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Sekte von lateinisch secta Partei Lehre Schulrichtung ist eine Bezeichnung fur eine religiose philosophische oder politische Richtung und ihre Anhangerschaft Die Bezeichnung bezieht sich auf soziale Gruppierungen die sich durch ihre Lehre ihr Dogma oder ihren Ritus von vorherrschenden Uberzeugungen unterscheiden und oft im Konflikt mit deren Vertretern und Anhangern stehen In erster Linie steht Sekte fur eine von einer Mutterreligion abgespaltene religiose Gemeinschaft Der ursprunglich wertneutrale Ausdruck hat aufgrund seiner Geschichte und Pragung durch den kirchlichen Sprachgebrauch einen meist abwertenden Charakter erhalten und wird seit den 1960er Jahren verstarkt in negativem Sinn verwendet In der modernen Religionswissenschaft und Soziologie werden statt des Begriffs Sekte neutrale nicht wertende Bezeichnungen wie religiose Sondergemeinschaft neureligiose Gemeinschaft oder neue religiose Bewegung verwendet Inhaltsverzeichnis 1 Begriffsgeschichte 1 1 Antike 1 2 Mittelalter und Fruhe Neuzeit 1 3 Moderne 2 Allgemeine Verwendung des Begriffs 3 Staatliche Begriffsverwendung 3 1 Deutschland 3 2 Frankreich 3 3 Schweiz 4 Wissenschaftlicher Gebrauch 4 1 Theologischer Gebrauch 4 2 Rechtswissenschaftlicher Gebrauch 4 3 Soziologische Definitionen 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 AnmerkungenBegriffsgeschichteAntike In der Antike verwendete man im Griechischen das Wort aἵresis hairesis im Lateinischen secta Das lateinische secta ist abgeleitet vom Verb sequi folgen speziell Anhanger einer Person oder Lehre sein Erstmals ist das Wort im 3 Jahrhundert v Chr bei dem Dichter Gnaeus Naevius bezeugt Als secta bezeichnete man wertneutral nicht nur eine philosophische Schule sondern auch eine Schulrichtung in der Rechtswissenschaft oder die Anhangerschaft eines Politikers 1 Ausserdem wurde hairesis latinisiert Als Lehnwort aus dem Griechischen war das lateinische haeresis ein Synonym von secta Etymologisch ist hairesis von haireomai sich nehmen auswahlen vorziehen abgeleitet und bedeutete ursprunglich Wahl sowie das was man ausgewahlt hat wofur man sich entschieden hat eine Partei Meinung oder Uberzeugung Ab dem Zeitalter des Hellenismus bezeichnete man als hairesis eine philosophische Lehre sowie deren Anhangerschaft beispielsweise die Stoiker Peripatetiker oder Platoniker Akademiker Der Begriff wurde aber nicht nur in philosophischen oder weltanschaulichen Zusammenhangen verwendet Im 2 Jahrhundert verfasste der beruhmte Arzt Galen ein griechisches Werk uber die drei wichtigsten damals bestehenden medizinischen Schulrichtungen worin er fur diese die Bezeichnung hairesis gebrauchte Diese einflussreiche Schrift wird noch heute unter ihrem lateinischen Titel De sectis wortlich Uber die Sekten zitiert 2 Im Judentum wurde der griechische Begriff hairesis ubernommen und nicht nur fur griechische Philosophenschulen sondern auch fur judische theologische Richtungen wie die Sadduzaer Pharisaer und Essener verwendet Auch hier war keine negative Konnotation damit verbunden es gab keine Autoritat die in der Lage gewesen ware ein bestimmtes Dogma oder Bekenntnis verbindlich als rechtglaubig festzulegen und eine abwertende Bezeichnung fur alle davon abweichenden Richtungen einzufuhren So schrieb der judische Historiker Flavius Josephus im 1 Jahrhundert er habe sich in seiner Jugend fur die hairesis der Pharisaer entschieden die der philosophischen