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Unter Universalmonarchie lateinisch monarchia universalis wurde die Herrschaft eines Einzelnen uber die ganze Welt verstanden Dieses in der Realitat nie verwirklichte Konzept war ein politischer Leitbegriff der Fruhen Neuzeit Ungeachtet der vielschichtigen Beziehungen der politischen Akteure zueinander war es fur das politische Denken bis ins 18 Jahrhundert kennzeichnend eine alles umgreifende Ordnung zu fordern Peter Paul Rubens Allegorie der Weltherrschaft Kaiser Karls V um 1604 Residenzgalerie Salzburg Inhaltsverzeichnis 1 Grundlegung im Mittelalter 2 16 Jahrhundert 2 1 Rechtsphilosophie 2 2 Bibelrezeption 3 17 Jahrhundert 4 Literatur 5 AnmerkungenGrundlegung im Mittelalter BearbeitenIm Mittelalter erhoben sowohl der Kaiser als auch der Papst einen Anspruch auf universale Herrschaft Imperium bzw Sacerdotium Daraus entstanden drei Probleme 1 der konkurrierende Anspruch des byzantinischen Kaisertums Zweikaiserproblem die Souveranitat anderer weltlicher Herrscher beispielsweise der Konige von Frankreich und von England das Verhaltnis von Kaiser und Papst zueinander Investiturstreit nbsp Antonius de RosellisIm 15 Jahrhundert nach der Niederlage des Konziliarismus wurden einander widersprechende Konzeptionen der papstlichen und der kaiserlichen Weltherrschaft entwickelt Der Theologe und Prediger Domenico de Domenichi 1416 in Venedig 1478 in Brescia 2 erklarte der Papst sei der Stellvertreter Christi und das Haupt der Kirche er besitze darum den Jurisdiktionsprimat und das Dispensrecht in der Gesamtkirche und konne von niemandem gerichtet werden Die Uberordnung des Papstes uber den Kaiser begrundete Domenichi in seinem Traktat De potestate papae et termino eius 1456 christologisch So wie Jesus Christus Hohepriesteramt und Konigtum in sich vereinige sei auch beides in seinem Stellvertreter dem Papst vereinigt Diese Herrschaft ube er faktisch uber die Christenheit aus sie stehe ihm aber von Rechts wegen uber die ganze Menschheit zu Der Papst ist der Erste unter den Fursten und der hochste Monarch Papa est primus princeps et monarcha summus Einen Gegenentwurf findet man bei dem Kanonisten Antonius de Rosellis 1381 in Arezzo 1466 in Padua Sein Hauptwerk De Monarchia seu de potestate imperatoris et papae nach 1430 entstanden wurde 1540 auf den Index librorum prohibitorum gesetzt 3 In der von ihm als Einheit gedachten Welt und Menschheit gab es zwei Gemeinwesen das spirituelle Gemeinwesen unter dem Papst und das irdische Gemeinwesen unter dem Kaiser Ersteres fuhre zum himmlischen Heil letzteres zum irdischen Gluck Die kaiserliche Gewalt sei im Gottesgnadentum begrundet der Kaiser konne von niemandem gerichtet werden 4 16 Jahrhundert BearbeitenDie bislang eher theoretischen Uberlegungen uber eine Weltherrschaft des Kaisers gewannen im Zuge des Neoghibellinismus unter Grosskanzler Mercurino Arborio di Gattinara und der Wahl des Habsburgers Karl V 1519 zum romischen Konig politische Aktualitat Die Dominanz des burgundisch spanisch habsburgischen Herrschaftssystems in Europa wurde durch Franz I von Frankreich herausgefordert Rechtsphilosophie Bearbeiten Die in sich vielfaltige Traktatliteratur der Regierungszeit Karls V argumentierte bevorzugt rechtsphilosophisch Der Universalmonarch sei das beseelte Gesetz lex animata die Quelle der Macht der Inhaber oberster Gewalt und hier kann wieder differenziert werden ob Papst oder Kaiser dieser