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Als Judenchristen werden antike Juden bezeichnet die an Jesus von Nazaret als den menschlichen judischen Maschiach glaubten Bis etwa 100 n Chr stellten Judenchristen die Mehrheit des Urchristentums deren Nachkommen bis 400 n Chr zu christlichen Minderheiten mit judaisierenden Tendenzen wurden Spater werden einzelne aus dem Judentum zum Christentum konvertierte getaufte Juden so bezeichnet die sich zum Glauben an Christus als den gottlichen christlichen Messias bekannten Eine kontinuierliche judenchristliche Tradition gibt es weder im Judentum noch im Christentum Im Gegensatz zu Kryptojuden die aufgrund religioser Verfolgung und Unterdruckung nicht mehr frei ihre judische Religion praktizierten traten Judenchristen aus Uberzeugung zum Christentum uber Christen nichtjudischer Herkunft werden demgegenuber Heidenchristen genannt Sie stellten in einigen von Paulus von Tarsus ab etwa 50 gegrundeten Gemeinden die Mehrheit Zu den modernen Messianischen Juden gibt es keine historische Verbindung Inhaltsverzeichnis 1 Urchristentum 1 1 Selbstverstandnis 1 2 Erste Konflikte 1 3 Die paulinische Mission 1 4 Abgrenzung von christlicher Seite 1 5 Abgrenzung von judischer Seite 2 Judaisierende Christen im 2 Jahrhundert 3 Spatantike und Mittelalter 4 Neuzeit 5 Zeit des Nationalsozialismus 6 Seit 1945 7 Siehe auch 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseUrchristentum BearbeitenSelbstverstandnis Bearbeiten Nach dem Tod Jesu von Nazaret bildete sich das Urchristentum als eine innerjudische Sondergruppe 1 die sich als Teil des Judentums verstand und von damaligen Pharisaern nicht ausgegrenzt sondern gegenuber den Sadduzaern verteidigt wurde Alle fruhen Nachfolger Jesu fast alle Autoren des Neuen Testaments NT und die meisten Urchristen im 1 Jahrhundert waren judischer Herkunft also Judenchristen Die Apostelgeschichte erzahlt dass die Jerusalemer Urgemeinde judische Vorschriften wie den Tempelbesuch Apg 2 46 3 1 auch nach Jesu Tod befolgte und dort Opfer darbrachte Apg 21 26 Sie hielt wie Simon Petrus Apg 10 14 und Jakobus der Gerechte Apg 15 20f auch judische Speisegesetze den Schabbat und die Beschneidung ein Diese Urchristen unterschieden sich mit der Taufe dem gemeinsamen Herrenmahl eigenen Hausgottesdiensten der Gutergemeinschaft und der Betonung ihres Glaubens an das unmittelbar bevorstehende Endgericht von anderen Juden Sie verkundeten ihre Lehre anfangs ausschliesslich fur Juden und Vertriebene des Hauses Israels Dabei beriefen sie sich auf uberlieferte Jesusworte wie Mt 15 24 EU und 10 5ff EU Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel Geht nicht zu den Heiden und betretet keine Stadt der Samariter sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel Zuerst wurden demnach palastinische Mitjuden fur die Nachfolge Jesu geworben Dabei spielte auch die Verheissung Jes 49 6 EU eine Rolle auf die Jesus nach Mt 5 17 EU Bezug nahm Das erwahlte Volk Israel sei durch seine vorbildliche Erfullung der Tora zum Licht der Volker bestimmt Demgemass konzentrierten sich die urchristlichen Missionare auf die judischen Glaubensgenossen und Proselyten Vereinzelte Taufen und vollgultige Konversionen von Nichtjuden mit Beschneidung zum Judentum wurden als grosse Ausnahme besonders gewurdigt Apg 10 Erste Konflikte Bearbeiten Die Apostelgeschichte die Paulusbriefe der Jakobusbrief und andere neutestamentliche Texte zeigen dass in manchen urchristlichen Gemeinden Konflikte um die Heidenmission und die Weitergeltung der Tora fur getaufte Heiden ohne Beschneidung und vollgultige Konversionen zum Judentum auftraten Apg 6 1 