hairesis der Stoiker ahnlich sei 3 Im Sinne dieses Sprachgebrauchs wurden die ersten Christen als hairesis der Nazarener im Rahmen des Judentums bezeichnet 4 Im Gegensatz zur wertfreien judischen Begriffsverwendung erhielt bei den Christen hairesis von Anfang an eine negative Konnotation die schon bei dem Apostel Paulus deutlich erkennbar ist Zwar wurde der Ausdruck in der fruhen christlichen Literatur gelegentlich noch im herkommlichen Sinne als neutrale Bezeichnung verwendet doch galt in den miteinander in Kommunion stehenden Gemeinden jede Parteiung unter Christen als unvereinbar mit dem Wesen der einen Kirche und ihrer verbindlichen Lehre und daher als skandalos Hairesis bedeutete in der Alten Kirche Abweichung vom wahren Glauben und dadurch Trennung von der Gemeinde Haresie Ab Beginn des zweiten Jahrhunderts ist hairesis als theologischer Fachbegriff in diesem Sinn bezeugt in der Folgezeit dominierte der Wortsinn Irrlehre daneben wurde das Wort auch als Synonym von schisma Spaltung Abspaltung gebraucht Den als Haretiker Ausgegrenzten wurden die Bezeichnungen Christen und Kirche nachdrucklich verweigert 5 Es entstand eine haresiologische und haresiographische Irrlehren beschreibende kirchliche Literatur Den ersten Haretikerkatalog erstellte Justin der Martyrer im 2 Jahrhundert Eine abwertende Begriffsverwendung kam auch in nichtchristlicher Literatur vor so vertrat im spaten 3 Jahrhundert der pagane Neuplatoniker Alexander von Lykonpolis die Ansicht das Christentum habe einen Niedergang erlebt denn es seien ehrgeizige und neuerungssuchtige aber zu gedanklicher Klarheit unfahige Sektengrunder aufgetaucht von denen jeder eine neue hairesis eingefuhrt habe Dies habe zu Verwirrung und vielfacher Aufspaltung gefuhrt 6 Mittelalter und Fruhe Neuzeit nbsp Aus dem illustrierten Sektenkatalog eines unbekannten Kunstlers um 1647 Die lateinischen Begriffe haeresis und secta wurden im Mittelalter und in der Fruhen Neuzeit weiterhin so wie in den Schriften der antiken Kirchenvater zur abwertenden Bezeichnung von Irrlehren und deren Anhangerschaft verwendet So wurden die Protestanten als secta Lutherana bezeichnet 7 In der Ostkirche wurde der Islam als Variante des spatantiken Arianismus betrachtet und daher ab dem 8 Jahrhundert offiziell unter die Sekten eingereiht 8 Ins Mittelhochdeutsche entlehnt wurde das lateinische Wort in der zweiten Halfte des 12 Jahrhunderts Der alteste deutsche Beleg bezieht sich auf die damals als Haretiker verteufelten Arianer 9 Der deutsche Wortgebrauch im Spatmittelalter und in der Fruhen Neuzeit entsprach im religiosen Kontext dem lateinischen secte oder sec k t wurde mit Vorstellungen wie Rotte Aufruhr Spaltung und Zwietracht assoziiert 10 Nach der Reformation pflegte man in Deutschland religiose Gruppen ohne reichsrechtliche Anerkennung Sekten zu nennen 8 Neben dem in der Regel abwertenden Wortgebrauch in religiosen Zusammenhangen gab es ab dem 16 Jahrhundert im Lateinischen und im Deutschen auch eine wertneutrale aus antiken Texten ubernommene Begriffsverwendung zur Bezeichnung philosophischer und medizinischer Schulrichtungen 11 Moderne Wahrend im Deutschen Sekte auch in der Moderne sehr haufig in einem negativen oft stark abwertenden Sinn verwendet wurde und wird hat das englische Wort sect einen eher wertneutralen Sinn So wird in englischsprachiger buddhistischer Literatur sect als wertneutraler Ausdruck zur Bezeichnung von angesehenen Schulrichtungen verwendet 