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Martin Hirsch 6 Januar 1913 in Breslau Provinz Schlesien 12 April 1992 in Berlin war ein deutscher Jurist und Politiker der SPD Er war Abgeordneter des Bayerischen Landtags und des Deutschen Bundestags Er amtierte von 1966 bis 1971 als stellvertretender Vorsitzender der SPD Bundestagsfraktion Danach wechselte er an das Bundesverfassungsgericht dessen Zweiten Senat er bis 1981 angehorte Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Kindheit und Studienzeit 1 2 Erste Berufstatigkeit und Kriegsdienst 1 3 Rechtsanwalt und SPD Lokalpolitiker in den Nachkriegsjahren 1 4 Abgeordneter im Bayerischen Landtag 1 5 Bundestagsabgeordneter und fuhrender Rechtspolitiker 1 6 Richter des Bundesverfassungsgerichts 1 6 1 Offentliche Auseinandersetzungen 1 7 Kritischer Beobachter im Ruhestand 2 Werke 3 Ehrungen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenKindheit und Studienzeit Bearbeiten Hirsch kam 1913 als altester Sohn von Bernhard Hirsch und dessen Frau Margarete Hirsch geborene Wullenweber in Breslau zur Welt Sein Vater dessen Vorfahren aus Danzig und Berlin stammten arbeitete als Architekt und Dozent der ortlichen Staatsbauschule Die Mutter deren Familie rheinlandischer und westfalischer Herkunft war gab als eine der ersten deutschen Lehrerinnen Unterricht an einer Schule 1 In seiner Heimatstadt besuchte Hirsch drei humanistische Gymnasien zunachst das Friedrichs dann das Elisabeth und schlussendlich das Johannesgymnasium wo er 1932 das Abitur ablegte Schon wahrend seiner Schulzeit engagierte er sich im Sozialistischen Schulerbund politisch In seiner Freizeit begeisterte er sich fur das Tennisspiel Mit der Mannschaft des Breslauer Tennis und Hockey Clubs gewann er 1931 die schlesische Juniorenmeisterschaft Fur seine Doppelpartnerin Marianne Gutmann Tochter eines judisch getauften Professors fur Nationalokonomie empfand er tiefe Zuneigung doch sie erwiderte seine Liebe nicht 2 Als er 1931 Kenntnis von antisemitischen Ausserungen des Jugendwartes seines Tennisvereins erhielt die Marianne Gutmann betrafen formulierte er einen Beschwerdebrief an den Club und erklarte zugleich seinen Austritt da er nichts mit Antisemiten gemein haben wollte Dies veranlasste den Verein zu einer Anzeige an den Schlesischen Tennisverband der wegen des als ungebuhrlich angesehenen Briefes ein Untersuchungsverfahren gegen Hirsch einleitete und ihn schliesslich fur die Dauer eines Jahres disqualifizierte Seine Beschwerden zum DTB blieben erfolglos 3 Ursprunglich wollte er Historiker werden 4 entschied sich dann aber fur ein Studium der Rechtswissenschaften das er in Breslau Innsbruck und Berlin absolvierte Als Student trat er in den Sozialistischen Hochschulbund ein In Vorbereitung auf das Examen besuchte er 1935 und 1936 juristische Lehrkurse in Berlin beim spateren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger 5 Von diesem behauptete Hirsch er sei ein Ersatz fur die Universitat gewesen und habe ihm die Juristerei beigebracht 6 Nach dem Bestehen der ersten juristischen Staatsprufung 1936 leistete er sein Referendariat am Amtsgericht Muskau im OLG Bezirk Breslau ab Im Jahre 1939 bestand er die zweite Staatsprufung beim Reichsjustizprufungsamt mit gut Erste Berufstatigkeit und Kriegsdienst Bearbeiten Otto Palandt damals Prasident des Justizprufungsamtes