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Als Arierparagraph bezeichnet man bestimmte diskriminierende Vorschriften in Gesetzen Verordnungen und Satzungen staatlicher und nichtstaatlicher Korperschaften z B in Gesetzen zur Beamtenschaft des Staates oder auch einfach eine diskriminierende Vorschrift zur Mitgliedschaft im Regelwerk nichtstaatlicher Zusammenschlusse wodurch nur Arier als Mitglieder zugelassen wurden so etwa mit 3 des NS Berufsbeamtengesetzes von 1933 Die auf ein blutsgebundenes biologisches Abstammungskonzept bezogene Unterscheidung zwischen Ariern und Nicht Ariern ist in den Termini einer Rassenlehre begrundet mit deren Hilfe Bevolkerungsteile stigmatisiert und ausgegrenzt werden Im Nationalsozialismus waren Vorschriften dieses Typs gegen den judischen Bevolkerungsteil und gegen die Roma Minderheit gerichtet Sie hatten Vorlaufer in Deutschland und Osterreich seit der Ausbreitung antisemitischer und antiziganistischer Vorstellungen und der volkischen Bewegung ab dem letzten Drittel des 19 Jahrhunderts Inhaltsverzeichnis 1 Fruhe Arierparagraphen 2 Zeit des Nationalsozialismus 2 1 Verbande 2 2 Kirchen 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseFruhe Arierparagraphen Bearbeiten nbsp Der Arierparagraph in den Satzungen des Turnvereins Bozen von 1907Auf Antrag von Rudolf Kolisko einem Mitglied der Wiener akademischen Burschenschaft Libertas der Stammverbindung Georg von Schonerers wurde in den Statuten der Verbindung bereits Ende 1878 verankert dass Juden nicht als Deutsche angesehen werden konnten und dieser Gruppe die Mitgliedschaft damit effektiv verwehrt Die Burschenschaft Libertas war damit die erste Studentenverbindung im gesamten deutschsprachigen Raum die einen Arierparagraphen eingefuhrt hatte 1 Der osterreichische Rassenantisemit Georg von Schonerer erweiterte das Linzer Programm des osterreichischen Deutschnationalismus 1885 um einen der fruhesten dokumentierbaren Arierparagraphen Viele deutschnationale Sport Gesangs Schul und andere Vereine Lesezirkel und Studentenverbindungen nahmen seitdem ebenfalls solche Bestimmungen in ihre Satzungen auf 2 Zu den Vorreitern zahlten auch die alpinen Vereine Bereits ab den 1890er Jahren fuhrten einzelne Sektionen in Deutschland und Osterreich antisemitische Paragraphen in ihren Statuten ein In Deutschland waren es etwa die Sektionen Mark Brandenburg und die Akademische Sektion Munchen in Osterreich die Alpenvereinssektion Wien 1905 und die Akademische Sektion Wien 1907 der Osterreichische Touristenklub Wien 1920 der Gesamtverband des Osterreichischen Touristenklubs der Osterreichische Gebirgsverein 1921 der Osterreichische Alpenklub 1921 und die Sektion Austria deren Vorsitzender der fanatische Antisemit Eduard Pichl dabei federfuhrend war den Arierparagraphen im gesamten Deutschen und Osterreichischen Alpenverein durchzusetzen Bis zum Herbst 1921 setzten fast alle osterreichischen Sektionen den sogenannten Arier Grundsatz um Als Reaktion auf die antisemitischen Bestimmungen wurde im Fruhsommer 1921 die Sektion Donauland gegrundet 3 4 5 In der Weimarer Republik beschloss die Deutsche Burschenschaft als Dachverband osterreichischer und deutscher Burschenschaften in Eisenach 1920 einen Aufnahmestopp fur Juden und verlangte fortan ein Ehrenwort von allen Neumitgliedern frei von judischem oder farbigem Bluteinschlag zu sein und keine judischen oder farbigen Ehepartner zu haben oder kunftig zu wahlen 6 Die Deutsche Adelsgenossenschaft akzeptierte seit 1920 nur noch Adelige reinen deutschen Blutes als Mitglieder 7 Auch anfangs nicht offen volkische Wehrverbande schlossen nach ideologischen Konflikten um die Judenfrage Menschen judischer Abstammung aus so der Stahlhelm 1924 8 siehe hierzu Reichsbund judischer Frontsoldaten der Jungdeutsche Orden 8 der Nationalverband Deutscher Offiziere der Verband nationalgesinnter Soldaten 8 und der Nationalverband Deutscher Soldaten 8 Zahlreiche rechtsradikale