12 Dem deutschen pejorativen Ausdruck Sekte entspricht der englische Begriff cult als polemische Fremdbezeichnung 13 Nach 1900 wurde der Begriff Sekte noch sehr breit verwendet namlich generell fur im betreffenden Land kleine Religionsgemeinschaften Etwa im katholisch dominierten Osterreich wurden Adventisten Baptisten Anglikaner Quaker oder Anhanger von Swedenborg so bezeichnet 14 Allgemeine Verwendung des Begriffs nbsp Titelblatt der Timmschen Sekte aus dem Jahr 1905 Hinrich Timm geriet in fanatischen Hass gegen die Landeskirche und forderte radikalen Umbruch Er sass jahrelang wegen Hetzerei gegen die Landeskirche im Irrenhaus Im landlaufigen Sprachgebrauch werden als Sekten oft religiose Gruppen bezeichnet die in irgendeiner Weise als gefahrlich oder problematisch angesehen werden oder die in orthodoxer theologischer Hinsicht als Irrlehre angesehen werden Dies betrifft sowohl seit Langem bestehende christliche Gemeinschaften die sich in Lehre oder Praxis vom Herkommlichen unterscheiden als auch neue Gruppen Zu Letzteren zahlen insbesondere solche die in der zweiten Halfte des 20 Jahrhunderts entstanden sind und damals als Jugendreligionen bezeichnet wurden weil sie anfanglich viele junge Mitglieder hatten Sekte wird heute oftmals als Kampfbegriff gebraucht 15 So wird sogenannten Sekten haufig vorgeworfen sie wurden sich vor allem aus wirtschaftlichen Grunden als religiose Glaubensgemeinschaften ausgeben um den besonderen Schutz des Staates grossere Freiheiten und Rechte sowie die Befreiung von Steuern zu geniessen Bekanntestes Beispiel dafur ist Scientology In jungerer Zeit wird der Terminus Sekte auch im sakularen Bereich verwendet um beispielsweise Kritiker von vorherrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinungen sozialen Ublichkeiten oder Absplitterungen von politischen Parteien abwertend zu charakterisieren 16 Im Juni 2018 akzeptierte das OLG Frankfurt es als Teil der freien Meinungsausserung ein Unternehmen als Sekte zu bezeichnen 17 Das Bezeichnung Sekte fuhrt immer wieder zu Kontroversen da mit dem Begriff allgemein eine besondere Konflikttrachtigkeit assoziiert wird 18 Dabei stehen sich zwei Grundhaltungen gegenuber Auf der einen Seite eine Betonung der Religionsfreiheit und der weltanschaulichen Neutralitat des Staates Hier wird Zuruckhaltung bei der offentlichen Bewertung religioser und weltanschaulicher Positionen und bei Massnahmen gegen missliebige Minderheiten empfohlen Die gegenteilige Haltung nehmen diejenigen ein die insbesondere neureligose weltanschauliche Sondergruppen zum Teil scharf verurteilen und in manchen Fallen deren gesellschaftliche Achtung anstreben Im Einzelnen drehen sich die Kontroversen beispielsweise um mutmassliche oder tatsachliche Einschrankungen der Religionsfreiheit religioser Randgruppen etwa durch Kritik ihrer Praktiken und juristische Zwangsmassnahmen 19 Einschrankungen der religiosen Freiheit durch unterschiedliche Grade der gesetzlichen Anerkennung Art 4 GG der Bundesrepublik Deutschland gesteht grundsatzlich die freie Religionsausubung zu Einschrankungen ergeben sich aus dem Artikel selber nicht sind aber oft genug Gegenstand der aktuellen Rechtsprechung Das Grundrecht auf Religionsfreiheit ist nur beschrankt durch die Grundrechte anderer Menschen und die sonstigen Grundwerte des Grundgesetzes Einschrankungen der Meinungsfreiheit von Gruppenmitgliedern Einschrankungen der Bewegungsfreiheit von Gruppenmitgliedern wirtschaftliche