www.wikidata.de-de.nina.az
Das Linzer Programm war ein 1882 in Linz erarbeitetes Grundsatzpapier des osterreichischen Deutschnationalismus Das Dokument stand unter dem Motto nicht liberal nicht klerikal sondern national und forderte die staatsrechtliche und wirtschaftliche Entflechtung der verschiedenen Volker Cisleithaniens die engere Anbindung seiner deutschsprachigen Gebiete an das Deutsche Reich sowie Pressefreiheit Versammlungsfreiheit und allgemeine Demokratisierung Es enthielt daruber hinaus auch einige aus heutiger Sicht sozialistisch oder sozialdemokratisch scheinende sozialreformerische Vorschlage Initiatoren und Leiter seiner Ausarbeitung waren die Politiker Victor Adler und Georg von Schonerer der Politiker und Journalist Engelbert Pernerstorfer sowie der Historiker und Publizist Heinrich Friedjung War das Linzer Programm ursprunglich ein Dokument breiten Konsenses unter antiklerikalen Reformpolitikern unterschiedlichen sozialen und intellektuellen Hintergrunds so wurde es nach der Auseinanderentwicklung Adlers und Schonerers und vor allem nach der 1885 von Schonerer vorgeschlagenen Hinzufugung eines sogenannten Arierparagraphen und anderer antisemitischer Regelungen praktisch nur noch von Anhangern Schonerers hochgehalten Inhaltsverzeichnis 1 Staatspolitische Forderungen 2 Sozialpolitische Forderungen 3 Antisemitismus 4 LiteraturStaatspolitische Forderungen BearbeitenKernforderung des Linzer Programms war die so gut wie vollstandige Trennung von Cisleithanien und Transleithanien Die beiden so genannten Reichshalften waren seit dem Osterreichisch Ungarischen Ausgleich von 1867 zwar formal voneinander unabhangige Staaten hatten aber nicht nur ein gemeinsames Staatsoberhaupt und eine Gemeinsame Armee sondern betrieben auch gemeinsame Aussenpolitik und waren vor allem auch wirtschaftlich eng miteinander verflochten Viele Osterreicher empfanden die regelmassigen Subventionszahlungen der osterreichischen an die ungarische Reichshalfte als grundsatzlich ungerecht oder zumindest unverhaltnismassig hoch daruber hinaus fuhrten stockende jahrliche Neuverhandlungen wiederholt zu wirtschafts und sicherheitspolitischen Blockaden Gemass dem Linzer Programm sollte die Doppelrolle als Kaiser von Osterreich und Konig von Ungarn die das jeweilige Oberhaupt der Habsburger seit 1867 ausfullte erhalten bleiben abgesehen davon und von einer eher vagen militarischen Beistandsverpflichtung sollten die beiden Staaten komplett entkoppelt werden Ahnlich wie Ungarn sollten auch Galizien und die Bukowina zwei wirtschaftlich besonders schwache Kronlander Osterreichs in die faktische wie formale Eigenverantwortlichkeit entlassen werden Das Kronland Dalmatien sowie Bosnien und Herzegowina sollten vorlaufig an Ungarn zediert werden langfristig sollten sie gemeinsam mit dem bisher ungarisch regierten Kroatien ein Konigreich der Sudslawen bilden und als solches ebenfalls emanzipiert werden Eine Umsetzung dieser Forderungen hatte den verbliebenen Rumpf Cisleithaniens politisch wie wirtschaftlich wesentlich entlastet insbesondere dadurch dass sich der Staat mit ihr fast aller seiner Polen und der meisten seiner Ostjuden entledigt hatte Menschen die unter anderen Osterreichern ausgesprochen unbeliebt waren Osterreich hatte im Wesentlichen nur aus seinen deutsch tschechisch und slowenischsprachig dominierten Kronlandern bestanden Diese Gebiete waren nicht nur verhaltnismassig wohlhabend und politisch gut entwickelt es war ihnen vor allem noch deutlich anzumerken dass sie alle Teile des 1806 untergegangenen Heiligen Romischen Reichs gewesen waren Die Umsetzung des Linzer Programms hatte eine engere