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Als Oranische Heeresreform bezeichnet man die Reform des niederlandischen Heeres gegen Ende des 16 Jahrhunderts Inhaltsverzeichnis 1 Voraussetzungen 1 1 Neue Ideen 1 2 Druck von aussen 1 3 Einsichtige Heerfuhrer 1 4 Finanzmittel 2 Die Reform 2 1 Vermehrung der Feuerwaffen 2 2 Kleinere Formationen 2 3 Waffendrill und Exerzieren 2 4 Beginn der stehenden Heere 2 5 Ausbildung der Fuhrer 3 Auswirkungen der Reform 4 Verweise 4 1 Literatur 4 2 Einzelnachweise 4 3 AnmerkungenVoraussetzungen BearbeitenNeue Ideen Bearbeiten Die Wiederentdeckung antiker Schriftsteller in der Renaissance fuhrte auch zur Beschaftigung mit Schriften griechischer und romischer Philosophen A 1 und Militarschriftsteller A 2 Justus Lipsius entwickelte in seinen Schriften 1 daraus unter anderem die theoretischen Grundlagen fur ein neues Heerwesen Seine wichtigsten Ideen waren Durch Auswahl dilectus unter den Untertanen soll ein Heer entstehen das nicht die bekannten Mangel der im Ausland geworbenen Soldner wie Untreue Ungehorsam Beunruhigung und Plunderung des eigenen Landes aufweist Fur ein kleines Berufsheer sind durch eine strenge Auslese jahrlich die besten Landeskinder auszuwahlen Dieses Berufsheer wird verstarkt durch eine grossere Reservearmee ebenfalls aus Landeskindern fur den Garnisonsdienst in Festungen und Stadten und im Krieg zur Erganzung der Linientruppen aus Berufssoldaten Durch Ordnung disciplina soll eine neue Lebensweise der Soldaten erreicht werden Diese Ordnung grundet auf vier Saulen 1 Tagliches Exerzieren Drill beim Waffengebrauch und bei den Gefechtsbewegungen und Uben Schanzarbeiten und Lagerbefestigung sollen den Soldaten zu Gehorsam und einer selbstverstandlichen Ordnung fuhren 2 Auf der Exerzierdisziplin wird eine differenzierte Gliederung der Truppe aufgerichtet Eine neu klar gegliederte Ordnung im Lager und im Gefecht erfordert eine Vermehrung der hoheren Amterstellen schafft aber auch eine gut funktionierende Befehlshierarchie und macht die Truppe beweglicher fur den taktischen Einsatz 3 Pflichtbewusstsein Bereitschaft zur Verantwortung und Selbstbeherrschung nicht Fluchen Raufen Saufen Huren sind die Tugenden die den Soldaten auszeichnen 4 Diese Haltung wird gestutzt und gekraftigt durch ein wohldurchdachtes System von Belohnungen und Strafen Die strengen Strafen der Zeit werden keineswegs abgelehnt der Soldat soll aber durch Ermunterung und Anerkennung Beforderung nach Verdienst nicht nach Alter oder Gunst offentliche Belobigung Geldpramien davon abgehalten werden ihnen zu verfallen Das Heer wird durch eine jahrliche Heeressteuer finanziert Nur ein ausreichend und in geordneter Weise bezahlter Soldat wird ein williges Werkzeug in der Hand eines Kriegsherrn sein Die Stellung der Offiziere wird gestarkt durch eine bessere Ausbildung im Waffenhandwerk Wegen ihrer grosseren Pflichten wird von ihnen auch ein hoheres Verantwortungsbewusstsein erwartet bei Versagen erhalten sie eine scharfere Strafe Druck von aussen Bearbeiten In den ersten Jahren des Achtzigjahrigen Krieges wurden grosse Teile der nordostlichen Niederlande von den Spaniern erobert und nachdem der spanische Statthalter Alexander Farnese 1585 Antwerpen erobert hatte waren die Provinzen der Utrechter Union auf das Hochste gefahrdet Gegen die spanische Infanterie die zu dieser Zeit als die beste der Welt