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Ein Rittergut lat praedium nobilium sive equestrium war ein Besitz mit dem durch Gesetz oder Gewohnheitsrecht seit dem Mittelalter bestimmte Vorrechte des Eigentumers insbesondere die Rechte der Grundherrschaft uber erbuntertanige und zinspflichtige Bauern bis zur Bauernbefreiung sowie die Landtagsfahigkeit verbunden waren Hinzu kamen oft die Kanzleifahigkeit als erste Instanz in Rechtsstreitigkeiten sowie Steuerbefreiungen Nordgut Hohnhorst Ritterschaft des vormaligen Furstentums Luneburg im Besitz der Familie Hohnhorst Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung und Vorrechte 2 Vorbedingungen 3 Vergleichbare Gutsformen 4 Gegenwart 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseEntstehung und Vorrechte Bearbeiten nbsp Rittergut Cronheim mit Schloss Cronheim Wehrkirche St Maria Magdalena Allodium Vorwerk Cronheim und der Zehntscheune nbsp Rittergut Niedertopfstedt um 1860 Sammlung Alexander Duncker nbsp Rittergut Maldeuten um 1860 Sammlung Alexander DunckerDas Lehenswesen war bereits im Frankischen Reich entstanden um dem Ritterstand die ihm obliegende Verpflichtung zu Ritterdiensten als Panzerreiter wirtschaftlich zu ermoglichen Damit verbunden waren im Heiligen Romischen Reich deutscher Nation auch Befreiungen von den sonst auf landlichem Grundbesitz haftenden Steuern und bauerlichen Lasten wie etwa der Einquartierung Fronen etc Die Ritter waren dafur als Vasallen und Ministeriale dem Lehnsherren zum Kriegsdienst zu Pferde und spater alternativ zu Geldleistungen Ritterpferdgeldern verpflichtet die teils noch im Dreissigjahrigen Krieg und danach eingetrieben wurden Weitere Rechte des Lehnsherrn waren vor allem das Offnungsrecht sowie der Lehnsheimfall beim Aussterben des Mannesstammes der Lehnsnehmerfamilie Seit dem 14 Jahrhundert wurden die alten Lehensheere durch Soldnertruppen ersetzt was zum Ende des Ritterdienstes fuhrte und damit auch zu einem wirtschaftlichen Niedergang des deutschen Adels Sold und Kriegsbeute flossen nun in andere Taschen was eine der Ursachen fur das Raubritterwesen war Die Besitzer der Gutsherrschaften lebten nun uberwiegend von den Abgaben ihrer Erbuntertanigen oder Hintersassen Horige und Grundholde zum geringeren Teil auch durch Eigenversorgung mit Hilfe von Knechten und Magden Die Einkunfte aus Naturalabgaben waren oft relativ bescheiden denn die Bauern waren meist arm Ulrich von Hutten schildert in seinem Brief an Willibald Pirckheimer aus dem Jahr 1518 anschaulich die beengten und sorgenvollen Zustande auf der heimatlichen Burg 1 Siehe auch Wirtschaftliche Grundlagen des deutschen Adels Ausserdem waren mit den Rittergutern noch weitere Vorrechte verbunden Die Besitzer einer Grundherrschaft hatten in der Standeordnung des Mittelalters zumeist die Niedere Gerichtsbarkeit bzw Patrimonialjurisdiktion inne in selteneren Fallen auch die Hohe Gerichtsbarkeit Sie ubten damit bis zur Bauernbefreiung zugleich rechtsprechende Funktionen aus und stellten ausserdem die ortliche Obrigkeit mit lokaler Polizeigewalt dar vergleichbar einem Burgermeister teilweise noch bis ins 20 Jahrhundert Ferner gehorten zu den Vorrechten der Rittergutsbesitzer die Jagdgerechtigkeit haufig Fischereirechte Braugerechtigkeit und andere Bannrechte Das kirchliche Patronatsrecht ist oft bis heute mit dem Besitz eines Rittergutes verbunden Zur Verteidigung ihrer politischen Rechte organisierten sich die Besitzer von Lehens oder Allodialgutern im Spatmittelalter in manchen Regionen in Verbanden den sogenannten Ritterschaften Diese ubten politische Mitbestimmungsrechte in den Landtagen aus wo die Rittergutsbesitzer die Ritterschaft innerhalb der Landstande bildeten Die Landstandschaft stand ursprunglich allen Adligen der Region als Personalrecht zu 2 wurde mit der Zeit aber in Form eines Realrechts als Zubehor der Ritterguter selbst