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Die Verordnung gegen Volksschadlinge gemeinhin als Volksschadlingsverordnung VVO bezeichnet wurde vier Tage nach Beginn des Zweiten Weltkriegs am 5 September 1939 erlassen und sollte der Justiz des nationalsozialistischen Deutschland ein wirksames Instrument zum Schutz der inneren Front zur Verfugung stellen Die einzelnen Tatbestande und Strafrahmen waren hierbei bewusst ausserst weit gefasst so dass auch fur sehr geringfugige Taten die Todesstrafe verhangt werden konnte BasisdatenTitel Verordnung gegen VolksschadlingeKurztitel VVOArt ReichsverordnungGeltungsbereich Deutsches ReichRechtsmaterie StrafrechtErlassen am 5 September 1939 RGBl I S 1679 Inkrafttreten am 5 September 1939Ausserkrafttreten 4 Februar 1946Kontrollratsgesetz Nr 11Weblink RGBl I S 1679Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten Neben der VVO wurden eine Reihe weiterer Kriegsverordnungen erlassen zum Beispiel die Verordnung uber ausserordentliche Rundfunkmassnahmen 1 September 1939 RGBl I S 1683 die Kriegswirtschaftsverordnung 4 September 1939 RGBl I S 1609ff die Verordnung zur Erganzung der Strafvorschriften zum Schutz der Wehrkraft des Deutschen Volkes 25 November 1939 RGBl I S 2319 und die Verordnung gegen Gewaltverbrecher 5 Dezember 1939 RGBl I S 2378 Die Kriegssonderstrafrechtsverordnung war schon im August 1938 ausgefertigt worden und mit Verkundung im Reichsgesetzblatt am 26 August 1939 in Kraft getreten Die einzelnen Straftatbestande der Volksschadlingsverordnung umfassten Plunderung im frei gemachten Gebiet 1 VVO Verbrechen bei Fliegergefahr 2 VVO und Gemeingefahrliche Verbrechen 3 VVO und konnten alle mit dem Tod bestraft werden Besondere Bedeutung kam 4 VVO Ausnutzung des Kriegszustandes als Strafscharfung zu Hierdurch konnte jede beliebige Straftat mit dem Tod bestraft werden wenn diese unter Ausnutzung der besonderen Verhaltnisse des Krieges begangen wurde Diese Konstruktion gab der Justizwillkur freie Hand In der Gerichtspraxis bestimmte sich die Strafe nur noch begrenzt anhand der jeweiligen Tat Mindestens genauso relevant fur die Strafzumessung waren die abschreckende Wirkung des Urteils und die Beurteilung der Taterpersonlichkeit Die juristische Begrundung hierfur war die Tatertypenlehre 1 deren Hauptanwendungsfeld in der Rechtspraxis die Volksschadlingsverordnung war Massgeblich fur eine Verurteilung aufgrund der Volksschadlingsverordnung war hiernach die richterliche Entscheidung daruber ob eine Person dem Typus des Volksschadlings entspricht Reichsgesetzblatt Verordnung gegen Volksschadlinge Vom 5 September 1939 Inhaltsverzeichnis 1 Anwendung in der Rechtsprechung 2 Die einzelnen Tatbestande 3 Unterzeichner 4 Aufhebung der Verordnung 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseAnwendung in der Rechtsprechung BearbeitenHelga Grabitz urteilt die VVO sei ein Gesetz zur Aushebelung des Reichsstrafgesetzbuches und genauso sei es auch vom Gesetzgeber gemeint gewesen 2 Die sehr weiten Ermessensspielraume der Volksschadlingsverordnung setzten voraus dass diese von der Rechtsprechung im Sinne der nationalsozialistischen Fuhrung ausgelegt wurden Zwar wurde eine amtliche Begrundung zur VVO nicht veroffentlicht jedoch hatten die Erlauterungen des Staatssekretars im Reichsjustizministerium Roland Freisler fur die Gerichte quasi offizielle Bedeutung 3 Unumstrittener Zweck der VVO war die Sicherung des nationalen Abwehrkampfes Dieser Zweck war massgeblich fur die Auslegung der VVO Aus der Uberschrift der Verordnung leitete das Reichsgericht ab dass zur Verwirklichung eines Tatbestandes der VVO der jeweilige Tater dem Tatertyp des Volksschadlings entsprechen musse Dessen Volksschadlings Eigenschaft konne sich aus der Art der Straftat oder aus einer Wurdigung der Personlichkeit des Taters ergeben besonders aus seinem Vorleben seinen Vorstrafen seiner verbrecherischen gemeinschaftsfeindlichen Gesinnung oder auch aus der Art und Weise wie er die Tat begangen oder aus den Umstanden unter denen er gehandelt hat 4 Die einzelnen Tatbestande Bearbeiten nbsp Stolperstein auf dem Salzburger Sudtiroler Platz fur Arcangelo Pesenti einen von den Nationalsozialisten zu Tode gebrachten Zwangsarbeiter Der im 1 erfasste Tatbestand der Plunderung war vergleichsweise prazise gefasst 1939 war freigemachtes Gebiet lediglich ein schmaler Streifen an der Westgrenze Als die Luftangriffe sich hauften wurde die Definition des Begriffs freiwillig geraumt ausgeweitet Wer aus zerstorten oder beschadigten Gebauden oder Raumen einen Gegenstand wegnahm hatte sich ungeachtet des Wertes der Plunderung schuldig gemacht Der Unterschied zwischen Diebstahl und Plunderung wurde verwischt der Tater aber zum gewissenlosen Schadling