Ausbeutung der Mitglieder durch lange Arbeitszeiten und minimales Gehalt 20 sexuelle Ausbeutung oder Falle von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Gruppenmitglieder Menschenrechtsverletzungen durch gruppeninterne gerichtsahnliche Verfahren Beispiel KIG Personenkulte um die Anfuhrer der betreffenden Gruppe z B Osho Bhagwan 21 Familienkonflikte insbesondere wenn ein Elternteil oder Kinder die Gruppe verlassen haben oder wollen das Behindern von Kindern beim Zugang zu Ausbildung arztlicher Versorgung und Familienangehorigen ausserhalb der Gruppe Staatliche BegriffsverwendungDeutschland In Deutschland stellte die Enquete Kommission Sogenannte Sekten und Psychogruppen 1998 fest dass in der Umgangssprache der Begriff Sekte sich zunehmend auf Gruppen bezieht denen vorgeworfen wird in Lehre und Praxis systematisch gegen ethische Uberzeugungen wie Menschenwurde Menschenrechte Freiheit Toleranz Selbstentfaltung oder Selbstverwirklichung zu verstossen statt Entfaltungsfreiheit Abhangigkeit zu produzieren die Menschen zu entwurdigen und zur Intoleranz anzuleiten Der umgangssprachliche Sektenbegriff leide damit an einer erheblichen inhaltlichen Undifferenziertheit er sei in hohem Masse kritikwurdig und werde von der Kommission daher nicht verwendet Fur die Zwecke der neutralen Beschreibung seien die Bezeichnungen neue religiose und ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen zutreffender Das Grundgesetz kenne nur Religionen Religionsgesellschaften und Religionsgemeinschaften staatsrechtlich gebe es mithin keinen Unterschied zwischen Kirche und anderen religiosen Organisationsformen Der Begriff der Kirche ist dadurch auch nicht mehr geschutzt sodass sich nun jede Organisation als Kirche bezeichnen und ihn irrefuhrend verwenden konne 22 Allerdings stellte das Bundesverfassungsgericht im Juni 2002 fest dass die staatliche Anwendung der Begriffe Sekte Jugendreligion Jugendsekte und Psychosekte auf die Osho Bewegung verfassungsrechtlich unbedenklich gewesen sei da sie nicht den Schutzbereich der Glaubens und Gewissensfreiheit beruhrt habe Mit Blick auf den Bericht der Enquete Kommission empfahl das Gericht gleichwohl staatliche Stellen sollten diese Begriffe auch wenn sie verfassungsrechtlich unbedenklich seien nicht mehr verwenden 23 Frankreich Anlasslich der Aktivitaten der Vereinigungskirche seit den 1970er Jahren wurde von staatlicher Seite verstarkt gegen Sekten vorgegangen 24 1995 veroffentlichte eine parlamentarische Kommission eine Liste von 173 Organisationen die als Sekte bezeichnet wurden Die Gesamtzahl der Mitglieder dieser Organisationen wurde auf 400 000 geschatzt 25 Der staatliche Runderlass betont bei der Begriffsdefinition den ausbeuterischen Charakter einer Sekte 26 In diesem Zusammenhang stehen auch Einrichtungen weltanschaulicher Gruppierungen unter Beobachtung die sich in anderen Landern frei entfalten konnen wie etwa die Waldorfschulen 27 Schweiz 1998 hatte der Bundesrat bei einer Anfrage im Nationalrat festgehalten dass es keinen juristischen Begriff der Sekte gibt 28 Die Bundeskanzlei hat den Auftrag fur das Thema zu sensibilisieren kann in Sachen Beratungsstelle aber hochstens koordinierend wirken Alle Beratungsstellen zu Sektenfragen in der Schweiz sind private oder kirchliche Institutionen Wissenschaftlicher GebrauchIm theologischen rechtlichen und soziologischen Kontext wird der Begriff Sekte wenn uberhaupt dann unter Berucksichtigung seiner Problematik