galt konnte auf Dauer nur eine neue reformierte Armee bestehen Einsichtige Heerfuhrer Bearbeiten Die neuen Ideen konnten nur durch Heerfuhrer umgesetzt werden die von ihnen uberzeugt waren und gleichzeitig uber eine grosse Autoritat verfugten Finanzmittel Bearbeiten Durch den Handel mit Ubersee Niederlandische Ostindien Kompanie und Niederlandische Westindien Kompanie verfugten die Niederlande uber ausreichende Geldmittel um die kostspielige Reform finanzieren zu konnen Auch der 1596 geschlossene Pakt der Generalstaaten mit England brachte finanzielle Unterstutzung Die Reform BearbeitenNicht alle Ideen Lipsius konnten sich durchsetzen Vor allem die Absicht eigene Landeskinder in das eigene stehende Heer zu verpflichten war in der damaligen Zeit noch undenkbar Auf den anderen theoretischen Grundgedanken aufbauend und in direkter Nachahmung der antiken Vorbilder schufen vor allem Moritz von Oranien Wilhelm Ludwig von Nassau und Johann Johann VII von Nassau Siegen ab 1580 das neue Heer der Generalstaaten 2 Vermehrung der Feuerwaffen Bearbeiten Schon das ganze 16 Jahrhundert hatte sich das Verhaltnis von Piken und Musketen zugunsten letzterer verandert Wahrend der Schweizer Haufen und das spanische Tercio noch ein deutliches Ubergewicht an Pikenieren hatten verfugten die Niederlander uber ausreichend Geld um etwa die Halfte ihrer Truppen mit Feuerwaffen auszurusten Kleinere Formationen Bearbeiten nbsp Niederlandische Ordonnanz TroupNach romischem Vorbild wurden kleinere dafur aber mehr Formationen gebildet um sie im Gefecht beweglicher einsetzen zu konnen Die Regimenter wurden in zwei Troups Halbregimenter geteilt die nun den eigentlichen taktischen Verband bildeten Ein Troup bestand aus funf Kompanien die Kompanien bestanden aus 50 Pikenieren 40 Arkebusieren und 20 Musketieren Gleichzeitig wurde die Tiefe der Troups reduziert die quadratische Karreeformation mit bis zu 30 Linien zu einer nur mehr 10 bis 12 Linien tiefen Formation auseinandergezogen Somit konnten vor allem die Feuerwaffen besser zum Einsatz gebracht werden nbsp Niederlandische Ordonnanz Aufstellung in TreffenZum Ausgleich der geringeren Tiefe im Gefecht gegenuber den Tercios wurden die einzelnen Troups nach romischem Beispiel in mehreren Linien hintereinander Treffen auf Lucke aufgestellt Die Niederlander wandten diese Aufstellung Niederlandische Ordonnanz erstmals mit Erfolg in der Schlacht von Nieuwpoort 1600 an Waffendrill und Exerzieren Bearbeiten Durch standigen Waffendrill wurde die Handhabung der Waffen verbessert Eigene illustrierte Handbucher 3 wurden verfasst in denen jeder Schritt beim Umgang mit der Pike oder der Muskete abgebildet war um einheitliche und effektive Manover ausfuhren zu konnen und die Schussfolge der Arkebusiere und Musketiere zu erhohen Nach romischem Vorbild wurden dabei die Kommandos in Ankundigungs und Ausfuhrungskommandos getrennt Je naher die Pikeniere und Feuerwaffentrager beieinander standen umso schneller konnten sich letztere bei Kavallerieangriffen in den Schutz der Pikeniere begeben Zur Verkleinerung der Abstande entwickelten die Niederlander daher die Enfilade anstelle des Kontermarsches Dazu kam das Uben von Wendungen Schwenkungen Douplierungen und Halbierungen nach Kommando Der einzelne Soldat wurde zu einem Radchen im Getriebe einer moglichst effektiv laufenden militarwissenschaftlich fundierten