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Rassenschande auch Blutschande genannt war im Deutschen Reich in der Zeit von 1933 bis 1945 ein verbreiteter Propagandabegriff mit dem sexuelle Beziehungen zwischen Juden nach der Definition der Nurnberger Rassegesetze und Staatsangehorigen deutschen oder artverwandten Blutes verunglimpft wurden Ehen zwischen Juden und Deutschblutigen wurden als Rassenverrat bezeichnet Mit diesen Rassegesetzen wurden Eheschliessungen und sexuelle Kontakte dieser Art ab 1935 verboten Entgegen dem Verbot vorgenommene Eheschliessungen wurden mit Zuchthaus bestraft Bei verbotenen ausserehelichen sexuellen Kontakten wurde der Mann mit Gefangnis oder Zuchthaus bestraft Wilhelm Stuckart Hans Globke Kommentar zum Blutschutzgesetz 1936 Reichsgesetzblatt Nr 100 ausgegeben am 16 September 1935 Reichsburgergesetz und Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre Die Erste Verordnung zum Reichsburgergesetz vom 14 November 1935 weitete das Eheverbot auf andere Gruppen aus Es sollten grundsatzlich alle Ehen unterbleiben die die Reinerhaltung des deutschen Blutes gefahrdeten 1 Ein Rundschreiben zahlte dazu Zigeuner Neger und ihre Bastarde auf 2 Geschlechtsverkehr zwischen Angehorigen verschiedener Rassen wurde zeitweilig auch in anderen Landern unter Strafandrohung gestellt Inhaltsverzeichnis 1 Ideologiegeschichtlicher Hintergrund 2 Gesetze und Verordnungen 3 Strafurteile 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 BelegstellenIdeologiegeschichtlicher Hintergrund BearbeitenDie Begriffe Rassen und Blutschande waren bereits populare Topoi in der volkischen Bewegung gewesen die diese im Rahmen der eugenischen Rassentheorien diskutierte und propagierte Der Begriff Rassenschande wurde nachweislich bereits vor dem Ersten Weltkrieg im deutschsprachigen Raum fur sexuelle Beziehungen zwischen Personen verschiedener ethnischer Herkunft bzw zwischen Nichtjuden und Juden verwendet 3 4 Blutschande hat ausserhalb des volkischen Kontextes eine andere Bedeutung und ist synonym zu Inzest 5 6 7 So ermahnte der geschaftsfuhrende Bundesvorsitzende des Deutschvolkischen Schutz und Trutzbundes Gertzlaff von Hertzberg auf dem Deutschen Tag in Weimar im Oktober 1920 die Deutschen keine Rassenschande zu begehen 8 In einer von der Ortsgruppe Meissen des Schutz und Trutzbundes herausgegebenen Broschure mit dem Titel Eine unbewusste Blutschande der Untergang Deutschlands Naturgesetze uber die Rassenlehre aus dem Jahr 1921 hiess es Mischung der Rassen und Arten ist Sunde wider das Blut und fuhrt zum Verderben Blutschande hat die Volker der Erde vernichtet 9 Der Fuhrer der deutschvolkischen Freiheitspartei und zeitweiliger NSDAP Landesleiter von Thuringen Artur Dinter nahm 1924 mit seiner Forderung wesentliche Inhalte der Nurnberger Gesetze vorweg Das deutsche Volk muss gegen judische Schandung und Bastardisierung geschutzt werden Ehen zwischen Deutschen und Juden sind gesetzlich zu verbieten Ein Jude der ein deutsches Madchen oder eine deutsche Frau verfuhrt wird mit Zuchthaus bestraft 10 Prominenz hatten die Begriffe auch wahrend der volkischen Agitation gegen die alliierte Rheinlandbesetzung nach Ende des Ersten Weltkriegs Da hierbei auch franzosische Soldaten afrikanischer Herkunft zum Einsatz kamen wurde von volkischer Seite eine regelrechte Propagandakampagne gegen die Schwarze Schmach gefuhrt worin die Kolonialsoldaten als brutale Wilde dargestellt wurden die durch sexuelle Ubergriffe auf deutsche Madchen und Frauen das deutsche Blut besudeln wurden vgl Rheinlandbastard 11 In den Deutschvolkischen Blatter des Schutz und Trutzbundes hiess es zu diesem Thema unter anderem Was sagt die Welt zu den sich immer mehr haufenden Verbrechen der wilden Bestien an wehrlosen deutschen Frauen