eingesetzt Theologischer Gebrauch Die Abwehr theologischer Abweichungen von der kirchlichen Lehre spielt fur Theologen in der neueren Auseinandersetzung mit dem Thema Sekten kaum noch eine Rolle Beachtet werden mogliche negative Folgen fur den Einzelnen und fur seine Umgebung die sich aus der Zuwendung zu einer problematischen religiosen Gruppe ergeben konnen Bedenkliche Eigenheiten konnen etwa sein ein ethischer Rigorismus Uberlegenheitsbewusstsein Heilsversprechen speziell fur die exklusive Elite der Zugehorigen hoher Gruppenbinnendruck erschwerte Austrittsmoglichkeit Die Darlegung solcher Eigenheiten ist gepaart mit Selbstkritik Viele sektenhafte Zuge finden sich auch innerhalb der Kirche 29 Der christliche Glaube verlangt nicht weniger sondern mehr irrationalen Glauben als manche Sekte einzufordern wagt 30 Die kirchliche Beschaftigung mit Sondergemeinschaften bewegt sich weiterhin in dem Spannungsfeld Warnen vor Irrwegen oder Selbsthinterfragen als Kirche 31 Rechtswissenschaftlicher Gebrauch Das Munchner Rechtslexikon schreibt zum Beispiel der Begriff Sekte habe in staatsrechtlicher Hinsicht seine Bedeutung verloren da er eine negative theologische Beurteilung enthalte Die fruher als Sekten bezeichneten Gruppen werden heute meist unter weniger vorbelasteten Bezeichnungen wie Neue religiose Bewegungen oder Alternativreligionen zusammengefasst Kleinere spirituelle Gruppierungen und Einzelpersonen werden bisweilen auch als Anbieter am Lebenshilfemarkt bezeichnet Soziologische Definitionen Fur die soziologische Definition haben sich folgende drei Ansatze herausgebildet In der deutschsprachigen Soziologie ist erstens Max Webers Sektenkonzept am bekanntesten Weber unterscheidet Sekten von Kirchen anhand ihrer Rekrutierungsmechanismen Sekten seien voluntaristische Gemeinschaften in die man aufgrund einer personlichen Entscheidung und nur nach eingehender Prufung durch die Sekte aufgenommen werde Im Gegensatz dazu sind Kirchen fur Weber Anstalten in die man hineingeboren wurde 32 Der protestantische Theologe Ernst Troeltsch 1865 1923 benutzte den Begriff in Anschluss an Weber in seiner Typologie christlicher Gemeinschaftsbildung Im Unterschied einerseits zu Kirche andererseits zur Mystik zeichne sich die Sekte durch verhaltnismassig kleine Mitgliederzahl aus durch die angestrebte personlich innerliche Durchbildung des Glaubens sowie eine enge personliche Verbindung der Mitglieder untereinander Typisch sei in diesen Laienchristentum die Forderung nach personlichen ethisch religiosen Leistungen und einem personlichen Verhaltnis zu Gott sowie die radikale religiose Gleichheit und Bruderlichkeit innerhalb der Gruppe Eine Sekte stelle sich gegen die Hierarchien und die kanonischen Verrechtlichungen der Kirchen Es gebe drei Haupttypen von Sekten die aggressive Sekte mit einem hohen Missionierungsanspruch und einem ausgepragten Elite bewusstsein die von ihrer Umwelt tolerierte Sekte die Gewalt ablehne und zuruckgezogen den eigenen Glauben praktiziere sowie die assimilatorische Sekte die dem Druck der Umwelt nachgebe und Konzessionen an sie mache 33 Dem stellte der Religionssoziologe Paul Honigsheim 1885 1963 noch neuere amerikanische Sekten an die Seite die angesichts der verbreiteten religiosen Toleranz in den Vereinigten Staaten keine Verfolgungserfahrungen hatten Sekten der Afroamerikaner die auf den verbreiteten Rassismus reagierten indem sie die Rassensuperioritat ihrer Mitglieder betonen sowie