angesehen nobilitas realis In Preussen und auch in anderen Staaten wurden wegen ihrer Bedeutung fur die standischen und landschaftlichen Wahlen Verzeichnisse der Ritterguter gefuhrt die sogenannten Rittergutsmatrikel als Verzeichnisse der jeweiligen Guter sowie ihrer aktuellen Gutsbesitzer Nur den immatrikulierten Gutsbesitzern stand die Landstandschaft zu Wahrend ursprunglich nur Adlige Rittergutsbesitzer sein durften konnten ab dem 16 Jahrhundert Ritterguter auch von Burgerlichen erworben werden meist mit landesfurstlicher Ausnahmegenehmigung wobei auch die Ritterschaften durch die Immatrikulierung mitwirken mussten Meist suchten die neuen Rittergutsbesitzer dann beim Landesherrn um Nobilitierung nach und wurden oft auch geadelt Im 17 Jahrhundert gab es zunehmend auch burgerliche Rittergutsbesitzer seit der zweiten Halfte des 18 Jahrhunderts stieg die Zahl stark an Mit dem Erwerb eines Rittergutes gingen auch die mit dem Gut verbundenen Realrechte auf den neuen Eigentumer uber In den moderneren Verfassungen so in der preussischen Verfassung von 1850 wurde dieses Recht einer besonderen Vertretung der Rittergutsbesitzer in den Landtagen oft vollstandig aufgehoben In Preussen kam den Rittergutern danach aber noch eine Bedeutung fur die Kreis und Provinzialversammlungen zu Ritterguter in Preussen bildeten meist eigene kommunalrechtliche Gutsbezirke die neben der meist gleichnamigen Landgemeinde bis etwa 1929 bestanden In Mecklenburg bestand die allgemeine Landstandschaft der Rittergutsbesitzer noch bis 1918 in Niedersachsen existiert sie bis heute siehe unten Gegenwart Der wirtschaftliche Betrieb des meist weit ausgedehnten Grundbesitzes eines solchen Gutes erforderte bestimmte Gebaude Diese bestanden aus einem Herrenhaus oft auch einem Verwaltergebaude aus Stallungen verschiedener Art und Grosse Scheunen Molkereigebauden manchmal einer Brennerei oder Brauerei sowie den notigen Wohnungen fur die Arbeiter Bei der Anlage der Guter herrschte der Grundsatz dass Aufbau und Unterhaltung aus den Ertragen des Gutes zu beschaffen waren und die Ertragsgrenzen demnach nicht uberschritten werden durften Vorbedingungen BearbeitenMit den Rittergutern waren Verpflichtungen und Privilegien verbundenen An das Gut waren staatsrechtliche Befugnisse in Form von Realrechten gebunden Rechte die nur dem jeweiligen Rittergutsbesitzer zustanden Die staatsrechtlichen Befugnisse waren also unmittelbar mit dem Betrieb verbunden und gingen bei Ubertragung auf den neuen Eigentumer uber Dieser musste sich dann in der jeweiligen Ritterschaft gegen Zahlung einer Aufnahmegebuhr immatrikulieren lassen In einigen Landern mussten Ritterguter eine Mindestgrosse besitzen um dem in der Regel adligen Eigentumer eine unabhangige und damit standesgemasse Existenz zu ermoglichen die mogliche zusatzliche Ausubung eines burgerlichen Berufs war hierbei irrelevant In Preussen betrug dieses Mindestmass am Ende des 18 Jahrhunderts zwischen 40 und 80 Morgen 10 bis 20 Hektar jeweils abhangig von der Bodenqualitat und den Rechtsvorschriften der einzelnen Landesprovinzen Weitere Voraussetzung war ein sogenanntes castrum nobile also die Existenz eines Herrenhauses In Brandenburg zahlte um das Jahr 1900 ein Rittergut ab einem Grundsteuerreinertrag von 1500 Mark jahrlich zum Grossgrundbesitz abhangig von der Bodenqualitat war dazu ein Grundeigentum von 100 bis 200 Hektar Voraussetzung Die Regelung wurde jedoch nicht starr gehandhabt 3 Teilweise waren die Gutsrechte jedoch nicht an Land gebunden sondern basierten auf grundherrschaftlichen Rechten oder auf Kapitalbesitz 4 In den Ritterschaften des Konigreich Hannovers existierten zudem viele alte Burgmannshofe die in den Matrikeln der Ritterschaften gelistet waren jedoch nie uber grosseren Landbesitz verfugt hatten und oft nur aus einem kleinen Wohnhaus bestanden 5 Vergleichbare Gutsformen BearbeitenWeitere