LUT 10 45 LUT 11 3 LUT Dabei standen sich zunachst zwei Gruppen gegenuber Die Leiter der Urgemeinde betonten schon durch ihre Zwolfzahl die unauflosbare Verflochtenheit der Urchristen im Judentum Jakobus der alteste Bruder Jesu Simon Petrus und Johannes hatten die Fuhrungsrolle als Missionare und verwalteten Spenden aus anderen Gemeinden gaben allerdings schon Teilbefugnisse fur deren Versorgung ab Apg 6 1 6 LUT In der Regel wurden Neugetaufte nicht von den judischen Gesetzen entbunden sondern sollten sich beschneiden lassen Apg 15 1 LUT nicht zuletzt um die Stellung der Judenchristen im Zugriffsbereich der Sadduzaer in Jerusalem nicht zu gefahrden 2 Andere Juden mit griechischen Namen dagegen die sogenannten hellenistischen Judenchristen begannen die Mission unter den Gottesfurchtigen in der judischen Diaspora Einer von ihnen war Stephanus der erste christliche Martyrer Seine tempel und gesetzeskritische Missionspredigt Apg 7 LUT und der Zulauf den er gewann losten offenbar einen ersten Konflikt mit dem Sanhedrin aus der ihn nach einem Religionsprozess zum Tod verurteilt haben soll Bei seiner Steinigung soll der Pharisaer Paulus von Tarsus beteiligt gewesen sein Apg 8 1 LUT Die paulinische Mission Bearbeiten Paulus war es dann vor allem der nach seiner Bekehrung zum Urchristentum Damaskuserlebnis vorwiegend Nichtjuden missionierte und diesen die Beschneidung die Reinheits und Speisegebote und den Schabbat erliess bzw freistellte Apg 13 36 LUT Gal 5 6 LUT Er grundete etwa zehn Jahre lang eigene heidenchristliche Gemeinden Doch auch er erkannte die Jerusalemer Apostel als Autoritaten an rief zu Spenden fur sie auf Rom 15 25f LUT und suchte schliesslich ihre Legitimation fur seine Volkermission Gal 2 2 LUT Auf einem Apostelkonzil in Jerusalem um 48 versuchten beide Seiten sich zu einigen Lukas Apg 15 29 LUT behauptet man habe den Nichtjuden ein Minimum an Speise und Reinheitsgeboten die Jakobusklauseln anempfohlen wahrend Paulus Gal 2 6 LUT die vollige Freigabe von der Tora betont Letztlich setzte sich wohl Paulus damit durch dass den nichtjudischen Christen nichts auferlegt werden durfe Diese paulinische Theologie leitete die Trennung des Christentums vom Judentum ein Dort gewann nach 70 die Richtung der Pharisaer Rabbiner eine Fuhrungsrolle Abgrenzung von christlicher Seite Bearbeiten Nachdem die Einhaltung judischer Vorschriften nicht mehr Voraussetzung christlicher Lebensweise war dominierten zunehmend Heidenchristen die christlichen Gemeinden Das Imitieren judischen Verhaltens durch Heiden also die nachtragliche Beschneidung die zum Halten aller Toragebote verpflichtete lehnten Paulus und seine Schuler als unvereinbar mit dem Evangelium ab Paulus belegte konkurrierende Prediger die genau dies von den Christen seiner Gemeinden forderten mit dem ersten Anathema der Kirchengeschichte Gal 1 8 EU Aber er empfahl den von der Tora befreiten Christen auch die souverane Einhaltung der judischen Speisegesetze um der Liebe willen um ihre judischen Bruder nicht zu provozieren und die Gemeinde nicht zu spalten Rom 14 21 EU Teile der Ignatiusbriefe an die Magnesier 8 10 und Philipper 3 4 6 8 weisen darauf hin dass judische Traditionen innerhalb des Christentums um 110 fortbestanden Ignatius von Antiochien lehnte diese streng ab und beurteilte sie als Abfall vom wahren Christentum Im Barnabasbrief 1 oder fruhes 2 Jahrhundert wird die gesamte judische Heilgeschichte als uberholt heruntergespielt so dass man eigentlich entweder nur Jude oder Christ sein kann Hier begegnet die Substitutionstheologie wonach die Christenheit das wahre Israel gegenuber dem endgultig verworfenen Volk