert von ihrem Herrschaftssitz Wien aus eine unitarische Kaisergewalt uber das gesamte Territorium zur Entfaltung zu bringen 15 Der nordostliche Rand des Reiches bildete eine starke furstliche Gegenmacht aus die die furstliche Territorialherrschaft in ihren Staaten trotz aller kaiserlichen Gegenwehr durchsetzten Aufgrund der dadurch bedingten kleinteiligen raumlichen Organisationsstrukturen lag in der Mitte Europas das Zentrum der staatlich burokratischen Entwicklung Jedes Kleinstfurstentum errichtete eigene zentrale Herrschaftsstrukturen um seinen feudalen Herrscherhof wahrend in Frankreich alles auf die Zentrale Paris ausgerichtet wurde 16 Feudale Strukturen hielten sich in Ost und Sudosteuropa deutlich langer Deren Institutionenbildung blieb in Dichte und Zahl lange zuruck und erfuhr erst ab 1700 mit den Petrinischen Reformen einen nachholenden Schub Ausgehend von einem feudalen Personenverbandsstaat hatten sich bis 1800 in Europa wesentliche Merkmale des vormodernen Staats ausgepragt und verbreitet Diese waren Akkumulation und Konzentration der Herrschaftsrechte auf den Landesherrscher durch Ausschaltung ehemals gleichrangiger Herrschaftskonkurrenten Integration und Zuruckdrangung intermediarer standischer Gewalten Kirche Adel Stadte Arrondierung und Durchdringung des Territoriums Kreis und Amtsbildung Aufwuchs der Herrschaftsaufgaben von Rechts und Landfriedenssicherung auf aktivere Gestaltung aller Lebensbereiche Aufbau zentraler Verwaltungsapparate Entstehung einer Burokratie Finanzen Justiz Kirche Armeewesen Ausbau des Hofstaats zum institutionalisierten landesweiten Herrschaftsmittelpunkt Wandel der Herrschaftslegitimation von traditional sakraler Legitimierung von Gottes Gnaden im Mittelalter zu aufgeklarter vernunftgeleiteter Herrschaft im aufgeklarten Absolutismus Was fehlte und den fruhneuzeitlichen Staat vom modernen Staat unterscheidet war die fehlende Gewaltenteilung Die starke Stellung eines Herrscherhofs und die weiter grossen Anteil an Privatbesitz des Fursten am Territorium und dessen Eingriffsmoglichkeiten in die Exekutive Das Volk existierte gar nicht im Staatswesen Die mittelalterlichen Institutionen in aller ihrer Kleinteiligkeit und Kompetenzuberschneidungen waren weiterhin existierend Sie behinderten den Fortschritt Literatur BearbeitenStefan Breuer Sozialdisziplinierung in Christoph Sachsse Florian Tennstedt Hg Soziale Sicherheit und soziale Disziplinierung Frankfurt a M 1986 45 69 Norbert Elias Uber den Prozess der Zivilisation 2 Bde Frankfurt a M 1976 Norbert Elias Die hofische Gesellschaft Frankfurt a M 1983 Hanse Fenske et al Geschichte der politischen Ideen Frankfurt a M 1996 Winfried Freitag Missverstandnis eines Konzepts zu Gerhard Oestreichs Fundamentalprozess der Sozialdisziplinierung in Zeitschrift fur historische Forschung 28 2001 S 513 538 Geoffrey Parker Die militarische Revolution die Kriegskunst und der Aufstieg des Westens 1500 1800 Frankfurt a M 1990 Wolfgang Reinhard Geschichte der Staatsgewalt eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfangen bis zur Gegenwart C H Beck Munchen 1999 Gerd Schwerhoff Zivilisationsprozess und Geschichtswissenschaft Nobert Elias Forschungsparadigma in historischer Sicht in Historische Zeitschrift 266 1999 S 561 605 Weblinks BearbeitenWACHSTUM DER STAATLICHKEIT in Einfuhrung in die Fruhe Neuzeit auf uni munster deEinzelnachweise Bearbeiten Daniel Tilgner Sozialdisziplinierung und Sozialregulierung die Policeyordnungen fur Schleswig Holstein von 1636 und fur das Amt Bergedorf von 1623 LIT Verlag Munster 2000 S 20 Reinhard 1999 S 55 Reinhard 1999 S 81 Daniel Tilgner Sozialdisziplinierung und Sozialregulierung die Policeyordnungen fur Schleswig Holstein von 1636 und fur das Amt Bergedorf von 1623 LIT Verlag Munster 2000 S 19 Reinhard 1999 S 24 Interpretation aus Tobias Bevc Politische Theorie UVK Konstanz 2007 S 62 ISBN 978 3 8252 2908 5 Die Bibelstelle ist auf dem Titelblatt mit 41 24 angegeben Daniel Tilgner Sozialdisziplinierung und Sozialregulierung die Policeyordnungen fur Schleswig Holstein von 1636 und fur das Amt Bergedorf von 1623 LIT Verlag Munster 2000 S 21 Reinhard 1999 S 51 Daniel Tilgner Sozialdisziplinierung und Sozialregulierung die Policeyordnungen fur Schleswig Holstein von 1636 und fur das Amt Bergedorf von 1623 LIT Verlag Munster 2000 S 19 Parker 1990 S 24 Daniel Tilgner Sozialdisziplinierung und Sozialregulierung die Policeyordnungen fur Schleswig Holstein von 1636 und fur das Amt Bergedorf von 1623 LIT Verlag Munster 2000 S 40 Daniel Tilgner Sozialdisziplinierung und Sozialregulierung die Policeyordnungen fur Schleswig Holstein von 1636 und fur das Amt Bergedorf von 1623 LIT Verlag Munster 2000 S 39 Reinhard 1999 S 82f Reinhard 1999 S 93 Reinhard 1999 S 52 54 Reinhard 1999 S 65 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Fruhneuzeitliche Staatsbildung amp oldid 237685791