Wehrverbande waren explizit antisemitisch einige von ihnen waren Mitglied im Dachverband Vereinigte Vaterlandische Verbande Deutschlands und nahmen keine Juden als Mitglieder auf Zeit des Nationalsozialismus BearbeitenAm 7 April 1933 erliess die nationalsozialistische Reichsregierung unter Reichskanzler Adolf Hitler das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums einige Tage nach dem Judenboykott vom 1 April 1933 Paragraph 3 enthielt die Anweisung Beamte die nicht arischer Abstammung sind sind in den Ruhestand zu versetzen Die Erste Verordnung dieses Gesetzes vom 11 April 1933 definiert erstmals den Begriff Nichtarier Als nicht arisch gilt wer von nicht arischen insbesondere judischen Eltern oder Grosseltern abstammt Es genugt wenn ein Elternteil oder ein Grosselternteil nicht arisch ist RGBl I S 195 9 Dabei kam es bei Juden nicht auf die Religion an Konversion vom judischen zum christlichen Glauben war unmassgeblich dies war vielmehr das erste explizit rassistische Gesetz des NS Regimes Ziel war die Gleichschaltung des offentlichen Dienstes durch Entlassung missliebiger vor allem judischer und politisch als oppositionell eingestufter Beamter Mit dem am selben Tag erlassenen Gesetz uber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft der Verordnung uber die Zulassung von Arzten zur Tatigkeit bei den Krankenkassen vom 22 April und dem Gesetz gegen die Uberfullung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25 April wurde der Arierparagraph in der Folgezeit auf immer mehr Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ausgedehnt Die Einfuhrung des Arierparagraphen war der erste Schritt des NS Regimes zum gesetzlichen Ausschluss der Juden und anderer sogenannter Nichtarier aus der Gesellschaft und zu ihrer fortschreitenden Entrechtung Der zweite Schritt waren die antisemitischen Nurnberger Rassengesetze vom 15 September 1935 durch die auch anfangs noch geltende Ausnahmen wie das Frontkampferprivileg fur judische Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs abgeschafft wurden Fortan waren u a sexuelle Beziehungen zwischen Angehorigen verschiedener Rassen strafbar Rassenschande 10 Diese Gesetze beruhten auf der Behauptung eine angebliche judische Rasse sei im Gegensatz zur arischen Rasse gekennzeichnet durch minderwertige Eigenschaften die vererbt wurden Den zersetzenden Geist der minderwertigen Rasse musse man mit den Mitteln der Rassenhygiene bekampfen 11 Verbande Bearbeiten Auch nahezu alle Organisationen und Verbande ubernahmen seit 1933 Arierparagraphen in ihre Statuten und Regelungen Kirchen Bearbeiten Im Bereich der Deutschen Evangelischen Kirche DEK verfugten einige Landeskirchen seit Herbst 1933 analog zum staatlichen Arierparagraphen den Ausschluss von Christen judischer Herkunft aus Kirchenamtern Pfarrer und hohere Kirchenbeamte mussten in den Ruhestand versetzt werden wenn sie judische Eltern oder mindestens ein judisches Grosselternteil hatten Die Generalsynode der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union beschloss als erste Leitung einer evangelischen Landeskirche am 6 September 1933 einen solchen kirchlichen Arierparagraphen Am 12 September 1933 folgte der Thuringer Landeskirchentag mit einem analogen Gesetz uber die Stellung der kirchlichen Amtstrager zur Nation Entsprechende Massnahmen beschlossen in den Folgejahren auch die Landeskirchen in Sachsen Schleswig Holstein Braunschweig Lubeck Mecklenburg Hessen Nassau und Wurttemberg Der Ausschluss betraf etwas uber 100 Personen vor allem Theologen Die Initiative dazu ging von der Kirchenpartei der Deutschen Christen DC aus die seit den Kirchenwahlen im Juli 1933 einige Synodenmehrheiten und Kirchenleitungen erobern konnten Der altpreussische Beschluss veranlasste Martin Niemoller mit weiteren Gegnern der DC zur Grundung des Pfarrernotbundes dessen Mitglieder den von Dietrich Bonhoeffer angeregten oder formulierten Satz unterschrieben Ich bezeuge