Kriegsmaschine reduziert Beginn der stehenden Heere Bearbeiten Diese komplexe Ausbildung einzeln und in geschlossenen Formationen erforderte eine lange Ausbildungs und damit Dienstzeit Die Soldaten wurden daher nicht mehr nur fur einen bestimmten Feldzug angeworben sondern fur eine langere Zeit oder hauptberuflich Durch die Bezahlung eines regelmassigen Solds wurden zwar die Kosten fur das nunmehr stehende Heer wesentlich grosser das gesicherte Einkommen verhinderte aber die gefurchteten Plundereien A 3 Ausbildung der Fuhrer Bearbeiten Waren bisher die unteren militarischen Fuhrer Vorkampfer auf Zeit waren sie nun ebenfalls standig im Dienst und verantwortlich fur die Ausbildung die Bewegungen im Gefecht und fur das moralische Verhalten der Soldaten Gleichzeitig stieg ihre Zahl im Heer wegen der grosseren Anzahl der Kompanien und sie mussten selbst alle Kommandos und deren Ausfuhrung beherrschen A 4 So konnte sich langsam ein Offizierkorps mit eigenem Ethos herausbilden Auswirkungen der Reform BearbeitenDie von Lipsius geforderten soldatischen Tugenden und sein System von Belohnungen und Strafen fuhrten zu dem 1590 erlassenen von Petrus Papus von Tratzberg verfassten Articulsbrief der niederlandischen Generalstaaten der erstmals ein einheitliches Kriegsrecht ohne Unterscheidung fur Reiter und Fussknechte schuf Die im niederlandischen Heer erreichte Ordnung fuhrte dazu dass dort die jahrhundertealte Furcht vor den Soldaten verschwand Die Kriegsartikel selbst waren Vorlage fur viele weitere folgende insbesondere die schwedischen von 1632 die brandenburgischen von 1656 und die englische New Model Army unter Oliver Cromwell Damit sind die Grenzen der Oranischen Heeresreform aber auch klar bezeichnet Der praktisch technische Teil der Ideen Lipsius die durch sie umgesetzt wurden beeinflussten uber Jahrhunderte die europaischen Heere Seine politisch soziologischen Forderungen blieben den Zeitgenossen und fur uber 100 Jahre auch deren Nachfolgern unverstandlich oder zumindest undurchfuhrbar Das Militarwesen in Gestalt des Soldnerheeres wurde noch grundsatzlich als selbstandiger Organismus angesehen der wohl vom Staat zum Zwecke der Kriegsfuhrung ins Leben gerufen und genahrt wurde der aber als Fremdkorper ausserhalb des Staates stand Der absolutistische Staat ubernahm das Militarwesen in der Form des Stehenden Soldnerheeres als einen selbstandig funktionierenden Organismus der nur uber die Person des Herrschers in den Staat integriert wurde 4 Erst die franzosische Revolution mit dem ganzlichen Umbruch des Staats und Menschenbildes schuf hier grundlegende Veranderungen die zu einer neuen Wehrordnung und zu einem neuen Leitbild des Soldaten fuhrte 5 Verweise BearbeitenLiteratur Bearbeiten Hans Delbruck Geschichte der Kriegskunst Teil 2 Die Neuzeit Neuausgabe des Nachdrucks von 1962 Walter de Gruyter amp Co KG Berlin 2000 ISBN 3 937872 42 6 Werner Hahlweg Die Heeresreform der Oranier Das Kriegsbuch des Grafen Johann von Nassau Siegen Veroffentlichungen der Historischen Kommission fur Nassau 20 Bearbeitet von Werner Hahlweg und hrsg von der Historischen Kommission fur Nassau Wiesbaden 1973 Werner Hahlweg Die Heeresreform der Oranier und die Antike Studien zur Geschichte des Kriegswesens der Niederlande Deutschlands Frankreichs Englands Italiens Spaniens und der Schweiz vom Jahre 1589 bis zum Dreissigjahrigen Kriege Schriften