Israel sei Der christologische Glaubenssatz und ist in keinem anderen Heil wird exklusiv auf die Kirche bezogen nur durch die Taufe kann ein Jude daher das ewige Heil erlangen Dies reprasentiert die Kontinuitat des christlichen Antijudaismus Noch bei Justin Dialog mit dem Juden Tryphon 2 Jahrhundert erkennt man die Haltung dass sich Judenchristen zwar selber nach judischem Gesetz verhalten durfen aber niemanden dazu auffordern durfen es ihnen gleichzutun Er macht dabei aber auch deutlich dass nicht alle seine christlichen Zeitgenossen so tolerant sind Abgrenzung von judischer Seite Bearbeiten Schon seit der Judenverfolgung durch die Diadochen galten die judischen Gesetze die Einhaltung des Schabbat die Beschneidung und der Tempelkult als identitatsstiftend fur die judische Gemeinschaft Dass gerade diese vom Christentum suspendiert wurden wurde als Irrlehre aufgefasst und verfolgt Dabei gerieten vor allem Judenchristen ins Fadenkreuz da diese als Abtrunnige des Glaubens und Verrater des Volkes Israel betrachtet wurden Nach der Eroberung Jerusalems und der Zerstorung des Tempels 70 n Chr verlor die tempelorientierte Richtung der Sadduzaer zu Gunsten der rabbinischen Pharisaer ihre Fuhrungsrolle Obwohl es die sogenannte Synode von Jabne nach heutigem Forschungsstand nicht gegeben hat 3 gelang es den zwischen 70 und 132 in dieser Stadt lebenden Gelehrten der vorher am Jerusalemer Tempel orientierten Religionsgemeinschaft mit Priestern und Opferungen eine neue Richtung zu geben 4 Die Rabbiner sahen eine strenge aber flexible und realitatsgerechte Befolgung der judischen Tora wie sie in der mundlichen Halacha ausgelegt und spater im Talmud fixiert wurde als massgeblich fur das Judentum Dabei wurde der Tora Auslegung des Hillel gegenuber der des Schammai der Vorzug gegeben so dass die Lehren des Talmud Jesu Tora Auslegung in vielem sehr nahe standen z B Gleichrangigkeit von Gottes und Nachstenliebe Schabbatbruch bei Lebensgefahr Armenfursorge Die Christen von denen vor allem die Hellenisten Tempelkritik geaussert hatten wurden jedoch als messianische Gruppe indirekt fur mitschuldig am Ende des Tempels gehalten zumal sie dieses Ereignis als Gericht Gottes uber Israel wegen der Hinrichtung Jesu interpretierten So wurden sie zusammen mit anderen judischen Sekten um 100 mit einem Zusatz im Achtzehnbittengebet als Ketzer vom Judentum ausgeschlossen Die Urgemeinde hatte schon kurz vor der Zerstorung des Tempels durch die Romer im Jahre 70 Jerusalem verlassen und war zu grossen Teilen ins Ostjordanland umgesiedelt Sie busste damit jah ihre Vorrangstellung im Christentum ein und verlor sie schliesslich an die Gemeinde in Rom Als Kaiser Vespasian nun allen Juden verbot sich in Jerusalem anzusiedeln verlor das Judentum vollends sein bisheriges religioses Zentrum Damit wurde eine gemeinsame Glaubenstradition fur die verbannten Juden umso wichtiger um ihre Identitat zu bewahren und das Aufgehen in den Volkern zu verhindern Eine neue Phase kam nach dem gescheiterten Bar Kochba Aufstand im Jahre 135 Da die Christen auch hier die Waffengemeinschaft mit den judischen Kampfern ablehnten wurden sie selbst von diesen angegriffen Die christliche Lehre von der Trinitat war zu dieser Zeit noch nicht ausformuliert und stand nicht im Zentrum der gegenseitigen Abgrenzung von Juden und Christen Aber die Mischna als Vorform des Talmud reagierte bereits auf die Evangelien indem sie die Jungfrauengeburt der Maria und damit Jesu Gottessohnschaft bestritt und seine Verkundigung als Falschprophetie Gotzendienst und Verfuhrung des Volkes zu falschen Gottern deutete Judaisierende Christen im 2 Jahrhundert