und Kindern Wissen die weissen Volker der Welt darum Es muss bezweifelt werden denn man kann nicht glauben dass sie alle gar kein Gefuhl fur die Rassenschande haben die uns und damit auch ihnen als weissen Volkern angetan wird 12 Gesetze und Verordnungen BearbeitenDas Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15 September 1935 RGBl I S 1146 auch kurz Blutschutzgesetz genannt 13 ist eines der beiden Nurnberger Rassengesetze Das Gesetz wurde in grosser Hast formuliert und kam fur die Offentlichkeit uberraschend In antisemitischen Kreisen war der Grundgedanke aber nicht neu und lasst sich weit vor das Jahr 1933 zuruckverfolgen Nach der Machtergreifung wurden Rasseschander offentlich angeprangert es kam in Einzelfallen zu Ubergriffen der SA und zu Verschleppungen in Schutzhaft Vorschlage und Gesetzentwurfe zur Regelung der Stellung der Juden wie ihn zum Beispiel Rudolf Hess am 6 April 1933 an Julius Streicher schickte nahmen schon Bestimmungen des spateren Blutschutzgesetzes vorweg und enthielten teils scharfere Bestimmungen als die Nurnberger Gesetze 14 nbsp Bildtafel zum Blutschutzgesetz 1935 Das Blutschutzgesetz verbot Eheschliessungen zwischen Juden und Deutschblutigen Die Erste Verordnung des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 14 November 1935 15 prazisierte dass auch die Eheschliessung zwischen Juden und judischen Mischlingen zweiten Grades mit nur einem judischen Grosselternteil untersagt sei da diese den Deutschblutigen zugerechnet werden sollten Judische Mischlinge ersten Grades die von zwei judischen Grosseltern abstammten durften Deutschblutige oder judische Mischlinge zweiten Grades nur mit besonderer Genehmigung heiraten Fur die Entscheidung waren die korperlichen seelischen und charakterlichen Eigenschaften des Antragstellers die Dauer der Ansassigkeit seiner Familie in Deutschland seine oder seines Vaters Teilnahme am Weltkrieg und seine sonstige Familiengeschichte zu beurteilen Eine Ehe zwischen zwei Vierteljuden soll nicht geschlossen werden Die im Rahmen des Gesetzes fur illegal erklarten Eheschliessungen zwischen Juden und Deutschblutigen welche unter Umgehung des Verbots im Ausland geschlossen wurden konnten fur nichtig erklart werden und waren fur die Beteiligten mit Zuchthausstrafe bedroht Fur den ausserehelichen Geschlechtsverkehr lautete die Strafbestimmung im 5 2 Der Mann wird mit Gefangnis oder Zuchthaus bestraft Die Bestimmung dass nur der Mann einer Bestrafung unterliegt soll auf eine Anweisung Hitlers eingefugt worden sein Im massgeblichen Kommentar zum Gesetz wurde dies damit begrundet dass es nur dann zur Uberfuhrung kommt wenn die Frau als Zeugin aussagt Ware sie hingegen selbst von Strafe bedroht hatte sie ein Zeugnisverweigerungsrecht Am 22 Juni 1938 erfolgte ein Erlass des Reichsinnenministeriums wonach die Unterbringung von Juden in Krankenanstalten so auszufuhren sei dass die Gefahr von Rassenschande vermieden wird Juden sind in besonderen Zimmern unterzubringen 16 Die Strafrahmen des Gesetzes waren ungenau und weit gefasst Die Formulierung eroffnete Richtern gewollt die Moglichkeit Juden strenger zu bestrafen als die deutschblutigen Manner Gummiparagraph Mildernde oder erschwerende Tatbestande waren in diesem Gesetz nicht definiert und die Strafhohe reichte von einem Tag Gefangnis bis zu Zuchthausstrafe von 15 Jahren In der antisemitischen Zeitung Der Sturmer wurde weiterhin sogar die Todesstrafe gefordert Strafurteile BearbeitenZwischen 1935 und 1943 wurden 2211 Manner wegen Rassenschande verurteilt 17 Die Anzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren war erheblich hoher 18 meist loste eine Denunziation die Ermittlungen aus Eine regionale Auswertung der Urteile erweist dass judische Manner deutlich hohere Strafen erhielten