wollte ihn fur den Justizdienst gewinnen was Hirsch aufgrund seiner Erfahrungen im nationalsozialistischen Referendarslager Juterbog ablehnte 7 Nach dem Abschluss der juristischen Ausbildung arbeitete er stattdessen einige Monate als Anwaltsvertreter in Gorlitz Im April 1940 fand er eine Anstellung als Justitiar bei der Kontrollstelle Natronpapier und Papiersacke einem Kartell der Papierindustrie Im Februar 1941 wurde er zum Kriegsdienst einberufen Er diente bis 1945 in einem Panzerartillerieregiment an der Ostfront Eine Offizierslaufbahn lehnte er wegen seiner Gegnerschaft zum Nationalsozialismus ab Allerdings wurde er zum Unteroffizier befordert da seine Einheit einen Schreibstubenbullen benotigte und er als einziger einigermassen des Maschineschreibens machtig war 8 Kurz vor Kriegsende wurde ihm beinahe seine Freundschaft mit Alfons Malkowski einem uberzeugten Kommunisten zum Verhangnis Beide hatten sich in der Schreibstube kennengelernt als Malkowski der wegen seiner Verteidigertatigkeit fur Staatsfeinde in Berlin ins Visier der Gestapo geraten war dort mit einem Brief auftauchte der seine Verwendung an vorderster Front befahl Nach einem Vier Augen Gesprach in dem Malkowski Hirsch von den Hintergrunden erzahlte vernichtete dieser den Brief Daraus entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung die dazu fuhrte dass Hirsch bei Heimaturlauben auch ofter Malkowskis Frau Hilde von Stolz besuchte Als dieser jedoch desertierte geriet Hirsch in Verdacht von ihm in seine Plane eingeweiht worden zu sein und wurde verhaftet Er wurde aber wieder freigelassen und Malkowski gelangte schliesslich nach Berlin wo er als Anwalt praktizierte und Justitiar der Akademie der Wissenschaften der DDR wurde 9 Hirsch selbst befand sich zum Zeitpunkt der Kapitulation in Ungarn und geriet danach in amerikanische Kriegsgefangenschaft Rechtsanwalt und SPD Lokalpolitiker in den Nachkriegsjahren Bearbeiten Er wurde am 20 Mai 1945 aus der Gefangenschaft entlassen und erreichte zwei Tage spater Wunsiedel wohin es seine Familie verschlagen hatte Seine Frau Annemarie geborene Muller war am 4 April 1945 verstorben Noch im selben Jahr heiratete er Katharina Pikart 10 Mit seinen beiden Frauen hatte er funf Kinder Ebenfalls 1945 trat er in die bayerische SPD ein und arbeitete ab 1 Juli als Justitiar bei der Stadtverwaltung von Marktredwitz 11 Hier war er fur die Fluchtlingsbetreuung die Neuorganisation der Polizei die Versorgung der ehemaligen KZ Haftlinge sowie fur Kultur und Wohnungswesen zustandig Im November wurde er von der US Militarregierung zum Rechtsanwalt ernannt da Verteidiger in den Militargerichtsverhandlungen gebraucht wurden 12 Seine Praxis richtete er am Alexanderplatz ein Infolgedessen beendete er seine Tatigkeit fur die Stadt Marktredwitz zum Jahresende Von 1946 bis 1950 wirkte er zudem als Berufungshauptklager bei der Berufungskammer Hof im Rahmen der Entnazifizierung 13 Eine ganzlich andere berufliche Chance bot sich ihm daruber hinaus in Ostdeutschland Um sich zu revanchieren suchte Malkowski bei einem Aufenthalt Hirschs in Berlin mit ihm den stellvertretenden Kultusminister der DDR auf der ihm den Posten des Kurators der Humboldt Universitat zu Berlin anbot Nach reiflicher Uberlegung lehnte Hirsch ab 14 Von 1948 bis 1954 sass er fur die SPD im Stadtrat von Marktredwitz Als Anwalt verteidigte