Anbindung oder uberhaupt einen Anschluss des deutschsprachigen Osterreichs an das Deutsche Reich das Fernziel des Deutschnationalismus nach Ansicht seiner Autoren damit wesentlich erleichtert Als ersten Schritt in Richtung Vereinigung sah das Linzer Programm eine Zollunion Osterreichs mit dem deutschen Reich vor Sozialpolitische Forderungen BearbeitenZusatzlich zu seinem deutschnationalen Kern enthielt das Linzer Programm Forderungen nach Pressefreiheit Versammlungsfreiheit Sakularisierung und Ausweitung des Wahlrechts auf bisher davon ausgeschlossene soziale Schichten Daruber hinaus forderte das Manifest eine umfassende Sozialreform unter anderem sollten eine staatliche Pensions und Unfallversicherung eingerichtet Frauen und Kinderarbeit weitgehend verboten werden Das Linzer Programm enthielt damit fast alle zentralen Forderungen der in Osterreich erst 1889 ausgeformten Sozialdemokratie ohne sich aber als marxistisch oder sozialistisch inspiriert zu sehen Antisemitismus BearbeitenIn seiner ursprunglichen Form war das Linzer Programm eher allgemein chauvinistisch als spezifisch judenfeindlich Seine Autoren bekannten sich zwar offen zu der Auffassung dass es fur Osterreich vorteilhaft ware seine runde Million galizischer Juden aus dem Staatsverband auszustossen da diese kulturell zu fremdartig und wirtschaftlich zu wenig leistungsfahig seien sie vertraten die gleiche Annahme aber auch bezuglich der katholischen Polen und der orthodoxen Ruthenen Der Vorschlag zwischen den nicht oder kaum assimilierten grossteils bitterarmen Ostjuden und dem restlichen Osterreich eine neue Staatsgrenze zu errichten fand daruber hinaus auch unter vielen judischen und judischstammigen Einwohnern westlicherer Kronlander Unterstutzung Neben anderen Mitautoren waren auch Adler und Friedjung selbst judischer Abstammung Explizit antisemitisch war die 1885 veroffentlichte Uberarbeitung durch Schonerer Schonerer war zwischen 1882 und 1885 zu der Auffassung gelangt dass der judische Einfluss auf das offentliche Leben Osterreichs vordringlichstes Problem die Beseitigung dieses Einflusses unerlasslich sei Schonerer erweiterte das Linzer Programm in diesem Sinne um eine Bestimmung die judische und judischstammige Menschen von jeglicher Mitgliedschaft in deutschnationalen Parteien und Vereinen ausschloss da ihnen die charakterliche Befahigung zur Teilhabe an der deutschen Nation abgesprochen wurde Schonerer brach damit nicht nur mit Adler und Friedjung sondern auch mit vielen anderen Deutschnationalen Selbst Lueger der einen neuzeitlichen Antijudaismus vertrat konnte sich mit Schonerers Arierparagraph nicht identifizieren Adler und Lueger lehnten nicht nur Schonerers Uberarbeitung ab sondern wandten sich im Lauf der 1880er auch von der ursprunglichen Fassung ab Ab Ende der 1880er bekannten sich praktisch nur noch die so genannten Schonerianer zum Linzer Programm Mit der Zeit geriet in Vergessenheit dass das Linzer Programm ursprunglich auch von spateren Sozialdemokraten und Christlichsozialen mitgetragen worden war In der Erinnerung der Offentlichkeit wurde das Papier zu einer von Anfang an spezifisch schonerianischen Angelegenheit anstelle der gemeinschaftlich erarbeiteten Fassung galt nun die eigenmachtig erweiterte Version Schonerers als das echte und eigentliche Linzer Programm Literatur BearbeitenBrigitte Hamann Hitlers Wien Lehrjahre eines Diktators Piper Munchen 2001 ISBN 3 492 23240 X Andrew G Whiteside Georg Ritter von Schonerer Alldeutschland und sein Prophet Stryia Graz 1981 ISBN 3 222 11363 7 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Linzer Programm Deutschnationalismus amp oldid 237601551