schliesslich religios kollektivistische Sekten Die Abgrenzung des Sektenbegriffs zu dem der Konfession sei oft nicht trennscharf zu ziehen 34 Ein anderer zweiter Ansatz von Peter L Berger sieht in einer Sekte ein Organisationsmodell fur den Selbstschutz weltanschaulicher Minderheiten Ihre Basis sei eine Orthodoxie die von einem ontologischen Wahrheitsbegriff Niklas Luhmann ausgehe d h eine voraufgeklarte Orientierung in der das Sein als unwandelbar und unverganglich und nicht als kontingent auf Wahrnehmung begrundet erkannt werde Eine kommunikative Verstandigung uber die Grundlagen des Lebens gilt ihr als blasphemisch und gefahrlich Zur Vermittlung der wahren Lehre benotige sie organisatorisches Handeln und prage uber die indoktrinierende Institution nicht nur das Weltbild der einzelnen Menschen sondern auch deren Sprache in einer Weise die die Verstandigung mit Aussenstehenden erschwere 35 Ein dritter verwendeter einflussreicher 36 Ansatz entwickelt von Bainbridge und Stark unterscheidet Sekten und Kulte von Kirchen auf der Basis ihrer Ideologien Kirchliche Ideologien stunden dabei nicht im Konflikt mit ihrer gesellschaftlichen Umgebung sondern affirmierten diese 37 Sekten und Kulte wichen dagegen ideologisch deutlich von ihrer gesellschaftlichen Umgebung ab 38 Zwischen Sekten und Kulten wird in diesem Ansatz auf der Basis des Entstehens der ihnen zugehorigen Ideologien unterschieden Wahrend Sekten die aus bestehenden Religionsorganisationen hervorgehen lange bestehende Glaubensbekenntnisse modifizieren wurden schufen Kulte vollig neue Glaubenssysteme 39 H Richard Niebuhr machte die Beobachtung dass Sekten entstanden als schismatische Bewegung von grossen Kirchen die Tendenz hatten ihrerseits Kirchen zu werden womit sie aber viele Bedurfnisse ihrer Mitglieder nicht mehr erfullen konnten was zu erneuten Abspaltungen fuhren wurde Auf dieser Feststellung aufbauend konstatiert dieser dritte Ansatz ein Spannungsverhaltnis zwischen Sekten und Gesellschaft bei dem sich aber beide Pole standig in Bewegung befanden was zu einer gesellschaftlichen Etablierung vorher bewusst minoritarer Gruppen fuhren konne Die Ubergange zwischen Sekte und Kirche sind in diesem Modell fliessend Kulte haben im Unterschied zu Sekten eigene religiose Wurzeln Bainbridge und Stark unterscheiden drei Arten von Kulten Publikumskulte ohne formale Organisation Klientenkulte mit formaler Organisation die partielle Bedurfnisse abdecken sowie Kultbewegungen mit formaler Organisation die universale Bedurfnisse abdecken Die Gruppen werden in diesem Ansatz nach Art der angebotenen Kompensatoren unterschieden Magische oder spezielle Kompensatoren versprachen die Manipulation der Umwelt fur eigene Ziele religiose oder allgemeine Kompensatoren boten ein universales Welterklarungsmodell an Diese Unterscheidung geht im Grundsatz auf Emile Durkheim zuruck Magie floriere wenn wissenschaftliche Mittel zu ihrer Uberprufung fehlen oder nicht akzeptiert werden Sie konne aber keine Organisation aufrechterhalten Auf Magie basierende Kulte konnen sich allerdings zu Kultbewegungen mit universalem Welterklarungsanspruch entwickeln so ging Scientology z B aus einem psychotherapeutischen Selbsthilfesystem Dianetik hervor Kultbewegungen provozieren allerdings so Bainbridge und Stark anders als unorganisierte Kulte Widerspruch im gesellschaftlichen Umfeld 40 Siehe auchListe von Religionen und WeltanschauungenLiteraturNachschlagewerke Nicolette Bohn