Universalmonarch seien als dritte Moglichkeit wurde zuweilen auch der franzosische Konig in Betracht gezogen 5 Die Aufgaben des Kaisers als Universalmonarch wurden analog zu den Aufgaben des Papsttums entfaltet Er sorge fur Frieden Ruhe und Ordnung fordere so das allgemeine Wohl mit der Zukunftsvision eines Goldenen Zeitalters Als Beschutzer der Christenheit sollte er zunachst den Krieg gegen das Osmanische Reich fuhren bald aber auch den Kampf gegen die Parteiganger Martin Luthers eines verurteilten Ketzers 6 Gegner einer kaiserlichen Universalmonarchie unter ihnen Erasmus von Rotterdam brachten folgende klassische Argumente vor Ein einzelner Mensch konne nicht so viele verschiedene Lander regieren Es sei unwahrscheinlich dass in der Vergangenheit eine Menschheitsversammlung stattgefunden habe bei der ein Monarch bestimmt worden sei Lex regia Theorie Es habe noch nie eine Universalmonarchie gegeben auch das Imperium Romanum umfasste nicht den Erdkreis 7 Fur die Propaganda im Dienst Karls V war vor allem die aus der Universalmonarchie abgeleitete Weisungsbefugnis des Kaisers gegenuber anderen Monarchen wichtig Die Gegner Karls V bezeichneten diesen kaiserlichen Anspruch dagegen als Tyrannei Die Konige von Frankreich und England interpretierten ihr Regierungshandeln als Ubernahme kaiserlicher Befugnisse da der Kaiser versagt habe Die Universalmonarchie war daher fur ihre Kritiker eine Entartung des Kaisertums 8 Bibelrezeption Bearbeiten Hauptartikel Vier Reiche Lehre In der spanischen und portugiesischen Ausformung der Universalmonarchie verband sich die mittelalterliche Kaisertradition die von Karl V vermittelt wurde mit einer eigenstandigen Tradition von der Erwahlung der spanischen Konige durch Gott Die erfolgreiche Reconquista galt als Beweis fur diese Erwahlung Die Entdeckung und Eroberung der Neuen Welt vermittelte zusatzliches Selbstbewusstsein Man hatte das Imperium Romanum ubertroffen Dass Philipp II nicht die Kaiserkrone trug stand einem Fuhrungsanspruch in Europa daher nicht im Wege Seit der Personalunion von Spanien und Portugal 1580 regierte der Herrscher ein Reich in dem die Sonne nicht unterging d h in dem stets irgendwo heller Tag war und Gott in rechter Weise verehrt sowie fur den katholischen Konig Furbitte geleistet werde Dies erlaubte eine neue Interpretation der Bibelstellen Dan 12 11 EU und 2 Thess 2 6 EU Ublicherweise hatte man sie so verstanden dass das Romische Reich bzw eines seiner Nachfolgereiche das Weltende noch aufhalte Diese Rolle fiel nun dem Spanischen Weltreich zu Es galt als das letzte Reich der Weltgeschichte das den Auftrag habe das Evangelium vom Reich allen Volkern zu verkunden Weltmission vgl Mt 24 14 EU und die Sammlung der Christenheit unter einem Hirten Joh 10 16 EU vorzubereiten 9 17 Jahrhundert BearbeitenWahrend des Dreissigjahrigen Krieges war der Vorwurf nach der Weltherrschaft bzw Universalmonarchie zu streben das wichtigste Schlagwort der antispanischen Propaganda und fur die Gegner Spaniens ein Kriegsgrund 10 Der Begriff Universalmonarchie bezeichnete nun die Oberherrschaft eines Staates uber andere Staaten aufgrund seiner politisch militarischen Uberlegenheit Dort wo die Interessenspharen des Hauses Habsburg mit denen anderer europaischer Machte kollidierten furchtete man Habsburg werde eine militarische Intervention als gerechten Krieg darstellen gegrundet auf seinem Selbstverstandnis als Universalmonarchie 11 Gegner der Herrschaft