der Kriegsgeschichtlichen Abteilung im Historischen Seminar der Friedrich Wilhelms Universitat Berlin Heft 31 Hrsg Walter Elze Junker und Dunnhaupt Berlin 1941 Nachdruck mit Vorwort Lebensabriss und Bibliographie Studien zur Militargeschichte Militarwissenschaft und Konfliktforschung Band 35 Biblio Verlag Osnabruck 1987 ISBN 3 7648 1727 5 Papke Von der Miliz zum Stehenden Heer 1648 1789 in Militargeschichtliches Forschungsamt Hrsg Handbuch zur Deutschen Militargeschichte 1648 1939 1 Band Bernard amp Graefe Verlag fur Wehrwesen Munchen 1975 Theodor Fuchs Geschichte des europaischen Kriegswesens Teil I Truppendienst Taschenbucher Band 19 Verlag Carl Ueberreuter Wien 1985 Charles Oman A history of the art of war in the sixteenth century Greenhill Books London 1991 ISBN 0 947898 69 7 Michael Roberts The military revolution 1560 1660 In Clifford J Rogers The military revolution debate Readings on the military transformation of early modern Europe Westview Press Boulder Colo 1995 ISBN 0 8133 2053 4 S 13 35 Gerhard Oestreich Soldatenbild Heeresreform und Heeresgestaltung im Zeitalter des Absolutismus in Schicksalsfragen der Gegenwart Bd I Max Niemeyer Verlag Tubingen 1957Einzelnachweise Bearbeiten De constantia libri II 1584 Beschreibung der stoischen Pflichten De militia romana libri V 1595 Romisches Heerwesen Theorie und Praxis Wissenschaft und Heerfuhrung arbeiteten in dem zwar finanziell starken aber gebiets und volksmassig sehr schwachen Land eng zusammen Die gebildeten soldatischen Fuhrer besassen eine einmalige Energie zur Uberwindung der Widerstande sie fanden auch die volle Unterstutzung der von Spanien bedrohten Wirtschaftskrafte Gerhard Oestreich S 298 Jakob de Geyn Wappenhandelinghe van Roers Musquetten ende Spiessen Haag 1607 mit 42 Figuren Handhabung des leichten Feuerrohres 43 Figuren Handhabung der Muskete 32 Figuren Handhabung der Pike Johann Jakob von Wallhausen Kriegskunst zu Fuss zu hochnothigstem Nutzen und Besten nicht allein allen ankommenden Soldaten sondern auch in Abrichtung eines gemeinen Landvolcks und Ausschuss in Furtstenthumern und Statte Oppenheim 1615 2 Auflage Frankfurt a M 1630 Papke Handbuch I S 137 Oestreich S 320Anmerkungen Bearbeiten u a Seneca Polybios Organisation der romischen Legionen Aelianus Tacticus Tactica Leo IV Tactica Aus dem Bericht des venezianischen Gesandten 1620 aus Amsterdam Ich glaube nicht dass in irgendeinem Staate das Militar in so guter Ordnung gehalten wird wie hier Die Soldaten werden alle 10 Tage bezahlt und die Auszahlung wird um keine Stunde verschoben Hier herrscht der unbedingteste Gehorsam wegen der gemessensten Strenge gegen die Ubertreter Privatpersonen laden die Soldaten ein in ihren Hausern zu logieren Der Vorteil den die Kommune davon hat ist gross da beinahe alle ihre Einkunfte aus den Steuern auf die Lebensmittel kommen Der Soldat trinkt Bier und isst Butter vom Hausherrn der ihn beherbergt dann hat der Letztere noch Gewinn vom Logisgeld Wenn jemand ein kleines Zimmer mit zwei Betten vermietet kann er sechs Soldaten logieren da stets zwei auf der Wache sind 1617 grundete Johann VII in der Grafschaft Nassau Siegen eine Kriegsschule die allerdings nur zwei Jahre bestand die Johann Jacobi von Wallhausen leitete und die zum Vorbild spaterer Schulen wurde Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Oranische Heeresreform amp oldid 236608973