dass eine Verletzung des Bekenntnisstandes mit der Anwendung des Arierparagraphen im Raum der Kirche Jesu Christi geschaffen ist 12 Zugleich sollten sie die judischstammigen Christen vor Angriffen schutzen und materiell unterstutzen Die theologischen Fakultaten von Marburg und Erlangen erstellten Gutachten zur Vereinbarkeit des Arierparagraphen mit der Verfassung der DEK die Marburger verneinten diese die Erlanger empfahlen nur zuruckhaltende Anwendung 20 deutsche Neutestamentler erklarten dass ein kirchlicher Arierparagraph nicht vom Neuen Testament legitimiert sei 13 Aus dieser Opposition zu den DC ging 1934 die Bekennende Kirche hervor die mit deren Positionen auch kirchliche Arierparagraphen als gegen das evangelische Glaubensbekenntnis gerichtete Haresie ablehnte Staatliche Arierparagraphen hingegen betrachteten die meisten evangelischen auch bekennenden Christen als politisch erlaubt oder sogar erforderlich Siehe auch BearbeitenListe antijudischer Rechtsvorschriften im Deutschen Reich 1933 1945 DeutschblutigkeitserklarungLiteratur BearbeitenUrsula Truper Das Blut der Vater und Mutter Otto Hegner und der Arierparagraph In Ulrich van der Heyden Joachim Zeller Hrsg Macht und Anteil an der Weltherrschaft Berlin und der deutsche Kolonialismus Unrast Verlag Munster 2005 ISBN 3 89771 024 2 Heinz Liebing Hrsg Die Marburger Theologen und der Arierparagraph in der Kirche eine Sammlung von Texten aus den Jahren 1933 und 1934 Aus Anlass des 450 jahrigen Bestehens der Philipps Universitat Marburg 1 Aufl Elwert Marburg 1977 ISBN 3 7708 0578 X Wolfgang Gerlach Als die Zeugen schwiegen Bekennende Kirche und die Juden Studien zu Kirche und Israel Band 10 Berlin 1987 ISBN 978 3 923095 69 8 Weblinks BearbeitenReiner Zilkenat Daten und Materialien zur Diskriminierung Entrechtung und Verfolgung der Juden in Deutschland im Jahre 1933 PDF 164 kB 2004 Einzelnachweise Bearbeiten Michael Wladika Hitlers Vatergeneration Bohlau Wien 2005 S 50 Die Vorgeschichte des arischen Ahnenpasses In Vorgeschichte und Folgen des arischen Ahnenpasses Zur Geschichte der Genealogie im 20 Jahrhundert Arnshaugk Neustadt an der Orla 2013 ISBN 978 3 944064 11 6 S 12 40 Der DAV und Antisemitismus Memento des Originals vom 5 Oktober 2016 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www alpenverein de Deutscher Alpenverein Martin Achrainer So jetzt sind wir ganz unter uns Antisemitismus im Alpenverein PDF in Hanno Loewy Gerhard Milchra Hast Du meine Alpen gesehen Eine judische Beziehungsgeschichte Hohenems Wien 2009 Walter Klappacher Arierparagraf und Antisemitismus im Salzburger Hohlenverein In Erinnerung an Dr Ernst Hauser In Die Hohle Jahrgang 56 Heft 1 4 2005 S 101 zobodat at PDF Peter Kaupp Burschenschaft und Antisemitismus PDF Datei 126 kB S 2 Stephan Malinowski Vom Konig zum Fuhrer Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS Staat 3 Aufl Akademie Verlag 2004 ISBN 3 05 004070 X S 336 a b c d Wolfgang R Krabbe Politische Jugend in der Weimarer Republik Universitatsverlag Dr N Brockmeyer Dortmund 1993 S 157 Abgedruckt als Dokument VEJ 1 32 in Wolf Gruner Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Quellensammlung Band 1 Deutsches Reich 1933 1937 Munchen 2008 ISBN 978 3 486 58480 6 S 137 f Im Schatten der Nurnberger Gesetze In Vorgeschichte und Folgen des arischen Ahnenpasses Neustadt an der Orla Arnshaugk 2013 S 151 178 ISBN 978 3 944064 11 6 Herbert Sallen Zum Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland Konzepte Methoden und Ergebnisse der empirischen Antisemitismusforschung Haag und Herchen Frankfurt am Main 1977 S 51 ff Joachim Mehlhausen Nationalsozialismus und Kirchen In Theologische Realenzyklopadie Band 24 Walter de Gruyter Berlin New York 1994 S 54 f Jan Rohls Protestantische Theologie der Neuzeit Band 2 Das 20 Jahrhundert Mohr Siebeck Tubingen 1997 ISBN 3 16 146644 6 S 405 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Arierparagraph amp oldid 233297171