er in einigen spektakularen Prozessen darunter jene gegen den Gastwirt und den Polizeiwachtmeister Hiller im Synagogenschandungsfall und gegen den des Mordes Angeklagten Hans Burkert In letzterem Fall erreichte er ein Wiederaufnahmeverfahren in dem der zunachst zu 12 Jahren Haft Verurteilte freigesprochen wurde Im Anschluss sah er sich mit einem Ehrengerichtsverfahren bei der Anwaltskammer Bamberg konfrontiert da er in einem Brief an die Frankenpost Hof den Richtern Voreingenommenheit gegenuber Heimatvertriebenen zu denen Bunkert gehorte vorgeworfen hatte Die in einem privaten Gesprach mit Hirsch gemachten Bemerkungen stritt der betroffene Richter jedoch vor Gericht ab woraufhin Hirsch zu einer hohen Ehrengerichtsstrafe verurteilt wurde Dagegen erhob er Verfassungsbeschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof weil er die massgeblichen Vorschriften der Rechtsanwaltsordnung des Freistaats Bayern fur verfassungswidrig erachtete Er konnte einen Teilerfolg erringen da der Verfassungsgerichtshof zumindest jene Bestimmung fur verfassungswidrig erklarte wonach Mitglieder des Anwaltskammervorstandes zugleich Mitglieder der Ehrengerichte sein durften 15 Abgeordneter im Bayerischen Landtag Bearbeiten Im Jahre 1954 wurde Hirsch erstmals in den Bayerischen Landtag gewahlt Dank der starken Unterstutzung von Arno Behrisch wurde er als Direktkandidat aufgestellt 16 In seinem Stimmkreis der Wunsiedel Marktredwitz Rehau und Selb umfasste konnte er das Direktmandat erringen Die SPD bildete anschliessend zum zweiten Mal eine Viererkoalition mit der Bayernpartei der FDP und dem GB BHE Im Landtag sass er im Ausschuss fur Verfassungs und Rechtsfragen und zeitweise im Ausschuss fur Grenzlandfragen Zudem wurde er zum Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses zur Spielbankenaffare bestellt In der folgenden Legislaturperiode in der die SPD in die Opposition musste war er Mitglied des Ausschusses fur kulturpolitische Fragen Bundestagsabgeordneter und fuhrender Rechtspolitiker Bearbeiten Nach dem Austritt des Bundestagsabgeordneten Arno Behrisch aus der SPD wechselte Hirsch 1961 in die Bundespolitik Als direkt gewahlter Abgeordneter des Wahlkreises 226 Hof zog er bei der Bundestagswahl in den Bundestag ein Dieses Direktmandat konnte er bei den Bundestagswahlen 1965 und 1969 verteidigen Wahrend seiner Bundestagszeit gehorte er dem Rechtsausschuss an und stand dem Wiedergutmachungsausschuss vor Ab 1966 fuhrte er den stellvertretenden Vorsitz der SPD Fraktion 1968 leitete er den Untersuchungsausschuss zur Situation der deutschen Nachrichtendienste Dieser endete mit dem sogenannten Hirsch Bericht 17 Uberdies war er Vorsitzender der interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft Hirsch war innerhalb der SPD Mitglied zahlreicher Gremien Er sass im rechtspolitischen Ausschuss im rechtspolitischen Ausschuss des Parteivorstands und im Arbeitskreis Rechtswesen der Bundestagsfraktion Von 1968 bis 1970 gehorte er dem Parteivorstand an Zudem ubte er den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen in Bayern aus und war stellvertretender Vorsitzender des Unterbezirks Hof der SPD In seiner bundespolitischen Zeit erwarb sich Hirsch den Ruf eines pragmatischen Sozialdemokraten 18 und galt als einer der fuhrenden Rechtspolitiker seiner Partei 19 Er arbeitete an der Strafrechtsreform