Ludwigs XIV interpretierten Frankreich als Universalmonarchie und leiteten daraus die angemasste Rolle einer Ordnungsmacht gegenuber anderen Staaten ab Plausibilitat gewann diese Deutung durch die zahlreichen Kriege in die Frankreich involviert war Dass die Staaten Europas ein gemeinsames Ganzes bildeten war eine aus dem Mittelalter uberkommene Vorstellung die nicht in Frage gestellt wurde Aber sie begrundete nicht unbedingt eine Universalmonarchie Der Historiker Franz Bosbach schreibt Als Gegenbild zur Universalmonarchie und als Ersatz fur ihre argumentative Funktion trat in dieser Zeit zunehmend die Vorstellung vom Gleichgewichtssystem in Europa in den Vordergrund 12 Literatur BearbeitenFranz Bosbach Monarchia universalis Ein politischer Leitbegriff der fruhen Neuzeit Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Band 32 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1988 ISBN 3 525 35931 4 Online Franz Bosbach Papsttum und Universalmonarchie im Zeitalter der Reformation In Historisches Jahrbuch 107 1987 S 44 76 Franz Bosbach Die politische Bedeutung Karls des Grossen fur Karl V In Archiv fur Kulturgeschichte Band 84 2002 S 113 131 Online Mariano Delgado Der Traum von der Universalmonarchie Zur Danielrezeption in den iberischen Kulturen nach 1492 In Mariano Delgado et al Hrsg Europa Tausendjahriges Reich und Neue Welt Zwei Jahrtausende Geschichte und Utopie in der Rezeption des Danielbuches Universitatsverlag Freiburg und Kohlhammer Stuttgart 2003 ISBN 3 7278 1411 X und ISBN 3 17 017875 X S 252 305 Peer Schmidt Spanische Universalmonarchie oder teutsche Libertet Das spanische Imperium in der Propaganda des Dreissigjahrigen Krieges Studien zur modernen Geschichte Band 54 Steiner Stuttgart 2001 ISBN 3 515 07833 9 Anmerkungen Bearbeiten Franz Bosbach Monarchia universalis Ein politischer Leitbegriff der fruhen Neuzeit Gottingen 1988 S 21 Uwe Neddermeyer Domenico de Domenichi In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 3 Herder Freiburg im Breisgau 1995 Sp 321 Rudolf Weigand Antonius de Rosellis In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 1 Herder Freiburg im Breisgau 1993 Sp 793 Franz Bosbach Monarchia universalis Ein politischer Leitbegriff der fruhen Neuzeit Gottingen 1988 S 31 33 Peer Schmidt Spanische Universalmonarchie oder teutsche Libertet Das spanische Imperium in der Propaganda des Dreissigjahrigen Krieges Stuttgart 2001 S 99 f Franz Bosbach Monarchia universalis Ein politischer Leitbegriff der fruhen Neuzeit Gottingen 1988 S 39 Franz Bosbach Monarchia universalis Ein politischer Leitbegriff der fruhen Neuzeit Gottingen 1988 S 41 Franz Bosbach Monarchia universalis Ein politischer Leitbegriff der fruhen Neuzeit Gottingen 1988 S 43 f Franz Bosbach Monarchia universalis Ein politischer Leitbegriff der fruhen Neuzeit Gottingen 1988 S 63 Mariano Delgado Der Traum von der Universalmonarchie Zur Danielrezeption in den iberischen Kulturen nach 1492 Freiburg und Stuttgart 2003 S 254 und 257 f Peer Schmidt Spanische Universalmonarchie oder teutsche Libertet Das spanische Imperium in der Propaganda des Dreissigjahrigen Krieges Stuttgart 2001 S 95 Franz Bosbach Monarchia universalis Ein politischer Leitbegriff der fruhen Neuzeit Gottingen 1988 S 105 f Franz Bosbach Monarchia universalis Ein politischer Leitbegriff der fruhen Neuzeit Gottingen 1988 S 121 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Universalmonarchie amp oldid 238492705