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Als Personenverbandsstaat bezeichnen einige Historiker den Staat des Fruh und Hochmittelalters bei dem sich die Herrschaft auf ein gegenseitiges personliches Abhangigkeitsverhaltnis zwischen Lehnsherrn und Vasallen grunde Den Begriff Personenverbandsstaat hat Theodor Mayer entwickelt und dem institutionalisierten Flachenstaat dem Territorialstaat der Neuzeit gegenubergestellt bei welchem die Herrschaft mit Hilfe offentlicher Einrichtungen und in einem zusammenhangenden Territorium ausgeubt wird Diesen Ansatz unterstutzten 1940 auch Gerd Tellenbach 1 und 1941 Walter Schlesinger 2 womit sie das Nachkriegsbild lange Zeit fixierten Ihre Deutung hatte sich damit von einer alteren auf Recht und Verfassung sowie uberpersonliche Institutionen gerichteten Sicht die als anachronistisch nachgewiesen wurde auf eine am personalen Herrschaftsprinzip orientierte Perspektive verschoben wonach auf Treue und Gefolgschaft gegenuber einem Fuhrer beruhende sowie personliche Bindungen den Staat gebildet hatten Nach Theodor Mayer konnten Personenverbandsstaaten von uberragenden Fuhrern die Gefolgschaft fanden und Gemeinschaft bildeten rasch zu grosserer Schlagkraft gebracht werden aber ihr Bestand war auch an die Wirksamkeit dieser Fuhrer gebunden Grosse Personenverbandsstaaten werden von genialen Mannern getragen und gefuhrt denen es manchmal gelingt eine uber ihr Leben hinausreichende Gemeinschaft und eine bleibende Tradition zu schaffen 3 Damit seien nach Anne Christine Nagel in starkem Masse zeitgenossische Rechtstheorien von Carl Schmitt und Ernst Rudolf Huber aufgenommen worden 4 Erste Kritik an diesem Spukbild das die Treue auch noch als typischen Zug des germanischen Volkes gegenuber der romischen Antike bezeichnet habe erhob der tschechische Historiker Frantisek Graus 1959 indem er aus den Quellen bewies dass die Treue kein auf die Germanen beschranktes Verhalten war 5 Mittlerweile haben jungere Historiker den Begriff in der Mediavistik durch andere Begriffe oder Bezeichnungen ersetzt In der Kontroverse zwischen Johannes Fried und Hans Werner Goetz in den 1980er Jahren ging es um die Vorstellungen der karolingischen Zeit hinter dem Begriff regnum Konigtum wie viel an transpersonalem Staat darin stecke 6 In den Forschungen uber Gruppenbildung und Gruppenbewusstsein im 10 Jahrhundert veroffentlichte Gerd Althoff 1990 Verwandte Freunde und Getreue und 1992 Amicitiae und Pacta neue Sichtweisen Bindungen verwandtschaftlicher und freundschaftlich genossenschaftlicher Art unter den Adligen waren hoherrangig als die Bindung an den Herrscher Die Pflichten gegenuber dem Konig traten zuruck Die Bindungen wurden durch eine religiose Schwureinung coniuratio noch weiter gefestigt 7 Hagen Keller ging bei seiner Analyse der politischen Ordnung des ottonischen Reichs von einer polyzentrischen Herrschaftsordnung aus Eine Auszahlung der Konigshofe sowie von Konigsgut Abgaben Zollen und anderen Einkunften beschreibe die staatliche Ordnung und die politischen Gestaltungsmoglichkeiten im 10 und 11 Jahrhundert nicht hinreichend Nicht Erwerb und Steigerung der Macht waren fur die Leistungen der ottonischen Herrscher der Massstab sondern ihre Integrationsfunktion Dem Konigtum sei nach Keller die Aufgabe zugefallen die einzelnen Adelsherrschaften uber die Gestaltung der personalen Beziehungen zu integrieren und ihnen so die Qualitat einer Herrschafts und Rechtsordnung zu verleihen 8 Literatur BearbeitenHans Werner Goetz Moderne Mediavistik Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1999 ISBN 3 534 14121 0 S 175 181 183 202 Walter Pohl Personenverbandstaat In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band 22 2 Auflage De Gruyter Berlin New York 2003 S 614 618 Anmerkungen Bearbeiten Gerd Tellenbach Die Entstehung des Deutschen Reiches Von der Entwicklung des frankischen und deutschen Staates im 9 und 10 Jahrhundert Munchen 1940 Walter Schlesinger Die Entstehung der Landesherrschaft Untersuchungen vorwiegend nach mitteldeutschen Quellen Dresden 1941 Theodor Mayer Der Staat der Herzoge von Zahringen Freiburg im Breisgau 1935 Mit Kurzungen wieder abgedruckt in Ders Mittelalterliche Studien Gesammelte Aufsatze Sigmaringen 1959 S 350 364 Zitiert nach Anne Christine Nagel Im Schatten des Dritten Reichs Mittelalterforschung in der Bundesrepublik Deutschland 1945 1970 Gottingen 2005 S 173 Anne Christine Nagel Im Schatten des Dritten Reichs Mittelalterforschung in der Bundesrepublik Deutschland 1945 1970 Gottingen 2005 S 89 91 und 126 f Frantisek Graus Uber die sogenannte germanische Treue In Historica Bd 1 1959 S 71 122 Johannes Fried Der karolingische Herrschaftsverband im 9 Jahrhundert zwischen Kirche und Konigshaus In Historische Zeitschrift Bd 235 1982 S 1 43 Hans Werner Goetz Regnum Zum politischen Denken der Karolingerzeit In Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Germanistische Abtheilung Bd 104 1987 S 110 189 Gerd Althoff Verwandte Freunde und Getreue Zum politischen Stellenwert der Gruppenbindungen im fruheren Mittelalter Darmstadt 1990 Gerd Althoff Amicitiae und Pacta Bundnis Einung Politik und Gebetsgedenken im beginnenden 10 Jahrhundert Hannover 1992 Hagen Keller Grundlagen ottonischer Konigsherrschaft In Karl Schmid Hrsg Reich und Kirche vor dem Investiturstreit Gerd Tellenbach zum achtzigsten Geburtstag Sigmaringen 1985 S 17 34 hier 26 Normdaten Sachbegriff GND 4245323 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Personenverbandsstaat amp oldid 209683271