den Notstandsgesetzen und der Liberalisierung des Demonstrationsrechts mit Im Jahre 1968 zahlte er zu den Mitverfassern der Plane zur Einfuhrung einer Vorbeugehaft Dringend Verdachtige sollten schon dann inhaftiert werden konnen wenn fur die Zeit zwischen Tat und Prozess eine Wiederholung der Straftat zu befurchten war Dieser Vorschlag wurde aber unter der sozialliberalen Koalition nicht weiter verfolgt 20 Hirsch soll dadurch sogar seine Chance auf das Amt des Justizministers im Kabinett Brandt verspielt haben 21 Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Bundestag beteiligte er sich in der Eherechtskommission des Bundesjustizministeriums an den Diskussionen um die Reform des Ehescheidungsrechts Neben rechtspolitischen Fragen war er vor allem mit der Wiedergutmachung beschaftigt Noch als Oppositionspolitiker konnte er gegen den Willen der Bundesregierung eine Verbesserung des Wiedergutmachungsrechts erreichen Nach einem personlichen Gesprach mit dem gerade zuruckgetretenen Konrad Adenauer setzte dieser sich fur Hirschs Anliegen ein 22 In der Folgezeit kam es zu Novellierungen des Bundesruckerstattungsgesetzes des Gesetzes zur Wiedergutmachung im offentlichen Dienst und des Bundesentschadigungsgesetzes Seine parlamentarische Tatigkeit hinderte ihn nicht daran dem Anwaltsberuf nachzugehen Im August 1963 verlegte er seine Kanzlei von Marktredwitz nach Berlin Er vertrat den Bundestag auch in einer Angelegenheit vor dem Bundesverfassungsgericht Richter des Bundesverfassungsgerichts Bearbeiten Zusammen mit seinem Parlamentskollegen Ernst Benda wurde Hirsch am 11 November 1971 vom Wahlmannerausschuss des Bundestages zum Richter am Bundesverfassungsgericht gewahlt Er trat am 8 Dezember die Nachfolge von Gerhard Leibholz im Zweiten Senat an Als Berichterstatter war er dort insbesondere fur Parlaments Sozial Strafvollzugs und Wiedergutmachungsrecht zustandig So tragt das Urteil zum Erfordernis eines Strafvollzugsgesetzes seine Handschrift 23 das manchen als sein grosstes Verdienst gilt 24 und er auch selbst fur seine wichtigste Tat hielt 25 Noch als Abgeordneter hatte Martin Hirsch die Moglichkeit zur Abgabe von Sondervoten am Verfassungsgericht durchgesetzt 26 Nachdem er selbst das Richteramt ubernommen hatte entwickelte er sich zum fleissigsten Verfasser von abweichenden Meinungen 27 In insgesamt 22 Verfahren veroffentlichte er ein Sondervotum Dazu zahlen die Urteile zur Meinungsausserung in der Bundeswehr 28 zur Kriegsdienstverweigerung per Postkarte 29 zur Staatsangehorigkeit nach einer Ausburgerung in der NS Zeit 30 und zur Briefkontrolle in der Untersuchungshaft 31 Mit zunehmendem Alter wandte er sich immer mehr nach links 32 wahrend der Zweite Senat nach einer Neubesetzung im Jahre 1975 nach rechts ruckte Hirsch fuhlte sich daher bald isoliert 33 sechzehn seiner Sondervoten ergingen nach dem grossen Revirement auf der Richterbank Ursprunglich war er als Nachfolger des Vizeprasidenten Walter Seuffert vorgesehen und jahrelang ging man in Karlsruhe davon aus dass er diesen Posten nach dessen Ausscheiden 1975 ubernehmen werde 34 Letztendlich erkoren die Sozialdemokraten jedoch Bundesverwaltungsgerichtsprasident Wolfgang Zeidler fur dieses Amt aus der ein Studien und Nachkriegs SDS Freund von Helmut Schmidt war 35 Im Gegensatz dazu konnte der Kanzler Hirsch nicht leiden 36 denn