BearbeitenMit dem Niedergang der Jerusalemer Urgemeinde und durch die gegenseitige Abgrenzung trat ein Judenchristentum als selbstandige Grosse kaum noch in Erscheinung Die Judenchristen waren nicht mehr die massgebende Mehrheit sondern eine unbedeutende und theologisch abgewertete Minderheit Verstreute Gruppen versuchten aber noch an den verschiedensten Elementen des Judentums gegen die heidenchristliche Mehrheit festzuhalten siehe Judaisierer Sie lehnten die von Paulus gepragte gesetzesfreie Heidenmission ab und verlangten von nichtjudischen Christen die Einhaltung verschiedener judischer Tora Vorschriften Diese Gruppen betrachteten Paulus als Ketzer und fuhrten sich selbst auf Petrus oder den Herrenbruder Jakobus zuruck Sie beschrieben das Ergebnis des Apostelkonzils also gegenlaufig zu den Briefen der Paulusschule Ab etwa 100 n Chr bezeichneten heidenchristliche Theologen diese judaisierenden Gruppen als Juden um sie auszugrenzen Deren theologische und praktische Positionen galten den kirchlichen Theologen nun als Irrlehren Haresien die es zu bekampfen galt Die Kirchenvater die die grosskirchliche Lehre massgeblich formulierten gaben ihnen Namen wie Ebioniten Ebionaer Elkesaiten Hebraer Nazoraer oder Nazarener Sie schrieben ihnen eigene Schriften zu die weithin verschollen sind Die grossen Ketzerstreiter Hegesippus Eusebius von Caesarea und Irenaus von Lyon erwahnen ein Nazoraer Evangelium Dieses wird heute meist als aramaische Ubersetzung des Matthausevangeliums also nicht als haretisch angesehen ein Ebionaer Evangelium Auch dieses war wohl eine griechische Variante des Matthausevangeliums die aber die Geburtsgeschichten Mt 1 2 wegliess Grund dafur konnte ein Bestreiten der schon zum Dogma gewordenen Jungfrauengeburt sein Die Ebionaer waren es die laut Eusebius der Urgemeinde 62 Exil in Pella Jordanien boten und sie vor dem Untergang im judischen Aufstand retteten Sie weisen auf die Existenz judenchristlicher Gemeinden im Ostjordanland und in Syrien hin ein Hebraer Evangelium Dieses war ebenfalls griechisch verfasst nannte den Heiligen Geist Mutter Jesu und beschrieb seine Taufe als Entruckung vgl Mk 9 2 Es konnte auf agyptische Judenchristen verweisen die aramaisierendes Griechisch sprachen Gottes Geist ist auf Aramaisch und Hebraisch ruach Elohim weiblich Von diesen Originalquellen existieren nur Fragmente und indirekte Zitate vor allem im Dialog mit dem Juden Tryphon von Justin und in den Kerygmata Petrou der Pseudo Klementinen Bedingte Ruckschlusse auf diese Gruppen erlauben neutestamentliche Schriften deren Autoren eine betont judenchristliche Theologie gegenuber Paulus vertraten allen voran der Jakobusbrief auf andere Weise auch die Offenbarung des Johannes Seit Ferdinand Christian Baur 1792 1860 verwenden christliche Kirchen und Dogmengeschichtler den Begriff Judenchristentum oft unterschiedslos fur alle diese Gruppen um sie im Anschluss an Irenaus vom Heidenchristentum abzusetzen Ihre Herkunft Grosse und ihr Einfluss auf die gesamtkirchliche Entwicklung sind in der historischen Forschung stark umstritten Spatantike und Mittelalter BearbeitenIn der Spatantike waren mit Beginn des 4 Jahrhunderts all jene Gruppen aus der Kirche ausgeschlossen und existierten allenfalls noch als Sekten in Randbezirken des Romischen Reichs Die Erhebung des Christentums zu dessen Staatsreligion 380 vollendete die Trennung nicht nur vom Judentum sondern auch von judenchristlicher Theologie im Christentum Von nun an waren Juden die sich taufen liessen anfangs die massgebende Mehrheit eine seltene Ausnahme Judenchristen hiessen nun nur noch einzelne Juden die mit der Taufe ihr