gestempelt und rucksichtslos aus dem Gemeinschaftsleben ausgerottet 5 Die meisten Verurteilungen aufgrund der Volksschadlingsverordnung beruhten auf 2 Verbrechen bei Fliegergefahr und 4 Ausnutzung des Kriegszustandes als Strafscharfung 6 Waren Verurteilungen nach 2 wegen Verbrechen bei Fliegergefahr zunachst noch selten so nahmen diese im Laufe der Kriegsentwicklung und der verstarkten alliierten Luftangriffe immer weiter zu Obwohl 2 nach dem Wortlaut nur Verbrechen gegen Leib Leben oder Eigentum erfasste wendete die Rechtsprechung ihn sehr viel weiter an etwa auch bei Notigungen oder Sittlichkeitsdelikten 7 Wenn dem Tater ein Eigentumsdelikt durch Verdunklung und unverschlossene Wohnungen leichter gelang und ihm dieses bewusst war dann hatte er unter Ausnutzung der zur Abwehr von Fliegergefahr getroffenen Massnahmen gehandelt und das Strafmerkmal erfullt 8 In 3 wurde die Brandstiftung oder ein sonstiges gemeingefahrliches Verbrechen mit der Todesstrafe bedroht sofern dadurch die Widerstandskraft des deutschen Volkes geschadigt wurde Es wurden damit weder konkrete Tatbestande aufgezahlt noch definiert was unter Schadigung der Widerstandskraft zu verstehen sei Wieder war den Richtern weiter Ermessenspielraum gegeben um Missliebige zu kriminalisieren Der 4 Ausnutzung des Kriegszustandes als Strafscharfung schliesslich war der allgemeine Auffangtatbestand des gesamten nationalsozialistischen Kriegsstrafrechts Jede beliebige Straftat konnte mit Zuchthaus oder Tod bestraft werden wenn diese unter Ausnutzung der durch den Kriegszustand verursachten aussergewohnlichen Verhaltnisse begangen wurde und wenn dies das gesunde Volksempfinden wegen der besonderen Verwerflichkeit der Straftat erfordere Da nach zeitgenossischer Auffassung beinahe samtliche Lebensbereiche durch den Totalen Krieg beeinflusst waren konnte beispielsweise die Beleidigung einer aufgrund des Kriegsdienstes ihres Ehemanns schutzlosen Frau eine Ausnutzung der Kriegsverhaltnisse darstellen 9 Unbegrenzt auslegungsfahig waren Begrifflichkeiten wie gesundes Volksempfinden und besondere Verwerflichkeit 5 enthielt eine prozessuale Vorschrift zur Beschleunigung des sondergerichtlichen Verfahrens Sofern der Tater auf frischer Tat betroffen ist oder sonst seine Schuld offen zutage liegt musste in einem Verfahren vor den Sondergerichten die Aburteilung sofort ohne Einhaltung von Fristen erfolgen Massgeblicher Zweck dieser Regelung war der Abschreckungsgedanke 10 Unterzeichner BearbeitenUnterzeichnet wurde die Verordnung vom Vorsitzenden des Ministerrates fur die Reichsverteidigung Hermann Goring vom Generalbevollmachtigten fur die Reichsverwaltung Innenminister Wilhelm Frick und dem Reichsminister und Chef der Reichskanzlei Hans Heinrich Lammers Veroffentlicht wurde die Verordnung im Reichsgesetzblatt Teil I 1939 vom 6 September 1939 Nr 168 Seite 1679 Aufhebung der Verordnung BearbeitenDie Verordnung wurde durch Kontrollratsgesetz Nr 11 betreffs Aufhebung einzelner Bestimmungen des deutschen Strafrechts vom 30 Januar 1946 mit Wirkung vom 4 Februar 1946 formlich aufgehoben Samtliche Verurteilungen welche auf der Volksschadlingsverordnung beruhten sind 1998 durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege NS AufhG Anlage Nr 32 wegen Verstosses gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit aufgehoben worden Literatur BearbeitenGerhard Werle Das Strafrecht als Waffe Die Verordnung gegen Volksschadlinge vom 5 September 1939 In Juristische Schulung JuS Band 29 Nr 12 1989 S 952 958 ISSN 0022 6939 Martin Hirsch Diemut Majer Jurgen Meinck Recht Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus Bund Koln 1984 S 456 ff mit Texten der genannten Vorschriften Rechtsprechungsbeispielen und Kommentierung ISBN 3 7663 0541 7 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Verordnung gegen Volksschadlinge vom 5 September 1939 Quellen und VolltexteEinzelnachweise Bearbeiten Uwe Wesel Geschichte des Rechts 2 Auflage 2001 S 493 Justizbehorde Hamburg Hrsg Von Gewohnheitsverbrechern Volksschadlingen und Asozialen Hamburg 1995 ISBN 3 87916 023 6 S 21 Gerhard Werle Strafrecht als Waffe Die Verordnung gegen Volksschadlinge vom 5 September 1939 JuS 1989 S 952 954 RGSt 74 321 322 Justizbehorde Hamburg Hrsg Von Gewohnheitverbrechern ISBN 3 87916 023 6 S 338 339 Gerhard Werle Strafrecht als Waffe Die Verordnung gegen Volksschadlinge vom 5 September 1939 JuS 1989 S 952 955 Z B in RGSt 74 375 Justizbehorde Hamburg Hrsg Von Gewohnheitverbrechern ISBN 3 87916 023 6 S 22 RGSt 76 381 Vgl Gerhard Werle Strafrecht als Waffe Die Verordnung gegen Volksschadlinge vom 5 September 1939 JuS 1989 S 952 954 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Verordnung gegen Volksschadlinge amp oldid 234983374