zwischen beiden bestanden seit der Debatte um die Vorbeugehaft Meinungsverschiedenheiten 37 Auch seine fehlende richterliche Zuruckhaltung wird als Grund fur den Umschwenk der SPD vermutet 38 Fur seine eigene Nachfolge favorisierte Hirsch den Hamburger Senatsdirektor Claus Arndt wahrend sich andere fur Ernst Wolfgang Bockenforde starkmachten Durch die innerparteilichen Auseinandersetzungen in der SPD verzogerte sich die Wahl und das Bundesverfassungsgericht wurde schliesslich im Mai 1981 mit zweimonatiger Verspatung zur Einreichung eines Dreiervorschlags nach 7a BVerfGG aufgefordert Auf der Liste tauchte keiner der beiden zuvor gehandelten Kandidaten auf Die SPD die sich eigentlich schon auf Arndt geeinigt hatte liess die Wahl vertagen und entschied sich letztendlich fur Ernst Gottfried Mahrenholz Drittplatzierter auf der Vorschlagsliste 39 Hirsch der schon am 31 Januar 1981 das Ruhestandsalter erreicht hatte schied mit mehr als funfmonatiger Verspatung am 6 Juli 1981 aus dem Bundesverfassungsgericht aus In Bezug auf seine Nachfolgeregelung bemerkte er sie sei kein Ruhmesblatt fur den Deutschen Bundestag gewesen 40 Neben seiner Richtertatigkeit hatte er vom Wintersemester 1977 78 bis zum Wintersemester 1979 80 einen Lehrauftrag fur Verfassungsrecht an der Gesamthochschule Siegen 1980 ubernahm er zudem den Bundesvorsitz der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen was ihm seitens der Union den Vorwurf einbrachte er wurde sich als Verfassungsrichter in unangemessener Weise parteipolitisch engagieren 41 Diese Position bekleidete er bis 1986 Offentliche Auseinandersetzungen Bearbeiten Auch als Richter scheute Hirsch die offentliche Kontroverse nicht Drei Monate nach dem Urteil zum Radikalenerlass 42 dem er keine abweichende Meinung hinzugefugt hatte ausserte er sich dazu in einem Interview mit dem Spiegel und reichte seine Interpretation des Richterspruchs nach Wegen dieses Verhaltens wurde ihm von seinen Gegnern schlechter Stil vorgeworfen 43 Einige Zeit spater sah er sich deshalb sogar einem Befangenheitsantrag ausgesetzt Das Kultusministerium von Baden Wurttemberg lehnte Hirsch bei dem Verfahren in Sachen Fritz Gude ab weil dieser bei seiner Wurdigung des Radikalenerlasses im Allgemeinen und des Radikalenbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts im Besonderen juristisch festgelegt sei da er vorher schon des Ofteren in zu pointierter und engagierter Weise seine Meinung kundgetan habe Der Senat erkannte in seiner Entscheidung zwar ungewohnliche mit der gebotenen Zuruckhaltung schwer vertragliche personlich gefarbte wiederholte Eingriffe in die offentliche Diskussion um den sogenannten Radikalenbeschluss des BVerfG verneinte aber eine Besorgnis der Befangenheit da Hirsch fur die konkret zu entscheidende Rechtsfrage noch als ausreichend offen angesehen werden durfte 44 45 Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit geriet er noch einmal ins Schlaglicht In einem Zeitungsinterview ubte Hirsch heftige Kritik an der Nurnberger Massenverhaftung die er fur unverhaltnismassig hielt Er erkannte einen Zusammenhang zwischen staatlicher Gewaltausubung und Staatsverdrossenheit der Jugend 46 Wegen dieser Ausserungen beschwerte sich der bayerische Justizminister Karl Hillermeier beim Prasidenten des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda und verlangte