Gutsformen waren das lehnsfreie Allodialgut in Schleswig Holstein das Adlige Gut und als dessen Sonderform das Kanzleigut Im Bayerischen Reichskreis gab es die Hofmarken und Landsassenguter in Tirol die Ritterburgen sowie die neuzeitlichen Ansitze Die Hofguter der Landesherren wurden als Domanen oder Kammerguter bezeichnet in Preussen als Schatullguter Gegenwart BearbeitenBis heute existieren die Ritterschaften noch in Schleswig Holstein wo die Ritterguter die Bezeichnung Adliges Gut fuhren unabhangig von der Zuordnung ihres jeweiligen Besitzers zum historischen Adels oder Burgerstand und in Niedersachsen In Schleswig Holstein blieben die Gutsbesitzer wie auch in anderen preussischen Provinzen bis zur Auflosung der Gutsbezirke 1928 Obrigkeit der untersten Verwaltungsebene also praktisch Burgermeister legitimiert aus dem Grundeigentum fur den Gutsbezirk Danach wurde die Schleswig Holsteinische Ritterschaft ein Verbund von Familien welche die Adligen Guter als private landwirtschaftliche Betriebe fuhren Gemeinsam mit der Ritterschaft des vormaligen Herzogtums Lauenburg ist sie Trager eines privaten Vereins der Ritterschaftlichen Gesellschaft Schleswig Holstein Lauenburg e V 6 nbsp Das Gebaude der Ritterschaft und der Landschaft des vormaligen Furstentums Luneburg in Celle nbsp Sitz der Calenberg Grubenhagenschen Landschaft in HannoverIn Niedersachsen sind die Ritterschaften keine privaten Vereine sondern Korperschaften des offentlichen Rechts und durch Artikel 72 der Niedersachsischen Verfassung in ihrem Bestand geschutzt Regional organisiert sind sie nach den fruheren Furstentumern Mitglieder sind nach wie vor die Besitzer der in den Rittergutsmatrikeln immatrikulierten Ritterguter Sie ist ebenfalls unabhangig von der Zugehorigkeit des jeweiligen Rittergutsbesitzers zum historischen Adels oder Burgerstand Die Ritterschaften besitzen teilweise noch ihre alten Standehauser wo sie ihre Versammlungen abhalten Auch die standischen Rechte blieben in Rudimenten bis heute erhalten etwa durch die Mitgliedschaft der Ritterschaften in einer Landschaft Landstande und zwar den Landschaften und Landschaftsverbanden in Niedersachsen so der Ritterschaft des Herzogtums Bremen als Mitglied der Landschaft der Herzogtumer Bremen und Verden der Luneburger Ritterschaft als Mitglied der Landschaft des vormaligen Furstentums Luneburg der Osnabrucker Ritterschaft als Mitglied der Landschaft des ehemaligen Furstentums Osnabruck der Schaumburger Ritterschaft als Mitglied der Schaumburger Landschaft der Hoya Diepholzschen Ritterschaft als Mitglied der Hoya Diepholzschen Landschaft der Ritterschaft des ehemaligen Hochstifts Hildesheim als Mitglied der Landschaft des vormaligen Furstentums Hildesheim der Ritterschaft des vormaligen Furstentums Calenberg Grubenhagen Gottingen als Mitglied der Calenberg Grubenhagenschen Landschaft Letztere ist auch Mitglied im Landschaftsverband Sudniedersachsen und Landschaftsverband Hameln Pyrmont Die Ritterschaften von Hildesheim und Calenberg sind daruber hinaus bis heute Trager des Calenberger Kreditvereins einer offentlich rechtlichen Hypotheken und Pfandbriefbank Auch die Ritterschaft des alten Herzogtums Braunschweig fuhrte bis 1991 eine eigene Bank Die Ritterschaft des Herzogtums Bremen ist aus der erstmals 1397 erwahnten des Erzstiftes Bremen hervorgegangen und heute eine Korperschaft des offentlichen Rechts mit Sitz in Stade Sie ist noch gegenwartig Tragerin des Ritterschaftlichen Kreditinstituts Stade Im Gegensatz zu den niedersachsischen und bremischen Korperschaften sind die traditionsreiche Althessische Ritterschaft sowie die Rheinische Ritterschaft heute privatrechtlich organisierte Adelsvereine denen im ersten Fall die immatrikulierten landsassigen Adelsfamilien in ihrer Gesamtheit und im zweiten Fall die dem historischen Adel zuzurechnenden Besitzer der Ritterguter in der