als Deutschblutige Bei einem Drittel der Urteile gegen Juden wurden Zuchthausstrafen zwischen zwei und vier Jahren verhangt annahernd ein Viertel der Abgeurteilten wurde noch strenger bestraft Eine Hochststrafe von 15 Jahren wurde nur selten ausgesprochen Eine bereits 1936 erfolgte ausufernde Interpretation des Reichsgerichts zum Begriff ausserehelicher Verkehr stellte auch solche Betatigungen unter das Gesetz durch die der eine Teil seinen Geschlechtstrieb auf einem anderen Wege als durch Vollziehung des Beischlafs vollziehen will Diese Auslegung machte es moglich sogar Zartlichkeiten und Kusse als Rassenschande zu bestrafen 19 Im beruchtigten Todesurteil gegen Leo Katzenberger zogen die Richter dann noch die Verordnung gegen Volksschadlinge heran weil die angebliche Tat im Schutze der Verdunklung stattgefunden habe Es sind funf weitere Falle aus den Jahren 1941 bis 1943 bekannt in denen Richter die eigentlich im Blutschutzgesetz nicht vorgesehene Todesstrafe verhangten indem sie verscharfende Bestimmungen gegen Verdunklungsverbrecher oder gefahrliche Gewohnheitsverbrecher wie im Fall Werner Hollander heranzogen Obwohl dem Gesetz nach die Frau straflos gestellt war konnte sie wegen Begunstigung oder Meineides bestraft werden wenn sie ihren Partner zu schutzen versuchte Haufig wurde die Frau bis zum Abschluss des Verfahrens in Schutzhaft genommen teils unter dem Vorwand damit eine Wiederholungsgefahr ausschliessen zu mussen Dadurch wurde die Bestimmung des Gesetzes unterlaufen bis Hitler selbst eingriff und am 16 Februar 1940 eine Erganzungsverordnung 20 erlassen wurde nach der die Frauen wegen Begunstigung die nach 257 RStGB die Strafvereitelung einschloss und Teilnahme die nach dem III Abschnitt des Ersten Teils des RStGB Anstiftung und Beihilfe einschloss straffrei bleiben sollten Davon unberuhrt blieb die Strafdrohung bei Meineid Die Gestapo war ab Mitte 1937 dazu ubergegangen ihr zu milde erscheinende Gerichtsurteile zu korrigieren und die judischen Rasseschander in Haft zu nehmen Auch einige judische Frauen wurden ab 1937 nach Abschluss eines Verfahrens offenbar in ein Konzentrationslager eingewiesen 21 wo es fur diesen Personenkreis ein eigenes Kennzeichen gab Das Blutschutzgesetz trug massgeblich zur wachsenden sozialen Isolierung der judischen Deutschen bei Es legte damit ein Fundament fur die spatere Verfolgung und Massenvernichtung im Holocaust Siehe auch BearbeitenNationalsozialistische Rassenhygiene Polen Erlasse Das Urteil von Nurnberg TyskertosLiteratur BearbeitenCornelia Essner Die Nurnberger Gesetze oder die Verwaltung des Rassenwahns 1933 1945 Schoningh Paderborn 2002 ISBN 3 506 72260 3 Grundlegende wissenschaftliche Untersuchung Irene Eckler Hrsg Die Vormundschaftsakte 1935 1958 Verfolgung einer Familie wegen Rassenschande Dokumente und Berichte aus Hamburg Horneburg Schwetzingen 1996 ISBN 3 9804993 0 8 Jorg Friedrich Freispruch fur die Nazi Justiz Die Urteile gegen NS Richter seit 1948 Eine Dokumentation Rowohlt Reinbek bei Hamburg 1983 ISBN 3 499 15348 3 S 261 321 Lothar Gruchmann Blutschutzgesetz und Justiz Zur Entstehung und Auswirkung des Nurnberger Gesetzes vom 15 September 1935 In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte Band 31 Nr 3 1983 S 418 442 PDF Gerhard Henschel Neidgeschrei Antisemitismus und Sexualitat Hoffmann und Campe Hamburg 2008 ISBN 978 3 455 09497 8 auch historische Herleitung der Globke Gesetze Ingo Muller Furchtbare Juristen Die unbewaltigte Vergangenheit unserer Justiz Kindler Munchen 1987 ISBN 3 463 40038 3 S 105 123 Alexandra Przyrembel Rassenschande Reinheitsmythos und Vernichtungslegitimation im Nationalsozialismus Vandenhoeck und Ruprecht Gottingen 2003 ISBN 3 525 35188 7 Hans Robinsohn Justiz als politische Verfolgung Die