von diesem eine Stellungnahme ob ein derartiges Verhalten mit der Stellung und den Amtspflichten eines Mitglieds des Bundesverfassungsgerichts vereinbar ist Eine entsprechende Reaktion Bendas blieb aus da die Richter keiner Dienstaufsicht durch den Prasidenten unterliegen 47 Kaum drei Wochen spater war es eine Entscheidung des Kammergerichts die Hirsch auf den Plan rief Dieses hatte eine Entscheidung des Landgerichts Berlin aufgehoben in welcher der 1933 im Reichstagsbrandprozess verurteilte Marinus van der Lubbe freigesprochen worden war Hirsch brachte seine Emporung offentlich zum Ausdruck und nannte es eine grosse Schande der deutschen Nachkriegsjustiz dass sie es nicht fertig gebracht hat einen einzigen der Morder in der Richterrobe zur Rechenschaft zu ziehen 48 In einem weiteren Interview im Mai 1981 tadelte er das Vorgehen der deutschen Staatsgewalt gegen Hausbesetzer Demonstranten und Parolenspruher als unverhaltnismassig und ubertrieben und begrundete die staatlichen Aktionen damit dass manche Leute offenbar die Nerven verlieren Erneut tat er dabei seine Missbilligung der Massenverhaftungen in Nurnberg kund Des Weiteren attackierte er Horst Kuhn den Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof wegen dessen scharfer Auslegung der Anti Terror Gesetze 49 Ihm warf er vor in den Haftbefehlen die er im Zusammenhang mit den Hungerstreiks terroristischer Gefangener unter Berufung auf 129a StGB erlassen hatte die Sprache des Volkischen Beobachters zu sprechen Diese Ausserung wurde von ihm spater zuruckgenommen 50 Das Interview sorgte fur heftige Aufregung energische Kritik kam etwa von Generalbundesanwalt Kurt Rebmann und Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann 51 In vielen Zeitschriften wurde ihm vorgehalten sich mehr als Politiker denn als Richter dargestellt zu haben 52 Ernst Benda meinte in seiner Verabschiedungsrede es konne sein dass Hirsch die Tatigkeit als Verfassungsrichter als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln verstanden habe 53 Kritischer Beobachter im Ruhestand Bearbeiten nbsp Grabstein auf dem St Annen Kirchhof in Berlin DahlemAuch im Ruhestand blieb Hirsch ein radikaldemokratischer Kritiker der Politik und war daher ein begehrter Interviewpartner 54 Er gehorte der Untersuchungskommission an die 1981 nach dem Tod des Hausbesetzers Klaus Jurgen Rattay eingesetzt wurde 55 Die Sitzblockadenentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5 Mai 1988 56 geisselte er als juristisch katastrophal schlecht und krasse Verletzung der Verfassung Um eine Prozesslawine in Gang zu setzen unterzeichnete er mit anderen Prominenten einen Aufruf zu einer Sitzdemonstration vor dem US Giftgaslager Fischbach 57 Dagegen verteidigte er die Richter des Landgerichts Frankfurt die 1989 einen Arzt freigesprochen hatten der wegen der Verwendung des Zitats Soldaten sind Morder angeklagt war und damit bei Teilen der Offentlichkeit fur Emporung gesorgt hatten 58 Nach der Wende pladierte er vehement fur einen fairen Prozess und das Recht auf rechtsstaatliche Verteidigung der ehemaligen DDR Machthaber 59 Noch zehn Tage vor seinem Tod bot er sich in der Offentlichkeit als Verteidiger Honeckers an da er die Kampagne gegen ihn emporend fand 60 Ebenso brachte er seine Ablehnung der Kronzeugenregelung zum Ausdruck 61 Die Universitat Bremen berief ihn 1983 