Roland Biewald Lexikon der Sekten Lexikon des Okkultismus Militzke Verlag e K Leipzig 2005 CD ROM Kleine digitale Bibliothek Band 52 Directmedia Publishing GmbH Berlin 2008 ISBN 978 3 89853 352 2 Begriffsgeschichtliche Untersuchungen Gotz Hindelang 1996 Sekte ein brisantes Wort Lexikographische und sprachkritische Bemerkungen In Sprachreport 96 2 S 3 5 Gotz Hindelang 2005 Lexikologische Probleme im Sektendiskurs In Muttersprache 2 2005 S 168 185 Marc van Wijnkoop Luthi Die Sekte die anderen Beobachtungen und Vorschlage zu einem strittigen Begriff Edition Exodus Luzern 1996 ISBN 3 905577 08 9 Pascal Boulhol De la ligne de conduite au groupe heterodoxe un apercu de l evolution semantique du mot secta depuis les origines jusqu au debut du Haut Moyen Age In Rives nord mediterraneennes Religion secte et pouvoir 21 Juli 2005 Christoph von Blarer Sekten Annaherungen an einen kontroversen Begriff Basel 1999 ISBN 3 906981 09 6 Gerald Willms Die wunderbare Welt der Sekten Von Paulus bis Scientology Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2012 Christlich Hans Baer Hans Gasper Joachim Muller Lexikon neureligioser Gruppen Szenen und Weltanschauungen Orientierungen im religiosen Pluralismus Freiburg 2005 ISBN 3 451 28256 9 Hermann Josef Beckers Helmut Kohle Hrsg Kulte Sekten Religionen Von Astrologie bis Zeugen Jehovas Pattloch Augsburg 1994 ISBN 3 629 00636 1 Rudiger Hauth Neben den Kirchen Bibel Kirche Gemeinde Bd 12 Christliche Verlagsanstalt 2002 ISBN 3 7673 8012 9 Reinhart Hummel Religioser Pluralismus oder christliches Abendland Herausforderungen an Kirche und Gesellschaft Darmstadt 1994 ISBN 3 534 11717 4 Gabriele Lademann Priemer Warum faszinieren Sekten Psychologische Aspekte des Religionsmissbrauchs Claudius Munchen 1998 Nicht religios Robert Jay Lifton Terror fur die Unsterblichkeit Erlosungssekten proben den Weltuntergang Hanser Munchen Wien 2000 Margaret Thaler Singer Janja Lalich Sekten Wie Menschen ihre Freiheit verlieren und wiedergewinnen konnen Heidelberg 1997 Hugo Stamm Sekten Im Bann von Sucht und Macht Zurich 1995 ISBN 3 268 00170 X Ken Wilber Bruce Ecker Dick Anthony Meister Gurus Menschenfanger Uber die Integritat spiritueller Wege Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 596 13825 6 Gerhard Besier Erwin K Scheuch Hrsg Die neuen Inquisitoren Religionsfreiheit und Glaubensneid 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etymologisches Worterbuch 3 Auflage Bd 2 Heidelberg 1954 S 506 Heinrich von Staden Hairesis and Heresy The case of the haireseis iatrikai In Ben F Meyer Hrsg Jewish and Christian Self Definition Bd 3 Self Definition in the Graeco Roman World London 1982 S 76 100 hier 76f Zur judischen Begriffsverwendung siehe Heinrich von Staden Hairesis and Heresy The case of the haireseis iatrikai In Ben F Meyer Hrsg Jewish and Christian Self Definition Bd 3 Self Definition in the Graeco Roman World London 1982 S 76 100 hier 96f Apostelgeschichte 24 5 Siehe dazu Gerhard Kittel Hrsg Theologisches Worterbuch zum Neuen Testament Bd 4 Stuttgart 1966 Nachdruck der Ausgabe von 1942 S 879 884 Norbert Brox Haresie In Reallexikon fur Antike und Christentum Bd 13 Stuttgart 1986 Sp 248 297 hier 257 264 275 277 Alexander von Lykonpolis Gegen die Lehren Manis 1f Siehe dazu Pieter W van der Horst A Simple Philosophy Alexander of Lycopolis on Christianity In Keimpe A Algra u a Hrsg Polyhistor Studies in the History 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