fruheren preussischen Rheinprovinz angehoren Die Baltischen Ritterschaften sind ebenfalls Traditionsvereinigungen ehemals landgesessener Adelsfamilien aus dem Baltikum Die bis 1945 bestehende Mecklenburgische Ritterschaft war bis 1918 eine Abteilung des Mecklenburgischen Landtags Das Ritterschaftliche Gebiet also die Gesamtheit der Ritterguter umfasste ca 46 der Gesamtflache Mecklenburgs Der Frankische Ritterkreis der Schwabische Ritterkreis und der Rheinische Ritterkreis wurden hingegen mit dem Ende des Heiligen Romischen Reichs 1806 aufgelost weil sie bis dahin die Interessenvertretungen der Reichsritterschaft also reichsfreier reichsunmittelbarer jedoch nicht reichsstandischer Ritter waren die sodann durch Mediatisierung unter die Herrschaft von Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes kamen Das ebenfalls mit seiner vormals reichsunmittelbaren Ratsherrschaft mediatisierte Nurnberger Patriziat grundete 1799 als Interessenvertretung im bayerischen Staat den sogenannten Selekt des Nurnberger Patriziats der als private Vereinigung bis heute besteht Literatur BearbeitenManfred Wilde Die Ritter und Freiguter in Nordsachsen Ihre verfassungsrechtliche Stellung ihre Siedlungsgeschichte und ihre Inhaber Aus dem Deutschen Adelsarchiv Bd 12 C A Starke Limburg Lahn 1997 ISBN 3 7980 0687 3 Zugleich Chemnitz Technische Universitat Dissertation 1996 Axel Flugel Burgerliche Ritterguter Sozialer Wandel und politische Reform in Kursachsen 1680 1844 Burgertum Bd 16 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2000 ISBN 3 525 35681 1 Digitalisat Rene Schiller Vom Rittergut zum Grossgrundbesitz Okonomische und soziale Transformationsprozesse der landlichen Eliten in Brandenburg im 19 Jahrhundert Elitenwandel in der Moderne Bd 3 Akademie Verlag Berlin 2003 ISBN 3 05 003449 1 Digitalisat Sabine Bock Gutsanlagen und Herrenhauser Betrachtungen zu den historischen Kulturlandschaften Mecklenburg und Vorpommern Hrsg von der Landeszentrale fur politische Bildung Mecklenburg Vorpommern Thomas Helms Verlag Schwerin 1996 2 erweiterte und uberarbeitete Auflage 2001 3 uberarbeitete Auflage 2007 Wolf Reinecke Landstande im Verfassungsstaat Gottingen 1975 ISBN 3 509 00610 0 Karl Friedrich Rauer Alphabetischer Nachweis Adressbuch des in den Preussischen Staaten mit Rittergutern angesessenen Adels Berlin 1857 Google Books Karl Friedrich Rauer Hand Matrikel der in sammtlichen Kreisen des Preussischen Staats auf Kreis und Landtagen vertretenen Ritterguter Berlin 1857 Google Books Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Ritterguter Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wikisource Album der Ritterguter und Schlosser im Konigreiche Sachsen Quellen und Volltexte nbsp Wiktionary Rittergut Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Literatur von und uber Rittergut im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Hubertus Gerhardt Ritterguter in Niedersachsen im Denkmalatlas NiedersachsenEinzelnachweise Bearbeiten Digitales Archiv Marburg Auszug aus dem Brief Ulrichs von Hutten 1488 1523 an den Nurnberger Patrizier Willibald Pirckheimer 1470 1530 uber das Leben auf einer Burg 25 Oktober 1518 Die Mitgliedschaft in der Althessischen Ritterschaft ist bis heute ein Personalrecht geblieben Rene Schiller Vom Rittergut zum Grossgrundbesitz Berlin 2003 S 183f So zum Beispiel das Stillhorner Lehnskapital im Furstentum Luneburg Siehe hierzu Ulrike Hindersmann Ritterguter der Luneburger Landschaft Die Ritterguter der Landschaft des vormaligen Furstentums Luneburg 2015 ISBN 978 3 8353 1680 5 Ulrike Hindersmann Der ritterschaftliche Adel im Konigreich Hannover Hahn Hannover 2001 ISBN 978 3 7752 6003 9 zugl Diss Univ Munster 1999 Website der Schleswig Holsteinischen RitterschaftNormdaten Sachbegriff GND 4196106 7 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rittergut amp oldid 235881869