Judentum vollstandig aufgeben mussten Von ihnen wurde die innere und aussere Abkehr vom Judentum erwartet und oder erzwungen Da die Kirche sich durchgehend als das siegreiche wahre Israel gegenuber der unterlegenen Satanssynagoge verstand nahm ihre Judenmission bald den Charakter einer systematischen Judenverfolgung an In Spanien kam es unter den Westgoten im 7 Jahrhundert massenhaft zu Zwangstaufen dann auch zu Pogromen besonders wahrend der Reconquista vom 12 bis 15 Jahrhundert Getaufte Juden in Spanien von den anderen Christen marranos Schweine genannt hielten haufig trotzdem heimlich an ihren Traditionen fest oder wurden zu den eifrigsten Verfechtern der Judenmission Sie blieben so oder so meist Aussenseiter in der Kirche und waren besonderem Misstrauen unter ihren Mitchristen ausgesetzt Sehr selten gab es dennoch Juden die wohl aus echter Uberzeugung Christen wurden z B die Erzbischofe Julian von Toledo 690 oder Paulus von Burgos 1351 1435 Neuzeit BearbeitenMartin Luthers Judenhass trug im Gefolge der Reformation in der Neuzeit in den protestantischen Territorien eher zu einer Ruckwendung des Judentums zum Talmud oder zur mystischen Kabbala bei Doch gab es nun Judenchristen die sich die Bekehrung der Juden zur besonderen Aufgabe machten und dazu vor allem die Sprachbarrieren zu uberwinden suchten Dazu ubersetzte z B Immanuel Tremellius 1510 1580 an der Universitat Heidelberg Johannes Calvins ersten Genfer Katechismus Instruction et Confession de Foy dont on use en l Eglise de Geneve von 1536 ins Hebraische Im Gefolge der Aufklarung ubten dann gerade manche Judenchristen grossen Einfluss auf den orthodoxen Protestantismus ihrer Lander aus z B Isaac da Costa 1798 1860 und Abraham Capadose 1795 1874 auf den Calvinismus in den Niederlanden August Neander 1789 1850 und Friedrich Adolf Philippi 1809 1882 in Deutschland sowie Carl Paul Caspari 1814 1892 in Norwegen auf das Luthertum In der entstehenden deutschen Diakonie spielte Regine Jolberg 1800 1870 bei den Anglikanern der erste evangelische Bischof in Jerusalem Michael Salomo Alexander 1799 1845 im Katholizismus z B Johann Emanuel Veith 1787 1876 und Edith Stein 1891 1942 eine hervorragende Rolle Diese Einzelfalle anderten aber nichts an der gesellschaftlichen Ausgrenzung der Juden und Judenchristen in den kirchlich gepragten Gesellschaften Europas Nun entstanden jedoch in Westeuropa vereinzelt Zusammenschlusse von getauften Juden die Judenmission und judische Emanzipation in christlich dominierten Gesellschaften als ihre besondere Aufgabe ansahen 1770 entstand analog zu den Freimaurern eine Art Loge von Judenchristen in Amsterdam Die Herrnhuter Brudergemeine plante einen judenchristlichen Ableger zu dem es aber nicht kam In der Russisch Orthodoxen Kirche bildete sich eine Gruppe von Judaisierenden als Sekte In Polen trat seit 1755 der Judenchrist Jakob Joseph Frank 1726 1791 als Messias auf und scharte die Frankisten um sich um das am Talmud orientierte Ostjudentum zu bekampfen Jechiel Lichtenstein 1831 1912 grundete in Rumanien als Anhanger des Chassidismus einen Kreis von Juden die das Neue Testament studierten und sich als Mitglieder der Urgemeinde Jesu ansahen ohne einer Kirche beizutreten Joseph Rabinowitz 1837 1899 grundete in Kischinew unter dem Eindruck der dortigen Pogrome 1884 eine Gemeinschaft von Israeliten des Neuen Bundes Sie war als unabhangiges Sammelbecken zum Schutz in Osteuropa verfolgter Juden gedacht hielt Sabbat und Beschneidung ein und feierte das Abendmahl als Passahmahl Er erreichte jedoch keine behordliche Anerkennung so dass die Bewegung nach seinem Tod zerfiel und nur in Resten bis 1939 