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Durch die Verordnung uber die Zulassung von Arzten zur Tatigkeit bei den Krankenkassen vom 22 April 1933 wurde nicht arischen Arzten und solchen die sich im kommunistischen Sinne betatigt hatten die kassenarztliche Zulassung entzogen Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Inhalt 3 Auswirkungen 4 Deutungen 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenIm Aufruf zum Judenboykott den die Reichsleitung der NSDAP am 30 Marz 1933 im Volkischen Beobachter veroffentlichte wurde gefordert die Anzahl der judischen Beschaftigten in allen Berufszweigen entsprechend ihrem Bevolkerungsanteil zu begrenzen 1 Aus taktischen Grunden sollte sich diese Forderung zunachst auf drei Gebiete beschranken namlich auf den Beruf der Arzte fur die Rechtsanwalte und auf den Besuch der deutschen Mittel und Hochschulen vergl Gesetz uber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom 7 April 1933 und Gesetz gegen die Uberfullung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25 April 1933 Die Verordnung orientiert sich mit ihren Ausnahmebestimmungen an dem kurz vorher erlassenen Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums Inhalt BearbeitenDurch die Verordnung wurde den Arzten die sich im kommunistischen Sinne betatigt hatten und allen nichtarischen Arzten die kassenarztliche Zulassung mit sofortiger Wirkung entzogen Nichtarische Arzte konnten jedoch ihre Zulassung behalten wenn sie bereits vor 1914 tatig gewesen waren oder wenn ihr Vater im Krieg gefallen war Wer geltend machen konnte dass sein Vater oder er selbst als Soldat oder im Sanitatsdienst an der Front tatig gewesen war konnte ebenfalls die kassenarztliche Zulassung behalten oder beantragen siehe Frontkampferprivileg Auswirkungen BearbeitenDas Statistische Reichsamt bezifferte die Anzahl der judischen Arzte hier nach dem Kriterium der Religionszugehorigkeit fur das Jahr 1933 mit 5 557 das waren rund 10 9 Prozent aller Arzte in Deutschland 2 Die Zahl der betroffenen judischen Arzte die ihre Kassenzulassung verloren und nunmehr allein auf Privatpatienten angewiesen waren ist nicht bekannt Bei vergleichbaren Ausnahmeregelungen wie im Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums konnten erheblich mehr Juden diese in Anspruch nehmen als die Nationalsozialisten dies vorher eingeschatzt hatten 3 Wenig spater wurde die Verordnung entsprechend auf judische Zahnarzte und Zahntechniker ausgedehnt 4 Nach dem Erlass der Vierten Verordnung zum Reichsburgergesetz vom 25 Juli 1938 wurde judischen Arzten mit Wirkung vom 30 September 1938 an die Approbation entzogen Von den 3 152 noch praktizierenden judischen Arzten erhielten 709 eine widerrufliche Genehmigung als Krankenbehandler ausschliesslich fur judische Patienten tatig zu sein 5 Deutungen BearbeitenDer Historiker Uwe Dietrich Adam stellt heraus dass Adolf Hitler noch am 7 April 1933 im Kabinett nur eine einschneidende Regelung fur Rechtsanwalte befurwortete eine gesetzliche Regelung fur Arzte jedoch nicht fur opportun hielt ehe nicht in dieser Hinsicht eine umfassende Aufklarungsarbeit eingesetzt habe 6 Diese Zuruckhaltung wird verstandlich weil in einigen Grossstadten wie Berlin und Breslau der Prozentsatz judischer Arzte so hoch war dass eine ausreichende arztliche Versorgung durch ein Berufsverbot gefahrdet erscheinen musste Uberdies war das besondere Vertrauensverhaltnis zwischen Arzt und Patient zu berucksichtigen Es war zu erwarten dass ein totales Berufsverbot keineswegs uberall beifallig aufgenommen worden ware Reichsarbeitsminister Franz Seldte sah sich dennoch veranlasst dem Druck der Parteibasis nachzukommen und die Berufsausubung judischer Arzte einzuschranken Zahlreichen judischen Arzten war namlich die kassenarztliche Zulassung bereits entzogen worden ohne dass es dafur eine reichseinheitliche Bestimmung gab Adam urteilt Dies weist auf ein dem nationalsozialistischen Herrschaftssystem eigentumliches revolutionares Merkmal hin fassbar mit der Formel der justificatio post eventum Durch die stetigen von den Parteistellen verursachten Bewegungsvorgange rechtsdurchbrechenden Charakters ergab sich der Zwang den bestehenden Faktizitaten nachtraglich die legalisierende Sanktion zu erteilen 7 Auch Ian Kershaw sieht in dem Gesetz den Versuch die Legalisierung von Massnahmen zu sanktionieren welche haufig bereits illegal von Parteiaktivisten eingefuhrt worden waren die bei der Diskriminierung neben wie auch immer gearteten ideologischen Motiven vor allem eigene Interessen verfolgten 8 Siehe auch BearbeitenListe antijudischer Rechtsvorschriften im Deutschen Reich 1933 1945Literatur BearbeitenUwe Dietrich Adam Judenpolitik im Dritten Reich Dusseldorf 2003 ISBN 3 7700 4063 5 unv Nachdruck von 1972 Anna von Villiez Mit aller Kraft verdrangt Entrechtung und Verfolgung nicht arischer Arzte in Hamburg 1933 bis 1945 Studien zur judischen Geschichte Bd 1 Dolling und Galitz Verlag 2009 ISBN 978 3 937 90484 9 Weblinks BearbeitenText der VO RGBl 1933 I S 222 vom 22 April 1933Einzelnachweise Bearbeiten Wolf Gruner Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Bd 1 Deutsches Reich 1933 1937 Munchen 2008 ISBN 978 3 486 58480 6 Dokument 17 Punkt 9 S 103 Wolf Gruner Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden Bd 1 Deutsches Reich 1933 1937 Dokument 53 S 189 Uwe Dietrich Adam Judenpolitik im Dritten Reich Dusseldorf 2003 ISBN 3 7700 4063 5 S 48 49 Verordnung uber die Tatigkeit von Zahnarzten und Zahntechnikern bei den Krankenkassen vom 2 Juni 1933 RGBl I S 350 Konrad Kwiet Nach dem Pogrom Stufen der Ausgrenzung In Wolfgang Benz Hrsg Die Juden in Deutschland 1933 1945 Munchen 1966 ISBN 3 406 33324 9 S 548 Uwe Dietrich Adam Judenpolitik S 51 Uwe Dietrich Adam Judenpolitik S 51 Ian Kershaw Hitler 1889 1936 2 Aufl Stuttgart 1998 ISBN 3 421 05131 3 S 601 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Verordnung uber die Zulassung von Arzten zur Tatigkeit bei den Krankenkassen amp oldid 231077874