zum Honorarprofessor 62 Ab 1987 wohnte er wieder in Berlin wo er noch bis 1991 als Rechtsanwalt praktizierte 1987 erlitt er zwei Herzinfarkte An Krebs erkrankt starb Hirsch 1992 im Alter von 79 Jahren Seine letzte Ruhestatte fand er auf dem St Annen Kirchhof in Berlin Dahlem Auf seinem Grabstein wird Rosa Luxemburg zitiert Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders denkenden Werke BearbeitenHirsch war Mitverfasser des Handbuches fur Wiedergutmachung und des Readers Recht Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus zusammen mit Diemut Majer und Jurgen Meinck Bund Koln 1984 ISBN 3 7663 0541 7 63 Er schrieb eine Reihe von Beitragen fur den Sozialdemokratischen Pressedienst und die Abendzeitung und veroffentlichte in juristischen Fachzeitschriften wie der Zeitschrift fur Rechtspolitik 64 Herausgeber Politik als Verbrechen 40 Jahre Nurnberger Prozesse VSA Hamburg 1986 ISBN 3 87975 375 X Ehrungen BearbeitenBayerischer Verdienstorden 1965 Bundesverdienstkreuz 1 Klasse 18 Juni 1968 65 Grosses Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband 6 Juli 1981 65 Bayerische Verfassungsmedaille 1991 Wilhelm Hoegner Preis 1991 Literatur Bearbeiten25 Jahre Bundesverfassungsgericht 1951 1976 Festakt aus Anlass des 25jahrigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts am 18 November 1976 Muller Heidelberg und Karlsruhe 1976 ISBN 3 8114 4976 1 S 52 Hans Jochen Vogel Helmut Simon Adalbert Podlech Hrsg Die Freiheit des Anderen Festschrift fur Martin Hirsch Nomos Verlagsgesellschaft Baden Baden 1981 ISBN 3 7890 0699 8 Hanno Kuhnert Freiheit vor Ordnung Martin Hirsch verfocht oft eine abweichende Meinung In DIE ZEIT Nr 29 vom 10 Juli 1981 S 49 online Hans Ernst Bottcher Fur Martin Hirsch 1913 1992 In Kritische Justiz 1992 S 241 245 online Internationales Biographisches Archiv 23 1992 vom 25 Mai 1992 Richard Ley Martin Hirsch In Neue Juristische Wochenschrift 1992 S 2008f Hans Lisken Martin Hirsch 1913 1992 In Mitteilungen der Humanistischen Union 1992 Nr 138 S 35 online Pressemeldung des Bundesverfassungsgerichts Nr 16 92 vom 11 April 1992 Theo Rasehorn Martin Hirsch ist tot In Betrifft Justiz 1992 S 300 Diemut Majer Freiheit ist immer die Freiheit des Anderen Rosa Luxemburg Martin Hirsch zum Gedachtnis In Demokratie und Recht 1993 S 111 117 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Martin Hirsch Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Biographische Angaben im Internetportal zur Geschichte des Bayerischen Parlaments sei 1891 des Hauses der Bayerischen GeschichteEinzelnachweise Bearbeiten Festschrift S 15 und 22 Festschrift S 19 Festschrift S 19 Ley S 2008 Internationales Biographisches Archiv Festschrift S 22 Kuhnert S 49 Kuhnert S 49 Majer S 112 Festschrift S 109 Festschrift S 109 Festschrift S 17 Laut Internationalem Biographischen Archiv hiess seine Frau Lotte Pikart Festschrift S 143 Festschrift S 143 Festschrift S 143 Festschrift S 109 Festschrift S 143 Festschrift S 185 Festschrift S 17 Ley S 2008 Pressemeldung des BVerfG Majer S 115 Anne Rohstock Von der Ordinarienuniversitat zur Revolutionszentrale Hochschulreform und Hochschulrevolte in Bayern und Hessen 1957 1976 Oldenbourg Wissenschaftsverlag Munchen 2010 ISBN 978 3 486 59399 0 S 220f Hans Schueler Strafe auf Verdacht In DIE ZEIT vom 17 Juli 1971 S 4 Festschrift S 207 BVerfG Beschluss vom 