fortbestand Christian Theophilus Lucky eigentlich Chajim Jedidjah Pollak 1854 1916 versuchte Ahnliches in Galizien Seine Gruppe hielt sich an die talmudischen Speisegebote um Juden fur Jesus zu gewinnen und pflegte zugleich Kontakte zu Christen Er gewann Freunde unter ihnen unter anderen den evangelischen Pastor August Wiegand aber nicht die gewunschte staatliche Anerkennung als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft Seit dem spaten 19 Jahrhundert entstanden Gemeinschaften von Christen judischer Herkunft die Elemente judischer Religion bewahrten und im Kontakt mit dem Judentum weiterpflegen Einige davon nennen sich Messianische Juden Neben solchen Einzelinitiativen gab es auch Anlaufe zu einer konfessionsubergreifenden Organisierung von Judenchristen In London grundete sich 1813 der Verein der Sohne Abrahams aus getauften Juden die Mitglieder ihrer Freikirchen blieben aber sowohl das noch unbekehrte Israel missionieren als auch die Kirchen reformieren wollten Daraus ging 1925 die Grundung der International Hebrew Christian Alliance IHCA hervor Auf ihrer 5 Tagung 1937 in Budapest lehnte die Mehrheit eine eigenstandige judenchristliche Kirche ab In der Folge bildeten sich nationale Ableger in den meisten europaischen Staaten den USA Israel Sudafrika und Australien Sie versuchten Judenchristen in Deutschland 1939 1945 zur Ausreise zu verhelfen Heute bilden sie Missionare aus und bemuhen sich um Verstandnis fur besondere Belange der Judenchristen besonders in Israel und der Okumene 1947 Grundung der Judenchristlichen Gemeinde JCG and Jewish Christian Congregation JCC 5 in London Deutschland und Israel Jerusalem Haifa Tel Aviv und Petach Tikwa Herausgabe des Blattes Die Judenchristliche Gemeinde und Jerusalem Englisch durch Abram Poljak 6 Zeit des Nationalsozialismus BearbeitenEine eigenstandige judenchristliche Tradition war schon im Mittelalter nicht mehr gegeben neue Anlaufe seit der Neuzeit unterbrach der Holocaust in der Zeit des Nationalsozialismus nachhaltig Die Gleichschaltungspolitik des Nazi Regimes bereitete ihn vor und betraf auch die Organisationen der Kirchen Der vom Staat 1934 verlangte Ariernachweis betraf alle auch getaufte Juden Sie galten wegen der Nurnberger Rassegesetze 1935 weiter nach ihrer Herkunft als Volljuden und kamen spater in die Vernichtungslager Nichtjudische Ehepartner und Kinder wurden ebenfalls entrechtet jedoch vor der Vernichtung bewahrt Der Arierparagraph stellte besonders die Deutsche Evangelische Kirche vor eine Zerreissprobe Die Deutschen Christen wollten den judischen Einfluss auf das Christentum insgesamt beseitigen und dazu Christen judischer Herkunft in eine judenchristliche Kirche minderen Rechts abdrangen Die von ihnen gefuhrten Landeskirchen in Thuringen Sachsen Mecklenburg Anhalt und Lubeck schlossen Christen judischer Abstammung seit 1939 aus und verboten Judentaufen Dagegen entstand 1934 die Bekennende Kirche die illegal Pfarrer ausbildete und versuchte Judenchristen seit 1938 mit ihrem Buro Gruber teilweise illegal entweder zu Nebenstellen oder zur Ausreise zu verhelfen Auf katholischer Seite tat dies der deutsche Caritasverband unter Gertrud Luckner Solche Hilfsversuche blieben auf den innerkirchlichen Bereich begrenzt Widerstand gegen die rassistische Gesetzgebung und staatliche Verfolgung der Juden gab es seitens der Kirchen kaum Ab Herbst 1941 mussten Christen judischer Herkunft im evangelischen Gottesdienst den Gelben Stern tragen Auch bekennende Christen protestierten nur vereinzelt gegen die antijudischen Gewaltmassnahmen des Staates die Konzentrationslager die Nurnberger Rassengesetze oder die