Rechtsprechung in Rasseschandefallen beim Landgericht Hamburg 1936 1943 Deutsche Verlags Anstalt Stuttgart 1977 ISBN 3 421 01817 0 Franco Ruault Neuschopfer des deutschen Volkes Julius Streicher im Kampf gegen Rassenschande Lang Frankfurt am Main 2006 ISBN 3 631 54499 5 Justizbehorde Hamburg Hrsg Von Gewohnheitsverbrechern Volksschadlingen und Asozialen Hamburger Justizurteile im Nationalsozialismus Ergebnisse Hamburg 1995 ISBN 3 87916 023 6 S 105 ff Zahlenangaben Daten Zitat Reichsgericht 22 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Rassenschande Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen nbsp Wiktionary Blutschande Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen nbsp Wikisource Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre Quellen und Volltexte Plakat fur das antisemitische Blatt Der Sturmer Anm Die in der Schlagzeile genannte Todesstrafe fur R gab es weder 1935 noch spater Birthe Kundrus Verbotener Umgang Liebesbeziehungen zwischen Auslandern und Deutschen 1939 1945 PDF Belegstellen Bearbeiten 6 der Ersten Verordnung zur Ausfuhrung des Gesetzes vom 14 November 1935 Saul Friedlander Das Dritte Reich und Die Juden Die Jahre der Verfolgung 1933 1939 Munchen 2000 ISBN 3 406 43506 8 S 170 Die Deutsche Frau In Linzer Volksblatt 6 August 1912 S 2 online bei ANNO Vorlage ANNO Wartung lvb Zwei verschiedene Menschenarten In Deutsches Volksblatt fur Galizien Erscheint alle 14 Tage am Samstag Deutsches Volksblatt fur Galizien Erscheint wochentlich einmal Deutsches Volksblatt fur Galizien Einzige Erste deutsche Zeitung in Lemberg Erscheint vorerst wochentlich einmal Deutsches Volksblatt fur Galizien Erscheint wochentlich einmal 12 Dezember 1913 S 5 online bei ANNO Vorlage ANNO Wartung dvg Johann Christoph Adelung Grammatisch kritisches Worterbuch der Hochdeutschen Mundart 2 Auflage Johann Gottlob Immanuel Breitkopf und Compagnie Leipzig 1793 zeno org abgerufen am 21 Juni 2021 Lexikoneintrag Blutschande die Blutschande In Brockhaus Bilder Conversations Lexikon 1 Auflage Band 1 F A Brockhaus Leipzig 1837 1841 S 273 274 Blutschande In Brockhaus Kleines Konversations Lexikon 5 Auflage Band 1 F A Brockhaus Leipzig 1911 S 227 Walter Jung Ideologische Voraussetzungen Inhalte und Ziele aussenpolitischer Programmatik und Propaganda in der deutschvolkischen Bewegung der Anfangsjahre der Weimarer Republik das Beispiel Deutschvolkischer Schutz und Trutzbund PDF 5 4 MB Universitat Gottingen 2001 S 70 f Zitiert nach Jung 2001 S 65 Zitiert nach Cornelia Essner Die Alchemie des Rassenbegriffs und die Nurnberger Gesetze In Jahrbuch fur Antisemitismusforschung 4 Frankfurt am Main 1995 ISBN 3 593 35282 6 S 201 Iris Wigger Schwarze Schmach in Historisches Lexikon Bayerns Deutschvolkische Blatter Nummer 21 vom 26 Mai 1921 S 82 zitiert nach Jung 2001 S 141 Blutschutzgesetz auf Wikisource Wolf Gruner Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Bd 1 Deutsches Reich 1933 1937 Munchen 2008 ISBN 978 3 486 58480 6 Dok 27 S 123 129 1 VO des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre 1935 RGBl I S 1334 f Knut Mellenthin Chronologie des Holocaust Alexandra Przyrembel Rassenschande Reinheitsmythos und Vernichtungslegitimation im Nationalsozialismus Gottingen 2003 ISBN 3 525 35188 7 S 499 Nach A Przyrembel Rassenschande ISBN 3 525 35188 7 S 499 gab es in Berlin 5 152 Ermittlungsverfahren die zu 694 Strafverfahren fuhrten hierzu Ingo Muller Furchtbare Juristen Munchen 1987 S 107 f ONB ALEX Deutsches Reichsgesetzblatt Teil I 1867 1945 Abgerufen am 20 Dezember 2020 A Przyrembel Rassenschande ISBN 3 525 35188 7 S 507 fuhrt fur Dusseldorf 7 Falle Schutzhaft und 2 Falle Konzentrationslager an Leseprobe hier Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rassenschande amp oldid 231672667