14 Marz 1972 Az 2 BvR 41 71 BVerfGE 33 1 Strafgefangene Majer S 114 Kuhnert S 49 Ley S 2008 Festschrift S 421 Ley S 2008 Eine vollstandige Ubersicht findet sich in der Festschrift S 599 An seiner Spitzenposition hat sich bis heute soweit aus den nachfolgenden Entscheidungssammlungen des Bundesverfassungsgerichts ersichtlich nichts geandert BVerfG Beschluss vom 2 Marz 1977 Az 2 BvR 1319 76 BVerfGE 44 197 Solidaritatsadresse BVerfG Urteil vom 13 April 1978 Az 2 BvF 1 2 4 5 77 BVerfGE 48 127 Wehrpflichtnovelle BVerfG Beschluss vom 15 April 1980 Az 2 BvR 842 77 BVerfGE 54 53 Ausburgerung II BVerfG Beschluss vom 5 Februar 1981 Az 2 BvR 646 80 BVerfGE 57 170 Leitsatz Memento des Originals vom 5 Oktober 2017 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www jurion de Rasehorn S 300 Kuhnert S 49 Rolf Lamprecht Richter contra Richter Abweichende Meinungen und ihre Bedeutung fur die Rechtskultur Nomos Verlag Baden Baden 1992 ISBN 3 7890 2599 2 S 188 Internationales Biographisches Archiv Bottcher S 243 Lamprecht S 188 Kuhnert S 49 Internationales Biographisches Archiv Henning Frank Die Mitwirkung des Bundesverfassungsgerichts an den Richterwahlen In Wolfgang Zeidler Theodor Maunz Gerd Roellecke Hrsg Festschrift Hans Joachim Faller Beck Verlag Munchen 1984 ISBN 3 406 09597 6 S 37 52 46f Oliver Lembcke Huter der Verfassung Eine institutionentheoretische Studie zur Autoritat des Bundesverfassungsgerichts Mohr Siebeck Tubingen 2007 ISBN 978 3 16 149157 3 S 244 Lembcke S 243 Internationales Biographisches Archiv BVerfG Beschluss vom 22 Mai 1975 Az 2 BvL 13 73 BVerfGE 39 334 Extremistenbeschluss Lamprecht S 175 und 180 Hans Jurgen Wipfelder Was darf ein Richter sagen Gedanken zum Verhaltnis des Richters zur Offentlichkeit am Beispiel des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Martin Hirsch In Zeitschrift fur Rechtspolitik 1982 S 121 123 S 122f BVerfG Beschluss vom 4 Oktober 1977 Az 2 BvR 80 77 BVerfGE 46 14 Lembcke S 243 Lembcke S 243 Majer S 115 Lembcke S 244 Lembcke S 244 Wipfelder S 121 Lembcke S 244 Wipfelder S 121 Lamprecht S 187 Internationales Biographisches Archiv Kuhnert S 49 Kommission will Tod bei Raumung in Berlin klaren In Frankfurter Rundschau vom 13 Oktober 1981 BGH Beschluss vom 5 Mai 1988 Az 1 StR 5 88 Volltext Memento des Originals vom 5 Oktober 2017 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www jurion de Hansjorg Reichert Hammer Politische Fernziele und Unrecht Ein Beitrag zur Lehre von der Strafrechtswidrigkeit unter besonderer Berucksichtigung der Verwerflichkeitsklausel des 240 Abs 2 StGB Duncker amp Humblot Berlin 1991 ISBN 3 428 07166 2 S 48 Mitteilungen Nr 128 Heft 4 1989 Humanistische Union abgerufen am 23 Februar 2017 Lisken S 35 Rasehorn S 300 Lisken S 35 BVerfG Pressemeldung Dagegen soll er laut Majer S 113 schon 1978 berufen worden sein Majer S 114 Festschrift S 595 598 a b BundesprasidialamtNormdaten Person GND 118551515 lobid OGND AKS LCCN n81050336 VIAF 40170250 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Hirsch MartinKURZBESCHREIBUNG deutscher Rechtsanwalt Politiker SPD MdL MdB und Richter des BundesverfassungsgerichtsGEBURTSDATUM 6 Januar 1913GEBURTSORT Breslau Provinz SchlesienSTERBEDATUM 12 April 1992STERBEORT Berlin Deutschland Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Martin Hirsch Politiker 1913 amp oldid 237789602