Reichskristallnacht Als Symbol fur das Schicksal der Judenchristen steht die 1922 katholisch getaufte Philosophin und spatere Nonne Edith Stein 1938 zog sie aus Vorsicht in die Niederlande wurde dort aber 1942 doch noch von den Nationalsozialisten gefasst und in Auschwitz umgebracht Opfer des Holocaust wurden zum Beispiel die vor 1933 evangelisch lutherischen Christen judischer Herkunft Elisabeth Braun Hans Leipelt und Werner Sylten aus Bayern Sie halfen anderen Judenchristen bevor sie ermordet wurden oder umkamen Elisabeth Braun vererbte ihr Haus der evangelisch lutherischen Kirche Bayerns deren Bischof Hans Meiser ihre Bittbriefe missachtet hatte Hans Leipelt wurde nach dem Verteilen des letzten Flugblatts der Weissen Rose verhaftet und hingerichtet Werner Sylten starb im KZ Dachau 7 Seit 1945 BearbeitenIn der Nachkriegszeit leistete vor allem die First Hebrew Christian Synagogue des Rabbiners Arthur Michelson Los Angeles USA den notleidenden Judenchristen Europas vielfaltige Hilfe Die ersten deutschen kirchlichen Schuldbekenntnisse schwiegen uber den Judenmord und setzten die alte Enterbungslehre fort Erst ganz allmahlich setzte ein theologisches Umdenken auf breiter Front ein massgeblich dazu beigetragen hat die Christlich Judische Zusammenarbeit besonders seit etwa 1965 Daraus hat sich eine neue Hinwendung zu judischen Traditionen ergeben die auf das Selbstverstandnis des Christentums in vielfaltiger Weise eingewirkt hat Die Verwerfung Israels als des Volkes Gottes gilt heute in vielen Teilkirchen als Irrlehre Damit geht auch das bessere Verstandnis der judenchristlichen Traditionen im Neuen Testament einher So sieht ein wachsender Teil der Neutestamentler und systematischen Theologen in Deutschland heute diese Traditionen nicht nur als historischen Ursprung sondern auch als bleibende normative Orientierung fur die ganze Kirche an Da im Zentrum des christlichen Glaubens ein Jude steht der sein Volk zuerst gerettet und so auch den Volkern Heil eroffnet hat mussten alle Christen sich als Judenchristen verstehen Von der Einsicht dieses ungekundigten Bundes Martin Buber her wird heute auch die Judenmission teils kompromisslos abgelehnt teils modifiziert Von Judenchristen im traditionellen Sinn Christen judischer Herkunft in der fruhen Kirche bzw zum Christentum ubergetretenen einzelnen Juden sind die Messianischen Juden hebraisch Meschichijim zu unterscheiden Hier handelt es sich um heterogene Gemeinschaften von Juden die Jesus Christus als den Messias Israels anerkennen und zugleich ihre judische Tradition beibehalten Ihre Vorlaufer sind jene Gruppen die im 19 Jahrhundert vor allem unter russischen oder polnischen Juden entstanden sind und Talmud Vorschriften bewahrten Schon 1935 grundete Abram Poljak 1900 1963 die Judenchristliche Union in Jerusalem die sich 1950 erfolglos als Union der Messianischen Juden zu etablieren versuchte Der Zusammenschluss weckte Befurchtungen einer Unterwanderung des Judentums wie auch einer Ausgrenzung der in Israel lebenden arabischen Christen bei den Kirchen In Europa vertrat Poljak danach eine Art eschatologischen Zionismus der den Staat Israel als Zeichen der nahen Endzeit und Heimstatt fur alle Juden zu verkunden suchte aber auch unter europaischen Judenchristen uberwiegend auf Ablehnung stiess In den 1960er Jahren entstanden unter der akademischen Jugend in den USA zahlreiche judenchristliche Gruppen ohne festgelegte Formen und Normen Jews for Jesus Eine wirkliche Heimat haben diese Gruppen vielfach weder in den Kirchen noch im Judentum gefunden Etwa seit Anfang der 1980er Jahre entstehen vermehrt auch in Europa judisch messianische Gemeinden die sich als Freikirchen vorwiegend dem evangelikalen Spektrum zuordnen teilweise charismatisch gepragt sind und eine umstrittene Judenmission unter Immigranten betreiben Auf den Identitatskonflikt christlicher Deutscher judischer Herkunft machte 1996 der Psychologe Franklin A Oberlaender aufmerksam 8 Die Frage eines eigenstandigen Judenchristentums ausserhalb des evangelikalen Bereichs ist weiter offen Ein Versuch einer gultigen Ortsbestimmung konnten die 1956 in Bossey ausgearbeiteten Thesen der 1881 82 gegrundeten International Hebrew Christian Alliance IHCA sein Der aus dem Judentum kommende Christ dient der Kirche als ein standiger Hinweis auf die Treue Gottes zu den Verheissungen seines Bundes und er dient dem judischen Volk als lebendiger Hinweis auf die Rettung die Gottes allmachtige Kraft durch Jesus Christus bewirkt Siehe auch BearbeitenDesposyniLiteratur BearbeitenHans Conzelmann Geschichte des Urchristentums Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1978 ISBN 3 525 51354 2 Fritz Majer Leonhard Artikel Judenchristentum In Die Religion in Geschichte und Gegenwart 3 Auflage Mohr Siebeck Tubingen 1959 S 967 976 Arnulf Baumann Artikel Judenchristen 2 Geschichtliche Entwicklung und Judenchristen heute In Evangelisches Kirchenlexikon 3 Auflage Gottingen 1986 Band 2 Sp 851 854 Jacques Gutwirth Les Judeo Chretiens d aujourd hui Editions de Cerf Paris 1987 Moshe Imanuel Ben Meir 1905 1978 Jewish Christian Community JCC Grundung durch Abram Poljak in Israel und Deutschland Judenchristliche Gemeinde JCG heute genannt Israel in Prophecy Herman Duringer Hartmut Schmidt Hrsg Kirche und ihr Umgang mit Christen judischer Herkunft wahrend der NS Zeit dem Vergessen ein Ende machen Haag Herchen Verlag 2004 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Judenchrist Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten Online Journal of Christian Theology and Philosophy Memento vom 25 Mai 2011 im Internet Archive Reza Aslan Zelot Jesus von Nazaret und seine Zeit Rowohlt Reinbek 2013 ISBN 978 3 498 00083 7 S 231 f Alexander Dubrau Jabne Jabneel Bibellexikon Bibelwissenschaft de vgl Peter Shirokov Eli Lizorkin Eyzenberg Council of Jamnia and Old Testament Canon Israel Institute of Biblical Studies Marz 2014 Whether the sages held a special council or if their discussions about the holy books were ongoing the enduring significance of Jamnia lies not in the closing of the Jewish canon but in ensuring the cultural and religious survival of the Jewish people Prior to 70 AD Judaism was fragmented into various sects The Jamnia sages intentionally promoted an inclusive pluralistic and non sectarian Judaism In light of new circumstances they created a more flexible system of Torah interpretation that accounted for diversity and charted a new way to relate to God and his covenant with Israel Shaye Cohen They shaped the possibility of new Jewish faith and life without sacrifices priesthood and the centrality of the Jerusalem Temple http www israelinprophecy org wiki pmwiki php Poljak Orientierungsplan http www israelinprophecy org wiki pmwiki php Poljak BiographischeDaten Bayerischer Rundfunk 21 November 2007 Jutta Neupert Gottvertrauen und Zivilcourage Ein Film uber evangelische Opfer des Nationalsozialismus Memento vom 19 Juli 2011 im Internet Archive Franklin A Oberlaender Wir aber sind nicht Fisch und nicht Fleisch Christliche Nichtarier und ihre Kinder in Deutschland Vs Verlag 1996 ISBN 3 8100 1466 4 nbsp Dieser Artikel wurde am 10 Oktober 2005 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel 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